
Neues zu aggressiven Lymphomen: Antikörper und zellbasierte Therapien
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Clemens A. Schmitt
Vorstand der Universitätsklinik für Hämatologie und Internistische Onkologie
Kepler Universitätsklinikum, Linz
Auch beim aktuellen Kongress der American Society of Hematology (ASH), 10.–13. Dezember 2022 in New Orleans, standen bei den aggressiven Lymphomen wieder immunonkologische Antikörper undzellbasierte Therapieansätze ganz im Vordergrund.
Keypoints
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POLARIX (Phase-III-StudiePolatuzumab-R-CHP vs. R-CHOP 1L DLBCL): Der Vorteil im PFS über nunmehr 3 Jahre konsolidiert sich bei 7,7% zugunsten des Polatuzumab-Arms, jedoch weiter ohne erkennbaren OS-Vorteil.
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CAR-T-Zellen können den (bzgl. Standardtherapien) auftretenden Nachteil ungünstiger Lymphombiologien (wie DHL/DEL) egalisieren und auch bei ZNS-Lymphom-Tropismus gegenüber rein peripherer Lymphomlast ohne zusätzliche (Neuro-)Toxizität wirksam sein.
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Diverse CD20-x-CD3-bispezifische Antikörper liefern vergleichbar ermutigende Daten (ORR um 50%, CR-Rate um 30%) bei R/R DLBCL, werden zurzeit in verschiedensten Therapielinien und Kombinationen intensiv klinisch geprüft und sind eine herausragende Option nach CAR-T-Zell-Versagen.
Doch zuvor ein Blick auf wichtige Entwicklungen in der zugrunde liegenden Molekulardiagnostik: Neben zunehmend komplexeren, integrativen „Bulk“-Omics-Analysen liefern uns neue, räumlich in situ auflösende, v.a. antikörperbasierte Multiplex-Einzeltechnologien ungeahnt detaillierte Einsichten in zelluläre Zustandsveränderungen einzelner Tumorzellen; ebenso in die sie umgebenden Stroma- und Immunzellen in formalinfixierten und paraffineingebetteten Schnitten von Pathologie-üblichem Biopsiematerial. Die so darstellbaren und über die Fülle analysierter Zellen dynamisch interpretierbaren Gewebeveränderungen erlauben die Charakterisierung spezifischer Tumormilieus als „Ecosystems“ – und deren Klassifizierung bzgl. pathogenetischer bzw. klinisch-prognostischer oder auch klinisch-therapeutischer Implikationen als distinkte „Ecotypes“.1–4
B-Zell-Lymphome: Daten zu Antikörper- und CAR-T-Zell-Therapien
Zu zwei im Vorjahr erstmalig präsentierten Phase-III-Studien zum diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) gab es Updates. Neben der Bewertung rasch abfallender zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) galt der Vortrag zur zulassungsrelevanten POLARIX-Studie vor allem der Absicherung eines Vorteils beim progressionsfreien Überleben (PFS), der jedoch weiterhin nicht erkennbar ist beim Gesamtüberleben (OS), durch die Hinzunahme des CD79-Antikörper-Drug-Konjugats Polatuzumab Vedotin zu R-CHP (im Vergleich mit dem R-CHOP-Standard) bei nunmehr knapp 40 Monaten medianem Follow-up. Der 3-Jahres-PFS-Unterschied zugunsten Pola-R-CHP wurde nun mit 7,7% angegeben; die klinische Bewertung als möglicher neuer Erstlinien(1L)-Standard wird weiter kontrovers bleiben.5 Die Bedeutung der ctDNA-Bewertung zu verschiedenen Therapiezeitpunkten wird generell immer wichtiger.6
