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Mutationsanalytik – welche Mutationen sind derzeit in der Lunge relevant?

<p class="article-intro">Die Mutationsanalytik bei Lungentumoren hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Durch das Detektieren vieler neuer Mutationen ist es schwierig, den Überblick über deren Relevanz – Stichwort Reflextestung – zu behalten. Die Einführung einer Mutationsdatenbank in Österreich soll dies erleichtern und zur Qualitätssicherung beitragen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Reflextestung bei Lungentumoren</h2> <p>Nicht kleinzellige Bronchialkarzinome (&bdquo;non-small cell lung cancer&ldquo;, NSCLC) machen etwa 80 % aller Lungentumoren aus. Dazu z&auml;hlen Adenokarzinome, die den gr&ouml;&szlig;ten Teil der NSCLC ausmachen, Plattenepithelkarzinome und andere seltenere Typen der Bronchialkarzinome.<br /> Bei der Erstdiagnose eines Adenokarzinoms der Lunge wird in jedem Fall im Rahmen der sogenannten Reflextestung gleichzeitig auf das Vorliegen von Mutationen im EGFR-Gen und die Expression von ALK, ROS1 und PD-L1-Proteinen getestet. Ein fragliches ALK- oder ROS1-Expressionsergebnis kann mit &bdquo;next generation sequencing&ldquo; (NGS) abgekl&auml;rt werden. Hier wird mit dem sogenannten &bdquo;RNA fusion panel&ldquo; nach Fusionsprodukten von ALK und ROS1 gesucht. In Abh&auml;ngigkeit von einer Ver&auml;nderung in den beschriebenen Genen stehen f&uuml;r den Patienten unterschiedliche Therapien zur Verf&uuml;gung. Im Laufe der Therapie k&ouml;nnen Patienten eine Resistenzmutation entwickeln, deren Vorkommen in gewissen Abst&auml;nden (Verlaufskontrolle) in frei zirkulierender Tumor- DNA aus Plasma bestimmt werden kann.<br /> Die Empfehlung f&uuml;r die Reflextestung bei Plattenepithelkarzinomen besteht derzeit in der Untersuchung von EGFR- und PD-L1-Expression.</p> <h2>Relevante Gene bei Lungentumoren</h2> <p>Zus&auml;tzlich zum EGFR-Gen sind derzeit vor allem das BRAF- und das ERBB2(HER2)-Gen wichtig. Die Statistik der getesteten Adenokarzinome der Lunge von 2016 (Abb. 1) basiert auf den Daten des Labors f&uuml;r Molekulare Diagnostik am Institut f&uuml;r Pathologie an der Medizinischen Universit&auml;t Graz und zeigt, dass etwa 15 % eine EGFR-Mutation aufweisen. In 4 % aller F&auml;lle konnte eine BRAF-Mutation und bei 2 % aller Patienten eine ERBB2-Mutation nachgewiesen werden. In drei Vierteln der Patientenproben, die im EGFR-, BRAF- und ERBB2-Gen eine Wildtypsequenz zeigten, konnte eine Mutation in einem anderen Gen, haupts&auml;chlich TP53 und KRAS, nachgewiesen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1703_Weblinks_s68_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="1109" /></p> <h2>Mutationen und Fusionsprodukte mittels NGS testen</h2> <p>Das Ion AmpliSeq<sup>&trade;</sup> Colon/Lung Cancer Panel V2 von ThermoFisher Scientific analysiert alle f&uuml;r die Untersuchung notwendigen Mutations-Hotspots dieser drei Gene und weitere Mutations-Hotspots in den Genen ALK, AKT1, CTNNB1, DDR2, ERBB4, FBXW7, FGFR1, FGFR2, FGFR3, KRAS, MAP2K1, MET, NOTCH1, NRAS, PIK3CA, PTEN, SMAD4, STK11 und TP53. Hotspots sind kurze Genabschnitte, in denen h&auml;ufiger Ver&auml;nderungen detektiert werden.