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Neue Daten für unterschiedliche Therapiesituationen
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, MPH
Univ.-Klinik für Frauenheilkunde<br> MedUni Wien/AKH Wien<br> Leiter des Zentrums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs<br> E-Mail: christian.singer@meduniwien.ac.at
30
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21.09.2017
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<p class="article-intro">Die beim heurigen ASCO vorgestellten Studien über das frühe, HER2-positive Mammakarzinom lassen sich essenziell in drei Gruppen teilen: a) die Gruppe mit Studien, in denen bei prognostisch ungünstigen Mammakarzinomen bzw. bei neoadjuvant behandelten Mammakarzinomen der Benefit einer dualen Blockade untersucht worden ist, b) die Gruppe mit Studien, bei denen aufgrund von Tumorgröße und Nodalstatus eine verkürzte Therapie infrage kommt und c) die Gruppe mit Studien, in denen Biomarker das biologische Verhalten von HER2-überexprimierenden Tumoren einschätzen lassen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Therapieeskalation durch duale Blockade</h2> <p>In den letzten Jahren hat sich die duale Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab als therapeutischer Standard bei der Behandlung des HER2-positiven Mammakarzinoms sowohl im metastasierten Erstliniensetting als auch in der präoperativen („neoadjuvanten“) Behandlung etabliert. Während es neoadjuvant zu einer deutlichen Verbesserung der pCR-Rate und im fortgeschrittenen Stadium zu einer klinisch relevanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens kommt, ist der therapeutische Mehrwert der dualen Blockade in der Adjuvanz immer noch weitgehend ungeklärt.<br />Beim heurigen ASCO wurden jedoch aktuelle Studiendaten der APHINITY-Studie präsentiert, die unsere Wissenslücken beim frühen HER2-positiven Mammakarzinom adressieren: Die Präsentation der Daten der APHINITY-Studie war demnach mit großer Spannung erwartet worden, da bislang nicht klar gewesen war, ob sich die Zugabe von Pertuzumab in dieser klinischen Situation auch tatsächlich als überlegen zeigen würde. In dieser prospektiv randomisierten Phase-III-Studie erhielten insgesamt 4805 Patientinnen im Anschluss an eine operative Therapie entweder Trastuzumab plus Pertuzumab und Standardchemotherapie oder Trastuzumab plus Standardchemotherapie alleine. Die Antikörpertherapie wurde dabei über 1 Jahr verabreicht. Primärer Endpunkt der Studie war das invasiv-krankheitsfreie Überleben (IDFS). Sekundäre Endpunkte waren unter anderem Gesamtüberleben und kardiale Sicherheit. Die international durchgeführte Multicenterstudie wurde in Österreich über die ABCSG organisiert und trug bei uns die Bezeichnung „ABCSG 39“. Tatsächlich führte die Zugabe von Pertuzumab bei einem medianen Follow-up von 45,4 Monaten zu einer Risikoreduktion des IDFS von 19 % im Vergleich zu Placebo (HR: 0,81; 95 % CI: 0,66–1,00; p=0,045). Das IDFS betrug im Kombinationsarm mit Pertuzumab 94,1 % und im Placeboarm 93,2 % . Obwohl das Ergebnis über alle untersuchten Subgruppen homogen war, scheinen besonders Patientinnen mit nodal-positiven (N<sup>+</sup>) und hormonrezeptornegativen (HR<sup>–</sup>) Tumoren sowie postmenopausale Patientinnen den größten Vorteil zu haben.