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Neues aus den Bereichen Antikoagulation, CLL und MDS
Jatros
30
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06.04.2017
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<p class="article-intro">Wie jedes Jahr kurz vor Weihnachten wurden auch Ende 2016 bei der ASH-Wrap-up- Veranstaltung die Highlights des ASH-Kongresses von österreichischen Experten präsentiert. Einen echten Hoffnungsschimmer gibt es für Hämophiliepatienten, da bei ihnen zukünftig eventuell keine Faktor-IX- bzw. -VIII-Substitution mehr erforderlich sein wird. Vielversprechend klingen auch die Ergebnisse zu Venetoclax nach Versagen einer BTK(Bruton-Tyrosinkinase)-Inhibitortherapie. Zur Behandlung der Anämie kann bei MDS durch Luspatercept eine relevante Erhöhung der Hämoglobinspiegel erzielt werden.</p>
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<p class="article-content"><h2>Antikoagulation bei Thrombopenie: erhöhtes Blutungsrisiko?</h2> <p>Patienten, die aufgrund eines hämatologischen Malignoms eine Chemotherapie oder eine hämatopoetische Stammzelltransplantation erhalten, entwickeln häufig längere Episoden einer Thrombozytopenie bei einem gleichzeitig erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien (VTE).<sup>1</sup> „Ob bei antikoagulierten Patienten, die Plättchenzahlen 9) ergab interessanterweise, dass bei Patienten mit milden Blutungen (Grad 2) die medianen Thrombozytenzahlen zum Zeitpunkt des Blutungsereignisses niedriger waren als bei jenen mit moderaten oder schweren Blutungen (Grad 3/4).<sup>1</sup> „Zwar sind die Ergebnisse dieser Studie aufgrund der geringen Patientenzahl von beschränkter Aussagekraft, aber dennoch relevant. Weitere Studien zu dieser Thematik sind erforderlich“, so das Resümee von Prof. Pabinger.</p> <h2>Hoffnungsschimmer für Hämophiliepatienten</h2> <p>Als echte Sensation zu erachten sind die Ergebnisse zur Verabreichung von SPK- 9001, einem biotechnologisch hergestellten AAV(„adeno-associated virus“)-Kapsids mit spezifischem Lebertropismus bei Hämophilie B. Es wurde untersucht, ob unter einer möglichst niedrigen Dosis von 5x1011 VG(Vektorgenome)/kg und ohne das Erfordernis einer Immunsuppression eine hämostatische Faktor-IX(FIX:C)-Expression erreicht werden kann. Die Teilnehmer wiesen bei Studieneinschluss FIX:C-Werte =2 auf. Eine konstante FIXExpression wurde 12 Wochen nach der Vektorinfusion verabreicht und resultierte in mittleren FIX:C-Werten von 32,3±6,5 % (Abb. 1). Diese Werte waren ausreichend, um spontanen Hämarthrosen vorzubeugen. Vorteilhaft ist zudem, dass keine Vektor- oder Applikations-assoziierten Nebenwirkungen (AE) beobachtet worden sind. Zum Zeitpunkt der Analyse im April 2016 hatte noch kein Patient immunsuppressive Medikamente benötigt. Sechs der sieben Patienten berichteten über eine erhöhte körperliche Aktivität und eine Verbesserung der Lebensqualität. Summa summarum stellt SPK-9001 eine vielversprechende Option dar, die die Hoffnung gibt, dass à la longue das Erfordernis der Faktor-IXSupplementation zur Gänze wegfällt.<sup>2</sup> „Ich kenne auch Studien, in denen vergleichbare Ergebnisse zum Faktor VIII erzielt worden sind. Generell ist davon auszugehen, dass in der Therapie der Hämophilie innerhalb der nächsten Dekade kein Stein auf dem anderen bleiben wird“, ergänzte Pabinger.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s8_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="872" /></p> <h2>IGVH-Status als Prädiktor für MRD-Negativität und PFS</h2> <p>Die Highlights in der CLL-Therapie sind durch viele Updates charakterisiert und durch neue Kombinationen ausgezeichnet. „Das Management der CLL-Therapie ändert sich fast halbjährlich“, betonte Assoc. Prof. Priv.