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Neueste Entwicklungen im Bereich der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Hildegard Greinix
LKH-Universitätsklinikum Graz<br> Klinische Abteilung für Hämatologie<br> E-Mail: hildegard.greinix@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
04.04.2019
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<p class="article-intro">Die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) stellt eine kurative Therapie für viele Patienten mit hämatologischen Erkrankungen dar. Durch die zunehmende Verwendung von haploidenten Spendern mit der Gabe von Posttransplantations- Cyclophosphamid (CY) steht fast für jeden Patienten, der eine HSZT benötigt, ein passender Spender zur Verfügung. Die Ergebnisse der allogenen HSZT und die Überlebensraten der Patienten haben sich seit den 90er-Jahren signifikant verbessert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die intensive Konditionierung verbessert das Leukämie-freie Überleben von Patienten nach allogener HSZT.</li> <li>Jüngere Stammzellspender sind auch für die haploidente HSZT zu bevorzugen.</li> <li>Die Überlebensraten nach allogener HSZT haben sich in den vergangenen Jahren signifikant verbessert.</li> </ul> </div> <h2>Einleitung</h2> <p>Jährlich werden in Europa über 40 000 hämatopoetische Stammzelltransplantationen durchgeführt, wobei 42 % auf allogene und 58 % auf autologe HSZT entfallen.<sup>1</sup> Zu den Hauptindikationen der allogenen HSZT zählen die akute myeloische Leukämie (AML; 38 % ), myelodysplastische Syndrome (MDS)/myeloproliferative Erkrankungen (MPN; 11 % ) und die akute lymphatische Leukämie (ALL; 16 % ). Bei Knochenmarkversagen, AML und MPN nahm die Anzahl der allogenen HSZT über die vergangenen Jahre stetig zu, bei MDS blieben die Zahlen stabil. Bei Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) nahm die Anzahl an allogenen HSZT zu, bei Morbus Hodgkin und Myelomen jedoch ab. Die Hauptindikationen für die allogene HSZT in Österreich sind in Abbildung 1 dargestellt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1902_Weblinks_jatros_onko_1902_s27_abb1_greinix.jpg" alt="" width="550" height="353" /></p> <h2>Haploidente HSZT mit Posttransplantations-CY</h2> <p>In den vergangenen Jahren wurden zunehmend häufiger HSZT mit haploidenten Spendern anstelle von nicht verwandten Spendern durchgeführt. Dies war 2017 in Österreich schon bei 7 % aller HSZT der Fall (Abb. 2). Durch die Verwendung von unsepariertem Knochenmark bzw. Blutstammzellen und die Gabe von hoch dosiertem Cyclophosphamid an den Tagen 3 und 4 nach HSZT und vor Beginn der Immunsuppression mit einem Calcineurin- Inhibitor und Mycophenolat-Mofetil wurde die haploidente HSZT eine sichere und wirksame Therapieoption für alle Patienten mit fehlendem HLA-identem Spender.<sup>2</sup> Da CY präferenziell aktivierte alloreaktive T-Lymphozyten eliminiert, sind die Raten an akuter und chronischer Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) niedrig und es erfolgt eine raschere immunologische Regeneration nach HSZT. Virusspezifische zytotoxische Lymphozyten werden durch CY nicht beeinträchtigt, sodass auch die Raten an Virusreaktivierungen und Virusinfektionen nach haploidenter HSZT mit Posttransplantations-CY sehr gering sind.<br /> Die Intensität der Konditionierung ist auch bei der haploidenten HSZT für die Ergebnisse von entscheidender Bedeutung. Nach myeloablativer Konditionierung mit Fludarabin und fraktionierter Ganzkörperbestrahlung („fractionated total body irradiation“, fTBI) von 12 Gy wurden kürzlich 3-Jahres-Überlebensraten von 66 % mit niedriger Non-Relapse- Mortalität (NRM) von 12 % und einem Rezidivrisiko von 21 % bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien nach haploidenter HSZT berichtet.