© Getty Images/iStockphoto

Neue Entwicklungen in der Lymphomtherapie

Am diesjährigen ASH-Kongress bestätigten sich erneut zwei Trends in der Lymphombehandlung: Zum einen geraten klassische Chemotherapien durch den Einsatz molekular gezielter Kombinationstherapien in den Hintergrund. Diese erlauben ein sehr tiefes Ansprechen und nähren die Hoffnung, dass mittelfristig auch Heilungen ein realistisches Behandlungsziel werden. Zum anderen erlauben zelluläre Immuntherapien eine langfristige immunologische Krankheitskontrolle auch bei bisher refraktären Patientensubgruppen.


Moderne chemotherapiefreie Behandlung der CLL

Ein Hauptziel in der Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) ist die Eliminierung der minimalen Resterkrankung (MRD). BTK-Inhibitoren wie Ibrutinib (IBR) und Bcl-2-Inhibitoren wie Venetoclax (VEN) sind potente, selektive, oral bioverfügbare Substanzen, die das Überleben von CLL-Zellen beeinflussen und in der Rezidivtherapie zugelassen sind. Hillmen und Kollegen1 testeten nun die Hypothese, ob die Kombination von IBR und VEN eine synergistische Wirksamkeit bei Patienten mit rezidivierender/ refraktärer CLL (CLARITY-Studie [ISRCTN13751862]) besitzen.
Insgesamt 50 Patienten mit therapiebedürftiger CLL, die entweder innerhalb von 3 Jahren nach FCR oder BR rezidivierten oder eine 17p-Deletion hatten und bei denen mindestens eine Therapiestrategie nicht wirksam war, wurden rekrutiert. Nach 8 Wochen IBR-Monotherapie (420mg/Tag) wurde VEN zuerst in einer Dosis von 10mg/Tag mit wöchentlichen Erhöhungen auf 20mg, 50mg, 100mg, 200mg bis zu einer Enddosis von 400mg/ Tag zugegeben. Bei den ersten 3 Patienten wurde kein Tumor-Lyse-Syndrom (TLS) beobachtet, beginnend bei 10mg/Tag VEN, sodass alle nachfolgenden Patienten VEN mit 20mg/Tag begannen. Der primäre Endpunkt war die MRD-Eradikation (definiert als <1 CLL-Zelle in 104) im Knochenmark nach 12 Monaten. 38 Patienten haben bisher ihre 8-monatige Therapie (6 Monate IBR + VEN) beendet und eine Gesamtansprechrate (ORR) von 100 % erreicht. Dabei wiesen 47 % eine CR und 53 % eine PR auf. Die Kombination von IBR mit VEN ist bei rezidivierender/refraktärer CLL bisher gut verträglich (2/41 Patienten hatten ein biochemisches TLS) und längere Beobachtungszeiten müssen belegen, ob auch langfristige Remissionen erreicht werden können.
Besondere Aufmerksamkeit konnte in diesem Zusammenhang die randomisierte Phase-III-Studie MURANO2 auf sich ziehen, da sie die Kombination von VEN und Rituximab (VR) gegen die bisherige Standardtherapie Bendamustin + R (BR) bei rezidivierten bzw. refraktären CLL testete. Um ein TLS zu vermeiden, erfolgte zunächst eine VEN-Aufdosierung über 4–5 Wochen, bevor R hinzugenommen wurde. PFS war der primäre Endpunkt dieser mit 389 eingeschlossenen Patienten gut ausbalancierten Studie. Der Vorteil des VR-Arms gegenüber BR war beeindruckend (Abb. 1), der VR-Arm war mit einer HR von 0,17 (95 % CI: 0,11–0,25; p<0,0001) überlegen. Die 24-Monats-PFS-Schätzung betrug 84,9 % (VR) vs. 36,3 % (BR). Die ORR lag bei 93,3 % (VR) vs. 67,7 % (BR). Zudem waren gemäss Messung im PB mehr Patienten MRD-negativ im VR-Arm (83,5 % vs. 23,1 % ), die MRD-Eradikation hielt auch länger an. Sollten sich diese Daten im Verlauf bestätigen, so wird VR die Immun- Chemotherapie BR in der CLL-Behandlung ersetzen.