<br /> Im EGFR-Gen sind die bekannten Hotspots abgedeckt: Exon 18 (inkludiert G719), Exon 19 (s&auml;mtliche h&auml;ufigen Deletionen), Exon 20 (inkludiert die Resistenzmutation T790M sowie Insertionen) und Exon 21 (inkludiert L858 und L861). Hotspots in Exon 11 und Exon 15 (inkludiert V600) des BRAF-Gens sowie im Exon 20 des ERBB2-Gens werden ebenfalls durch Amplikons in diesem Panel abgedeckt.<br /> Die 71 h&auml;ufigsten Fusionsprodukte der Gene ALK, RET, ROS1 und NTRK1 k&ouml;nnen mittels Ion AmpliSeq<sup>&trade;</sup> RNA Lung Fusion Cancer Panel (ThermoFisher Scientific) nachgewiesen werden. Hierf&uuml;r wird RNA aus dem Gewebsmaterial extrahiert, in eine cDNA umgeschrieben, in die Ampli- Seq-PCR eingesetzt und &ndash; sollten Fusionsprodukte vorhanden sein &ndash; sequenziert.</p> <h2>Mutationen mit NGS verifizieren</h2> <p>Die prim&auml;re Auswertung der Sequenzierung erfolgt durch den sogenannten &bdquo;variant caller&ldquo;. Dies ist ein statistisches Verfahren, das von der Referenzsequenz (Normalsequenz) abweichende Nukleotide erkennt. Die Abweichung wird auf das Vorhandensein einer Mutation (Genver&auml;nderung) in beiden Str&auml;ngen (&bdquo;Forward&ldquo;- und &bdquo;Reverse&ldquo;-Richtung) sowie auf Insertionen (eingef&uuml;gte Basen) und Deletionen (Verlust von Basen) &uuml;berpr&uuml;ft. Danach erstellt der &bdquo;variant caller&ldquo; aufgrund eines mathematischen Algorithmus eine Liste von detektierten Ver&auml;nderungen.<br /> Um das Software-Ergebnis zu verifizieren, werden die EGFR-, BRAF- und ERBB2- Hotspotregionen, alle zus&auml;tzlich f&uuml;r die Untersuchung angeforderten Gene sowie alle detektierten Ver&auml;nderungen, die der &bdquo;variant caller&ldquo; auflistet, visuell &uuml;berpr&uuml;ft. Die Sequenzen werden mit der Software Integrated Genome Viewer (IGV) dargestellt. Hier gilt es, die &bdquo;echten&ldquo; Mutationen zu erkennen und von Artefakten zu unterscheiden. Wenn eine Mutation verifiziert ist, z&auml;hlt es zu unseren Aufgaben, die Ver&auml;nderung mittels Literatur und Datenbanken in Bezug auf ihre Pathogenit&auml;t zu bewerten.<br /> F&uuml;r die Interpretation einer Ver&auml;nderung ist das Heranziehen verschiedener Datenbanken wie COSMIC, ClinVar und My Cancer Genome sinnvoll. COSMIC (Catalogue of Somatic Mutation in Cancer) ist eine Datenbank, in der somatische Mutationen, die in wissenschaftlichen Arbeiten gefunden wurden, eingetragen werden. Ein Eintrag einer Mutation enth&auml;lt unter anderem Informationen in Bezug auf humane Tumorarten. Weiters kann die Verteilung h&auml;ufig mutierter Stellen eines Gens in COSMIC &uuml;bersichtlich als Histogramm dargestellt werden. In der ClinVar- Datenbank hingegen ist ersichtlich, ob eine Abweichung von der Referenzsequenz eine pathogene Mutation ist oder eine benigne Variante. Die Datenbank My Cancer Genome gibt Aufschl&uuml;sse &uuml;ber zielgerichtete Therapien bei bestimmten Mutationen. Je nach Erkrankung zeigt die Datenbank relevante Gene und deren h&auml;ufigste Mutationen. 