
Management seltener und schwerer Nebenwirkungen der Immuntherapie
Bericht: Dr. Ine Schmale
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Seit 2016 ist die Immuntherapie mit der Kombination der Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab und Ipilimumab für die Behandlung des metastasierten Melanoms zugelassen. Die Immuntherapie gilt insgesamt als gut verträglich, dennoch sollte auf seltene und schwere Nebenwirkungen geachtet werden. Bei der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) 2020 beschäftigten sich zwei Symposien mit dem Management von seltenen und schweren Nebenwirkungen.
Von Checkpoint-Inhibitoren induzierte autoimmune Nebenwirkungen können sich in allen Organsystemen manifestieren. Zu den seltenen dieser Nebenwirkungen gehören kardiale, hämatologische, neurologische und renale Nebenwirkungen. Schwere und tödliche Nebenwirkungen können verringert werden, wenn diese durch ein engmaschiges Monitoring frühzeitig erkannt werden. Muss die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen beendet werden, bedeutet dies in der Regel keinen Verlust der Wirksamkeit.1 Im Gegenteil, Nebenwirkungen können auf ein besonders gutes Therapieansprechen hinweisen. Prädiktive Faktoren für das Auftreten von Nebenwirkungen wurden bisher nicht beschrieben.
Durch Immuntherapien ausgelöste Nebenwirkungen sind häufig schwer zu erkennen, da die Symptome oft unspezifisch sind oder bekannten Krankheitsbildern ähneln und damit verwechselt werden können. Die Nebenwirkungen treten sowohl sehr früh, also nach wenigen Behandlungen, als auch erst im späteren Verlauf oder nach Beendigung der Therapie auf. Daher sind ein intensives Therapiemonitoring und eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kontrolle der immunvermittelten Nebenwirkungen. Ebenfalls wichtig sind die Sensibilisierung und Aufklärung der Patienten, um auch bei unspezifischen Symptomen möglichst frühzeitig eingreifen zu können. Da Immuntherapien in immer früheren Therapielinien eingesetzt werden und die Patienten langfristig überleben können, nimmt die Forschung zu den Nebenwirkungen einen wachsenden Stellenwert ein.
Kardiale Komplikationen
Kardiale Nebenwirkungen sind sehr selten, können aber mit erheblicher Morbidität und Mortalität einhergehen. Um letale Komplikationen mit Myokarditis, Kardiomyopathie oder akutem Herzversagen zu verhindern, sollten kardiologische Laborparameter, Echokardiografie und Bildgebung regelmäßig eingesetzt werden. Patienten mit vorbestehenden kardialen Störungen sollten engmaschig bezüglich der Verschlechterung der Herzfunktion kontrolliert werden.2 Bei Auftreten von mit Checkpoint-Inhibitoren assoziierten kardialen Problemen ist aufgrund ihrer Komplexität ein Kardiologe hinzuzuziehen und die Therapie in Abstimmung zwischen Onkologe und Kardiologe zu entscheiden.3 Die Behandlung mit Kortikosteroiden zusätzlich zur symptomatischen Therapie kann lebensrettend sein.
Immunvermittelte Myokarditiden können mit typischen Symptomen einer akuten Herzinsuffizienz, aber auch atypisch und oligosymptomatisch auftreten. Die echokardiografisch nachgewiesene linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) ist ein wenig sensitiver Parameter zur Differenzialdiagnose der immunvermittelten Myokarditis, da diese häufig bei erhaltener LVEF auftritt.4 Ein MRT ist sensitiver und spezifischer und wahrscheinlich die optimale Methode zum Nachweis der immunvermittelten Myokarditis. Erhöhte Spiegel von hs-Troponin T können erste Hinweise auf die kardiale Komplikation geben.
Häufig werden Arrhythmien und Herzreizleitungsstörungen mit der Checkpoint-Blockade assoziiert.3 Die häufigste Arrhythmie ist das Vorhofflimmern. Ob hier ein kausaler Zusammenhang mit der Immuntherapie besteht, ist allerdings schwer nachweisbar, da insbesondere bei älteren Patienten viele systemische Faktoren zugrunde liegen können. Beobachtet wurden zudem asymptomatische bis höhergradige AV-Blockierungen, Reizleitungsstörungen und ventrikuläre Tachyarrhythmien – auch ohne Hinweise auf eine zugrunde liegende generalisierte Myokarditis.