-Doz. DDr. Philipp Staber, MU Wien, die rasche Weiterentwicklung von Therapien bei dieser Malignomentität. Bei jungen Patienten (<65 Jahren) ohne den Nachweis einer del17p oder einer TP53- Mutation (mt) gilt das FCR-Schema (Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab) in der Erstlinie zurzeit als Goldstandard. Dabei konnte das Erreichen einer MRD-Negativität als Prädiktor für ein längeres PFS und OS identifiziert werden. Thompson et al haben in einer prospektiven, monozentrischen Studie mit Patienten, die FCR als Frontline-Therapie erhalten haben, untersucht, welche Faktoren mit dem MRD-Status bei Therapieende (EOT) und der Zeitspanne bis zum Verlust der MRD-Negativität in Zusammenhang stehen. In einer multivariablen Analyse konnte ausschließlich zwischen dem IGHV-Status und der MRD-Negativität eine signifikante Assoziation festgestellt werden: Gegenüber IGHV-unmutierten Patienten profitierten jene mit einer IGHV-mt in signifikantem Ausmaß von der Immunchemotherapie (p=0,02) und der Nachweis einer IGHV-mt vor Therapiestart fungierte als Prädiktor für das Erreichen einer MRD-Negativität bei EOT (p=0,001).<sup>3</sup></p> <h2>BTK-Inhibitoren</h2> <p>Inzwischen konnten schon über mehrere Jahre Erfahrungen mit der Substanzklasse der BTK-Inhibitoren gesammelt werden. Zu den spannendsten Daten, die am ASH-Kongress 2016 präsentiert worden sind, zählten gemäß Staber die 5-Jahres- Ergebnisse zum PFS unter Ibrutinib, der First-in-Class-Substanz unter den BTKInhibitoren. Die 5-Jahres-Daten sind demnach Ergebnisse der bisher längsten verfügbaren Follow-ups in dieser Substanzklasse. Daraus geht hervor, dass das mediane PFS bei therapienaiven Patienten bei 92 % liegt, was als beachtenswert einzustufen ist. Interessant ist auch die Beobachtung, dass AE der Grade =3 im ersten Therapiejahr am häufigsten verzeichnet wurden und in den darauffolgenden Jahren abnahmen.<sup>4</sup><br /> Barr et al führten eine aktualisierte Analyse zu den Outcomes der Zulassungsstudie von Ibrutinib, RESONATE-2, durch, in der Ibrutinib vs. Chlorambucil an Patienten =65 Jahre untersucht worden war. Sowohl im PFS, dem primären Endpunkt (EP), als auch im OS, einem der sekundären EP, konnte eine signifikante Überlegenheit von Ibrutinib festgestellt werden. Die 24-Monats-PFS-Rate betrug 89 vs. 34 % , die 24-Monats-OS-Rate 95 vs. 84 % . Zu beachten ist auch, dass dieser Benefit – anders als unter dem FCR-Schema – unabhängig vom IGVH-Status erzielt worden ist.<sup>5</sup> „Für die klinische Praxis ist entscheidend, ob zukünftig nicht auch junge Patienten Ibrutinib anstelle von FCR in der Erstlinie erhalten sollten“, kommentierte Staber diese Ergebnisse.</p> <h2>Resistenzentwicklung: Venetoclax zeigt hohe Effektivität</h2> <p>Die Prognose nach Absetzen von Ibrutinib ist aufgrund des raschen Eintretens einer Progression als ziemlich schlecht einzustufen. In den meisten Fällen sind akquirierte Mutationen in BTK oder dem nachgeschalteten Molekül PLCG2 vordergründig für das Auftreten einer Therapieresistenz verantwortlich, wobei die Mutation bereits vor Eintreten der Resistenz nachweisbar ist. Die Autoren einer zu dieser Thematik präsentierten Untersuchung ziehen daraus den Schluss, dass die Detektion einer BTK- bzw. PLCG2-Mutation als Biomarker für die Vorhersage eines klinischen Relapses fungieren könnte.<sup>6</sup><br /> Venetoclax ist ein hochselektiver BCL2- Inhibitor, für den in vitro die Fähigkeit zur Induktion einer Apoptose von CLL-Zellen nachgewiesen werden konnte.<sup>7</sup> In einer offenen, zweiarmigen Phase-II-Studie wurde Venetoclax an Patienten (n=64) untersucht, die nach einer Therapie mit Ibrutinib oder Idelalisib relapsiert waren oder eine Refraktärität auf diese BTK-Inhibitoren aufgewiesen hatten. Die Refraktärität war als Progression unter der BTKTherapie definiert. Venetoclax zeigte insofern eine ausgezeichnete und robuste Wirksamkeit, als gemäß der Beurteilung durch ein unabhängiges Prüfkomitee im Ibrutinib-Arm eine ORR von 70 % und im Idelalisib-Arm von 62 % erzielt werden konnte. Dabei waren nach einem medianen Follow-up von 11,8 Monaten das mediane PFS und OS sowie die mediane Dauer der Response noch nicht erreicht. Die mediane 12-Monats-PFS-Rate bzw. -OSRate für alle Patienten wurde mit 72 bzw. 90 % berechnet (Abb. 2).<sup>8</sup> Prof. Staber geht davon aus, dass Venetoclax offenbar auch in resistenten Klonen Effektivität zeigt. Diese Ergebnisse sind jedenfalls sehr vielversprechend.