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Resezierbares nichtkleinzelliges Lungenkarzinom

NSCLC: Braucht es neben der neoadjuvanten auch die adjuvante Immuntherapie?

Zwei renommierte Lungentumorexperten erläuterten im Rahmen einer Debatte am fünften International Lung Cancer Summit ihre Ansicht dazu, ob es beim resezierbaren nichtkleinzelligen Lungenkarzinom neben einer neoadjuvanten auch eine adjuvante Immuntherapie braucht. Auf die Ausführungen der beiden Herren, untermauert durch die entsprechende Evidenz, folgte eine elektronische Abstimmung durch das Publikum. Der Sieger stand eindeutig fest.

Für mich ist weniger eindeutig mehr», eröffnete Antonio Passaro, MD, PhD, Instituto Europeo di Oncologia, Mailand (Italien), die Debatte und sprach sich damit für die alleinige neoadjuvante Immuntherapie (IO) beim resezierbaren nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) aus. Wie er weiter erläuterte, basierten seine nachfolgenden Ausführungen weitestgehend auf der Phase-III-Studie CheckMate 816, die bei 358 Personen mit resezierbarem NSCLC (Stadium IB–IIIA) den neoadjuvanten Einsatz von Nivolumab in Kombination mit einer platinbasierten Chemotherapie im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie untersucht hatte.1 Passaro betonte, dass neben dem ereignisfreien Überleben (EFS) auch die Rate des vollständigen pathologischen Ansprechens («pathological complete response», pCR) als primärer Endpunkt der Studie definiert worden war.

Besseres Outcome mit neoadjuvanter Chemoimmuntherapie

Die neoadjuvante Chemoimmuntherapie bewirkte im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie schliesslich eine signifikante Verlängerung des EFS (31,6 vs. 20,8 Monate; HR: 0,63; 97,38% CI: 0,43–0,91; p=0,005).1 Die 2-Jahres-EFS-Rate betrug 63,8% unter Nivolumab plus Chemotherapie gegenüber 45,3% unter alleiniger Chemotherapie. «Das Interessanteste aber ist, dass der Vorteil der Chemoimmuntherapie in allen Subgruppen erhalten blieb und sich insbesondere als unabhängig von Ausmass der PD-L1-Expression erwies», betonte Passaro. Unter Nivolumab plus Chemotherapie erreichte zudem ein signifikant höherer Anteil der Studienteilnehmenden eine pCR (24% vs. 2,2%; Odds-Ratio: 13,94; 99% CI: 3,49–55,75; p<0,001). «Die Studie zeigte, dass Patient:innen mit einem vollständigen pathologischen Ansprechen ein längeres ereignisfreies Überleben aufwiesen als solche ohne», sagte er und hielt zum Schluss fest, dass mit der Chemoimmuntherapie ein sehr aktives Regime für eine neoadjuvante Therapie zur Verfügung steht.

Adjuvante IO: notwendig und entscheidend

Thomas Newsom-Davis, BSc, MBBS, PhD, FRCP, Chelsea and Westminster Hospital, London (UK), präsentierte in seinem Vortrag sechs Argumente dazu, dass der Einsatz einer adjuvanten IO nicht nur notwendig, sondern auch entscheidend ist. Sein erstes Argument besagte, dass die meisten Patient:innen keine pCR oder «major pathologic response» (MPR) erreichten. Er belegte dies anhand der Daten aus verschiedenen Studien, nicht zuletzt auch aus der von seinem Kontrahenten zitierten Studie CheckMate-816.1 «Wir müssen hier besser werden, denn wir wissen – wie auch schon Dr. Passaro gezeigt hat –, dass das Ansprechen entscheidend für das Outcome der Behandlung ist», sagte er. Sein zweites Argument: Drei bis vier Zyklen einer neoadjuvanten Chemoimmuntherapie sind nicht genug. «Der Ansatz der drei bis vier Zyklen einer neoadjuvanten Chemo- oder Chemoimmuntherapie basiert nicht auf Evidenz und ist veraltet», erläuterte er. Als drittes Argument führte Newsom-Davis anhand der Resultate der Studie IMpower010 an, dass eine an die Tumorresektion anschliessende adjuvante IO das Gesamtüberleben (OS) signifikant verlängern kann.2 «Wir wissen also, dass die adjuvante Therapie Menschen heilt. Weshalb sollten wir also, nur weil wir eine neoadjuvante Behandlung eingesetzt haben, darauf verzichten?», fragte er in die Runde.

