<p class="article-intro">Sowohl zur medikamentösen Therapie als auch zur Chirurgie wurden beim ASCO Meeting interessante neue Erkenntnisse präsentiert. Erneut konnte gezeigt werden, dass PARP-Inhibitoren bei bestimmten Subentitäten des Ovarialkarzinoms zu eindrucksvollen Responseraten führen. Die Immuntherapie scheint auch im Bereich der gynäkologischen Malignome vielversprechend zu sein und hat bei massiv vorbehandelten Ovarialkarzinompatientinnen eine nennenswerte klinische Aktivität bei gleichzeitig akzeptablem Nebenwirkungsprofil gezeigt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>In der ARIEL2-Studie<sup>1</sup> konnte gezeigt werden, dass die Anwendung eines Assays zur Bestimmung einer HRD bei Ovarialkarzinomen eine Vorhersage über die zu erwartende Effektivität einer Therapie mit PARP-Inhibitoren ermöglicht.</li> <li>Der Zusatz von Pertuzumab zur Chemotherapie mit Gemcitabin beim platinresistenten rezidivierten Ovarialkarzinom führte zu keinem Effekt im Sinne einer signifikanten Verlängerung des PFS.<sup>2</sup></li> <li>Unter der Gabe des PD-L1-Antikörpers Avelumab wurde eine deutliche klinische Wirkung bei schwer vorbehandelten Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom nachgewiesen. Das Nebenwirkungsprofil konnte als günstig eingestuft werden.<sup>3</sup></li> <li>Im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie führte die Verabreichung von Bevacizumab in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel bei Patientinnen mit fortgeschrittenem oder rezidiviertem Endometriumkarzinom zu einer signifikanten Verlängerung des PFS.<sup>4</sup></li> <li>Erstmals konnte unter Studienbedingungen gezeigt werden, dass eine alleinige Wächterlymphknotenbiopsie beim frühen invasiven Zervixkarzinom im Vergleich zu einer zusätzlichen systematischen pelvinen Lymphadenektomie zu einer signifikanten Reduktion der postoperativen Morbidität und zu einer niedrigeren Rate an frühen neurologischen Symptomen führt.<sup>5</sup></li> </ul> </div> <h2>Rucaparib beim Ovarialkarzinom</h2> <p>In der bemerkenswerten Phase-II-Studie<sup>1</sup> ARIEL2 wurde in prospektiver Intention versucht, beim Ovarialkarzinom mittels genetischer Analyse des Tumors Patientinnen zu identifizieren, die von einer Therapie mit dem PARP-Inhibitor Rucaparib profitieren. Ca. 50 % der serös-papillären Ovarialkarzinome weisen einen Defekt der homologen Rekombination („homologous recombination deficiency“, HRD) auf. Diese Tumoren sind potenzielle Kandidaten für eine PARP-Inhibitor-Therapie. In der Studie wurde ein neuer NGS(„next generation sequencing“)-HRD-Assay zur Bestimmung des <em>BRCA</em>-Status und zur Bestimmung eines genomweiten „loss of heterozygosity“ (LOH) getestet. Ein Algorithmus zur Vorhersage der Rucaparib-Sensitivität wurde ebenfalls untersucht. Rucaparib (600mg, 2x tgl.) kam in 3 vordefinierten Subgruppen zur Anwendung: Tumoren mit <em>BRCA</em>-Mutation,<em> BRCA</em>-Wildtyp/hoher LOH-Rate, <em>BRCA-</em>Wildtyp/niedriger LOH-Rate. Der HRD-Status wurde in Tumorbiopsien und archiviertem Tumormaterial bestimmt. 206 Patientinnen wurden in die Studie eingeschlossen. 46 % der Patientinnen hatten davor bereits zwei oder mehr Chemotherapien erhalten. Zu den behandlungsbezogenen Nebenwirkungen zählten gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Obstipation und Diarrhö, Fatigue-Syndrom, Hämoglobinabfall und eine vorübergehende Erhöhung der Transaminasen. Die Effektivitätsdaten von 135 Patientinnen zeigten eine Response gemäß RECIST („response evaluation criteria in solid tumors“) und eine CA125-Ansprechrate in folgendem Ausmaß: <em>BRCA</em>-Mutation: 69 % ; <em>BRCA</em>-Wildtyp/hohe LOH-Rate: 39 % ; <em>BRCA</em>-Wildtyp/niedrige LOH-Rate: 11 % (p<0,0001). Erwähnenswert ist, dass bei einigen Patientinnen bei Vergleich von archiviertem und biopsiertem Tumormaterial eine Zunahme der LOH-Rate verzeichnet worden ist. Die ARIEL2-Daten zeigen, dass es möglich ist, mittels eines Tumor-HRD-Assays und eines Algorithmus, bei dem eine <em>BRCA</em>- und eine LOH-Analyse kombiniert werden, Patientinnen zu identifizieren, die von einer Rucaparib-Therapie profitieren.