© Getty Images/iStockphoto

NEU: tertiäre Individual-Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen in Österreich

<p class="article-intro">Nach den beiden vorangegangenen berufsdermatologischen Aufsätzen soll der aktuelle Artikel die Maßnahmen der interdisziplinären stationären Rehabilitation im Rahmen des neuen österreichischen Konzeptes bei berufsbedingten Hauterkrankungen erläutern.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Berufsbedingte Hauterkrankungen &ndash; BK 19</h2> <p>Berufskrankheiten sind die in &sect; 177 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) in Anlage 1 bezeichneten Krankheiten, die durch Aus&uuml;bung der beruflichen T&auml;tigkeit verursacht sind. Hautkrankheiten gelten nur dann als Berufskrankheiten, wenn und solange sie zur Aufgabe sch&auml;digender T&auml;tigkeiten zwingen.<sup>1</sup><br /> Nach der L&auml;rmschwerh&ouml;rigkeit stellen berufsbedingte Hauterkrankungen derzeit die zweith&auml;ufigste Berufskrankheit in &Ouml;sterreich dar.<sup>2</sup><br /> Hochrisikogruppen sind z.B. ArbeitnehmerInnen im Friseurhandwerk, in der Metallbranche, in der Reinigungs- und Pflegebranche sowie in der Gastronomie oder im Baugewerbe.</p> <h2>Historische M&ouml;glichkeit: Kur</h2> <p>Es gab schon seit vielen Jahren die M&ouml;glichkeit f&uuml;r die Betroffenen aus &Ouml;sterreich, auf Kosten der AUVA einen vierw&ouml;chigen Kuraufenthalt in Kroatien (Opatija) am Meer zu verbringen. Hier wurden unter Klimatherapie sowie durch dermatologische Lokaltherapien auch entsprechende Besserungen erzielt, jedoch fehlten die in der Folge beschriebenen komplexen Rehabilitationsma&szlig;nahmen. Die Patienten kehrten in ihren Berufsalltag zur&uuml;ck ohne Bewusstseinsbildung f&uuml;r Hautrisiken sowie ohne Informationen &uuml;ber f&uuml;r sie geeignete Schutzausr&uuml;stung. Somit wurde meist keine nachhaltige Wirkung erreicht.</p> <h2>Neues Konzept &ndash; Hautkompetenzzentrum der AUVA in Tobelbad</h2> <p>In der Rehabilitationsklinik Tobelbad besteht seit dem 1. Oktober 2015 die M&ouml;glichkeit &ndash; derzeit nur f&uuml;r Betroffene aus der Steiermark und K&auml;rnten &ndash;, eine umfassende station&auml;re Hautrehabilitation nach dem &bdquo;Osnabr&uuml;cker Modell&ldquo; in der Abteilung f&uuml;r Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin (Leiterin: Prim. Dr. Barbara Machan) durchzuf&uuml;hren. Eine Ausweitung dieses Angebots f&uuml;r Patienten aus ganz &Ouml;sterreich erfolgt voraussichtlich innerhalb der n&auml;chsten zwei Jahre.<br /> Terti&auml;re Individual-Pr&auml;vention (TIP) als modifiziertes station&auml;res Heilverfahren ist ein interdisziplin&auml;res Angebot im Rahmen des integrativen Stufenverfahrens f&uuml;r die von der Berufsaufgabe bedrohten Patienten.<sup>3</sup></p> <h2>Ablauf der TIP</h2> <p>Voraussetzung f&uuml;r die Inanspruchnahme ist immer das Vorliegen einer Meldung auf Verdacht einer Berufskrankheit BK 19 in der AUVA. Die Indikation zur station&auml;ren Rehabilitation wird durch einen Berufsdermatologen der AUVA bereits im Rahmen der Hautsprechstunde I oder erst nach Absolvierung eines eint&auml;gigen Hautseminars gestellt.<br /> Zielgruppe sind Patienten mit schweren, therapieresistenten Hautsymptomen sowie komplexe F&auml;lle, in denen eine spezielle Abkl&auml;rung/Diagnostik notwendig ist. Chronisch-irritative Handekzeme, allergische Kontaktekzeme, beruflich getriggerte atopische Handekzeme sowie beruflich provozierte weitere Dermatosen, wie z.B. Psoriasis palmaris, z&auml;hlen zu den h&auml;ufigsten Diagnosen.