<sup>3</sup> Das krankheitsfreie Überleben („disease-free survival“, DFS) war in einer retrospektiven Analyse von 1325 Patienten (818 AML, 286 ALL, 221 MDS) bei unter 54-Jährigen signifikant (p=0,007) besser, wenn sie im Rahmen der haploidenten HSZT eine myeloablative Konditionierung erhielten, während bei älteren Patienten kein signifikanter Unterschied zwischen myeloablativer und dosisreduzierter Konditionierung in Hinblick auf das DFS gesehen wurde.<sup>4</sup> Die myeloablative Konditionierung bestand zum überwiegenden Teil aus Fludarabin und fTBI (33 % ) bzw. Busulfan, CY und Fludarabin (36 % ). Als dosisreduzierte Konditionierung wurde bei 84 % der Patienten Fludarabin, CY und TBI von 2 Gy angewandt.<br /> Die Akute Leukemia Working Party der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) analysierte 1804 Patienten mit AML, die einer haploidenten HSZT zwischen 2005 und 2017 unterzogen wurden, und erstellte ein Prädiktionsmodell für das Leukämie-freie Überleben („leukemia-free survival“, LFS).<sup>5</sup> Dabei stellten sich die Parameter Erkrankungsstadium vor HSZT, GvHD-Prophylaxe, Zeitraum von der Diagnose bis zur HSZT und Alter als die wesentlichsten heraus und das LFS lag in den vier definierten Gruppen zwischen 25 % und 60 % nach 2 Jahren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1902_Weblinks_jatros_onko_1902_s28_abb2_greinix.jpg" alt="" width="550" height="438" /></p> <h2>Relevanz des Spenderalters bei haploidenter HSZT</h2> <p>Weiters konnte gezeigt werden, dass über 40 Jahre alte Patienten eine höhere NRM (HR: 1,86; p=0,007), ein schlechteres LFS (HR: 1,59; p=0,007) und Gesamtüberleben (HR: 1,74; p=0,002) mit einem mehr als 40 Jahre alten haploidenten Spender verglichen mit einem jüngeren Spender hatten.<sup>6</sup> Für jüngere Patienten hatte das Spenderalter keinen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse der haploidenten HSZT. Solh und Kollegen verglichen 313 Patienten mit mehr als 35 Jahre alten Spendern (222 HLA-idente Geschwister, 91 nicht verwandt) mit 93 haploidenten HSZT mit unter 35-jährigen Spendern und fanden bei gleichen Überlebensraten signifikant weniger Rezidive (p=0,048) und ein verbessertes DFS (p=0,042) nach haploidenter verglichen mit HSZT mit einem nicht verwandten Spender.<sup>7</sup> Die Autoren stellten basierend auf diesen Ergebnissen die provokante Frage, ob ein junger haploidenter Spender einem älteren HLA-identen Spender vorzuziehen sei. Um diese Frage valide beantworten zu können, sind sicherlich noch mehr Daten erforderlich.</p> <h2>Allogene HSZT bei Lymphomen</h2> <p>Das Center for International Blood and Marrow Transplant Research (CIBMTR) verglich Transplantationsergebnisse nach dosisreduzierter Konditionierung bei Patienten mit NHL, die entweder 65 Jahre und älter waren (n=446) oder 55 bis 64 Jahre alt waren (n=1183) und zwischen 2008 und 2015 in den USA transplantiert wurden.<sup>8</sup> Die 4-Jahres NRM („nonrelapse mortality“), das Rezidivrisiko, progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben der jüngeren und älteren Patientengruppen waren 24 % vs. 30 % (p=0,03), 41 % vs. 42 % (p=0,82), 37 % vs. 31 % (p=0,03) und 51 % vs. 46 % (p=0,07). In der multivariaten Analyse hatte die ältere Patientenkohorte eine signifikant erhöhte NRM, ansonsten jedoch verglichen mit der jüngeren Patientenkohorte die gleich guten Transplantationsergebnisse. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass das Alter allein nicht ausschlaggebend für die Eignung für eine allogene HSZT sein sollte.