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Nutzen der homöopathischen Medizin in der Onkologie

<p class="article-intro">Die klassische Homöopathie ist eine medizinische Therapieform mit Einzelarzneien, welche am gesunden Menschen geprüft sind und in potenzierter Form nach dem Ähnlichkeitsprinzip verordnet werden.<sup>1</sup> In der Onkologie stellt die Homöopathie eine supportive Maßnahme zum bestehenden Therapiekonzept dar.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Allgemeines</h2> <p>Die Hom&ouml;opathie ist eine individuelle, arzneiliche Regulationstherapie, welche sich unter Ber&uuml;cksichtigung k&ouml;rperlicher, seelischer, geistiger, konstitutioneller, biografischer, sozialer und umweltbedingter Faktoren als Medizin der gesamten Person versteht. Daraus resultiert die untrennbare Einheit des Individuums, sodass einzelne pathologische &Auml;u&szlig;erungen fast immer im Konnex mit der Ganzheit des Menschen zu sehen sind. Der Zugang zur ganzheitlichen Erfassung des Patienten geschieht meistens &uuml;ber auffallende und pathologische Erscheinungen, die in der Hom&ouml;opathie als Symptome bezeichnet werden. Sie sind f&uuml;r jeden charakteristisch in ihrer Auspr&auml;gung und dienen damit der genauen Arzneimittelwahl. Erst im Einklang der Symptome mit einem Arzneimittel kann die Verordnung der passenden Arznei erfolgen.</p> <h2>Klinische Daten zur Wirksamkeit</h2> <p>In einer prospektiven Kohortenstudie von 2011 konnten eine Verbesserung der Lebensqualit&auml;t und eine Tendenz zur Reduktion von Fatigue bei Patienten mit einer zus&auml;tzlichen Hom&ouml;opathiebehandlung zur konventionellen Standardtherapie festgestellt werden. Aufgrund des Studiendesigns konnten die Autoren jedoch keinen kausalen Zusammenhang zwischen den positiven Effekten und der Hom&ouml;opathie feststellen.<sup>2</sup><br /> Eine andere, 2015 ver&ouml;ffentlichte, randomisierte, kontrollierte Studie untersuchte die Wirkung von Hom&ouml;opathie an 413 Patienten mit unterschiedlichen Tumorentit&auml;ten. Die Patienten wurden entweder der jeweiligen Standardtherapie oder der Standardtherapie mit einer zus&auml;tzlichen, auf jeden Patienten abgestimmten hom&ouml;opathischen Behandlung zugewiesen. Ziel der Studie war es, den Einfluss der Hom&ouml;opathie auf den allgemeinen Gesundheitsstatus und das pers&ouml;nliche Wohlbefinden zu untersuchen. Anhand von Frageb&ouml;gen konnte gezeigt werden, dass die Verbesserung des Allgemeinzustands in der Hom&ouml;opathiegruppe signifikant besser war als in der Gruppe, die nur die Standardtherapie erhielt (7,7; 95 % CI: 2,3&ndash;13,0; p=0,005). Auch das pers&ouml;nlichen Wohlbefinden war bei der Behandlung mit Hom&ouml;opathie signifikant besser (14,7; 95 % CI: 8,5&ndash;21,0; p=0,001).<sup>3</sup> Bei der Studie stellen allerdings das Fehlen einer Kontrollintervention und einer Verblindung ein Bias-Risiko dar.</p> <h2>Klinische Anwendung</h2> <p>Seit 20 Jahren werden an der Kinderonkologie des Klinikums Klagenfurt/W&ouml;rthersee die hom&ouml;opathischen Arzneien f&uuml;r die an Krebs erkrankten jungen Patienten ermittelt. Ein Hauptbeweggrund f&uuml;r die Installierung der hom&ouml;opathischen Behandlungsm&ouml;glichkeit ist die Tatsache, dass ca. 80 % aller onkologischen Patienten in irgendeiner Form &bdquo;alternative&ldquo; Behandlungsarten ausprobieren. Welche M&ouml;glichkeiten, aber vor allem &bdquo;Unm&ouml;glichkeiten&ldquo; angeboten werden, ist hinl&auml;nglich bekannt. Teilweise geben die Betroffenen sehr viel Geld aus, um Wunder zu erwarten, die dann doch nicht eintreffen. Daher