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Neuerungen in vielen Bereichen der Hämatologie
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Ulrich Jäger
Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: ulrich.jaeger@meduniwien.ac.at
30
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28.02.2019
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<p class="article-intro">Das ASH-Meeting 2018 war auch interessant in Hinblick auf Präsentationen von Studien zu non-malignen Erkrankungen. Eine Studie zu Sichelzellenanämie war in der Plenary Session vertreten und ebenso ein Late-Breaking Abstract (LBA) zum Thema. Des Weiteren wurden Arbeiten zur Thromboseprophylaxe und zur Antikoagulation in den LBA-Sessions vorgestellt. Außerdem nahmen die zielgerichteten Therapien maligner Erkrankungen einen breiten Raum ein.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ein einfaches Modell zur Vorhersage von Thromboembolien bei Lymphompatienten hat in der externen Validierung seine Tauglichkeit für den Einsatz in der Klinik bewiesen.</li> <li>CAR-T-Zell-Therapien sind auf dem Vormarsch und erzielen bemerkenswerte Remissionsraten.</li> <li>Unterschiedliche Kombinationen von Inhibitoren, Antikörpern und Chemotherapien verbessern das Outcome maligner hämatologischer Krankheiten.</li> <li>Bei der CLL-Behandlung verliert die Chemotherapie an Bedeutung.</li> </ul> </div> <p>Das ASH-Meeting 2018 war aus meiner Sicht besonders interessant, weil es gezeigt hat, dass auf allen Gebieten der Hämatologie zahlreiche Neuerungen stattfinden. Auf dem Gebiet der nicht malignen Erkrankungen beziehen sie sich vor allem auf die Therapie der Sichelzellenanämie. Hier wurden gentherapeutische Eingriffe und ganz neue Methoden entwickelt sowie neue Agenzien eingeführt. Dazu zählt zum Beispiel Luspatercept, das die Anämie bei nicht malignen, aber auch bei malignen Erkrankungen wie dem myelodysplastischen Syndrom (MDS) beseitigen kann.</p> <h2>Score für das Thromboserisiko bei Lymphompatienten</h2> <p>Außerdem wurden Arbeiten vor allem zum Rating bzw. zur Prognostizierung einer Thrombose bei malignen Erkrankungen wie Lymphomen vorgestellt. Nennenswert ist unter anderem die Arbeit einer Gruppe aus Belgrad, an der wir ebenfalls mitgewirkt haben. Lymphompatienten haben bekanntermaßen ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien. Die in den aktuellen Leitlinien empfohlenen Modelle zum Abschätzen des Thromboserisikos bei Krebspatienten sind jedoch bei Lymphompatienten nur begrenzt aussagekräftig. Die Belgrader Gruppe entwickelte daher ein einfaches Modell, basierend auf individuellen klinischen und Laborparametern des Patienten. Variablen, die mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen, sind demnach: vorangegangene venöse und/ oder arterielle Ereignisse, ein Body-Mass- Index (BMI) >30kg/m<sup>2</sup>, eingeschränkte Beweglichkeit, extranodale Lokalisation, Neutropenie und Hämoglobinspiegel <100g/l. Dieser Thrombose-Lymphom( ThroLy)-Score hatte einen positiven Vorhersagewert von 25 % , einen negativen Vorhersagewert von 98 % , eine Sensitivität von 75 % und eine Spezifität von 87 % .<br /> Beim ASH wurden nun die Ergebnisse der externen Validierung mit mehr als 1700 Patienten vorgestellt. Eingeschlossen waren Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), Hodgkin-Lymphom (HL) und chronischer lymphatischer Leukämie (CLL)/kleinzelligem lymphozytischem Lymphom (SLL). Aufgrund der erhobenen Daten wurde der ThroLy-Score überarbeitet und enthält nun die folgenden Variablen: Diagnose/klinisches Stadium, vorangegangene tiefe Venenthrombose, eingeschränkte Beweglichkeit, Hämoglobinspiegel <100g/l und das Vorhandensein von Devices wie Stents. Der neue Score hat einen positiven Vorhersagewert von 22 % , einen negativen Vorhersagewert von 96 % , eine Sensitivität von 51 % und eine Spezifität von 72 % .