<br /> Die EBMT Chronic Malignancies und Lymphoma Working Party analysierte die Ergebnisse der allogenen HSZT bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL; n=48) oder Mantelzelllymphom (MZL; n=22), die mit Ibrutinib vortherapiert waren und zu 73 % aus Ibrutinib-Respondern bestanden.<sup>9</sup> Als Spender fungierten HLA-idente Geschwister oder HLA-idente bzw. nicht idente nicht verwandte Individuen. In der CLLKohorte waren 1-Jahres-NRM, Rezidivinzidenz, PFS und Gesamtüberleben 10 % , 30 % , 60 % und 72 % und in der MZLGruppe 5 % , 19 % , 76 % und 86 % . Prätransplantationsversagen auf Ibrutinib und reduzierter klinischer Allgemeinzustand waren prädiktiv für schlechtere Transplantationsergebnisse in der CLL-Gruppe. Die guten Ergebnisse in der MZL-Kohorte sind sehr erfolgversprechend und unterstützen die Durchführung einer konsolidierenden allogenen HSZT nach Therapie mit Ibrutinib.</p> <h2>Verbessertes Überleben nach allogener HSZT im Zeitverlauf</h2> <p>In einer großen retrospektiven Analyse der EBMT-Datenbank mit 126 838 Patienten, die zwischen 1990 und 2015 transplantiert wurden, zeigte sich eine signifikante (p<0,001) Reduktion der akuten GvHD Grad II–IV von 40 % in den Jahren 1990 bis 1995 auf 28 % in den Jahren 2011 bis 2015.<sup>10</sup> In der multivariaten Analyse waren Transplantationen mit einem nicht verwandten Spender (HR: 1,56), HSZT nicht in kompletter Remission der Grunderkrankung (HR: 1,25) oder bei unbehandelter Erkrankung (HR: 1,22) und weibliche Spender für männliche Patienten (HR: 1,13) mit einem signifikant höheren Risiko für eine akute GvHD Grad II–IV assoziiert, während dosisreduzierte Konditionierungen (HR: 0,84), die Verwendung von Blutstammzellen (HR: 0,95) und die Gabe von Antithymozytenglobulin (ATG) (HR: 0,78) oder Alemtuzumab (Campath<sup>®</sup>) (HR: 0,58) mit einer signifikant niedrigeren Inzidenz assoziiert waren. Im Zeitverlauf verbesserte sich das 3-Jahres-Überleben signifikant (p<0,001) von 49 % in den Jahren 1990 bis 1995 auf 54 % in den Jahren 2011 bis 2015. Auch nahm die 3-Jahres-NRM signifikant von 33 % auf 23 % ab.<br /> Somit kann festgehalten werden, dass die allogene HSZT verglichen mit den 90er-Jahren nunmehr sicherer durchgeführt werden kann und sich damit die Transplantationsergebnisse und Überlebensraten der Patienten signifikant verbessert haben. Gründe dafür sind Verbesserungen in der Spendertypisierung und damit Spenderauswahl, supportive Therapie, GvHD-Prophylaxe und -Diagnostik und Konditionierungstherapie, wodurch ältere Patienten oder welche mit vermehrten Komorbiditäten eine dosisreduzierte Vortherapie erhalten können. Wesentlich für dieses Vorgehen sind jedoch die sorgfältige Durchuntersuchung von Patienten vor HSZT und die Berechnung des Transplantations- Komorbiditätenindex, der einen signifikanten Prädiktor für NRM darstellt.<sup>11</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Passweg JR et al.: Bone Marrow Transplant 2018; 53: 1139 <strong>2</strong> Luznik L et al.: Biol Blood Marrow Transplant 2008; 14: 641 <strong>3</strong> Solomon SR et al.: Blood 2018; 132: 3368 <strong>4</strong> Solomon SR et al.: Blood 2018; 132: 1015 <strong>5</strong> Shouval R et al.: Blood 2018; 132: 485 <strong>6</strong> Canaani J et al.: Am J Hematol 2018; 93: 246 <strong>7</strong> Solh MM et al.: Blood 2017; 130: 4604 <strong>8</strong> Shah NN et al.: Blood Adv 2018; 2: 933-40 <strong>9</strong> Dreger P et al.: Bone Marrow Transplant 2019; 54: 44 <strong>10</strong> Greinix HT et al.: Blood 2018; 132: 2120 11 Sorror ML et al.: Blood 2007; 110: 4606</p>
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