Ebenfalls wurden durch längeres Follow-up belastbarere Daten zur Überlegenheit des CD19-CAR-T-Zell-Produkts (CART) Liso-cel gegenüber Hochdosischemotherapie (HDT) mit autologer Stammzelltransplantation (AutoSZT) beim refraktären oder frühzeitig rezidivierten DLBCL/HGBCL (High-Grade-B-Zell-Lymphom) in der Zweitlinie (2L) gezeigt; der Beleg für einen OS-Vorteil steht aus, ist aber absehbar.7 Eine retrospektive Analyse fand keinen Outcome-Unterschied in Abhängigkeit von aufgetretener oder ausgebliebener („all-grade“) Neurotoxizität bei Patient*innen mit aggressivem B-Zell-Non-Hodkin-Lymphom nach CART;8 eine weitere Studie fand keinen Outcome-Unterschied für die ansonsten als ungünstig eingeschätzte Gruppe der Double-Expressor- oder Double-Hit-Lymphome (DEL/DHL) unter CART.9
Zwei Studien widmeten sich den Salvage-Möglichkeiten nach CART-Versagen. Die französische DESCAR-T-Auswertung fand eine klare Überlegenheit von bispezifischen Antikörpern (BsAb) gegenüber anderen Nächstlinienstrategien wie Chemotherapie, zielgerichteten Compounds, Lenalidomid oder auch Immuncheckpoint-Blockern (ICB);10 eine ähnlich angelegte spanische Analyse identifizierte BsAb und Polatuzumab Vedotin (falls nicht zuvor bereits eingesetzt) als beste Optionen nach CART-Versagen.11
Zahlreiche Abstracts beschäftigten sich mit Daten zu CD20 x CD3 BsAb, namentlich Glofitamab, Epcoritamab, Odronextamab und dem bereits für das follikuläre Lymphom zugelassenen Mosunetuzumab. In R/R-DLBCL-Settings scheinen alle BsAb bei noch überschaubaren Fallzahlen, kurzen Beobachtungszeiten und durch Covid potenziell überlagerten Toxizitäten mit einem Gesamtansprechen (ORR) um 50% und Raten einer kompletten Remission (CR) um 30% recht ähnlich wirksam zu sein.12–17 Für Glofitamab konnte nach finiter Zyklenzahl gezeigt werden, dass die erreichten CR auch durabel sind.12 In welcher Linie und in welchen Settings (± Chemotherapie) sich (welche) BsAb positionieren werden, müssen laufende und zukünftige Studien klären.
Ein weiteres wichtiges Update gab es zur an sich negativ konkludierten DLBCL-1L-Phase-III-Studie REMoDL-B, die „cell of origin“-stratifiziert die Hinzunahme von Bortezomib zum R-CHOP-Standard untersuchte und für die nun mit 5-jährigem Follow-up für einen retrospektiv entwickelten „Molecular high-grade group“-Classifier (dessen Robustheit und Routineübersetzbarkeit prospektiv zu prüfen sein wird) ein 15%iger 5-Jahres-PFS- und ein knapp 25%iger 5-Jahres-OS-Unterschied zugunsten des Bortezomib-Arms ermittelt wurden.18
Neue Therapieansätze beim primären ZNS-Lymphom