<sup>1</sup></p> <h2>Zielgerichtete Therapien myeloischer Krankheiten</h2> <p>Besonders viele Neuerungen sah man auf dem Gebiet der myeloischen Erkrankungen, seien es die chronisch-myeloischen Erkrankungen oder die akute myeloische Leukämie (AML). Nun halten zielgerichtete Therapien mit Inhibitoren und Antikörpern auch Einzug in die Therapie der AML.<br /> Bei den lymphatischen Erkrankungen werden Antikörper, beispielsweise bispezifische Antikörper, sicher die Therapie verändern, ebenso wie die verschiedenen Inhibitoren wie BCL2-Inhibitoren, P3-Kinase- Inhibitoren, BTK-Inhibitoren und deren Weiterentwicklungen. Aus meiner Sicht sind jedoch die CAR-T-Zellen das größte Highlight. Sie waren mit vielen Abstracts am ASH vertreten und es wurden bereits Real-World-Daten für mehrere CAR-T-Zell-Produkte präsentiert, zum Beispiel für Axicabtagene Ciloleucel (Axi-cel). Das Beeindruckende ist, dass die Resultate aus den Studien in der täglichen Praxis reproduziert werden können, und man kann damit rechnen, dass bei aggressiven Lymphomen eine Langzeitwirksamkeit von etwa 40 % bei ansonsten austherapierten Patienten bestehen bleibt. Das gilt auch für die akute lymphatische Leukämie (ALL), wie das Update der ELIANA-Studie bestätigt, das von Stephan Grupp vorgestellt wurde.<sup>2</sup><br /> ELIANA ist eine Phase-II-Studie mit Tisagenlecleucel bei Kindern und Jugendlichen mit CD19+ r/r B-Zell-ALL und die erste globale Studie zur CAR-T-Zell-Therapie. Der primäre Endpunkt wurde mit einer Gesamtremissionsrate (ORR) von 81 % innerhalb von drei Monaten und einer Dauer von mindestens 28 Tagen erreicht. Das in San Diego präsentierte Update schloss weitere Patienten ein und beinhaltete ein zusätzliches Follow-up von elf Monaten. Bei 29 Patienten dauerte die Response 29 Monate und darüber hinaus an (Abb. 1), 19 Patienten erlitten ein Rezidiv, bevor sie eine weitere Therapie erhielten; 13 dieser Patienten verstarben. Von den Patienten in Remission erhielten 8 eine Stammzelltransplantation, 8 eine andere Krebstherapie und ein Patient schied während der Remission aus. Die Wahrscheinlichkeit für ein rezidivfreies Überleben nach 18 Monaten betrug 66 % , das mediane Gesamtüberleben (OS) wurde nicht erreicht und die OSWahrscheinlichkeit nach 18 Monaten lag bei 70 % . Das Zytokin-Release-Syndrom (CRS) trat bei 77 % der Patienten auf, bei 48 % in Grad 3/4. In jedem Fall war das CRS jedoch reversibel. Weitere häufige Nebenwirkungen waren Neutropenie (62 % ), Hypoxie und Hypotonie (jeweils 20 % ).<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1901_Weblinks_jatros_onko_1901_s32_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="778" /></p> <h2>Der nächste Schritt: Kombinationstherapien</h2> <p>Der nächste Bereich ist die Weiterentwicklung der CAR-T-Zellen durch Kombination mit anderen Substanzen. Insgesamt spielen die Kombinationstherapien eine große Rolle. Bei den Lymphomen sehen wir alle nur denkbaren Kombinationen mit Inhibitoren und Antikörpern, zum Beispiel Polatuzumab in Kombination mit Chemotherapie, eine Reihe von Checkpoint-Inhibitoren in Kombination mit Chemotherapie oder mit anderen Inhibitoren oder auch mit CAR-T-Zellen. Die BTK-Inhibitoren sind