Follikuläres Lymphom: PRIMA-PI als neuer prognostischer Index?

Langzeitdaten der PRIMA-Studie (Rituximab (R)-Erhaltung über 2 Jahre nach R-CHOP-Induktion) zeigen eine 10-Jahres- PFS-Rate von 51 % (gegenüber 35 % im Beobachtungsarm) in der Erstlinientherapie des follikulären Lymphoms (FL) und belegen für alle Subgruppen eine Überlegenheit des R-Arms.3 Jedoch kann auch zu diesem Zeitpunkt noch immer kein OSVorteil demonstriert werden. Die Studiengruppe hat nun die Daten genutzt, um angesichts der Entwicklung neuer biomolekularer und metabolischer prognostischer Faktoren ein einfach zu berechnendes und zuverlässiges Scoring-System zu entwickeln, das entsprechende Variablen verwendet, die bei der Stratifizierung von neuen Studien, aber auch in der klinischen Routine helfen.4 Der endgültig entwickelte und wesentlich vereinfachte Score (PRIMA- PI) basiert auf 2 Parametern (β2m, Knochenmarkbefall) und umfasst 3 Risikokategorien: hoch (β2m >3mg/l), niedrig (β2m ≤3mg/l ohne Beteiligung des Knochenmarks) und intermediär (≤3mg/l bei Beteiligung des Knochenmarks). Der PRIMA-PI und der FLIPI sagen in ähnlicher Weise eine 5-Jahres-OS-Rate von 93 % in der Kategorie mit niedrigem/mittlerem Risiko gegenüber 84 % in der Hochrisiko- Kategorie für FLIPI und 93 % und 81 % für PRIMA-PI voraus (p<0,0001 für jeden Score). Der PRIMA-PI ist ein neuer und einfach zu kalkulierender prognostischer Index für Patienten, die mit Immunchemotherapie behandelt werden, und kann als Grundlage für die Entwicklung differenzierterer und integrierter biomolekularer Scores dienen.
Da auch bei den Lymphomen neue Immuntherapien mit sog. Checkpoint-Blockade- Inhibitoren nicht fehlen dürfen, möchte ich zuletzt auf eine Studie basierend auf Pembrolizumab + Rituximab eingehen.5 In einer offenen, nicht randomisierten, unizentrischen Phase-II-Studie (n=30) erhielten FL-Patienten mit mindestens einer Vortherapie R (375mg/m2 IV) an den Tagen 1, 8, 15 und 22 von Zyklus 1 an und Pembrolizumab (200mg IV) q 3 Wochen für bis zu 16 Zyklen beginnend am Tag 2 des 1. Zyklus. Primärer Endpunkt war ORR gemäss der Lugano-Klassifikation. Unter den auswertbaren Patienten betrug die ORR 67 % (CR n=15; PR n=5) mit einer CR-Rate von 50 % . Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten (Bereich 3,7–21) befinden sich immer noch 15 Patienten (60 % ) in Remission. Eine Immunzellengensignaturanalyse mittels Nanostring-Technologie zeigte eine Assoziation zwischen dem Vorliegen eines hohen CD8+-T-Effector Score und der Induktion einer CR. Die Kombination war zudem gut verträglich.

Hodgkin-Lymphom: Brentuximab-Vedotin als Bestandteil der Erstlinientherapie

Mit Spannung erwartet wurden die Daten der ECHELON-1-Studie. Diese schaffte es sogar in die Plenary Session und wurde von Dr. Connors vorgestellt.6
Fragestellung der Studie ist, ob in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphoms (HL) die Hinzunahme von Brentixumab-Vedotin zu AVD (n=664) einer Standard-Chemotherapie bestehend aus 6 Zyklen ABVD (n=670) äquivalent ist. Um eine additive Lungentoxizität zu vermeiden, wurde im experimentellen Arm Bleomycin ersatzlos gestrichen. Mit einem medianen Follow-up von 24,9 Monaten zeigt sich ein PFS-Vorteil für die BV+AVD-Gruppe von 82 % vs. 77 % . Zudem benötigte die BV+AVD-Gruppe weniger nachfolgende Chemotherapien (Reduktion um 33 % ) und der gleiche Prozentsatz an Patienten musste seltener einer Hochdosistherapie mit autologem Stammzell- Support zugeführt werden. Einschränkend ist zu sagen, dass eine konsequente G-CSF-Prophylaxe unter BV + AVD durchgeführt werden muss, um die erhöhte Infektionsrate zu reduzieren. Es trat jedoch keine erhöhte letale Toxizität unter Therapie auf und auch im Follow-up war keine differente Langzeittoxizität zu beobachten. Damit ist die Kombination aus AVD und BV in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittener HL-Erkrankung eine Therapiealternative. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich diese Therapieform als Standard in der Erstlinientherapie durchsetzen wird.

