
Neuerungen in der operativen Therapie, Pathologie und Radiologie
Autor:
Dr. Michael Bolliger
Assistenzarzt
Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie
Klinische Abteilung für Viszeralchirurgie
Medizinische Universität Wien
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Das San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) konnte letztes Jahr zumindest teilweise wieder vor Ort stattfinden. Wie gewohnt präsentierten Spezialisten aller beteiligten Fachrichtungen spannende neue Studien und Ergebnisse ihrer jeweiligen Gebiete. Als Chirurg darf ich über spannende Neuerungen in operativer Therapie, Bildgebung und Pathologie berichten.
Keypoints
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Lymphödeme nach Axilladissektion treten häufiger nach neoadjuvanter Chemotherapie auf.
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Die Lebensqualität der Patientinnen ist besser, je weniger axillär operiert wird.
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Bei T1-2-Patientinnen mit maximal 2 Lymphknoten-Metastasen ist Sn und ALND bei 5 Jahren Follow-up onkologisch gleichwertig.
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MachineLearning und integrierte Modelle zeigen betreffend Prädiktion vielversprechende Ergebnisse.
Chirurgischer Fokus: das Management der Axilla
Lymphödeme nach einem axillären Eingriff, zumeist der kompletten Dissektion, stellen eine häufige und für die Patientinnen belastende Komplikation dar. Trotz Deeskalation der axillären Chirurgie leidet bis zu einem Drittel der Patientinnen postoperativ an einem Ödem unterschiedlicher Ausprägung. In den USA wurde nun eine retrospektive Studie durchgeführt, die eindeutig unterschiedliche Inzidenzen von Lymphödemen im Vergleich der verschiedenen Ethnien zeigen konnte. Afroamerikanische Patientinnen waren mit einer Odds-Ratio von 3,2 deutlich häufiger betroffen als weiße Patientinnen, auch Hispanics hatten ein deutlich erhöhtes Risiko mit einer OR von 2,3. Die Ursache hierfür ist noch nicht gänzlich geklärt, vermutet wird eine unterschiedliche Immunreaktion bei den Ethnien. Im Ausmaß der Lymphödeme selbst zeigte sich jedoch keinen Unterschied. Nach neoadjuvanter Chemotherapie steigt außerdem das Risiko, ein Lymphödem zu entwickeln, von ungefähr 11% auf über 30% an. Vonseiten der Autoren wird daher eine primäre OP vor allem bei hormonrezeptorpositiven Karzinomen empfohlen.1
Wie bereits erwähnt geht die Tendenz des axillären Managements seit Jahren in Richtung Deeskalation. Die bekannte ACOZOG-Z011-Studie konnte die onkologische Sicherheit von ausschließlich Sentinellymphknotendissektion bei klinisch unauffälliger Axilla zeigen,2 weitere Studien wie AMAROS, OTOASOR, IBCSG 23-01 und AATRM3–6 stützten in den letzten Jahren mit ihren Daten diese These.
Da die bislang publizierten Studien mangelhafte Daten zur Radiotherapie ergaben und fast nur Mikrometastasen einschlossen, führten Gentile et al. nun eine vom Mailänder Zentrum ausgehende multizentrische Studie (SINODAR-ONE) mit knapp 900 Patientinnen durch, um aussagekräftigere Daten zu generieren. Die Patientinnen wurden hierbei bei positiver Axilla jeweils zur Hälfte in eine Gruppe mit axillärer Dissektion (ALND) oder eine Sentinel-Gruppe (Sn) aufgeteilt. Bezüglich des onkologischen Outcomes konnte nach 5 Jahren kein signifikanter Unterschied gezeigt werden, die Gesamtüberlebensrate beispielsweise war mit 98,9% in der ALND-Gruppe gegenüber 98,8% in der Sn-Gruppe fast gleichwertig. Weiters lieferte diese Studie genauere Angaben zur postoperativen Radiotherapie und schloss fast nur Makrometastasen in die Auswertung mit ein. Die Autoren empfehlen in ihrem Zentrum basierend auf diesen Ergebnissen bei 1–2 Makrometastasen bei T1/2 einen Verzicht auf ALND (Tab. 1).7