bereits in der dritten Generation verfügbar und wir nutzen beispielsweise Kombinationen mit Venetoclax. Die Kombinationsmöglichkeiten scheinen hier unbegrenzt zu sein. Hinsichtlich der CAR-T-Zellen besteht der größte Bedarf bei der ALL im Kindesund jungen Erwachsenenalter. Hier wurde auch die beste Wirksamkeit der Behandlung gezeigt. Daher wird das Verfahren vermutlich in diesem Bereich bald Einzug in die Routinetherapie halten. Aber auch bei den aggressiven Lymphomen wurden sehr gute Ergebnisse mit CAR-T-Zellen beobachtet. Allerdings gilt es dort noch gewisse Hürden zu überwinden, bevor sie routinemäßig eingesetzt werden können. Die logistischen Fragen sind in Österreich gelöst, jedoch bereitet die Finanzierung dieser teuren Therapien Probleme. Wir können sie noch nicht richtig abrechnen und verhandeln derzeit mit den Spitalserhaltern über Budgets, um geeignete Patienten mit CAR-T-Zellen zu behandeln. In der Zwischenzeit arbeiten wir im Rahmen von Studien weiter.</p> <h2>Nebenwirkungsmanagement bei CAR-T-Zell-Therapien</h2> <p>Aus Real-World-Studien wissen wir, dass man das CRS deutlich abschwächen kann, wenn man den Interleukin-6-Antikörper Tocilizumab frühzeitig verabreicht und nicht erst, wenn das CRS beim Patienten bereits manifest ist. Kortison kann das CRS ebenfalls mildern. Bemerkenswert ist, dass bei der CLL die Kombination mit Ibrutinib Nebenwirkungen wie CRS und Neurotoxizität senken kann.</p> <h2>CLL: immer weniger Chemotherapie</h2> <p>Bei der CLL verliert die Chemotherapie an Bedeutung, da die Behandlung mit Inhibitoren und Antikörpern zu guten MRDnegativen Remissionen führt. Dies bestätigt das Update der MURANO-Studie. Bei einem medianen Follow-up von drei Jahren hatten die Patienten, die Venetoclax/Rituximab (VenR) erhielten, im Vergleich zu jenen, die mit Bendamustin/Rituximab (BR) behandelt wurden, einen anhaltenden Benefit hinsichtlich PFS (median nicht erreicht vs. 17 Mon.; p<0,0001) und OS (87,9 % vs. 79,5 % ; p=0,0093).<sup>3</sup><br /> Auch andere Kombinationsstudien, zum Beispiel mit Ibrutinib/Venetoclax, rütteln an dem Paradigma, dass man keine Langzeitremissionen erzeugen kann. Bei manchen Patienten sind die Medikamente schon länger abgesetzt, dennoch befinden sich die Patienten weiterhin in Remission. Die nächste Stufe sind die CAR-T-Zell-Therapien – entweder allein oder in Kombination mit Inhibitoren. Damit erreicht man bemerkenswerte Langzeitremissionen. Besonders beeindruckend finde ich die Ergebnisse bei der Richter-Transformation, den (oft raschen) Übergängen der CLL in eine höhermaligne Form. Bisher gab es dafür nahezu keine wirksamen Therapien; mit den modernen Verfahren erzielen wir plötzlich komplette Remissionsraten von 20 bis 30 % . Das ist beeindruckend.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Antic D et al.: External validation and revision of thrombosis lymphoma /throly/ score. Abstract 140, ASH 2018, San Diego/USA, 1.–4. Dezember 2018 <strong>2</strong> Grupp SA et al.: Updated analysis of the efficacy and safety of tisagenlecleucel in pediatric and young adult patients with relapsed/ refractory (r/r) acute lymphoblastic leukemia. Abstract 895, ASH 2018, San Diego/USA, 1.–4. Dezember 2018 <strong>3</strong> Seymour JF et al.: MURANO trial establishes feasibility of time-limited venetoclax-rituximab (VenR) combination therapy in relapsed/refractory (R/R) chronic lymphocytic leukemia (CLL). Abstract 184, ASH Annual Meeting 2018, San Diego/USA, 1.–4. Dezember 2018</p>
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