CAR-T-Zellen zur Therapie des rezidivierten bzw. refraktären DLBCL

Ein Highlight des diesjährigen ASHKongresses waren sicherlich die CAR-TZell- Studien zur Behandlung von DLBCLPatienten mit rezidivierender respektive refraktärer Erkrankung. Drei grosse Studiengruppen präsentierten ihre Daten und es zeigte sich in allen Analysen eine Ansprechrate in diesem schwierig zu behandelnden Patientenkollektiv von 50 bis 65 % . Die JULIET-Studie7 mit 147 Patienten bestätigte erneut die Machbarkeit der CAR-T-Zell-Technologie mit 99 behandelten Patienten. Von 81 auswertbaren Patienten erzielten 40 Patienten eine CR und 14 eine PR. Es gab keine eindeutige Präferenz bezogen auf Patientensubgruppen, da alle Patienten und insbesondere auch solche mit multiplen Vortherapien oder ungünstiger Zytogenetik gleichermassen profitierten. Wie aus den Vorstudien bekannt, rezidivierten die Patienten in der Regel innerhalb der ersten 3–6 Monate. Invers lässt sich festhalten, dass Patienten, die in den ersten sechs Monaten keinen Rückfall erlitten, eine gute Chance auf Erreichen einer langfristigen Krankheitskontrolle haben. So waren 74 % aller Patienten nach 6 Monaten krankheitsfrei.
Die Haupttoxizität sind das bekannte «cytokine-release syndrome» (CRS) als auch neurologische Nebenwirkungen. Mit der zunehmenden klinischen Erfahrung und dem frühzeitigen Einsatz eines IL- 6-blockierenden Antikörpers scheint aber insbesondere das CRS beherrschbar zu sein.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die CAR-T-Zell-Technologie nun im klinischen Alltag angekommen ist. Dies spiegelt sich auch in der kürzlich erhaltenen FDA-Zulassung wider.

1 Hillmen P et al.: Initial results of ibrutinib plus venetoclax in relapsed, refractory CLL (Bloodwise TAP CLARITY Study): high rates of overall response, complete remission and MRD eradication after 6 months of combination therapy. ASH 2017, Abstract #428 2 Seymour JF et al.: Venetoclax plus rituximab is superior to bendamustine plus rituximab in patients with relapsed/ refractory chronic lymphocytic leukemia - results from pre-planned interim analysis of the randomized phase 3 MURANO study. ASH 2017, Abstract #LBA-2 3 Salles GA et al.: Long term followup of the PRIMA study: half of patients receiving rituximab maintenance remain progression free at 10 years. ASH 2017, Abstract #486 4 Bachy E et al.: Discovery and validation of a simplified scoring system (the PRIMA-Prognostic Index) in de novo follicular lymphoma treated initially with immunochemotherapy. ASH 2017, Abstract #413 5 Nastoupil L et al.: High complete response rates with pembrolizumab in combination with rituximab in patients with relapsed follicular lymphoma: results of an open-label, phase II study. ASH 2017, Abstract #414 6 Connors J et al.: Brentuximab vedotin plus doxorubicin, vinblastine, dacarbazine (A+AVD) as frontline therapy demonstrates superior modified progression-free survival versus ABVD in patients with previously untreated stage III or IV Hodgkin lymphoma (HL): the phase 3 ECHELON-1 study. ASH 2017, Abstract #6 7 Schuster S et al.: Primary analysis of JULIET: a global, pivotal, phase 2 trial of CTL019 in adult patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma. ASH 2017, Abstract #577

Back to top