Als Late-breaking Abstract wurden Phase-III-Daten der MATRIX/IELSG43-Studie für unter Siebzigjährige zum primären ZNS-Lymphom (PCNSL) vorgestellt, die zeigten, dass die randomisierte Gabe einer BCNU-Thiotepa-basierten Hochdosistherapie (HDT) gefolgt von AutoSZT nach vier Zyklen MATRIX-Induktion gegenüber einer alleinigen intensiven Chemotherapie (R-DeVIC) klar bzgl. des 3-Jahre-PFS überlegen ist; ein OS-Unterschied ist mit längerem Follow-up sehr wahrscheinlich zu erwarten.19
Dieselbe Studiengruppe präsentierte in einem weiteren Vortrag Daten zu Machbarkeit und Effektivität aus der MARTA-PCNSL-Studie für ältere (über 65-jährige) und allgemein geeignete Patient*innen, die nach einem reduzierten MATRIX-ähnlichen Protokoll eine HDT mit Auto-SZT erhielten. Verglichen mit jüngeren Kohorten erzielten diese Patient*innen durchaus ähnliche Überlebensraten, allerdings bleibt die Non-Relapse-Mortalität in dieser Altersgruppe eine kritische Größe.20 Klinisch bedeutsam sind in diesem Kontext auch die Daten einer kleinen, neun Patienten umfassenden Pilot-Studie zum CART Axi-cel, nach denen nicht nur Machbarkeit und Sicherheit im Sinne eines nicht vermehrten Auftretens neurologischer Events, sondern auch vielversprechende Effektivität (CR-Rate von 86%) gegenüber primären oder sekundären ZNS-Lymphom-Manifestationen gesehen wurden.21
Fortgeschrittenes Hodgkin-Lymphom und periphere T-Zell-Lymphome
Abschließend noch zwei kurze Blicke auf wichtige Studienergebnisse beim fortgeschrittenen klassischen Hodgkin-Lymphom und bei bestimmten peripheren T-Zell-Lymphomen. Die HD21-Studie vergleicht das gegenüber BEACOPP intendiert weniger toxisch komponierte BrECADD-Schema mit dem das Anti-CD30-Antikörper-Drug-Konjugat Brentuximab Vedotin enthaltenden BrECADD-Schema randomisiert. Eine Zwischenauswertung zeigte bei exzellenten, nicht unterschiedlichen PFS-Kurven die erhoffte weniger ausgeprägte hämatologische Toxizität und sogar eine geringere Polyneuropathierate bei vergleichbarer Infektionshäufigkeit.22
Die Phase-III-Studie ORACLE prüfte für R/R angioimmunoblastische T-Zell-Lymphome (AITL) und weitere periphere T-Zell-Lymphome vom nodalen follikulären Helferzell-Typ – wegen der dort frequenten Defekte in der DNA-Methylierung (u.a. Mutationen in epigenetischen DNA-Methylierungsregulatoren TET2, DNMT3a oder IDH) – orales 5-Azacytidin (CC-486) randomisiert gegen Investigator’s Choice: Bendamustin, Gemcitabin oder Romidepsin.23 Aufgrund ambitionierter statistischer Vorgaben und einer zu kleinen Fallzahl von 86 Patient*innen in diesen eher seltenen Entitäten verfehlte die Studie ihren primären Endpunkt PFS und ging trotz deutlicher Wirksamkeitssignale (medianes Gesamtüberleben 18,4 Monate im 5-Aza-Arm vs. 10,3 Monate mit einer HR von 0,557 [95% CI: 0,323–0,961]) zugunsten von 5-Azacytidin formal negativ aus. Diese Ergebnisse liefern aber sicherlich Diskussionsgrundlagen für klinische Therapieentscheidungen bei dieser v.a. in der R/R-Situation herausfordernden T-Zell-Erkrankung.
