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Neue Entwicklungen in der Lymphomtherapie
Leading Opinions
Autor:
Prof. Dr. med. Christoph Renner
Onkozentrum Zürich und Hirslanden<br> Zürich<br> E-Mail: christoph.renner@hirslanden.ch
30
Min. Lesezeit
08.09.2016
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<p class="article-intro">Am diesjährigen ASCO-Kongress wurden auf dem Gebiet der Lymphombehandlung keine neuen Therapiestandards definiert. Die vorgelegten Daten unterstützen derzeit bewährte Therapiealgorithmen in der Behandlung aggressiver Lymphome und des Mantelzelllymphoms und bestätigen die Wirksamkeit PD-1-blockierender Antikörper für das Hodgkin-Lymphom. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Es gibt aktuell keine prospektiv erfassten Daten randomisierter Studien, die eine Rituximab-Intensivierung in der Erstlinientherapie des DLBCL unterstützen.</li> <li>Es gibt aktuell keine prospektiv erfassten Daten randomisierter Studien, die eine Erhaltungstherapie in der Erstlinientherapie des DLBCL unterstützen.</li> <li>Es gibt aktuell keine prospektiv erfassten Daten randomisierter Studien, die eine Rituximab Erhaltungstherapie in der Erstlinientherapie des MCL nach Rituximab + Bendamustin unterstützen.</li> <li>Alemtuzumab + CHOP ist keine Standardtherapie in der Erstlinientherapie peripherer T-Zell-Lymphome.</li> </ul> </div> <h2>Therapie aggressiver Lymphome</h2> <p><strong>Erstlinientherapie des diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphoms</strong><br /> In der Behandlung des diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) gibt es derzeit retrospektive Analysen, die eine schnellere Rituximab-Elimination bei Männern und damit einen konsekutiv höheren Rituximab-Spiegel bei Frauen nach intravenöser Applikation beschreiben. Parallel zeigen diese retrospektiven Analysen ein längeres progressionsfreies Überleben (PFS) bei Frauen, sodass die Frage aufkam, ob höhere Rituximab-Spiegel auch für das längere PFS verantwortlich sind. Zudem gibt es Ansätze, durch den frühzeitigen Einsatz wiederholter Rituximab-Gaben eine frühzeitige Aufsättigung mit im weiteren Verlauf auch längeren Wirkspiegeln zu erzielen. Diese Analysen waren bisher vornehmlich retrospektiver Natur und nicht in prospektiven Studien validiert. Die HOVON-NORDIC-Studiengruppe hat nun in einer prospektiven Phase-III-Studie den Einsatz einer frühen Rituximab-Intensivierung im Rahmen eines CHOP-14-Protokolls überprüft.<sup>1</sup> Jüngere Patienten bis 65 Jahre erhielten 8 Zyklen CHOP 14, ältere bekamen 6 Zyklen. Im Standardarm wurden 8 Zyklen Rituximab appliziert und im experimentellen Arm 12 Zyklen, wobei in den ersten 4 Zyklen Rituximab am Tag 1 + 8 intravenös gegeben wurde. Eine zweite Fragestellung der Arbeit ist der Stellenwert einer Rituximab-Erhaltungstherapie mit 12 Gaben über einen Zeitraum von 2 Jahren. Zu dieser zweiten Fragestellung wurden keine Daten präsentiert. Bezüglich der frühen Rituximab-Intensivierung zeigte sich kein signifikanter Unterschied, mit einem 3-Jahres-PFS von 74 % im Standardarm und 71 % im Rituximab-intensivierten Arm (Abb. 1). Auch 5-Jahres-Daten ergaben keinen Unterschied. Es zeigte sich zudem kein Unterschied bezogen auf die Altersgruppen (jüngere vs. ältere Patienten), das Geschlecht oder auch die unterschiedlichen IPI-Risikogruppen. Auch das Gesamtüberleben war statistisch nicht signifikant unterschiedlich, sodass in Zusammenschau dieser Daten festgehalten werden muss, dass sich in prospektiven Studien die Rituximab-Intensivierung nicht bewährt.<br /> In einer zweiten Studie wurde versucht, die Rückfallrate bei DLBCL-Patienten nach Erreichen einer CR durch den Einsatz des mTOR-Inhibitors Everolimus zu reduzieren (PILLAR-2-Studie).