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Neue Immuntherapien für die akute lymphoblastische B-Zell-Leukämie (B-ALL)

<p class="article-intro">Im Sommer 2018 wurde in Europa das erste CAR-T-Zellprodukt von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen. Tisagenlecleucel (Kymriah<sup>®</sup>) ist ein genetisch verändertes Lymphozytenpräparat, das gegen das Oberflächenprotein CD19 gerichtet ist, welches auf B-Zellen exprimiert wird.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Was sind CAR-T-Zellen?</h2> <p>CAR-T-Zellen sind T-Lymphozyten, in die ex vivo mittels eines lentiviralen Transferkonstruktes ein Gen eingebracht wird. Dieses Gen kodiert einen Bauplan f&uuml;r einen k&uuml;nstlichen Antigenrezeptor, welcher sowohl eine Dom&auml;ne innerhalb des T-zellul&auml;ren Zytoplasmas als auch eine extrazellul&auml;re Dom&auml;ne zur Erkennung von CD19-positiven B-Zellen enth&auml;lt. CD19- Oberfl&auml;chenproteine befinden sich sowohl auf gesunden als auch auf malignen BZellen.</p> <h2>F&uuml;r wen ist eine Therapie mit Tisagenlecleucel zugelassen?</h2> <p>Diese Art der Immunzelltherapie eignet sich f&uuml;r Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von bis zu 25 Jahren mit einer Chemotherapie-refrakt&auml;ren oder rezidivierten ALL, die CD19- positive Blasten exprimiert. Das k&ouml;nnen auch Patienten sein, die nach einer allogenen Stammzelltransplantation einen Leuk&auml;mier&uuml;ckfall erleiden. Ebenso zugelassen ist Tisagenlecleucel f&uuml;r erwachsene Patienten mit refrakt&auml;rem oder rezidiviertem diffusem gro&szlig;zelligem B-Zell-Lymphon (DLBCL), welche bereits zwei oder mehr Linien einer systemischen Therapie erhalten haben.<br /> Tisagenlecleucel ist gegen CD19-positive Leuk&auml;mie gerichtet. Derzeit wird in einigen Studien auch die Wirksamkeit gegen CD19-positive Lymphome bei Kindern und Jugendlichen untersucht.<br /> Ein anderer, &auml;hnlicher immuntherapeutischer Wirkstoff, der in der EU ebenfalls 2018 zugelassen wurde, ist Axicabtagen- Ciloleucel (Yescarta<sup>&reg;</sup>). Er richtet sich gleicherma&szlig;en gegen CD19-positive Zellen, ist allerdings nicht zur Behandlung einer B-ALL indiziert.</p> <h2>Wie werden CAR-T-Zellen hergestellt?</h2> <p>Zun&auml;chst werden &uuml;ber eine Leukapherese T-Lymphozyten vom Patienten gewonnen und anschlie&szlig;end kryokonserviert. Die Zellen werden tiefgek&uuml;hlt in ein amerikanisches oder europ&auml;isches Zentrallabor versandt, wo ihnen mittels lentiviraler Transduktion ein modifiziertes Gen eingebaut wird, das Z-Zellen normalerweise nicht haben. Dieses Gen kodiert ein Protein, welches chim&auml;rer Antigenrezeptor (CAR) genannt wird. Die modifizierten Zellen werden sodann vermehrt und auf ihre Sicherheit getestet. Das kryokonservierte Produkt wird daraufhin an das Behandlungszentrum geschickt.</p> <h2>Behandlung der Patienten</h2> <p>W&auml;hrend der Herstellungsphase des genetisch modifizierten Lymphozytenpr&auml;parats brauchen manche Patienten eine &uuml;berbr&uuml;ckende Chemotherapie, um ein Fortschreiten der Leuk&auml;mie zu verhindern. Wenn das Produkt hergestellt wurde und alle Sicherheits- und Infektionschecks in Ordnung waren (meist nach ca. 4&ndash;6 Wochen), kann der Patient f&uuml;r die Infusion vorbereitet werden. Meist wird eine lymphodepletierende Chemotherapie verabreicht, um ein gutes Anwachsen und eine Vermehrung der CAR-T-Zellen zu gew&auml;hrleisten. Dadurch werden nicht nur Leuk&auml;miezellen, sondern auch das k&ouml;rpereigene Immunsystem unterdr&uuml;ckt. Dies ist f&uuml;r Patienten, die h&auml;ufig an Virusinfektionen leiden, eine potenzielle Bedrohung, weshalb in solch einer Situation zus&auml;tzlich eine virostatische Therapie stattfinden muss, ehe die Zellen infundiert werden k&ouml;nnen. Unmittelbar nach der Infusion der CART- Zellen beginnen diese, alle CD19-positiven Zellen zu zerst&ouml;ren. Dies findet nicht nur im Blut, sondern auch in Organen und im Gehirn statt. Eine intensive &Uuml;berwachung ist notwendig, um ein Zellzerfallssyndrom rechtzeitig zu erkennen und zu therapieren.