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Neue Entwicklungen in der Lymphomtherapie
Jatros
Autor:
Prof. Dr. Christoph Renner
Onkozentrum Zürich und Hirslanden, Zürich<br> E-Mail: christoph.renner@hirslanden.ch
30
Min. Lesezeit
13.09.2018
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<p class="article-intro">Am diesjährigen ASCO-Kongress wurden auf dem Gebiet der Lymphombehandlung keine neuen Therapiestandards definiert. Schwerpunkte in der Entwicklung neuer Medikamente beruhen auf zielgerichteten Strategien mit z.B. BTK- oder BCL2-Inhibitoren oder neuen Ansätzen der Immuntherapie, hier vornehmlich der zellulären Therapie mit genmodifizierten T-Zellen (CAR-T-Zell-Technologie). Zudem bestätigte sich für das Hodgkin-Lymphom im fortgeschrittenen Stadium eine PET-CT-gesteuerte Therapie zur Reduktion der Toxizität bei erhaltener hoher Heilungsrate.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Rituximab plus Revlimid zeigt auch in der Erstlinientherapie des follikulären Lymphoms eine gute Wirkung bei akzeptabler Toxizität. Jedoch ist diese Therapie einer R-Chemotherapie in Bezug auf die Wirksamkeit nicht überlegen.</li> <li>Rituximab-Bendamustin plus das Immuntoxin Polatuzumab Vedotin kann bei Patienten mit r/r DLBCL-Erkrankung in mehr als 50 % aller Fälle ein Ansprechen erreichen und sowohl PFS als auch OS verlängern.</li> <li>PET2 bestätigt sich als wichtiger prognostischer Marker in der Behandlung von HL-Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung. Zudem kann PET2 zur Anpassung der Therapieintensität verwendet werden.</li> <li>Umprogrammierte T-Zellen (CAR-T-Zellen) sind ein hoffnungsvoller Ansatz in der Behandlung des rezidivierten bzw. refraktären DLBCL.</li> </ul> </div> <h2>Therapie indolenter Lymphome</h2> <p>Mit Spannung erwartet wurden die Daten der RELEVANCE-Studie zur Erstlinientherapie des follikulären Lymphoms (FL).<sup>1</sup> Diese große, prospektiv randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie stellte die Frage, ob eine Chemotherapie-freie Kombination aus Rituximab plus Revlimid (R<sup>2</sup>) einer Rituximab-Chemotherapie(RChemo)- Kombination überlegen ist. Die Autoren hofften, damit einen neuen Standard bei Therapie-naiven Patienten setzen zu können.<br /> Pro Studienarm wurden mehr als 500 Patienten eingeschlossen. Die R-Chemotherapie bestand entweder aus R-CHOP, R-Bendamustin (R-Benda) oder R-CVP. Es war den Zentren überlassen, die jeweils präferenzierte R-Chemo-Kombination frei zu wählen und 72 % aller Patienten erhielten R-CHOP. Die Induktionstherapie erfolgte über sechs Monate, wobei im Kombinationsarm R<sup>2</sup> anschließend noch ein Jahr lang weiter mit der R<sup>2</sup>-Kombination, zum Teil aber mit reduzierter Revlimid- Dosis behandelt wurde. In diesem Arm dauerte die anschließende Erhaltungstherapie mit R-mono 12 Monate. Die R-Erhaltungstherapie im R-Chemotherapiearm wurde nach der sechsmonatigen Chemotherapie auf zwei Jahre festgelegt. Der primäre Studienendpunkt waren sowohl eine Überlegenheit des R<sup>2</sup>-Arms bezogen auf die Ansprechrate (nach 120 Wochen) als auch ein verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS). Beide Endpunkte konnten nicht erreicht werden, da sowohl die Ansprechrate als auch das PFS nahezu identisch waren.<br /> Damit handelt es sich zwar formal um eine negative Studie, die Daten zeigen aber mit einem 3-Jahres-PFS von 77 % für R<sup>2</sup> und 78 % unter R-Chemo, dass die Chemotherapie- freie Kombination der Chemotherapie- haltigen bei insgesamt weniger Nebenwirkungen ebenbürtig sein könnte. Für eine Zulassung werden die Daten nicht reichen, stellen aber eine mögliche Alternative für Patienten mit Kontraindikation für eine R-Chemotherapie in der Erstlinientherapie des FL dar.</p> <h2>Therapie aggressiver Lymphome</h2> <p>In der Behandlung des aggressiven BZell- Lymphoms und hier insbesondere des am häufigsten vorkommenden diffusgroßzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) hat es gerade für Patienten mit rezidivierter oder refraktärer (r/r) Erkrankung und fehlender Option für eine Dosisintensivierung mit Stammzelltransplantation leider keine therapeutischen Fortschritte in den letzten Jahren gegeben. Es ist bekannt, dass bei Versagen oder fehlender Wirksamkeit einer Primärtherapie die Prognose dieses Patientenkollektivs sehr schlecht ist und das mittlere PFS in der Regel nur wenige Monate beträgt. Deshalb ist die präsentierte Phase-II-Studie<sup>2</sup> bestehend aus der Kombination von R-Benda mit dem Immuntoxin Polatuzumab Vedotin (PV) im experimentellen Arm von großem Interesse.