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s8_abb2.jpg" alt="" width="2188" height="961" /></p> <h2>Trend zu Kombinationsstrategien</h2> <p>Wie auch bei anderen Malignomen zu beobachten geht der Trend bei der CLL zur Untersuchung von nachweislich effektiven Substanzen in Kombinationen. So wurden in einer Phase-Ib/II-Studie Ibrutinib + Venetoclax + Obinutuzumab bei CLL-Patienten (NCT02406742) geprüft, die unter/ nach =1 vorangegangenen Therapielinie progredient geworden waren. Um das Risiko für ein Tumorlysesyndrom (TLS) zu minimieren, wurden die Substanzen im sequenziellen Modus verabreicht. Bei Venetoclax erfolgte eine mehrstufige Dosiseskalation in 3 Kohorten auf maximal 100 bzw. 200 bzw. 400mg. Die Ergebnisse des Phase-1b-Teils der Studie wurden am ASH-Kongress präsentiert:<br /> Dosislimitierende Toxizitäten wurden nicht beobachtet, sodass die 400mg-Dosierung von Venetoclax für den Phase-II-Teil der Studie festgelegt wurde. Die AE waren mit jenen von den Einzelsubstanzen bekannten konsistent und insgesamt managebar. Es wurden auch keine Fälle von TLS beobachtet. Die ORR der 12 Patienten betrug 100 % . Die Ergebnisse der Phase II, in der die Kombination auch an therapienaiven Patienten geprüft wird, werden mit großem Interesse erwartet.<sup>9</sup></p> <h2>MDS: Lenalidomid kann zur Resensibilisierung auf EPO führen</h2> <p>Basierend auf In-vitro-Beobachtungen, dass Lenalidomid die Entwicklung von erythroiden Vorläuferzellen vorantreiben und so die Erythropoese verbessern kann, wurde folgende Studie durchgeführt: MDS-Patienten mit niedrigem (LR) oder intermediärem Risiko (IR) und einem Hämoglobinspiegel <9,5g/dl, die keine Response auf eine Therapie mit rekombinantem humanem Erythropoetin (EPO) zeigten oder transfusionsabhängig waren und EPO-Serumspiegel <500mU/ml aufwiesen, konnten eingeschlossen werden. Insgesamt wurden 195 Patienten zum Erhalt von Lenalidomid (Arm A) bzw. Lenalidomid + EPO (Arm B) randomisiert. Der primäre EP war die MER („major erythroid response“) nach 4 Zyklen. Non-Responder im Arm A hatten die Möglichkeit, auf Arm B zu switchen, was 34 Patienten in Anspruch nahmen. Von diesen erreichte nach dem Switch nur mehr einer eine MER. Insgesamt jedoch war die MER-Rate unter der Kombination signifikant höher als unter der Lenalidomid-Monotherapie und betrug nach 4 Zyklen 25,6 vs. 9,9 % (p=0,015).<sup>10</sup> „In der Studie konnte also nachgewiesen werden, dass Lenalidomid die Sensitivität auf EPO wiederherstellen kann“, resümierte Univ.-Prof. Dr. Michael Pfeilstöcker, Hanusch-Krankenhaus, Wien, der die Highlights zu MDS und AML beim ASH Wrap-up präsentierte. Erfreulich ist auch, dass die AE-Rate zwischen den Armen vergleichbar war, d.h., aus dem Zusatz von EPO zu Lenalidomid resultierte keine Erhöhung der Toxizitäten.</p> <h2>Luspatercept führt zur Erhöhung der Hämoglobinspiegel</h2> <p>Das Management von Anämie bei MDS stellt häufig eine therapeutische Herausforderung dar. Eine vielversprechende Substanz, die sich zurzeit in klinischen Prüfungen befindet, ist Luspatercept, ein Fusionsprotein, das durch Bindung an Liganden der TGF-ß-Familie die Differenzierung der erythropoetischen Zelllinie in späten Stadien vorantreiben und so die Hämoglobinspiegel erhöhen kann.<br /> In einer laufenden Phase-II-Studie (NCT02268383) werden die Langzeiteffekte von Luspatercept an anämischen Patienten (Hb <10g/dl zu Baseline) mit Low-Risk- oder Intermediate-Risk-MDS untersucht. In die Auswertung der Verlängerungsphase (Datenschluss: 4. März 2016) konnten 32 Patienten miteinbezogen werden. Die Langzeittherapie mit Luspatercept führte bei 81 % der Patienten zu einer erythroiden Response. Die Substanz zeigte ein gutes Verträglichkeitsprofil. <sup>11</sup> Gegenwärtig wird Luspatercept in der Phase-III-Studie MEDALIST (NCT02631070) weiter untersucht.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Wrap-up – ASH 2016; 19. Dezember 2016, Wien
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