Ebenfalls zum Thema Axilladissektion und Lebensqualität der Patientinnen berichteten Geber et al. in einer großen, randomisierten Studie mit über 5000 Patientinnen in Deutschland. 1000 Patientinnen wurden nur brustoperiert und 4000 wurden je nach Befall nur einer Entfernung des Sentinels oder in einer zweiten Randomisierung einer ALND unterzogen und konsekutiv mit dem EORTC QLQ-C30 und dem Brustmodul BR23 befragt. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass die jeweils in geringerem Ausmaß operierten Patientinnen (keine OP vs. Sn, Sn vs. ALND) signifikant bessere Ergebnisse betreffend arm- und brustassoziierte Symptome hatten. Klinisch relevant bessere Ergebnisse, die von den Autoren als eine Differenz von mehr als 5 Punkten in den Fragebögen beschrieben wurden, konnten nur bei der Armsymptomatik gezeigt werden.8
Neue Instrumente in Bildgebung und Pathologie: „Machine Learning“ und integrierte Modelle
Der Bereich der Radiologie und Pathologie stand dieses Jahr im Zeichen des „Machine Learning“. Komplexe Algorithmen und neuronale Netzwerke helfen sowohl bei Vakuumbiopsien, den Tumor besser zu treffen, als auch im Verlaufs-Magnetresonanztomogramm (MRT) nach Chemotherapiegabe zum Einschätzen des Therapieansprechens.
Pfob und seine Heidelberger Kollegen zeigten einen intelligenten Vakuumbiopsie-Algorithmus, der aus 318 Fällen zusammengestellt wurde. Bei 45 Patientinnen wurde diese intelligente Biopsie anschließend präoperativ validiert und zeigte eine beeindruckende Falsch-negativ-Rate von 0% und einen negativen Vorhersagewert von 100%.9
Dieselbe Forschungsgruppe konnte auch zeigen, dass bis zu 50% der unnötigen Mammabiopsien durch mit „MachineLearning“ verbesserten Scherwellen-Ultraschall vermieden werden können. Durch Einbringen von über 850 Patientinnen wurde ein neuronales Netzwerk erstellt, das sowohl die Sensitivität als auch den negativen Vorhersagewert auf 100% erhöhen konnte.10 In Abbildung 1 wird die statistische Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit veranschaulicht.
Abb. 1: Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit durch neuronale Netzwerke. LR: logistische Regression; SWE: Scherwellen-Elastografie. Modifiziert nach Pfob A et al.10
Hayashi aus Tokio beforschen die Fragestellung, ob eine OP nach neoadjuvanter Therapie eventuell ausgelassen werden könnte. Hierzu wurden präoperativ MR-Bilder und Vakuumbiopsien gemeinsam ausgewertet, welche zusammen im besten Fall jedoch nur eine Falsch-negativ-Rate von 72% lieferten, was laut den Autoren noch zu wenig ist, um die OP nicht durchzuführen.11
Ebenso im radiologischen Bereich wurde durch ein texanisches Team ein MR-omics-Modell mittels logarithmischer Regression erstellt, das 900 bildtechnische Features pro Patientin auslesen kann. Durch verschiedene Kombinationen dieser Features – Signaturen genannt – konnte nach 4 Zyklen neoadjuvanter Chemotherapie das Ansprechen in T1- und Protone-Density-Signaturen mit einer „area under the curve“ (AUC) von 0,7 und 0,72 gezeigt werden. Durch dieses Protokoll ist mittels MRT eine deutlich bessere Bestimmung einer eventuellen Komplettremission möglich.12
Ähnlich hierzu berechnete das ebenfalls aus Texas kommende Team um Rauch ein integriertes Modell, das nach dem zweiten Zyklus der neoadjuvanten Chemotherapie bei tripelnegativem Brustkrebs (TNBC) eine signifikante Assoziation zwischen Tumorvolumsreduktion (bei über 55%), dem N-Status im MR und stromalen tumorinfiltrierenden Lymphozyten (sTILs) in der Erstbiopsie hinsichtlich der Rate der kompletten pathologischen Remission gegeben ist. Die AUC betrug in diesem Modell 0,84, was eine gute, frühe Kontrolle des Ansprechens auf die Chemotherapie bieten kann.13
In der Arbeit einer Gruppe um Kazerouni aus Seattle zeigten die TILs auch, kombiniert mit dem maximalen, prozentuellen Enhancement und dem Gesamtdurchmesser des Tumors im Baseline-MR, eine AUC von 0,7 für die Prädiktion des Therapieansprechens bei TNBC. Dies konnte bereits in den Baseline-MR-Bildern ausgewertet werden, was in weiterer Folge vielleicht Patientinnen bereits vor Einleiten der Standardtherapie eine bessere Möglichkeit anbieten könnte.14
Fazit
Insgesamt lieferten die diesjährigen SABCS-Präsentationen einige interessante Gedankenanstöße. Hoffentlich folgen auch baldige Publikationen mit den fertigen Daten. Meiner Meinung nach lieferte jedoch nur die Studie SINODAR-ONE wirklich handfeste Ergebnisse, die in baldiger Zukunft auch die Guidelines beeinflussen könnten.