</p> <h2>Nebenwirkungen</h2> <p>Bei fast allen Patienten kommt es nach der Infusion von Tisagenlecleucel zu Nebenwirkungen, die lebensbedrohlich sein k&ouml;nnen, weshalb ein intensives Monitoring und eine rechtzeitige Therapie essenziell sind.<br /> Die h&auml;ufigste und am schwersten wiegende Nebenwirkung ist der sogenannte Zytokinsturm (&bdquo;cytokine-release syndrome&ldquo;). Fr&uuml;he Symptome sind hohes Fieber, Kreislaufinstabilit&auml;t, &Ouml;deme und Aszites. Ein gegen Interleukin-6 gerichteter Antik&ouml;rper (Tozilizumab) kann erfolgreich diese &uuml;berschie&szlig;enden Entz&uuml;ndungsreaktionen kontrollieren. Manchmal kommt es jedoch zu Makrophagenaktivierung, H&auml;mophagozytose und Zytopenien. Weiters sind neurologische Komplikationen (Aphasie, Krampfanf&auml;lle, Verwirrtheit, selten Koma) bei mehr als einem Drittel der Patienten zu beobachten, diese sind jedoch meist reversibel. Langfristig macht die bleibende B-Zell-Aplasie eine Bildung von Immunglobulinen unm&ouml;glich und somit ist eine regelm&auml;&szlig;ige Immunglobulinsubstitution erforderlich. Diese kann subkutan im ambulanten Setting oder zu Hause erfolgen.</p> <h2>Wirksamkeit</h2> <p>In der globalen Zulassungsstudie wurden 75 Kinder und Jugendliche mit CD19- positiver, rezidivierter oder therapierefrakt&auml;rer ALL mit Tisagenlecleucel behandelt. Urspr&uuml;nglich waren 92 Patienten registriert, allerdings kam es bei einigen nicht zur Infusion, weil es nicht m&ouml;glich war, ihre Lymphozyten entsprechend zu modifizieren, oder weil die Patienten zuvor an Komplikationen oder Leuk&auml;mieprogress starben. 81 % der Patienten erreichten eine vollst&auml;ndige Remission nach der Infusion. Die Rate des ereignisfreien &Uuml;berlebens betrug nach sechs Monaten 73 % , die des Gesamt&uuml;berlebens 90 % . Nach 12 Monaten waren noch 50 % der Patienten rezidivfrei und 76 % am Leben.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Die Therapie mit modifizierten k&ouml;rpereigenen Lymphozyten er&ouml;ffnet vollkommen neue Therapiem&ouml;glichkeiten f&uuml;r Patienten mit Leuk&auml;mie und Lymphomen. Es sind bereits Studien im Gange, die diese Behandlungsmethoden fr&uuml;hzeitiger einsetzen, und es ist anzunehmen, dass hiermit die Erfolgsaussichten gr&ouml;&szlig;er werden. Man wird auch evaluieren, ob mit diesen Methoden auf eine allogene Stammzelltransplantation verzichtet werden kann. Eine Alternative zur zentralen Aufbereitung von CAR-T-Zellen wird die dezentrale Pr&auml;paration in vollautomatischen Systemen sein. Die n&auml;chsten Jahre werden zeigen, wie potent und nebenwirkungsbehaftet diese Therapie ist und wie gut die Zellen persistieren. Langzeitbeobachtungen, vor allem bei jungen Patienten, sind essenziell und wurden von der EMA auch gefordert. Alle Tisagenlecleucel-Patienten werden in einem zentralen Register der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) dokumentiert, ihr Verlauf wird &uuml;ber mindestens 15 Jahre evaluiert.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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