
Morbidität der onkoplastischen Chirurgie beim Mammakarzinom
Autorin:
Dr. med. Federica Chiesa
Fachärztin für Chirurgie
Swiss Breast Care, Privatklinik Bethanien, Zürich
E-Mail: f.chiesa@swissbreastcare.ch
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Die onkoplastische Brustchirurgie bezeichnet eine Anzahl von brusterhaltenden Operationstechniken, mit denen der Defekt der onkologischen Resektion durch brusteigenes Gewebe ersetzt und die Brust neu geformt wird. Sie stellt die Fortentwicklung der brusterhaltenden Operationen dar, welche in den 80er-Jahren entwickelt wurden. Denn zuvor wurde Brustkrebs bekanntermassen lediglich mit mehr oder minder radikalen Mastektomien entfernt. Die damals als revolutionär betrachtete Quadrantektomie oder Lumpektomie leitete dagegen die Deeskalation in der Mammakarzinomchirurgie ein, welche in den heutigen Zeiten noch im Gange ist. Doch seit den 80er-Jahren hat sich in diesem Feld vieles bewegt, insbesondere im Verständnis der mit der Brusterhaltung korrelierten Morbidität.
Keypoints
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Die Wahl rekonstruktiver Methoden ist in erster Linie vom Tumorsitz und der Tumorgrösse bzw. der Relation von Tumor- und Brustgrösse und nicht zuletzt von individuellen anatomischen Eigenschaften abhängig.
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Brusterhaltende Operationen können mit Komplikationen einhergehen, die z.B. anhaltende Schmerzen verursachen.
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Um Fettgewebsnekrosen zu vermeiden, sollte bei der Operationsplanung die mammografische Drüsendichte berücksichtigt werden.
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Das Risiko für ein Brustlymphödem ist vor allem bei grossen Brüsten erhöht. Hier kann z.B. eine tumoradaptierte Mammareduktion angedacht werden.
Die Forschung fokussierte sich anfänglich hauptsächlich auf das ästhetische Outcome. Die onkologischen Ergebnisse der Quadrantektomie warennämlich zwar korrekt, jedoch vom kosmetischen Aspekt häufig unzufriedenstellend. Sie führten zu grossen Narben und liessen die Brust häufig verformt.
In den 90er-Jahren erfolgten daher die ersten Versuche zur Integration von plastisch-chirurgischen Techniken in den onkologischen Resektionen des Mammakarzinoms. Es fing eine spannende Zeit an, in der unterschiedliche Schnittführungen, Mastopexie- und Mammareduktionstechniken versucht wurden. Die Benelli-, Round-Block- oder Donut-Mastopexie genannte Operation wurde zum Beispiel 1990 beschrieben und findet heute noch grosse Anwendung.
Die Techniken wurden im Laufe der 90er- und 2000er-Jahre weiter verfeinert und zusätzlich auch onkologisch mit Hinweis auf eine gleichwertige Sicherheit bezüglich der ursprünglichen brusterhaltenden Operation validiert.
Onkoplastik heute
Fall 1: Drei Wochen nach onkoplastischer Operation rechts. Die Bestrahlung ist noch ausstehend
Die moderne Onkoplastik stellt heute unterschiedlich komplexe Operationsverfahren zur Verfügung, wobei die Wahl der rekonstruktiven Methoden in erster Linie vom Tumorsitz und der Tumorgrösse bzw. der prozentualen Relation von Tumorgrösse zur Brustgrösse und nicht zuletzt von den individuellen anatomischen Eigenschaften abhängig ist.
Um die Brust direkt nach der Tumorentfernung zu modellieren, stehen einfache onkoplastische Techniken (Level I) zur Verfügung, die hauptsächlich auf intramammären Verschiebelappen basieren, oder komplexere Verfahren (Level II), welche für grössere Resektionsvolumina geeignet sind und meistens auf einer tumoradaptierten Mammareduktion beruhen.
Die kosmetischen Resultate können heute zum Teil so hervorragend sein, dass es kaum möglich ist, die operierte Brust von der gesunden Brust zu unterscheiden. In einigen Fällen sind Patientinnen nach der Operation mit dem Aussehen ihrer Brüste sogar zufriedener als zuvor.
Einschränkende Morbiditäten
In den letzten Jahren wurde jedoch bekannt, dass jegliche brusterhaltende Operationen, inklusive Onkoplastik, mit die Lebensqualität einschränkenden Morbiditäten verbunden sind. Insbesondere sind Schmerzen der operierten Brust häufig. Diese werden von bis zu 15–25% der Patientinnen berichtet. Die Schmerzintensität nimmt nach Ende der Bestrahlung im Verlauf von 12–18 Monaten progressiv ab, bleibt jedoch bei ca. 9% der Frauen über Jahre mässig bis stark ausgeprägt.
Relevante Schmerzfaktoren sind dabei Fettgewebsnekrosen und Brustlymphödem. Beide hängen grösstenteils mit der Bestrahlung zusammen, treten jedoch interessanterweise nach onkoplastischer Rekonstruktion öfter auf als nach «Standard»-brusterhaltenden Operationen. Dies gibt einen Hinweis auf eine chirurgisch bedingte Morbidität. Eine sorgfältig geplante und ausgeführte Chirurgie kann vermutlich auch die langfristigen Brustbeschwerden vermindern.