ist es an dieser Abteilung das Ziel, die Hom&ouml;opathie in ihrer klassischen und nachvollziehbaren Form als sinnvolle Erg&auml;nzung in das Therapiekonzept der Kinderonkologie zu integrieren. Die Kosten werden direkt von der K&auml;rntner Kinderkrebshilfe &uuml;bernommen. Seit 20 Jahren bew&auml;hrt sich dieses Miteinander und es werden faktisch alle Kinder sowohl konventionell als auch hom&ouml;opathisch therapiert. Die Akzeptanz ist vorbildlich und es scheint aufgrund dieses dualen Therapieprinzips eine Reduktion an Analgetika, Antiemetika und Psychopharmaka eingetreten zu sein.</p> <h2>Behandlung von Nebenwirkungen</h2> <p>Akute Therapienebenwirkungen lassen sich mit Hom&ouml;opathika g&uuml;nstig beeinflussen. Ein h&auml;ufiges Problem stellt die chemotherapieinduzierte Stomatitis dar, die durch zus&auml;tzliche Gabe von Mercurius corrosivus C30, 2&ndash;3x t&auml;glich 5 Globuli, rascher abheilt. Der ausgepr&auml;gte Speichelfluss, der unangenehme foetor ex ore, eine allgemeine Schwei&szlig;neigung sowie die reizbare Stimmung sind f&uuml;r diese Arznei charakteristisch. Die Schw&auml;chezust&auml;nde lassen sich positiv durch China regia beeinflussen. Kommen eine gro&szlig;e &Auml;ngstlichkeit und ein intensives W&auml;rmeverlangen dazu, ist Acidum arsenicosum imstande, den Allgemeinzustand zu verbessern.<br /> Prim&auml;r jedoch ist das Erkennen des jeweiligen Konstitutionsmittels f&uuml;r die kleinen Patienten. Nach einer mindestens einst&uuml;ndigen Anamnese wird mittels Repertorisation (Nachschlagen in Symptomenverzeichnissen) und Analogisierung die &auml;hnlichste Arznei erarbeitet. Anschlie&szlig;end werden die patientencharakteristischen Symptome mit den bekannten Arzneibeschreibungen in Einklang gebracht, um so das &auml;hnlichste Konstitutionsmittel zu erfassen.</p> <h2>Patientenbericht</h2> <p>Die einst&uuml;ndige Anamnese mit dem 4-j&auml;hrigen Kilian findet 2006, eine Woche nach Beginn der onkologischen Therapie nach Standard-Schema, statt. Der normalgewichtige, eher blasse Knabe ist vor einem Monat in einem Krankenhaus wegen einer Pneumonie behandelt worden. Danach war er zehn Tage beschwerdefrei. Eine pl&ouml;tzliche, anfangs unerkl&auml;rbare Epistaxis f&uuml;hrte rasch zu einer station&auml;ren Abkl&auml;rung mit der Diagnose akute lymphatische Leuk&auml;mie (ALL).<br /> In der Familienanamnese fallen Krebserkrankungen bei Gro&szlig;vater, Tante und Gro&szlig;onkel auf. F&uuml;r seine Mutter war Kilian die erste geplante Schwangerschaft. Entwicklung und Verhalten des kleinen Patienten waren unauff&auml;llig bis auf schmerzhafte Zahnungen, wobei er ein gro&szlig;es Verlangen nach Fl&uuml;ssigkeiten ohne Kohlens&auml;ure zeigte. S&uuml;&szlig;igkeiten nimmt er selten zu sich.<br /> Die Mutter beschreibt ihn als sehr folgsam und pflichtbewusst sowie als vorsichtig im Umgang mit anderen Kindern und beim Erkunden von Neuem. Im Krankenhaus ist er bei den Abkl&auml;rungen erstaunlich kooperativ. Kilian sp&uuml;rt kaum Nebenwirkungen der Chemotherapie, au&szlig;er einem intensiven, l&auml;stigen Kratzen im Rachenbereich.<br /> In dieser Anamnese finden sich charakteristische Z&uuml;ge seiner Person. In diesem Alter ist es nicht selbstverst&auml;ndlich, dass ein Kind so pflichtbewusst ist und fast keine S&uuml;&szlig;igkeiten isst. Das belastende Kratzen im Rachenraum als Nebenwirkung der Chemotherapie ist ein weiteres ungew&ouml;hnliches Symptom. Schl&auml;gt man diese Zeichen im Repertorium nach, findet sich Phosphor an erster Stelle. Kinder, die als hom&ouml;opathische Arznei Phosphor ben&ouml;tigen, sind jedoch extrovertiert und begeisterungsf&auml;hig. Pflichtbewusstsein hingegen ist ein typisches Verhalten von Menschen, die Kalium in hom&ouml;opathischer Zubereitung ben&ouml;tigen. Daher ist bei genauerer Betrachtung Kalium phosphoricum die Arznei, die den Symptomen und dem Verhalten am ehesten entspricht. Kalium phosphoricum wird in einer C12 verschrieben, zweimal t&auml;glich f&uuml;nf Globuli, f&uuml;nfzehn Minuten vor dem Fr&uuml;hst&uuml;ck und Abendessen.