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Neues in der Pathologie gastrointestinaler Stromatumoren
Jatros
Autor:
Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Bernadette Liegl-Atzwanger
Institut für Pathologie<br> Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: bernadette.liegl-atzwanger@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
06.04.2017
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<p class="article-intro">Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) gehören zu den häufigsten mesenchymalen Tumoren des Gastrointestinaltraktes. In Europa werden jährlich etwa 8.000 neue Fälle diagnostiziert. GIST treten häufig in der 6. Lebensdekade auf und können sich im gesamten Gastrointestinaltrakt entwickeln. Diese sporadischen GIST zeigen in über 85 % der Fälle aktivierende Mutationen im KIT- oder PDGFRA-Gen.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Mehrheit der GIST (etwa 95 % ) exprimieren KIT und DOG1. Der immunhistochemische Nachweis dieser Marker ist für die Diagnosestellung unerlässlich. Die Risikostratifikation dieser Tumoren erfolgt entsprechend den Miettinen- Richtlinien, wobei dafür die Tumorgröße, die Tumorlokalisation und die Anzahl der Mitosen, gezählt in 5 Quadratmillimetern, herangezogen wird. Mutationsanalysen sollten entsprechend den ESMO-Guidelines 2014 routinemäßig bei allen GIST durchgeführt werden, mit der möglichen Exklusion von GIST, die kleiner als 2cm sind und nicht im Rektum lokalisiert sind (Mutationsanalysen bei metastasierten GIST und vor jeder adjuvanten Therapie sind unerlässlich).<sup>1</sup> Während im vergangenen Jahrzehnt sehr viel Forschung in KIT/PDGFRA-mutierte GIST bzw. Ursachen für Resistenzmechanismen investiert wurde, konzentrieren sich in den letzten Jahren neue Erkenntnisse hauptsächlich auf die Gruppe der Wildtyp(WT)-GIST.</p> <h2>KIT/PDGFRA-Wildtyp-GIST</h2> <p>Per definitionem zeigen WT-GIST keine Mutationen im KIT- oder PDGFRAGen. Die WT-GIST-Gruppe ist eine heterogene Tumorgruppe und umfasst etwa 10–15 % der GIST im Erwachsenenalter sowie 85 % der GIST im Kindesalter. WTGIST können mittels SDHB-Immunhistochemie in SDHB-positive („erhalten oder intakt“) und SDHB-negative („defiziente“) GIST eingeteilt werden (die Untergruppen mit entsprechenden Patienten und Tumor-demografische Daten sind in Abbildung 1 zusammengefasst). Zur weiteren Subtypisierung der SDHB-defizienten gastrointestinalen Stromatumoren kann zusätzlich eine SDHA-Immunhistochemie durchgeführt werden. In GIST mit fehlender SDHA-Expression finden sich in der Regel genetische Veränderungen (in der Regel Mutationen) im SDHAGen. SDHA-negative Tumoren machen etwa 27 % der SDHB-negativen GIST aus und finden sich hauptsächlich bei jungen Erwachsenen im Alter zwischen 30 bis 50 Jahren.<sup>2</sup></p> <h2>SDHB-defiziente WT-GIST</h2> <p>In der Gruppe der SDHB-defizienten WT-GIST finden sich überwiegend Kinder und junge Erwachsene. Diese GIST sind durch folgende Charakteristika gekennzeichnet: (1) Lokalisation des GIST im Magen, (2) häuptsächlich sind Frauen betroffen, (3) häufig auch multifokales, synchrones oder metachrones Auftreten, (4) HE-morphologisch epitheloide oder gemischtzellige Morphologie, Expression von KIT und DOG1 (Abb. 2), (5) Risikostratifikation nach Miettinen ist in diesen Tumoren nicht prädiktiv für das klinische Verhalten und macht daraus resultierend keinen Sinn, (6) häufiges Auftreten von Lymphknotenmetastasen, (7) relativ indolenter klinischer Verlauf trotz Metastasen, (8) SDHB-defiziente GIST zeigen kein Ansprechen auf Imatinib.<br /> In der Gruppe der SDHB-defizienten WT-GIST finden sich Patienten in Assoziation mit Carney-Triade (CT) oder Carney-Stratakis-Syndrom (CSS). Bei der Carney-Triade handelt es sich um ein nicht hereditäres Syndrom, welches hauptsächlich junge Frauen betrifft. Es kommt dabei zum synchronen oder metachronen Auftreten von GIST im Magen (häufig multipel), Paragangliomen und pulmonalen Chondromen. Die Carney- Triade manifestiert sich in der Regel vor dem 30. Lebensjahr. Das Carney-Stratakis- Syndrom ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung. Das Syndrom ist gekennzeichnet durch das Auftreten von GIST bevorzugt im Magenantrum (häufig multipel) und das Auftreten von Paragangliomen. Keimbahnmutationen in der mitochondrialen Succinat-Dehydrogenase (SDHB, SDHC und SDHD) sind beschrieben. Die morphologischen Charakteristika, das Auftreten von Lymphknotenmetastasen, die fehlende Anwendbarkeit der Risikostratifikation nach Miettinen und das fehlende Ansprechen auf Imatinib findet man bei pädiatrischen GIST mit oder ohne Assoziation mit CT oder CSS.