1000 Genomes ist eine SNP-Datenbank, in der die gesamte Genomsequenz von &uuml;ber 1000 gesunden Personen eingetragen ist, um h&auml;ufige Polymorphismen (Auftreten mehrerer Genvarianten innerhalb einer Population) zu erkennen. Eine Variante mit 1 % in der 1000-Genomes-Datenbank bedeutet, dass 1 % aller Personen, die f&uuml;r die 1000-Genomes- Datenbank sequenziert wurden, an dieser Stelle diese Variante tragen.</p> <h2>Die Nomenklatur &ndash; Benennung von Mutationen</h2> <p>Die Human Genome Variation Society (HGVS) hat es sich zum Ziel gesetzt, eine eindeutige Beschreibung von Mutationen zu etablieren. Die HGVS schl&auml;gt vor, die gefundene Ver&auml;nderung auf DNA-Level sowie auf Proteinebene zu benennen. In Abh&auml;ngigkeit von der Funktion k&ouml;nnen von demselben Gen verschieden lange Transkripte vorhanden sein. Die Codon- Nummerierung sollte sich m&ouml;glichst am l&auml;ngsten Transkript orientieren. Im Zuge von wissenschaftlichen Arbeiten finden sich immer wieder neue Transkriptvarianten, die l&auml;nger oder auch wesentlich k&uuml;rzer sein k&ouml;nnen als das bisher am l&auml;ngsten beschriebene Transkript. Daher ist es sinnvoll, bei Benennung einer Mutation immer die jeweilige Transkriptnummer anzugeben.</p> <h2>Pilotprojekt Mutationsdatenbank</h2> <p>Durch die neuen Sequenziermethoden, die oft nicht mehr nur einen Hotspot eines Gens abdecken, k&ouml;nnen immer mehr Mutationen nachgewiesen werden, deren Auswirkungen noch nicht bekannt sind. Daher ist es sinnvoll, Datenbanken mit m&ouml;glichst umfangreichen Informationen zu generieren beziehungsweise zu f&uuml;llen. Als Pilotprojekt wurde von der &ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Pathologie eine Mutationsdatenbank erstellt, die in erster Linie s&auml;mtlichen molekularpathologischen Laboratorien in &Ouml;sterreich als Unterst&uuml;tzung f&uuml;r das Qualit&auml;tsmanagement dienen soll.<br /> Der Erhebungsbogen ist derzeit quartalsm&auml;&szlig;ig auszuf&uuml;llen und in die Bereiche Lunge, Kolon und Melanom unterteilt. Entsprechend der COSMIC-Datenbank wurden die f&uuml;r die jeweiligen Bereiche am h&auml;ufigsten untersuchten Gene definiert. Bei Adenokarzinomen der Lunge ist dies derzeit das EGFR-Gen. Dessen h&auml;ufigste Mutationen werden erfasst. Es werden die jeweilige Fallzahl sowie die Testung oder Nichttestung der gesuchten Mutation erhoben. Alle Teilnehmer erhalten einen Zugang zur Gesamtstatistik aller Laboratorien und zu den eigenen Daten, jedoch nicht zu Daten anderer Laboratorien. Die Laboratorien k&ouml;nnen somit &uuml;berpr&uuml;fen, ob sie alle h&auml;ufigen Mutationen mit der eingesetzten Methode detektieren und ob die gefundenen Mutationsfrequenzen mit der Gesamtstatistik &uuml;bereinstimmen. Durch das Ausf&uuml;llen von vorgegebenen Tabellen werden die unterschiedlichen Schreibweisen der Mutationen ausgeschaltet. Im Rahmen der Mutationsdatenbank werden wir zus&auml;tzliche Informationen gewinnen und die relevanten Mutationen von morgen schon fr&uuml;her diskutieren k&ouml;nnen.</p></p>
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