<br /> Nach einiger Zeit treten Aphten in der Mundh&ouml;hle auf, die auf Mercurius corrosivus rasch sistieren. Nach 7 Wochen hat Kilian keine &Uuml;belkeit und kein Halskratzen, aber er wird aggressiv und ungeduldig, flucht, schreit und schl&auml;gt. Dieses Verhalten ist neu an Kilian und stellt im hom&ouml;opathischen Sinne ein auffallendes Symptom dar. Zorn und Wut im Rahmen von onkologischen Therapien sprechen &uuml;blicherweise schnell auf Nux vomica (Strychnos nux vomica &ndash; Brechnuss) an. Diese wird nun in einer C12 2x t&auml;glich verordnet.<br /> Eine Woche sp&auml;ter ist Kilian ist wie ausgewechselt, er ist nicht mehr aggressiv, f&uuml;hlt sich wohl. Der Stuhl ist o.B., er hat keine &Uuml;belkeit nach der Chemotherapie. Der Appetit ist besser, vor allem zu Hause. Er schl&auml;ft ruhig.<br /> Weitere 5 Wochen sp&auml;ter ist Kilian ausgeglichen und bei gutem Appetit. Er lacht viel und ist freundlich. Er spielt sogar mit mir, sonst spielt er auch gerne alleine. Kilian ist sehr aktiv, schl&auml;ft bestens, auch bei Vollmond, was ihm fr&uuml;her Probleme bereitet hat. Nux vomica wird abgesetzt. Nach wenigen Tagen wird er erneut aggressiv. Innerhalb von zwei Tagen nach Wiedereinsetzen von Nux vomica beruhigt er sich wieder.<br /> Nach insgesamt 8 Monaten ist die Therapie beendet. Nux vomica wird jeden zweiten Tag verabreicht, Kilian ist weiterhin ausgeglichen.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>In dieser Krankengeschichte sind die Wirkungen der hom&ouml;opathischen Arzneien gut zu erkennen. Innerhalb von ein bis zwei Tagen bilden sich Aphten unter Mercurius corrosivus zur&uuml;ck und das aggressive Verhalten wird durch Nux vomica rasch ver&auml;ndert. Wichtig ist die Verabreichung der Akutarzneien beim ersten Anzeichen von Nebenwirkungen. Gerade in der Onkologie entwickeln sich Probleme oft extrem schnell. Innerhalb von Stunden k&ouml;nnen sich massive Ver&auml;nderungen an Mund- und Rachenschleimhaut einstellen. Je fr&uuml;her eine Behandlung einsetzt, desto schneller kommt es zur Genesung. So verordne ich Mercurius corrosivus schon zu Beginn der Schleimhautprobleme, weil diese Arznei h&auml;ufig das Fortschreiten verhindert.<br /> Nach jeder Gabe von Nux vomica beruhigt Kilian sich. Dieses duale Therapieprinzip erm&ouml;glicht eine Verbesserung des Therapieregimes sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene und hat sich mittlerweile seit zwanzig Jahren an der Kinderonkologie bestens bew&auml;hrt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Swayne J: International Dictionary of Homeopathy. Edinburgh: Churchill Livingstone 2000 <strong>2</strong> Rostock M et al: Classical homeopathy in the treatment of cancer patients &ndash; a prospective observational study of two independent cohorts. BMC Cancer 2011; 11: 19, 2011 <strong>3</strong> Frass M et al: Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and subjective wellbeing in cancer patients &ndash; a pragmatic randomized controlled trial. Complement Ther Med 2015; 23(3): 309-17</p> </div> </p>
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