Eine Perikarditis kann isoliert oder als Perimyokarditis, mit oder ohne relevanten Perikarderguss und -tamponade, auftreten.3 Es werden in der Regel typische perikarditische Schmerzen wahrgenommen und im EKG können eine PR-Senkung sowie verbreitete sattelförmige ST-Hebungen beobachtet werden. Bei myokardialer Beteiligung liegt ein erhöhtes Troponin vor und im MRT können Zeichen einer perikardialen Entzündung gesehen werden.
Hämatologische Komplikationen
Immunologische Beeinträchtigungen des Blutbildes durch Immuncheckpoint-Inhibitoren sind eher selten, können aber durchaus klinisch relevant sein.5 Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei den hämatologischen Nebenwirkungen um einen Klasseneffekt handelt und der Wechsel auf eine andere immunonkologische Substanz daher keine Lösung bringt. Bei Auftreten von immunvermittelten hämatologischen Nebenwirkungen, die durch Symptome wie Schwäche, Blässe, Schwindel, dunklen Urin, Fieber und Herzrasen charakterisiert sind, sollten immunsuppressive Therapien wie bei immunologischen Blutbildveränderungen anderer Genese eingesetzt werden. Ein deutliches Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie ist zudem ein guter Hinweis auf eine immunologische Ursache der Blutbildveränderung, die in der klinischen Praxis nicht immer eindeutig nachweisbar ist.
Neurologische Komplikationen
Auch wenn neurologische Nebenwirkungen unter der Immuntherapie insgesamt sehr selten auftreten, können sie doch potenziell lebensbedrohlich sein. Bei milder Ausprägung gehen neurologische Nebenwirkungen mit unspezifischen Symptomen wie Schwindel, Kopfschmerzen und Fatigue einher, die oft nicht als primäre neurologische Nebenwirkungen wahrgenommen werden. Das Risiko für schwerwiegende, lebensbedrohliche neurologische Komplikationen wird mit bis zu 0,4% für PD-1-Inhibitor- bzw. bis zu 0,8% für CTLA-4-behandelte Patienten beschrieben, erhöht sich aber wahrscheinlich unter einer kombinierten Therapie.6
An schweren neurologischen Nebenwirkungen im zentralen Nervensystem werden immunvermittelte Enzephalitiden, zerebrale Ischämien, demyelinisierende ZNS-Erkrankungen, Hypophysitiden mit neuroendokrinologischen Symptomen und andere sehr seltene ZNS-Manifestationen, wie Tolosa-Hunt-Syndrom, aseptische Meningitis, posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom und granulomatöse ZNS-Inflammation beschrieben.7 Bezüglich des peripheren Nervensystems stellt die Myasthenia gravis die häufigste neuromuskuläre Komplikation dar. Außerdem wurden Myositiden und demyelinisierende Neuropathien mit sensorischer oder motorischer Beteiligung beschrieben. Vorsicht ist bei vorbestehenden Autoimmunerkrankungen geboten, die durch die Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren aggraviert werden könnten.8
Renale Komplikationen
Die mit Checkpoint-Inhibitoren assoziierte Nierentoxizität gehört ebenfalls zu den selten berichteten Nebenwirkungen mit einem Auftreten bei <1% der Patienten, wobei die Inzidenz möglicherweise unterschätzt wird.9 Am häufigsten tritt eine akute interstitielle Nephritis (AIN) auf, aber auch granulomatöse interstitielle Nephritiden oder Lupusnephritiden wurden beschrieben. Da eine Nephritis bei nahezu allen Patienten mit einer Kreatininerhöhung einhergeht, sollte der Kreatininwert zu Therapiebeginn und vor jedem Zyklus gemessen werden.