Literatur:
1 McNally D et al.: The single-cell pathology landscape of diffuse large b cell lymphoma. ASH 2022 2 Noordenbos T et al.: Special anatomical subtypes of diffuse large b-cell lymphoma have distinct tumor microenvironments. ASH 2022 3 Reiss DJ et al.: Gandhi. High-Plex imaging and cellular neighborhood spatial analysis reveals multiple immune escape and suppression patterns in DLBCL. ASH 2022 4 Wenzl K et al.: Integrative genomics identifies a high-risk metabolic and TME depleted signature that predicts early clinical failure in DLBCL. ASH 2022 5 Herrera AF et al.: Risk Profiling of Patients with Previously Untreated Diffuse Large B-Cell Lymphoma (DLBCL) By Measuring Circulating Tumor DNA (ctDNA): Results from the POLARIX Study. ASH 2022 6 Roschewski M et al.: MRD-negativity as a potential surrogate endpoint after frontline DLBCL therapy: pooled analysis of trials & implications for clinical trial design. ASH 2022 7 Jeremy S et al.: Lisocabtagene maraleucel (liso-cel) versus standard of care (SOC) with salvage chemotherapy followed by autologous stem cell transplantation (ASCT) as second-line (2L) treatment in patients with relapsed or refractory large b-cell lymphoma (LBCL): primary analysis of the randomized, phase 3 Transform Study. ASH 2022 8 Patel V et al.: Predictors and outcomes of immune effector cell associated neurotoxicity syndrome in patients receiving chimeric antigen receptor T-cell therapy for aggressive B-cell Non-Hodgkin lymphoma. ASH 2022 9 Zurko J et al.: Double hit/double expressor lymphomas: a multicenter analysis of survival outcomes with CD19-directed CAR T-cell therapy. ASH 2022 10 Erbella F et al.: Late failure of aggressive B-cell lymphoma following CAR T-cell therapy: a lysa study from the Descar-T registry. ASH 2022 11 Iacoboni G et al.: Salvage treatment with novel agents is preferable to standard chemotherapy in patients with large B-cell lymphoma progressing after chimeric antigen receptor T-cell therapy. ASH 2022 12 Hutchings M et al.: Relapse is uncommon in patients with large B-cell lymphoma who are in complete remission at the end of fixed-course glofitamab treatment. ASH 2022 13 Abrisqueta P et al.: Subcutaneous epcoritamab + R-Dhax/C in patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma eligible for autologous stem cell transplant: updated phase 1/2 results. ASH 2022 14 Kim WS et al.: Odronextamab in patients with relapsed/refractory (R/R) diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL): results from a prespecified analysis of the pivotal phase II study ELM-2. ASH 2022 15 Olszewski AJ et al.: Mosunetuzumab monotherapy continues to demonstrate promising efficacy and durable complete responses in elderly/unfit patients with previously untreated diffuse large B-cell lymphoma. ASH 2022 16 Phillips T et al.: Improvements in lymphoma symptoms and health-related quality of life in patients with relapsed or refractory large B-cell lymphoma treated with subcutaneous epcoritamab (EPCORE NHL-1). ASH 2022a 17 Phillips T et al.: Epcoritamab monotherapy provides deep and durable responses including minimal residual disease (MRD) negativity: novel subgroup analyses in patients with relapsed/refractory (R/R) large B-cell lymphoma (LBCL). ASH 2022b 18 Davies AJ et al.: Five-year survival results from the Remodl-B Trial (ISRCTN 51837425) show improved outcomes in diffuse large B-cell lymphoma molecular subgroups from the addition of bortezomib to R-CHOP chemoimmunotherapy. ASH 2022 19 Illerhaus G et al.: Effects on survival of non-myeloablative chemoimmunotherapy compared to high-dose chemotherapy followed by autologous stem cell transplantation (HDC-ASCT) as consolidation therapy in patients with primary CNS lymphoma - results of an international randomized phase III trial (MATRix/IELSG43). ASH 2022 20 Schorb E et al.: High-dose chemotherapy and autologous stem cell transplant in elderly and fit primary CNS lymphoma patients – a multicenter study by theCooperative PCNSL Study Group (MARTA study). ASH 2022 21 Jacobson CA et al.: A pilot study of axicabtagene ciloleucel (axi-cel) for the treatment of relapsed/refractory primary and secondary central nervous system lymphoma (CNSL). ASH 2022 22 Borchmann P et al.: Treatment-related morbidity in patients with classical hodgkin lymphoma: results of the ongoing, randomized phase III HD21 trial by the German Hodgkin Study Group. ASH 2022 23 Dupuis J et al.: Oral azacytidine in patients with relapsed/refractory angioimmunoblastic t-cell lymphoma: final analysis of the oracle phase III Study. ASH 2022.