<br /> Derzeit stehen f&uuml;r Hautpatienten insgesamt sechs Einzelzimmer f&uuml;r den dreiw&ouml;chigen station&auml;ren Turnus in der Rehabilitationsklinik Tobelbad zur Verf&uuml;gung. Der dreiw&ouml;chige Aufenthalt wird mit einer bis zu dreiw&ouml;chigen poststation&auml;ren Arbeitskarenz erg&auml;nzt, um eine vollst&auml;ndige Konsolidierung der Hautbarriere zu erreichen. In der Folge kehren die Patienten im Idealfall an den Arbeitsplatz zur&uuml;ck, unter Anwendung der erlernten Techniken und der pers&ouml;nlichen Schutzausr&uuml;stung (PSA).<br /> Drei bzw. sieben Wochen nach dem Aufenthalt sind poststation&auml;re Untersuchungen zur Verlaufskontrolle vorgesehen. Nach einem Jahr ist eine R&uuml;ckmeldung in Form eines zugeschickten Fragebogens geplant.<br /> F&uuml;r jeden station&auml;ren Fall wird im Anschluss an den Aufenthalt ein berufsdermatologisches Gutachten verfasst.</p> <h2>Station&auml;re Rehabilitation &ndash; Patient im Mittelpunkt</h2> <p>Das medizinische Kernteam &bdquo;Haut&ldquo; besteht aus Berufsdermatologen und Arbeitsmedizinern, Pflegepersonal, Gesundheitsp&auml;dagoginnen, Ergotherapeutinnen und einer Psychologin. Bei Bedarf steht ein Sozialberater im Haus zur Verf&uuml;gung. W&auml;hrend des Aufenthalts finden w&ouml;chentlich Teambesprechungen zum Informationsaustausch statt.<br /> Jede Berufsgruppe h&auml;lt hautbezogene Gruppenvortr&auml;ge, zus&auml;tzlich finden Einzelberatungen und praktische &Uuml;bungen statt. Ziel ist es, das berufliche und au&szlig;erberufliche Hautrisikobewusstsein f&uuml;r Hautbelastungen zu st&auml;rken, die richtige Anwendung der Hautschutzma&szlig;namen zu erlernen und deren konsequente Umsetzung im beruflichen Alltag einzufordern.<br /><br /> Entsprechend den arbeitsmedizinischen und dermatologischen Anforderungen stellen die Gesundheitsp&auml;dagogen die pers&ouml;nliche Schutzausr&uuml;stung nach etablierten Richtlinien unter Ber&uuml;cksichtigung der vorliegenden Sensibilisierungen zusammen.<br /> Die Patienten erlernen in der Ergotherapie w&auml;hrend berufsspezifischer Arbeitssimulationen, wie die pers&ouml;nlichen Hautschutzma&szlig;nahmen im Berufsalltag funktionieren. Im Haushaltstraining werden die gewohnten T&auml;tigkeiten des privaten Umfelds hinsichtlich Hautbelastung &uuml;berpr&uuml;ft und optimiert.<sup>4</sup><br /><br /> Es finden wochentags &auml;rztliche Visiten statt, zudem pflegerische Behandlungen zweimal t&auml;glich. Das therapeutische Spektrum umfasst Lokaltherapie, physikalische Behandlungsformen (Lichtbehandlung UVA, UVB, Leitungswasser-Ionthophorese) und systemische Therapie. Lokaltherapeutisch wird die Applikation von kortikosteroidfreien Pr&auml;paraten angestrebt.<sup>5</sup><br /><br /> Nicht selten bestehen neben Hautproblemen auch berufsassoziierte Beschwerden der Atemwege. Da die station&auml;re Betreuung und Begutachtung von Patienten mit Berufskrankheiten der Lunge und der Atemwege in &Ouml;sterreich in der Rehabilitationsklinik Tobelbad schon seit 1959 stattfinden, gibt es die M&ouml;glichkeit, begleitende arbeitsbedingte inhalative Beschwerden der Hautpatienten w&auml;hrend des Aufenthalts abzukl&auml;ren.<br /><br /> Raucherberatung, COPD-Schulung sowie Ern&auml;hrungsberatung k&ouml;nnen nach Bedarf in den individuellen Plan inkludiert werden. Zus&auml;tzlich k&ouml;nnen die sportund physiotherapeutischen Angebote des Hauses, Laser-Akupunktur und physikalische Ma&szlig;nahmen in Anspruch genommen werden, Therapieausfl&uuml;ge werden regelm&auml;&szlig;ig organisiert.