<br />Wie mit Kenntnis der bereits länger bekannten Daten aus der neoadjuvanten TRYPHAENA-Studie erwartet werden konnte, war auch in APHINITY die kardiale Toxizität in beiden Armen niedrig. Trotz des formal positiven Ergebnisses waren die Daten dann doch ein wenig enttäuschend, da man aufgrund der überzeugenden Ergebnisse aus der Neoadjuvanz und aus dem metastasierten Setting doch deutlichere Unterschiede hätte erwarten dürfen. Der relativ geringe IDFS-Unterschied könnte in der insgesamt niedrigeren Eventrate als der erwarteten begründet sein. Daher wird man wohl auf die Ergebnisse weiterer Follow-up-Analysen warten müssen, die in den kommenden Jahren veröffentlicht werden.<br />Aus der Erfahrung mit Trastuzumab-basierten Studien ist im Übrigen bekannt, dass der Benefit der Zugabe einer Antikörpertherapie mit längerem Follow-up zunimmt.<br />Während die Kombination der beiden monoklonalen Antikörper die wohl bestuntersuchte Form der dualen Blockade darstellt, wurden beim heurigen ASCO auch zwei Studien präsentiert, welche die Kombination von Herceptin und dem Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib untersucht hatten: Ein Update der NeoALTTO-Studie konnte, in Analogie zu den bereits publizierten pCR Daten aus dem Jahr 2014, nun auch den Benefit der Kombination von Lapatinib mit Trastuzumab hinsichtlich des ereignisfreien Überlebens („event-free survival“, EFS) bestätigen. Patientinnen mit einer pathologischen Komplettremission (pCR) hatten im Vergleich zu Patientinnen ohne pCR ein um 46 % höheres EFS (HR: 0,54; 95 % CI: 0,34−0,82; p=0,005). Dieser Vorteil der Kombinationstherapie wurde jedoch durch eine ungleich höhere Toxizität relativiert, welche zu einer deutlichen Steigerung von Dosisreduktionen und der Häufigkeit von Therapieabbrüchen führte. Gerade im Hinblick auf das deutlich günstigere Nebenwirkungsprofil der Trastuzumab/Pertuzumab-Kombination ist wohl davon auszugehen, dass Pertuzumab der unangefochtene Standard in der Neoadjuvanz bleibt.<br />Auch in der adjuvanten Situation scheint die Zugabe von Lapatinib zu Trastuzumab keinen Vorteil zu bringen. Die ebenfalls beim ASCO präsentierte Reanalyse von ALTTO nach einem medianen Follow-up von 6 Jahren bestätigte den fehlenden Benefit, der in der Erstauswertung 2014 bereits evident gewesen war: Im Vergleich zur Monotherapie konnte die Hinzunahme von Lapatinib keinen signifikanten DFS-Vorteil erzielen (82 % vs. 85 % ; HR: 0,86; 95 % CI: 0,74−1,00). Leider kam es auch hier zu einer deutlichen Zunahme der Nebenwirkungsrate durch die Zugabe von Lapatinib (93 % vs. 64 % ), sodass man davon ausgehen muss, dass Lapatinib enthaltende adjuvante Behandlungsstrategien derzeit keine Routineoption in der Adjuvanz darstellen.</p> <h2>Deeskalation durch Anthrazyklin-freie bzw. verkürzte HER2-Blockade</h2> <p>Während einerseits bei prognostisch schwer einschätzbaren und ungünstigen HER2-Konstellationen die duale Blockade klar indiziert ist, erlaubt eine immer bessere Risikoevaluierung von Tumoren inzwischen auch die Identifikation von HER2-überexprimierenden Karzinomen, bei denen eventuell eine verkürzte Behandlung möglich ist: Mit der italienischen Short-HER-Studie wurde eine Studie vorgestellt, in der eine 9-wöchige Trastuzumab-Behandlung mit einer 1-jährigen Therapie verglichen worden war. Die Short-HER-Studie stellt damit neben der adjuvanten FinHER-Studie, in der 9 Wochen vs. 12 Monate Trastuzumab verglichen wurde, und der PHARE-Studie, in der 6 Monate mit 12 Monaten Trastuzumab verglichen wurden, die dritte Studie dar, die eine verkürzte Trastuzumab-Behandlung im klinischen Einsatz untersucht hat. Bedauerlicherweise sind die in den beiden Behandlungsarmen eingesetzten Chemotherapie-Schemata nur begrenzt vergleichbar, was die Aussage der Studie doch deutlich einschränkt. Eine Nichtunterlegenheit der abgekürzten Behandlungsdauer konnte zudem statistisch nicht einwandfrei festgestellt werden und somit bleibt die einjährige Therapie weiterhin die optimale Therapiestrategie.