</p> <h2>PENELOPE</h2> <p>Eine weitere interessante Studie war PENELOPE/AGO-OVAR2.20:<sup>2</sup> In dieser doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie wurden Effektivität und Sicherheit einer Chemotherapie mit/ohne Pertuzumab bei Patientinnen mit platinresistentem Ovarialkarzinom untersucht. Die Zugabe von Pertuzumab zu Gemcitabin hatte bei Patientinnen mit einer niedrigen HER3-mRNA-Expression durch den Tumor eine Verlängerung des progressionsfreien Intervalls (PFS) gezeigt. 156 Patientinnen mit einem platinresistenten Ovarialkarzinom und einer niedrigen HER3-mRNA-Expression wurden in die Studie eingeschlossen. Als Chemotherapie konnten Topotecan, Paclitaxel und Gemcitabin als Monotherapie verabreicht werden. Die Chemotherapie wurde entweder mit Placebo oder mit Pertuzumab kombiniert. Als primärer Studienendpunkt war das PFS definiert. Zu den sekundären Endpunkten zählten Gesamtüberleben, objektive Ansprechrate und Sicherheit. Die Zugabe von Pertuzumab zeigte sich in einer tendenziellen Verbesserung des PFS (im Median 4,3 vs. 2,6 Monate), ohne jedoch statistische Signifikanz zu erreichen. Demnach konnte das primäre Studienziel nicht erreicht werden. Das Toxizitätsprofil entsprach dem bisherigen Kenntnisstand.</p> <h2>Studie zu Avelumab beim Ovarialkarzinom</h2> <p>Erwähnenswert ist auch die Studie über die Anwendung von Avelumab, einem PD-L1-Antikörper, bei Patientinnen mit vorbehandeltem, rezidiviertem oder refraktärem Ovarialkarzinom. Der Programmed-Death-1(PD-1)-Rezeptor (PD-1) und sein Ligand (L1) spielen eine Schlüsselrolle bei der Reaktivierung einer Immunantwort auf Tumorzellen. Avelumab ist ein humaner Anti-PD-L1-IgG1-Antikörper, der zurzeit in mehreren klinischen Studien untersucht wird. In der beim ASCO Meeting 2015 präsentierten Studie<sup>3</sup> wurde die Wirkung von Avelumab in Bezug auf die Ansprechrate und das PFS bei Patientinnen mit rezidiviertem oder refraktärem Ovarialkarzinom untersucht. In einer vordefinierten Analyse von 23 Patientinnen mit einem Follow-up von ≥2 Monaten wurde eine partielle Response verzeichnet, was zu einer Kollektiverweiterung auf 75 Studienteilnehmerinnen führte. Die Patientinnen waren intensiv vorbehandelt gewesen und hatten davor im Median vier Chemotherapien erhalten. Zum Zeitpunkt der Publikation lag der mediane Behandlungszeitraum bei 10 Wochen, 27 Patientinnen waren noch immer unter Therapie. Die Effektivitätsdaten der 23 Patientinnen bei einem Follow-up von ≥2 Monaten zeigten ein Ansprechen bei 4 (17,4 % ) und eine Krankheitsstabilisierung bei 11 Patientinnen (47,8 % ). Bei 2 Patientinnen wurde eine >30 % ige Tumorverkleinerung nachgewiesen. Als häufigste unerwünschte Ereignisse wurden Fatigue, Übelkeit und Diarrhö dokumentiert. Es wurden keine schweren Nebenwirkungen („serious adverse events“) verzeichnet. Diese Studie ist die bisher größte, in der ein PD-L1-Antikörper beim rezidivierten Ovarialkarzinom untersucht wurde. Avelumab zeigt in diesem intensiv vorbehandelten Patientenkollektiv durchaus klinische Aktivität bei gleichzeitig akzeptablem Nebenwirkungsprofil.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite33.jpg" alt="" width="622" height="357" /></p> <h2>Endometriumkarzinom</h2> <p>Lorusso et al<sup>4</sup> haben in einer Phase-II-Studie die Anwendung einer Chemotherapie bestehend aus Carboplatin plus Paclitaxel mit dem Zusatz von Bevacizumab zu diesem Regime bei Patientinnen mit fortgeschrittenem (Stadium III und IV) oder rezidiviertem Endometriumkarzinom untersucht. In vorangegangenen Studien führte Bevacizumab als Monotherapie in diesem Patientenkollektiv, das eine schlechte Prognose aufweist, zu Ansprechraten zwischen 13 und 22 % bei einer Krankheitskontrolle im Ausmaß von bis zu 40 % . Die Studienteilnehmerinnen (n=108) hatten ≤1 vorangegangene Chemotherapie erhalten. Eingeschlossen wurden Patientinnen mit Typ-1- und Typ-2-Endometriumkarzinomen; die Randomisierung erfolgte im 1:1-Design. Die Patientinnen erhielten eine Standardchemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel +/– 15mg/kg KG Bevacizumab. Die Therapie wurde bis zum Nachweis einer Progression oder dem Auftreten von inakzeptablen Toxizitäten fortgesetzt. Bei 60 % der Patientinnen wurde ein endometroides Karzinom diagnostiziert, 55 % der Tumoren waren schlecht differenziert (G3). Der Performance-Status betrug 0 oder 1. Das PFS in der Bevacizumab-Gruppe war gegenüber der Gruppe mit der alleinigen Chemotherapie signifikant länger (13,0 vs. 8,7 Monate; HR: 0,59; p=0,036) (Abb. 1). Die Gesamtansprechrate lag bei 71,7 % im Bevacizumab-Arm und bei 54,3 % in der Gruppe mit alleiniger Chemotherapie. Die Toxizität entsprach den Erwartungen. So fanden sich 3 arterielle und 3 venöse Thromboembolien, 11 Fälle von Hypertonie Grad ≥2, ein Myokardinfarkt und eine gastrointestinale Fistelbildung in der Bevacizumab-Gruppe. Die Zugabe von Bevacizumab bei Patientinnen mit fortgeschrittenem oder rezidiviertem Endometriumkarzinom führte zu einer signifikanten Verlängerung des PFS. Die durch Bevacizumab induzierte Toxizität ist vor allem bei Vorliegen von präexistenten kardiovaskulären Morbiditäten zu beachten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite34.jpg" alt="" width="624" height="292" /></p> <h2>Zervixkarzinom</h2> <p>Die Detektion von Wächterlymphknoten beim frühen invasiven Zervixkarzinom ist bereits als etablierte Methode anzusehen. Mehrere Studien belegen die Machbarkeit und niedrige Falsch-negativ-Raten bei einer bilateralen Identifikation von Wächterlymphknoten. Zur Detektion werden unterschiedliche Techniken wie Patentblau-, Technetium- und Indocyanin-Markierung angewendet. Bislang wurden allerdings die tatsächlichen Vorteile einer Wächterlymphknotenentfernung versus eine systematische pelvine Lymphadenektomie nicht erfasst. Am ASCO-Kongress 2015 wurden die Ergebnisse der ersten prospektiv randomisierten Studie<sup>5</sup> präsentiert, in der der Effekt einer alleinigen Wächterlymphknotenentfernung auf die postoperative Morbidität untersucht worden ist. 267 Patientinnen mit einem Zervixkarzinom in den Stadien FIGO IA, IB1 und IIA1 wurden in die Studie aufgenommen. Von diesen Patientinnen wurden 206 randomisiert, da bei 61 Frauen kein oder nur ein Wächterlymphknoten detektierbar war. Zur Identifikation der Wächterlymphknoten wurden eine Patentblau- und eine Technetium-Markierung angewendet. Entsprechend der Randomisierung wurde bei den Patientinnen entweder eine alleinige Wächterlymphknotenbiopsie oder eine Wächterlymphknotenbiopsie plus eine pelvine Lymphadenektomie durchgeführt. Primärer Endpunkt der Studie war die chirurgische Morbidität. Die mediane Anzahl von entfernten Wächterlymphknoten lag bei 3. In der Gruppe mit pelviner Lymphadenektomie waren keine falsch negativen Wächterlymphknoten nachweisbar. Insgesamt war die chirurgische Morbidität in der Gruppe mit alleiniger Wächterlymphknotenbiopsie signifikant niedriger (31,4 % vs. 51,5 % ; p=0,0046) (Tab. 1). Außerdem wurden in dieser Gruppe signifikant weniger neurologische Symptome in der frühen postoperativen Phase verzeichnet (7,8 % vs. 20,6 % ; p=0,01). Die Studie hat eindrucksvoll gezeigt, dass die alleinige Wächterlymphknotenbiopsie beim frühen Zervixkarzinom tatsächlich zu einer signifikanten Reduktion der postoperativen Morbidität führt.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Gynecologic Cancer Unit<br/>
Comprehensive Cancer Center Vienna<br/>
Universitätsklinik für Frauenheilkunde Wien<br/>
Medizinische Universität Wien<br/>
E-Mail: alexander.reinthaller@meduniwien.ac.at<br/>
Quelle: 51. Meeting der ASCO,
29. Mai bis 2. Juni 2015, Chicago
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> McNeish IA et al: ASCO 2015; Abstract #5508<br /><strong>2</strong> Kurzeder C et al: ASCO 2015; Abstract # TPS5613<br /><strong>3</strong> Disis ML et al: ASCO 2015; Abstract #5509<br /><strong>4</strong> Lorusso D et al: ASCO 2015; Abstract # 5502<br /><strong>5</strong> Mathevet P et al: ASCO 2015; Abstract #5521</p>
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