</p> <h2>Umfassende Abkl&auml;rung</h2> <p>Die exakte und umfassende Anamneseerhebung hat einen gro&szlig;en Stellenwert, sodass diese bei der station&auml;ren Aufnahme nochmals vertieft und eventuell erg&auml;nzt wird. Neben der allgemeinen Krankheitsanamnese wird sowohl die berufliche als auch die au&szlig;erberufliche Vorgeschichte (z.B. Haushalt, Hobby) hinsichtlich hautbelastender T&auml;tigkeiten und Expositionen erhoben.<sup>6</sup> Eine zus&auml;tzliche arbeitsmedizinische Arbeitsplatzbegehung vor Ort kann im Einzelfall erforderlich sein.<br /> Aufgrund der Anamnese sowie nach Pr&uuml;fung der Vorbefunde wird ein pers&ouml;nlicher Diagnostikplan aufgestellt. Moderne diagnostische Verfahren dienen zur effektiven Abkl&auml;rung.<br /> Neben der standardisierten Epikutantestung werden auch verd&auml;chtige berufliche sowie au&szlig;erberufliche Eigensubstanzen nach &auml;rztlicher Pr&uuml;fung der Testbarkeit in geeigneter Konzentration appliziert. Bei fraglichen Testbefunden ist eine Nachtestung mit Verd&uuml;nnungsreihen vorgesehen.<sup>7, 8</sup> Eine Atopieabkl&auml;rung ist stets Bestandteil der Basisdiagnostik.<sup>9</sup> Zur Diagnosesicherung kann im Spezialfall eine operative Biopsie erforderlich sein. Hautphysiologische Spezialuntersuchungen sind aktuell im Aufbau.</p> <h2>Erste Erfahrungen</h2> <p>Bereits nach einem Jahr zeichnet sich der Benefit des neuen Stufenverfahrens in &Ouml;sterreich ab. Die ersten Zahlen best&auml;tigen, dass der Berufserhalt auch in den schweren F&auml;llen durch interdisziplin&auml;re terti&auml;re Individual-Pr&auml;vention deutlich h&auml;ufiger ist. Die wissenschaftliche Evaluierung der TIP-Ma&szlig;nahmen folgt, die Ergebnisse werden im Verlauf des kommenden Jahres ver&ouml;ffentlicht werden.<br /><br /> Mit dem neuen integrativen Stufenplan der AUVA gibt es ein Angebot, berufsbedingten Hauterkrankungen in &Ouml;sterreich effektiv, individuell und nachhaltig gegenzusteuern.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> &sect; 177 und Anlage 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) <strong>2</strong> Statistik der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt 2015 <strong>3</strong> John SM, Skudlik C: Neue Versorgungsformen in der Dermatologie. Vernetzte ambulant- station&auml;re Pr&auml;vention von schweren Berufsdermatosen. Gesundheitswesen 2006; 68: 769-774 <strong>4</strong> Sonsmann F, John SM, Wulfhorst B, Wilke A: &bdquo;Ich kann mit Handschuhen nicht arbeiten!&ldquo; &ndash; oder doch? Herausforderungen und L&ouml;sungen bei der Auswahl eines ad&auml;quaten Handschuhschutzes. Akt Dermatol 2015; 41: 25-30 <strong>5</strong> Skudlik C: Terti&auml;re Individual-Pr&auml;vention (TIP) in der Berufsdermatologie. Akt Dermatol 2015; 41: 15-19 <strong>6</strong> Bamberger Merkblatt. Begutachtungsempfehlungen f&uuml;r die Begutachtung von Haut- und Hautkrebserkrankungen. Teil 1 &ndash; Hauterkrankungen. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), M&auml;rz 2009 <strong>7</strong> Schnuch A et al: Durchf&uuml;hrung des Epikutantests mit Kontaktallergenen. JDDG 2008; 6: 699- 814 <strong>8</strong> Brach J et al: S1-AWMF Leitlinie Kontaktekzem. Allergo J Int 2014; 23: 126-138 <strong>9</strong> Diepgen TL, Fartasch M, Hornstein OP: Kriterien zur Beurteilung der atopischen Hautdiathese. Dermatosen 1991; 39: 79-83</p> </div> </p>
Back to top