<sup>2</sup> Zum Studieneinschluss mussten die Patienten eine PET-negative CR nach Beendigung der Induktionstherapie aufweisen und 742 Patienten wurden dann entweder in den Everolimus-Arm (10mg/Tag über 1 Jahr) oder den Placeboarm randomisiert. Auch diese Studie lieferte ernüchternde Daten, da die Rate des krankheitsfreien 2-Jahres-Überlebens (DFS) für Everolimus 77,8 % und für Placebo 77,0 % ergab. Retrospektive explorative Subgruppenanalysen zeigten einen gewissen positiven Trend in der Hochrisikogruppe IPI 4 oder 5, bei jüngeren Patienten, männlichen Patienten sowie Patienten asiatischer Abstammung. Insgesamt muss die Studie aber als negativ interpretiert werden und damit hat Everolimus in der Erhaltungstherapie bei DLBCL-Patienten keinen Stellenwert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1604_Weblinks_Seite60.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>Erstlinientherapie peripherer T-Zell-Lymphome</strong><br /> Die Entwicklung neuer Therapiemodalitäten zur Behandlung des T-Zell-Lymphoms hinkt den anderen Lymphomentitäten deutlich nach. Vorgestellt wurde die prospektiv randomisierte internationale Phase-III-Studie ACT-2, in der die Hinzunahme von Alemtuzumab (A) zum Standard-CHOP-Regime (gegeben in 14-tägigen Abständen) geprüft wurde.<sup>3</sup> Eingeschlossen wurden primär 116 Patienten mit je 58 Patienten im Kontrollarm (CHOP) bzw. im experimentellen Arm (A-CHOP). Durch die Hinzunahme von Alemtuzumab stieg die Anzahl an Komplettremissionen auf 60 % (vs. 43 % ). Es zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied bezogen auf das PFS oder OS. Wie zu erwarten, war die Therapie mit A-CHOP deutlich toxischer, sodass zum jetzigen Zeitpunkt diese Therapie nicht im klinischen Alltag eingesetzt werden sollte.<br /> <br /><strong> Rezidivtherapie von ZNS-Lymphomen</strong><br /> Zuletzt möchte ich noch kurz auf eine Phase-I-Studie bei Patienten mit rezidiviertem ZNS-Lymphom eingehen.<sup>4</sup> Getestet wurde der Einsatz des Immunmodulators Lenalidomid in der Induktion bzw. der Erhaltungstherapie. Von den 13 mit Lenalidomid behandelten Patienten erreichten 8 mindestens eine PR. Einzelne Patienten hatten dabei einen recht erfreulichen Verlauf mit einer Remissionsdauer von knapp 2 Jahren. In einer zweiten Kohorte (10 Patienten mit multiplen Rezidiven) wurde der Stellenwert einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie überprüft. Dabei zeigte sich in einem historischen Vergleich eine deutliche Verlängerung der Zeit bis zur nächsten Progression bei akzeptabler Verträglichkeit. In beiden Kohorten wurde eine gute ZNS-Penetration für Lenalidomid belegt. Damit bietet sich Lenalidomid sowohl als Kombinationspartner für die Erstlinien- respektive Rezidivtherapie als auch für die Erhaltungstherapie nach Erreichen eines akzeptablen Therapieansprechens an. Diesbezüglich müssen sicherlich noch grössere und prospektiv randomisierte Studien durchgeführt werden.</p> <h2>Rituximab-Erhaltungstherapie beim Mantelzelllymphom</h2> <p>In der Behandlung des Mantelzelllymphoms (MCL) wurde der Frage nachgegangen, ob die bisher etablierte Rituximab+Bendamustin-Therapie durch die Erweiterung um eine 2-jährige Rituximab-Erhaltungstherapie (alle 2 Monate) verbessert werden kann.<sup>5</sup> Eine Rituximab-Erhaltungstherapie in der MCL-Behandlung hat sich im Rahmen einer R-CHOP-Induktionstherapie bewährt. Das European MCL Network (EU-MCL) hat gezeigt, dass die R-CHOP-Therapie einer R-FC-Induktionstherapie überlegen ist und die Ergebnisse durch eine Rituximab(R)-Erhaltungstherapie alle 2 Monate bis zur Progression noch verbessert werden können. Die StiL-Studie wählte ein etwas anderes Studiendesign und randomisierte nach 6 Zyklen Rituximab + Bendamustin Patienten, die mindestens eine partielle Remission erreicht hatten, in einen Observationsarm (62 Patienten) sowie einen Arm mit R-Erhaltung (60 Patienten). Es zeigte sich jedoch bezogen auf das PFS kein Unterschied zwischen