Literatur:
1 Barrio A et al.: Impact of race and ethnicity on incidence and severity of breast cancer related lymphedema after axillary lymph node dissection: Results of a prospective screening study. SABCS 2021; Abstract #GS4-01 2 Giuliano AE et al.: Effect of axillary dissection vs no axillary dissection on 10-year overall survival among women with invasive breast cancer and sentinel node metastasis: The ACOSOG Z0011 (alliance) randomized clinical trial. JAMA 2017; 318: 918-26 3 Donker M et al.: Radiotherapy or surgery of the axilla after a positive sentinel node in breast cancer (EORTC 10981-22023 AMAROS): a randomised, multicentre, open-label, phase 3 non-inferiority trial. Lancet Oncol 2014; 15: 1303-10 4 Savolt A et al.: Eight-year follow up result of the OTOASOR trial: The optimal treatment of the axilla - surgery or radiotherapy after positive sentinel lymph node biopsy in early-stage breast cancer: A randomized, single centre, phase III, non-inferiority trial. Eur J Surg Oncol 2017; 43: 672-79 5 Galimberti V et al.: Axillary dissection versus no axillary dissection in patients with sentinel-node micrometastases (IBCSG 23-01): aphase 3 randomised controlled trial. Lancet Oncol 2013; 14: 297-305 6 Sola M et al.: Complete axillary lymph node dissection versus clinical follow-up in breast cancer patients with sentinel node micrometastasis: final results from the multicenter clinical trial AATRM 048/13/2000. Ann Surg Oncol 2013; 20: 120-7 7 Gentile D et al.: Preservation of axillary lymph nodes compared to complete axillary dissection in T1-2 breast cancer patients presenting 1-2 metastatic sentinel lymph nodes. A multicenter randomized clinical trial. Sinodar One. SABCS 2021; Abstract #GS4-05 8 Gerber B et al.: Patient reported outcomes (PRO) for the intergroup sentinel mamma study (INSEMA, GBG75, ABCSG43): Persistent impact of axillary surgery on arm and breast symptoms in early breast cancer. SABCS 2021; Abstract #GS4-03 9 Pfob A et al.: Intelligent vacuum-assisted breast biopsy to identify breast cancer patients with pathologic complete response after neoadjuvant systemic treatment for omission of breast and axillary surgery. SABCS 2021; Abstract #P7-02 10 Pfob A et al.: Intelligent shear-wave elastography to reduce unnecessary biopsies in breast cancer diagnosis (INSPiRED 002): An international multicenter analysis. SABCS 2021; Abstract #P11-05 11 Hayashi N et al.: A multicenter prospective study to predict pathologic complete response by vacuum-assisted breast biopsy based on MRI and US findings after neoadjuvant chemotherapy. SABCS 2021; Abstract #PD7-05 12 Elshafeey N et al.: Radiomics model based on magnetic resonance image compilation (MagIC) as early predictor of pathological complete response to neoadjuvant systemic therapy in triple-negative breast cancer. SABCS 2021; Abstract #PD11-06 13 Rauch G et al.: Integrated model for early prediction of neoadjuvant systemic therapy response in triple negative breast cancer. SABCS 2021; Abstract #PD11-07 14 Kazerouni A et al.: Associations of baseline breast MRI metrics and immune infiltration with chemotherapy response in triple negative breast cancer. SABCS 2021; Abstract #PD11-08
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