<br /> 80 Patienten mit r/r DLBCL wurden gleichmäßig auf die beiden Behandlungsarme (R-Benda als Standardarm) verteilt. Durch die Hinzunahme von PV zeigten sich eine signifikante Steigerung der Gesamtansprechrate (ORR) auf 70 % und eine CR-Rate von 58 % . Das verbesserte Ansprechen übertrug sich auch auf das PFS mit einer Verlängerung im experimentellen Arm auf knapp 7 Monate im Vergleich zu 2 Monaten im Standardarm. Erfreulicherweise zeigte sich zudem das Gesamtüberleben (OS) mit 11,8 im experimentellen Arm im Vergleich zu 4,7 Monaten im Standardarm überlegen. Die Verträglichkeit der gesamten Therapie war akzeptabel.<br /> Damit stellt PV mit R-Benda erstmalig eine neue Therapiealternative bei Patienten mit r/r DLBCL mit signifikant verlängertem OS dar. Es ist zu hoffen, dass es bald zu einer Zulassung und damit auch zur raschen Verfügbarkeit kommen wird.</p> <h2>Therapie des Hodgkin-Lymphoms</h2> <p>In der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Hodgkin-Lymphom (HL) stellt sich zunehmend weniger die Frage, wie die Therapieeffektivität verbessert werden kann, sondern vornehmlich tritt in den Vordergrund, wie bei Beibehaltung der hohen Wirksamkeit eine bessere Verträglichkeit erzielt werden kann. Patienten mit fortgeschrittener HL-Erkrankung im Alter von unter 65 Jahren haben eine exzellente Prognose und können mit Polychemotherapie zu über 90 % geheilt werden. Die Qualität des Ansprechens lässt sich frühzeitig durch den Einsatz eines PET-CT nach zwei Zyklen (PET2) abschätzen. Patienten mit zu diesem Zeitpunkt noch PET-positiver Erkrankung haben eine schlechtere Prognose. Beginnt man die Therapie mit dem weniger intensiven ABVD-Schema, so sollte dann bei PET-Positivität auf das intensivere BEACOPPesc- Regime gewechselt werden. Beginnt man jedoch mit dem intensiveren BEACOPPesc-Regime, so kann gemäß den Daten der deutschen HL-Studiengruppe bei PET2-Negativität die Gesamtzyklenzahl von sechs auf vier reduziert und damit bei gleichbleibender Wirksamkeit Toxizität gespart werden.<br /> Die französische Studiengruppe hat nun die Daten der AHL2011-LYSA-Studie in finaler Form vorgestellt.<sup>3</sup> In dieser prospektiv randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie mit mehr als 800 HL-Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung haben alle Patienten nach zwei Zyklen BEACOPPesc eine PET2-Untersuchung erhalten. Im experimentellen Arm wurde dann bei PET2-Negativität (gemäß Studie bei 84 % aller Patienten) auf vier Zyklen ABVD deeskaliert. Erfreulicherweise zeigte sich statistisch keine Beeinträchtigung des 4-Jahres-OS (96,9 % im Standardarm und 97,1 % im experimentellen Arm). Zudem kam es im experimentellen Arm mit der Reduktion der Chemotherapieintensität zu einer Abnahme der Therapie-bedingten Nebenwirkungen.<br /> Damit hat sich PET2 erneut als diskriminierender Faktor für eine Therapieanpassung bestätigt und erlaubt unseren HL-Patienten, eine effektive Therapie mit reduzierter Toxizität zu erhalten.</p> <h2>Immuntherapie mit genmodifizierten T-Zellen (CAR-T-Zellen)</h2> <p>Man kann heutzutage kaum einen Artikel über Lymphome ohne Erwähnung neuer CAR-T-Zell-Daten beenden. Vorgestellt wurde eine Aktualisierung der TRANSCEND-NHL-001-Studie (Lisocabtagene maraleucel [liso-cel; JCAR017]) bei Patienten mit r/r aggressivem Lymphom.<sup>4</sup> Von den 114 eingeschlossenen Patienten konnten 102 bzgl. Effektivität analysiert werden. Es bestätigt sich erneut, dass die hohen logistischen Anforderungen für diese Therapie etabliert sind (99 % Produktverfügbarkeit). Zudem war es erfreulich zu sehen, dass Nebenwirkungen wie das „cytokine release syndrome“ (CRS) zwar in 35 % aller Patienten auftrat, aber nur ein Patient eine Grad-3–4-Reaktion entwickelte. Ähnlich verhielt es sich mit den neurologischen Nebenwirkungen (13 % Grad-3–4-Reaktionen). Die ORR betrug 75 % mit einer CRRate von 55 % . Es bestätigte sich erneut, dass Patienten, die nach drei respektive sechs Monaten eine CR erreicht hatten, diese in der Regel auch lange halten können (93 % für 6-Monats-CR).</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Fowler NH et al.: RELEVANCE: phase III randomized study of lenalidomide plus rituximab (R) versus chemotherapy plus rituximab, followed by rituximab maintenance, in patients with previously untreated follicular lymphoma. ASCO 2018, Abstract #7500 <strong>2</strong> Sehn LH et al.: Randomized phase 2 trial of polatuzumab vedotin (pola) with bendamustine and rituximab (BR) in relapsed/refractory (r/r) FL and DLBCL. ASCO 2018, Abstract #7507 <strong>3</strong> Casasnovas O et al.: Randomized phase III study comparing an early PET driven treatment de-escalation to a not PET-monitored strategy in patients with advanced stages Hodgkin lymphoma: final analysis of the AHL2011 LYSA study. ASCO 2018, Abstract #7503 <strong>4</strong> Abramson JS et al.: Updated safety and long term clinical outcomes in TRANSCEND NHL 001, pivotal trial of lisocabtagene maraleucel (JCAR017) in R/R aggressive NHL. ASCO 2018, Abstract #7505</p>
</div>
</p>