beiden Armen. Auch im Gesamtüberleben ergab sich kein signifikanter Unterschied. Vergleicht man nun in einem Inter-Studienvergleich die Daten der R-CHOP+R-Erhaltungstherapie des EU-MCL-Netzwerks mit den vorliegenden Daten, so ergeben sich zum Beispiel bezogen auf das Gesamtüberleben (72-Monats-Daten hochgerechnet) Werte von 70 % für 6 Zyklen Rituximab + Bendamustin vs. 71 % für 8 Zyklen R-CHOP mit R-Erhaltungstherapie. Daher könnte es sein, dass in der Kombination von Rituximab + Bendamustin keine Erhaltungstherapie erforderlich ist und ähnliche Werte wie bei Verwendung von R-CHOP mit R-Erhaltung erzielt werden können. In der Behandlung des Mantelzelllymphoms wird sicherlich die nächste spannende Frage sein, ob durch die Hinzunahme von neuen Substanzen wie BTK-Inhibitoren noch weitere Verbesserungen erzielt werden können.</p> <h2>Immuntherapie des Hodgkin-Lymphoms</h2> <p>In der Therapie des Hodgkin-Lymphoms werden sich in der Rezidiv- bzw. refraktären Situation PD-1-spezifische Antikörper etablieren. Sowohl für den Einsatz von Pembrolizumab als auch von Nivolumab wurden aktualisierte Daten vorgestellt.<sup>6, 7</sup> Die zum Teil stark vorbehandelten Patienten mit median mehr als 4 Therapielinien weisen Ansprechraten von 60–80 % auf PD-1 blockierende Antikörper auf. Die Toxizität der Behandlung entspricht dem bekannten Profil und ist damit insgesamt vertretbar. Die Dauer des Ansprechens ist aufgrund der noch kurzen Nachbeobachtungszeit schwierig einzuschätzen, scheint aber bei einigen Patienten die 12-Monats-Marke deutlich zu überschreiten. Damit werden sich PD-1-Antikörper in der Rezidivsituation etablieren und nun in Kombinationstherapien und frühen Therapielinien getestet.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Lugtenburg PJ et al: Randomized phase III study on the effect of early intensification of rituximab in combination with 2-weekly CHOP chemotherapy followed by rituximab or no maintenance in patients with diffuse large B-cell lymphoma: Results from a HOVON-Nordic Lymphoma Group study. 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract #7504<br /><strong>2</strong> Witzig TE et al: PILLAR-2: A randomized, double-blind, placebo-controlled, phase III study of adjuvant everolimus (EVE) in patients (pts) with poor-risk diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL). 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract #7506<br /><strong>3</strong> Trumper LH et al: Alemtuzumab added to CHOP for treatment of peripheral T-cell lymphoma (pTNHL) of the elderly: Final results of 116 patients treated in the international ACT-2 phase III trial. 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract #7500<br /><strong>4</strong> Rubenstein JL et al: Phase I investigation of lenalidomide plus rituximab and outcomes of lenalidomide maintenance in recurrent CNS lymphoma. 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract #7502<br /><strong>5</strong> Rummel MJ et al: Two years rituximab maintenance vs. observation after first-line treatment with bendamustine plus rituximab (B-R) in patients with mantle cell lymphoma: First results of a prospective, randomized, multicenter phase II study (a subgroup study of the StiL NHL7-2008 MAINTAIN trial). 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract #7503<br /><strong>6</strong> Younes A et al: Checkmate 205: Nivolumab (nivo) in classical Hodgkin lymphoma (cHL) after autologous stem cell transplant (ASCT) and brentuximab vedotin (BV)—A phase 2 study. 2016 ASCO Annual Meeting, Poster Discussion Session, Abstract #7535<br /><strong>7</strong> Chen RW et al: Pembrolizumab for relapsed/refractory classical Hodgkin lymphoma (R/R cHL): phase 2 KEYNOTE-087 study. 2016 ASCO Annual Meeting, Poster Discussion Session, Abstract #7555<br /><br /></p>
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