Sein viertes Argument basierte auf den am diesjährigen Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellten Resultaten der Studie KEYNOTE-671 zum perioperativen Einsatz von Pembrolizumab.3 «Diese Studie hat als erste gezeigt, dass beides gemeinsam – neoadjuvante und adjuvante Immuntherapie – das Gesamtüberleben signifikant verlängert.» Und da eine intensivere Behandlung auch zu mehr Nebenwirkungen führen kann, griff Newsom-Davis als nächstes Argument für eine adjuvante IO auch dieses Thema auf. «In der Studie CheckMate 77T konnte beobachtet werden, dass der Grossteil der behandlungsassoziierten Nebenwirkungen aller Grade sowie vom Grad 3 und 4 in der Phase der neoadjuvanten Behandlung auftrat. Bei den 49 Patient:innen, welche schliesslich die adjuvante Therapie abbrachen, geschah dies lediglich in 12% der Fälle aufgrund von Toxizitäten», schilderte er und ging im letzten Punkt in seiner Argumentation noch auf die Kostenfrage ein. «Durch den neoadjuvanten und adjuvanten Einsatz einer Immuntherapie lassen sich in den späteren Therapielinien Kosten einsparen», fand er und untermauerte dies durch Daten aus KEYNOTE-671. Sie zeigten, dass teure Immuntherapien beim Voranschreiten der Erkrankung seltener eingesetzt wurden. «Geben wir also am Anfang mehr aus, so können wir später sparen», so der Referent. Getreu dem Motto «Das Beste kommt zum Schluss» lieferte Newsom-Davis noch ein zusätzliches Argument, indem er die HR zum EFS der Patient:innen ohne pCR aus den Studien CheckMate 816 (nur neoadjuvant, HR: 0,84) und CheckMate 77T (neoadjuvant plus adjuvant, HR: 0,63) präsentierte.1,4 «Wir sehen hier also sogar bei Studienteilnehmenden ohne pCR eine Aktivität, ich würde sagen, wir sehen sogar mehr Aktivität, und dies dank des Einsatzes einer adjuvanten Therapie», schloss er seine Ausführungen.

And the winner was …

Nach den beiden Präsentationen und der anschliessenden Diskussion im Plenum konnten die Zuhörenden elektronisch ihre Stimme für einen der beiden Standpunkte abgeben. Mit über 80% der Stimmen ging Dr. Newsom-Davis mit seiner Meinung, dass die adjuvante Immuntherapie einen notwendigen und entscheidenden Therapiebestandteil darstellt, als eindeutiger Sieger aus der Debatte hervor.

5th International Lung Cancer Summit, 10. November 2023, Lausanne und online

1 Forde PM et al.: Neoadjuvant nivolumab plus chemotherapy in resectable lung cancer. N Engl J Med 2022; 386: 1973-85 2 Felip E et al.: Overall survival with adjuvant atezolizumab after chemotherapy in resected stage II-IIIA non-small-cell lung cancer (IMpower010): a randomised, multicentre, open-label, phase III trial. Ann Oncol 2023; 34: 907-19 3 Spicer JD et al.: Overall survival in the KEYNOTE-671 study of perioperative pembrolizumab for early-stage non-small-cell lung cancer. Ann Oncol 2023; 34: S1297-8 4 Cascone T et al.: CheckMate 77T: Phase III study comparing neoadjuvant nivolumab plus chemotherapy vs neoadjuvant placebo plus chemo followed by surgery and adjuvant NIVO or placebo for previously untreated, resectable stage II–IIIb NSCLC. Ann Oncol 2023; 34: S1295

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