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Metastasenchirurgie und Therapieansätze beim hepatozellulären Karzinom
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Grünberger
Chirurgische Abteilung und Ambulanz<br> Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien<br> E-Mail: thomas.gruenberger@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
13.09.2018
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<p class="article-intro">Der heurige ASCO war wieder einmal für wissenschaftlich und klinisch Interessierte ein Feuerwerk an neuen Ergebnissen und Ideen. In dieser Zusammenfassung beschränke ich mich lediglich auf die Highlights der Abstracts, die sich mit der chirurgischen Behandlung des Leber-metastasierten Kolorektalkarzinoms (mCRC) und der Erweiterung der Therapie des hepatozellulären Karzinoms (HCC) beschäftigt haben. Zusammenfassend wird die Chirurgie von Lebermetastasen differenzierter und spezialisierter, das HCC wird durch eine Ausweitung der Therapieoptionen vielfältiger behandelbar.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>EORTC-ESSO-1409-GITCG-Studie: eine prospektive kolorektale Lebermetastasen-Datenbank mit Qualitätssicherungsprogramm</h2> <p>In dieser kooperativen Studie in 9 Ländern und 14 spezialisierten Zentren wurden Patienten mit initial nicht resektablen Lebermetastasen des kolorektalen Karzinoms (CRC) prospektiv bezüglich ihres Erreichens einer sekundären Resektabilität und der mit der Chirurgie verbundenen Morbidität studiert.<sup>1</sup> Insgesamt wurden innerhalb von 3 Jahren 210 Patienten registriert, von denen 126 Patienten (60 % ) nach Ansprechen auf die Induktionschemotherapie potenziell kurativ operiert werden konnten. In Bezug auf die postoperative Morbidität konnten die Autoren zeigen, dass ein deutlicher Anstieg der Komplikationen bei den Patienten auftrat, bei denen eine zweizeitige Operation zur Entfernung aller Metastasen notwendig war. Bei den Patienten, bei denen das viel diskutierte ALPPS(„associating liver partition and portal vein ligation for staged hepatectomy“)-Vorgehen angewandt wurde, bei dem eine initial zu kleine Restleber zur raschen Hypertrophie angeregt wird, war die Komplikationsrate besonders hoch (Abb. 1). Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass die komplexe Leberchirurgie selbst in Expertenhand komplikationsträchtig ist und daher die Indikation zur „adjuvanten Chirurgie“ (= Metastasenchirurgie nach Ansprechen auf die Chemotherapie) multidisziplinär zu stellen ist.</p> <h2>APPROACH-Studie: peri- versus postoperative Chemotherapie plus Bevacizumab bei Patienten mit vorab resezierbaren hepatischen kolorektalen Metastasen</h2> <p>In dieser auf das „disease-free survival“ (DFS) ausgerichteten Phase-II-Studie wurden 3 Monate neoadjuvante Doublet-Chemotherapie (FOLFOX, FOLFIRI) mit Bevacizumab gefolgt von der Leberresektion und weiteren 3 Monaten Chemotherapie mit Bevacizumab mit einer rein adjuvanten Doublet-Chemotherapie mit Bevacizumab über 6 Monate verglichen.<sup>2</sup> Nach 5,4 Jahren Follow-up war das mediane DFS 37,4 Monate, ohne einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Interventionsgruppen, jedoch mit einer Tendenz zum besseren DFS in der perioperativen Gruppe (HR: 0,84; 95 % CI: 0,606– 1,156; p=0,28). Das mediane Gesamtüberleben war noch nicht erreicht, zeigte aber eine signifikante Verbesserung in der perioperativen Gruppe (p=0,049) (Abb. 2). Besonders bei den Risikofaktoren CEA >5 (HR: 0,49) und >1 Lebermetastase (HR: 0,55) war das OS in der perioperativen Gruppe signifikant verlängert, ohne signifikanten Einfluss auf das DFS. Die postoperative Komplikationsrate war in der perioperativen Therapiegruppe nach Bevacizumab nicht erhöht. Diese Studie zeigt ähnlich wie die in Österreich durchgeführte ASSO-LM1-Studie mit demselben perioperativen Ansatz eine deutliche Verlängerung des 3-Jahres-DFS verglichen mit der EORTC-40983-Studie ohne Antikörper. Daher ist der perioperative Einsatz einer Doublet-Chemotherapie mit Bevacizumab bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen und Risikofaktoren überlegenswert.</p> <h2>New-EPOC-Studie: Einfluss der Leberresektion unter perioperativer Chemotherapie mit oder ohne Cetuximab</h2> <p>Die New-EPOC-Studie ist eine viel diskutierte Nachfolgestudie der initialen EPOC-Studie der EORTC, in der bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen des CRC nachgewiesen werden konnte, dass die perioperative Chemotherapie mit FOLFOX das mediane PFS nach 3 Jahren signifikant gegenüber der Resektion alleine verlängert; New EPOC versucht in England, das PFS bei der gleichen Patientengruppe durch die Zugabe von Cetuximab (Cetux) bei KRAS-Wildtyp-Patienten zu verlängern.