Eine akute Nierenschädigung nach Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren ist auch bei Patienten mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) <60ml/min/1,73m2 unwahrscheinlich, allerdings haben Patienten mit Nierenschäden zu Therapiebeginn weniger renale Reserven, sodass wiederholte akute Nierenschäden die Gefahr der Annäherung an eine terminale Niereninsuffizienz vergrößern. Bei frühzeitiger Diagnose kann eine Nephritis in der Regel durch Pausieren der Immuntherapie und Glukokortikosteroidgaben kontrolliert werden.

SERIO-Register
Die Etablierung des SERIO-Registers (Side Effect Registry Immuno-Oncology), das in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut für die Online-Nutzung weiterentwickelt wurde, soll den Umgang mit Nebenwirkungen und das Wissen für die Patientenaufklärung optimieren. SERIO wurde 2011 in Erlangen mit der Beschreibung einer Kasuistik aus dem Jahr 2009 begonnen. In dem nun seit 10 Jahren bestehenden Register wurden bereits mehr als 1000 Fälle seltener, schwerer und komplexer Nebenwirkungen von Immuntherapien aufgenommen. In einem interdisziplinären Toxboard mit Kardiologen, Neurologen, Rheumatologen, Gastroenterologen, Endokrinologen, Hämatologen und Dermatologen werden Standards für das Monitoring und Management von immunvermittelten Nebenwirkungen entwickelt. Das Toxboard trifft sich einmal im Monat und berät auch Kollegen zu komplexen Krankheitsverläufen. Mehr Informationen bietet die Internetseite www.serio-registry.org .
Fazit für die Praxis
Checkpoint-Inhibitoren sind effektive Therapien, die Melanompatienten die Chance auf ein langes Überleben bei guter Lebensqualität bieten. Sie können aber auch spezifische Nebenwirkungen induzieren. Die immunvermittelte Toxizität kann, insbesondere bei zu später oder inadäquater Behandlung, schwer und tödlich verlaufen. Daher sollte bei Behandlung mit einem Checkpoint-Inhibitor ein engmaschiges Monitoring erfolgen. Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, auf Nebenwirkungen zu achten und sie nicht zu bagatellisieren. Wichtig ist, den Patienten klarzumachen, dass der mögliche nebenwirkungsbedingte Abbruch der Therapie nicht mit einer verringerten Wirkung einhergeht. Da bei endokrinen und neurologischen Nebenwirkungen Antriebslosigkeit und Wesensveränderungen die selbstständige Reaktion von Patienten unmöglich machen können, sollten in jedem Fall auch Angehörige oder Personen aus dem Umfeld der Patienten einbezogen werden.
Quelle:
30. Deutscher Hautkrebskongress, 9.–12. September 2020
Literatur:
1 Schadendorf D et al.: Efficacy and safety outcomes in patients with advanced melanoma who discontinued treatment with nivolumab and ipilimumab because of adverse events: a pooled analysis of randomized phase II and III trials. J Clin Oncol 2017; 35(34): 3807-14 2 Heinzerling L et al.: Cardiotoxicity associated with CTLA4 and PD1 blocking immunotherapy. J Immunother Cancer 2016; 4: 50 3 Hu JR et al.: Cardiovascular toxicities associated with immune checkpoint inhibitors. Cardiovasc Res 2019; 115(5): 854-68 4 Palaskas N et al.: Immune checkpoint inhibitor myocarditis: pathophysiological characteristics, diagnosis, and treatment. J Am Heart Assoc 2020; 9(2): e013757 5 Brahmer JR et al.: Management of immune-related adverse events in patients treated with immune checkpoint inhibitor therapy: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline. J Clin Oncol 2018; 36(17): 1714-68 6 Cuzzubbo S et al.: Neurological adverse events associated with immune checkpoint inhibitors: review of the literature. Eur J Cancer 2017; 73: 1-8 7 Pan PCW, Haggiagi A: Neurologic immune-related adverse events associated with immune checkpoint inhibition. Curr Oncol Rep 2019; 21(12): 108 8 Johnson DB et al.: Immune checkpoint inhibitors in challenging populations. Cancer 2017; 123(11): 1904-11 9 Sise ME et al.: Diagnosis and management of immune checkpoint inhibitor-associated renal toxicity: illustrative case and review. Oncologist 2019; 24(6): 735-42
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