Die Literatur beschäftigt sich leider bis heute wenig mit diesen in der Praxis sehr häufigen Komplikationen und daher ist es umso wichtiger, das Bewusstsein bei Senolog*innen zu fördern.
Fettgewebsnekrosen
Fettgewebsnekrosen imponieren klinisch als unregelmässige, derbe Läsionen mit Hauteinziehungen und schmerzhafte Adhärenzen auf dem Pectoralis-Muskel. Klinisch und in der Bildgebung können sie ein Rezidiv vortäuschen. Häufig sind zur Dignitätssicherung aufwendige Abklärungen und Biopsien nötig, welche bei den Patientinnen unter anderem Angst vor einem Rezidiv hervorrufen. Die Inzidenz der Fettnekrosen nach brusterhaltenden Operationen ist in der Literatur sehr unterschiedlich beschrieben, kann aber bis zu 25% reichen.
Fettnekrosen entstehen, wenn das Brustparenchym nicht ausreichend vaskularisiert ist. Die nekrotischen Adipozyten aktivieren lipolytische Enzyme. Triglyzeride werden somit von den Zellen freigesetzt und binden sich an Kalzium. Im Gewebe kommt es letztendlich zur aseptischen Verseifung.
Die Vaskularisierung des Brustgewebes ist insbesondere bei Level-I-Onkoplastik-Techniken gefährdet. Diese basieren auf der Mobilisierung von intramammären Verschiebelappen, welche häufig durch «dual-plane» Präparation erzeugt werden.
Drüsendichte beachten
Bei der «dual-plane» Mobilisierung wird das Brustgewebe sowohl subkutan als auch präpektoral grosszügig freipräpariert und neu modelliert. Dies kann die Blutversorgung des freigelegten Gewebes beeinträchtigen. Das Risiko nimmt bekannterweise bei Zunahme des Fettanteils der Brustdrüse zu. Bei mammografischer ACR-a- und ACR-b-Parenchymdichte ist das Fettgewebsnekroserisiko bei ausgedehnter Mobilisierung deutlich höher als bei dichterem Gewebe.
Bei der Operationsplanung ist daher das Miteinbeziehen der mammografischen Drüsendichte sehr wichtig. Bei einem grossen onkologischen Exzisionsvolumen, welches zur Rekonstruktion eine «dual-plane» Mobilisierung von über 50% der Restdrüse benötigt, sollte eine Level-I-Onkoplastik nur bei dichterem Drüsengewebe in Erwägung gezogen werden. Bei eher fetthaltigem Gewebe ist in diesen Fällen eine Level-II-Rekonstruktion zu bevorzugen, auch wenn das kosmetische Resultat mit einer Level-I-Technik trotzdem gut wäre. Falls das Brustvolumen eine Reduktion nicht ermöglicht, ist die Patientin zum Beispiel mit einer hautsparenden Mastektomie mit Wiederaufbau vermutlich langfristig zufriedener als mit einer «heroischen» onkoplastischen Operation.
Brustlymphödem
Die zweite bekannte Ursache für längerfristige Brustschmerzen nach brusterhaltenden Operationen ist wie oben bereits erwähnt das Brustlymphödem. Die behandelte Brust kann über Jahre geschwollen, «schwer» und schmerzhaft sein. Die Lebensqualität der Frauen ist dadurch beeinträchtigt und die Betroffenen sind meistens bereit, zeitintensive und längerfristige komplexe physikalische Entstauungstherapien durchführen zu lassen. Analog zur Behandlung des Armlymphödems werden manuelle Lymphdrainage, Kompression und Hautpflege eingesetzt. Die Resultate sind meistens bescheiden und nur nach mehreren Sitzungen spürbar.
Wie auch bei Fettgewebsnekrosen spielt die Bestrahlung eine grosse Rolle beim Auftreten von Brustlymphödemen. Dabei ist die Strahlungsdosis, aber auch das insgesamt bestrahlte Brustvolumen von Bedeutung.
Bei grossen Brüsten (mehr als 1300cc) besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Lymphödeme im Vergleich zu kleineren Brüsten. Dieses Risiko sinkt bei Anwendung einer tumoradaptierten Mammareduktion. Damit kann nämlich das gesamte Bestrahlungsvolumen verringert werden. Bei Makromastie kann daher auch bei kleinen Mammakarzinomen eine Level-II-Onkoplastik sinnvoll sein.
Des Weiteren ist auch bei Level-I-Onkoplastik eine schonende Präparation insbesondere der subkutanen Schichten wichtig. Das ventral von der Scarpa-Faszie gelegene, ausgeprägte, subkutane lymphatische Netz sollte, wann immer onkologisch möglich, geschont werden. Dabei ist zu beachten, analog zu den hautsparenden Mastektomien, dass die «dual-plane» Mobilisierung die Scarpa-Faszie bewahrt.
Fazit
Zusammenfassend sollte bei der Planung von brusterhaltenden Operationen zusätzlich zum onkologischen und kosmetischen Resultat auch die längerfristige Lebensqualität der Patientinnen miteinbezogen werden, insbesondere in Bezug auf die mögliche, beeinträchtigende und nicht sehr bekannte Komplikation der Brustschmerzen.
Literatur:
bei der Verfasserin
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