<sup>3</sup> Die Studie wurde wegen Inferiorität des Outcomes in der experimentellen Gruppe (FOLFOX + Cetuximab) gegenüber der Gruppe mit alleiniger Chemotherapie (CTx) abgebrochen und die Ergebnisse sind im „Lancet Oncology“ publiziert. Es gab zum Teil in anerkannten Journals (z.B. „JCO“) heftige Kritik an den Ergebnissen, unter anderem bezüglich der ungleichen Verteilung von Risikofaktoren und der potenziell unzureichenden Chirurgie. Die Autoren haben mit dieser Post-hoc-Analyse versucht, diesen Argumenten entgegenzuwirken: Von den initial randomisierten 257 Patienten sind 222 operiert worden und von diesen 208 reseziert; im Gruppenvergleich zeigt sich, dass 85 % in der CTx-alleine-Gruppe reseziert wurden, jedoch nur 77 % in der CTx- Cetux-Gruppe. Im Vergleich zwischen kleinen, größeren und multiplen Resektionen fällt auf, dass mehr kleine Resektionen in der CTx-Cetux-Gruppe durchgeführt wurden (28 vs. 18 % ) als größere und multiple Resektionen. Es war in der Studie verpflichtend, alle Metastasenlokalisationen, die initial dokumentiert waren, auch nach der Therapie zu resezieren. Es zeigte sich bei gleicher Verteilung in den Therapiegruppen, dass eine R1- Situation zu einem deutlich schlechteren OS-Outcome führt und Patienten mit kleinen Resektionen ein besonders schlechtes OS in der Gruppe CTx-Cetux zeigen. Ein Hauptargument der Kritiker der Studie, dass in der CTx-Cetux-Gruppe mehr Patienten keinen Tumor im Resektat hatten, weil die Therapie so gut gewirkt hat und die Residuen bei der OP nicht gefunden wurden, wurde mit gleichen Prozentsätzen in beiden Gruppen widerlegt (CTx 9 vs. CTx-Cetux 7 % ). In Summe kann man sagen, dass Patienten mit resektablen Lebermetastasen ohne Risikofaktoren kein Cetuximab zu ihrer neoadjuvanten Therapie bekommen sollen.</p> <h2>REACH-2-Studie: Ramucirumab in der Zweitlinie bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC und erhöhten AFP-Baseline-Leveln</h2> <p>In dieser Phase-III-Konfirmationsstudie wurde Ramucirumab versus Placebo als 2<sup>nd</sup>-Line-Therapie bei Patienten mit einem AFP (Alpha-Fetoprotein) ≥400ng/ml nach vorangegangenem Sorafenib getestet.<sup>4</sup> In der REACH-Studie war die Verwendung des VEGFR2-Antikörpers in der Subgruppe von Patienten mit AFP ≥400ng/ml signifikant mit einem Überlebensvorteil vergesellschaftet. In dem 2:1-Design der Studie wurden 292 Patienten randomisiert. Nach einem Follow-up von rund 7 Monaten war das mediane Überleben in der Ramucirumab-Gruppe mit 8,5 Monaten signifikant gegenüber der Placebogruppe mit 7,3 Monaten verlängert (HR: 0,71; p=0,02) (Abb. 3). Der sekundäre Endpunkt PFS war ebenso mit einer HR von 0,45 signifikant (p<0,0001) verlängert (2,8 vs. 1,6 Monate). Schwerwiegende Nebenwirkungen (SAE ≥3) waren Hypertension mit 12,7 % , GI-Blutungen mit 5 % und Leberfunktionseinschränkung mit 18 % . Somit freuen wir uns über eine weitere sehr effektive Second-Line-Therapie beim fortgeschrittenen HCC.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Leider schaffte es weder das mCRC noch das HCC heuer in die Plenary Session, doch sind wir in anderen Sessions mit beeindruckenden neuen Therapieansätzen konfrontiert worden, die unseren Therapiealgorithmus in diesen beiden Entitäten sicher nachhaltig beeinflussen werden. Wichtig und sehr erfreulich für alle am mCRC Interessierten ist die potenzielle Therapieerweiterung durch neue Ansätze (so auch die Tripeltherapie mit Panitumumab im VOLFI Trial) oder die Bestätigung lange bekannter Therapien. Die Diskussion von Patienten, speziell wenn sie rein lebermetastasiert sind, vor jeglichem Therapiebeginn scheint in der Steuerung der Erkrankung und im frühen Einsatz potenziell kurativer Verfahren essenziell. Das HCC hatte lange nur wenige Behandlungsoptionen; speziell im palliativen Setting hat eine Reihe von verfügbaren Substanzen nun deutliche Erweiterungen der Therapiemöglichkeiten gebracht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1805_Weblinks_jatros_onko_1805_s70_abb1-3.jpg" alt="" width="2196" height="1995" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Caballero CA et al.: EORTC-ESSO 1409 G ITCG: a p rospective colorectal liver metastasis database with integrated quality assurance program (CLIMB). J Clin Oncol 2018; 36(Suppl, Abstr 3558) <strong>2</strong> You JC et al.: A randomized phase II study of perioperative chemotherapy plus bevacizumab versus postoperative chemotherapy plus bevacizumab in patients with upfront resectable hepatic colorectal metastases (APPROACH). J Clin Oncol 2018; 36(Suppl, Abstr 3528) <strong>3</strong> Pugh SA et al.: Surgical quality and the impact of liver resection on outcome in the New EPOC study. J Clin Oncol 2018; 36(Suppl, Abstr 3559) <strong>4</strong> Zhu AX et al.: REACH-2, a randomized, double-blind, placebo-controlled phase 3 study of ramucirumab versus placebo as second-line treatment in patients with advanced hepatocellular carcinoma (HCC) and elevated baseline alpha-fetoprotein (AFP) following first-line sorafenib. J Clin Oncol 2018; 36(Suppl, Abstr 4003)</p>
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