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„Nur wenn die Oligometastasierung erkannt wird, lässt sich die Chance auf Heilung nutzen“
Jatros
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12.07.2018
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<p class="article-intro">Prof. Dr. Matthias Guckenberger, Zürich, sprach am ELCC über die Rolle der Strahlentherapie im Management oligometastatischer Lungentumoren. Wie er in einem anschließenden Interview erläutert, gewinnt diese Therapieform gerade auch im Umfeld der neuen Immuntherapien zunehmend an Bedeutung.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Herr Professor Guckenberger, welche Evidenz liegt aktuell für die Strahlentherapie bei oligometastatischen Lungentumoren vor?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Bisher haben zwei kleinere prospektive, randomisierte Phase-II-Studien spezifisch den Stellenwert der Radiotherapie bei oligometastatischen Lungentumoren untersucht. In der ersten Studie erhielten über 90 Prozent der Patienten eine Strahlentherapie zur Behandlung des Primärtumors oder der Metastasen. Bei der Mehrheit der Patienten stellte dies die alleinige Therapieform dar, eine Minderheit erhielt eine Kombination aus Strahlentherapie und Chirurgie. Die Studie war schließlich positiv, das progressionsfreie Überleben verlängerte sich durch die lokale Behandlung um den Faktor 3. In der zweiten Studie wurde der Effekt einer alleinigen stereotaktischen Bestrahlung untersucht, es war keine Chirurgie oder konventionelle Bestrahlung erlaubt. Auch diese war hoch positiv.</p> <p><strong>Wo liegen die Vorteile einer Strahlentherapie?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Es müssen meist ja mehrere Tumorherde, oft in unterschiedlichen Organen, behandelt werden. Dies lässt sich mit der Strahlentherapie in einer Behandlung, ohne Zweihöhleneingriff, durchführen. Es muss aber betont werden, dass die Patienten durch die Strahlentherapie allein nicht geheilt werden. Es braucht eine zusätzliche, wirksame Systemtherapie. Eine Strahlentherapie lässt sich aber gut damit kombinieren. Das ist ein weiterer Vorteil. Mit dem kombinierten Ansatz erreichen wir etwa bei 25 % der Patienten eine langfristige, über mehrere Jahre anhaltende Erkrankungskontrolle oder sogar Heilung.</p> <p><strong>Wie sieht es mit der Verträglichkeit aus?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Sind die Herde nicht zu groß, ist die Verträglichkeit exzellent. In den beiden erwähnten Studien traten keine höhergradigen Toxizitäten auf. Selbst bei größeren Tumoren ist die Strahlentherapie aber eine sichere Wahl.</p> <p><strong>Welche Faktoren entscheiden darüber, ob eine Bestrahlung zum Zug kommt oder nicht?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Einer der entscheidenden Faktoren ist die Lokalisation der Metastasen. Haben wir es mit einer für die Strahlentherapie schlecht zugänglichen Lokalisation zu tun oder wird Tumorgewebe für eine Histologie benötigt, dann ist eine Chirurgie angezeigt. Eine entscheidende Voraussetzung ist, dass die Situation der Oligometastasierung überhaupt erkannt wird. Gemäß Literatur haben bis zur Hälfte der Patienten mit einem metastasierten Lungenkarzinom zu Beginn eine oligometastatische Erkrankung. Diese Patienten muss man finden. Gemäß aktuellen Daten kann man bis zu einem Viertel von ihnen mit dem kombinierten Ansatz eine Chance auf Heilung und nicht nur eine Verlangsamung des Verlaufs, wie mit einer alleinigen Chemo- oder Systemtherapie, bieten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.</p> <p><strong>Welchen Stellenwert hat die Radiotherapie Ihrer Meinung nach im Umfeld der neuen immunonkologischen Behandlungen?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Der Stellenwert der Radiotherapie verändert sich rapide, und dies in eine Richtung, die dieser Therapieform sehr viele Möglichkeiten bietet. Wir wissen heute, dass die Strahlentherapie zu einer Freisetzung von Antigenen aus den Tumorzellen und zu einer Veränderung des Mikromilieus um den Tumor herum führt. Der Tumor wird immunogen, einige bezeichnen dies gar als eine In-situ-Vakzinierung. Das heißt, ein aktiver Tumor wird in eine inaktivierte Vakzine verwandelt. Im Moment wird in vielen Studien untersucht, ob der Effekt einer Systemtherapie – im Speziellen einer Immuntherapie – durch eine stereotaktische Strahlentherapie verstärkt werden kann. Das heißt, für die Strahlentherapie ist dies eine große Chance, nicht nur als Lokaltherapie zu wirken, sondern durch den lokalen Effekt die Wirksamkeit einer systemischen Therapie, der Immuntherapie, zu verstärken.</p> <p><strong>Wie sieht es mit Veränderungen oder neuen Entwicklungen im Bereich der Strahlentherapie aus?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Die Strahlentherapie ist durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung charakterisiert. In den hundert Jahren, in denen es diese Therapieform gibt, haben wir von den technologischen Fortschritten in den Computerwissenschaften, dem Engineering und der Bildgebung enorm profitiert. Die Strahlentherapie ist präziser, fokussierter und zudem wesentlich besser verträglich geworden. Allerdings wissen wir aktuell noch nicht so genau, wie wir Strahlen am besten mit einer Immuntherapie kombinieren sollten. Bei uns an der Klinik untersuchen wir daher auch, welche Strukturen wir vor einer Bestrahlung schützen müssen, wenn wir mit unserer Therapie eine Immunantwort auslösen wollen. Das können ganz andere Strukturen sein als bisher, so zum Beispiel das Blut- oder Lymphsystem, das ja sonst gegenüber einer Bestrahlung sehr wenig empfindlich ist. Vermutlich müssen wir die Bestrahlung also an die neuen Herausforderungen adaptieren oder umstellen.</p> <p><strong><em>Vielen Dank für das Gespräch!</em></strong></p></p>
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