<sup>3</sup><br /> SDHB-defiziente GIST treten jedoch nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen auf. Morphologische Kriterien, die auf einen SDHB-defizienten GIST, unabhängig vom Alter des Patienten hinweisen, sind ein typisches plexiformes oder ein multinoduläres Wachstum (Abb. 3).</p> <h2>Subtypisierung der KIT/PDGFRA-WT-GIST</h2> <p>Durch die etablierte immunhistochemische Einteilung von WT-GIST in eine Gruppe mit erhaltener SDHB-Expression und eine Gruppe mit defizienter SDHBExpression sowie durch große Bemühungen der NIH Pediatric GIST Clinic ist es gelungen, eine weitere, noch detailliertere molekulare Subtypisierung von KIT/ PDGFRA-WT-GIST zu etablieren. Bezugnehmend auf die Publikation von Boikos et al<sup>4</sup> kann die Gruppe der SDHB-negativen GIST in zwei Subgruppen unterteilt werden: (1) eine Gruppe von SDHx-mutierten GIST, denen Mutationen in SDHA, SDHB, SDHC oder SDHD (überwiegende Mehrheit der Fälle mit Keimbahnmutationen) zugrunde liegen; (2) eine Gruppe von GIST, bezeichnet als SDHC-epimutierte GIST, denen eine SDHC-Promoter- Methylierung zugrunde liegt. In der Gruppe von WT-GIST mit erhaltener SDHB-Expression konnten in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Mutationen oder eine Fusion als „oncogenic driver“ (z.B Mutationen in BRAF, NF1, CBL oder ARID1A) nachgewiesen werden.<br /> In den syndromalen Fällen von WTGIST in Assoziation mit Carney-Stratakis- Syndrom oder Carney-Triade konnten folgende molekulare Veränderungen nachgewiesen werden: (1) In GIST in Assoziation mit Carney-Stratakis-Syndrom konnte in der überwiegenden Mehrheit der Fälle eine SDHx-Mutation (zumeist die Keimbahn betreffend) nachgewiesen werden. Lediglich in einem Fall fand sich ein epimutierter GIST. (2) In GIST in Assoziation mit Carney-Triade fanden sich sowohl mutierte als auch epimutierte Tumoren (molekulare Analysen notwendig, um über das weitere klinische Vorgehen zu entscheiden). Das Herausfiltern von SDHB-defizienten GIST ist von immenser klinischer Bedeutung. Daher sollte ein entsprechender diagnostischer Algorithmus zur Identifizierung von SDHB-defizienten GIST herangezogen werden (Tab. 1).</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Durch Identifikation der molekularen „Driver“-Mechanismen in der Gruppe der SDHB-defizienten Tumoren konnte eine erweiterte molekulare Klassifikation für GIST etabliert werden. Grundsätzlich können somit GIST in zwei große Gruppen eingeteilt werden: (1) Die Gruppe A mit erhaltener SDHB-Expression beinhaltet alle GIST mit Mutationen von Genen wie KIT, PDGFRA-BRAF, HRAS, NRAS, NF1 und weist keine Alteration im Methylierungsprofil auf. (2) Die Gruppe B beinhaltet alle GIST, welche eine fehlende SDHBExpression aufweisen. Diese Tumoren weisen eine globale Tumorhypermethylierung auf. Die Gruppe B kann in eine (B1) SDHx-mutierte Gruppe und eine (B2) SDHC-epimutierte Gruppe unterteilt werden (Abb. 4).<br /> Die Kenntnis zugrunde liegender SDHDysfunktion, als eine primäre Alteration in der Mehrheit der WT-GIST, ist der erste Schritt, um diesen Patienten eine bessere, individuellere Therapieoption zu ermöglichen.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> ESMO/European Sarcoma Network Working Group: Gastrointestinal stromal tumours: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2014; Suppl 3: iii21-6 <strong>2</strong> Bareck et al: Gastrointestinal stromal tumors: diagnosis, therapy and follow-up care in Austria. Wien Med Wochenschr 2013; 163: 137-52 <strong>3</strong> Miettinen M, Lasota J: Succinate dehydrogenase deficient gastrointestinal stromal tumors (GISTs) – a review. Int J Biochem Cell Biol 2014; 53: 514-9 <strong>4</strong> Boikos et al: Molecular subtypes of KIT/PDGFRA wild-type gastrointestinal stromal tumors: a report from the National Institutes of Health Gastrointestinal Stromal Tumor Clinic. JAMA Oncol 2016; 2(7): 922-8</p>
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