<br />Die Rolle von Anthrazyklinen beim HER2-positiven Mammakarzinom wird aufgrund der erhöhten Kardiotoxizität gerade in Kombination mit HER2-spezifischer Therapie immer wieder infrage gestellt. In der Tat gibt es gerade bei nodal-negativen, kleinen Tumoren Alternativen: Gemäß dem beim ASCO vorgestellten Update der APT-Studie konnte die adjuvante Gabe von Paclitaxel und Trastuzumab auch nach längerem Follow-up durch ein erstaunlich gutes „recurrence-free interval“ (RFI) von 97,5 % (95 % CI: 95,9−99,1) überzeugen. Wenngleich die Studie aufgrund des einarmigen Studiendesigns und des Fehlens einer Randomisierung immer wieder kritisiert worden ist, scheint die gut verträgliche Kombination von Paclitaxel und Trastuzumab durchaus eine mögliche Alternative zur anthrazyklinhaltigen Kombinationschemotherapie mit Trastuzumab zu sein.<br />In einer weiteren Studie, der holländischen TRAIN-2-Studie, wurde in einem Phase-III-Setting untersucht, ob die Toxizität der dualen Blockade bei HER2-überexprimierenden Tumoren von der begleitenden Chemotherapie beeinflusst wird; dies bei 110 Frauen mit HER2-positivem Mammakarzinom, die neben Pertuzumab entweder 5-Fluorouracil/Epirubicin/Cyclophosphamid, gefolgt von Trastuzumab (FEC-T), oder Paclitaxel/Trastuzumab/Carboplatin (PTC) im neoadjuvanten Setting erhielten. Die anthrazyklinhaltige Therapie mit FEC-T und Pertuzumab ergab vergleichbare pCR-Raten wie die Behandlung mit Paclitaxel + Trastuzumab und Carboplatin (67 % [95 % CI: 61−74] versus 68 % [95 % CI: 60−73]). Die beiden Schemata unterschieden sich in der pCR-Rate weder bei Östrogenrezeptor(ER)-nega­tiven/Progesteronrezeptor(PR)-negativen noch bei den ER/PR-positiven Patientinnen. Allerdings kam es im anthrazyklinhaltigen Arm eher zu Neutropenien, während Carboplatin-haltige Chemotherapien häufiger Diarrhöen von Grad 3–4 verursachten. Beruhigend war hingegen die Tatsache, dass es zu keiner Zunahme der kardialen Toxizität im Anthrazyklin-Arm kam.<br />Insgesamt deutet die TRAIN-2-Studie darauf hin, dass nicht immer Anthrazykline verwendet werden müssen. Bei welcher Patientengruppe jedoch darauf verzichtet werden kann, ist noch nicht ganz klar. In einer Hochrisikosituation sollte aufgrund der vorliegenden Daten jedoch in der Routine auf Anthrazykline vorerst weiterhin nicht verzichtet werden.</p> <h2>Ansprechvorhersage durch Bestimmung der HER2-Ratio</h2> <p>Ein interessanter – und im Hinblick auf HER2-Eskalations- bzw. Deeskalationsstrategien bedeutsamer – Aspekt der HER2-Amplifikation wurde in Form einer Biomarkeranalyse in einer kombinierten Auswertung der ABCSG-24- und der ABCSG-32-Studiendaten als österreichischer Beitrag präsentiert. Hier konnte die Bedeutung der HER2/CEP17-Ratio im Hinblick auf das Erreichen einer pCR aufgezeigt werden: Trastuzumab-behandelte Karzinome mit einer HER2/CEP17-Ratio von >6 in der prätherapeutischen Biopsie sind insbesondere bei HER2/HR-kopositiven Tumoren mit einer signifikant höheren Rate an pCR (ypT0/is) assoziiert als Tumoren mit einer Ratio von <6 (88 % vs. 28 % ; p≤0,001). Die Bestimmung der HER2/CEP17-Ratio kann also als Biomarker dienen, der das Ansprechen eines Tumors auf Trastuzumab bereits vor Beginn der neoadjuvanten Behandlung erlaubt.</p></p>
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