
Präzisionsmedizin bei Lymphomen: vom Tumorprofil zum Therapieentscheid
Bericht:
Dr. vet. med. Therese Schwender
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Auf der diesjährigen International Conference on Malignant Lymphoma (ICML) in Lugano präsentierte Daten unterstreichen den wachsenden Stellenwert verschiedener Biomarker in der Lymphomtherapie. So wurde einerseits gezeigt, welche Rolle die Lymphom-Mikroumgebung beim Ansprechen auf eine CAR-T-Zell-Therapie spielt. Andererseits wurden Studien diskutiert, die Anhaltspunkte dafür liefern, wie mithilfe der zirkulierenden Tumor-DNA und Bildgebungsbefunden künftig personalisiertere Therapieentscheidungen getroffen werden könnten.
Den vielleicht grössten Fortschritt in der Behandlung des grosszelligen B-Zell-Lymphoms seit der Einführung von Rituximab stellt die gegen CD19 gerichtete CAR-T-Zell-Therapie dar», sagte Dr. med. David Russler-Germain, St. Louis, USA, bei seinem Vortrag. «Leider profitieren aber die meisten Patientinnen und Patienten nicht dauerhaft von dieser Therapie.» Daher sei es von entscheidender Bedeutung, zu verstehen, welchen Einfluss die Lymphom-Mikroumgebung (LME) auf ein Therapieansprechen haben könnte.
Rolle der Mikroumgebungbei CAR-T-Zell-Therapie
Anhand der Untersuchung von 217 Tumorbiopsien (davon 114 neu diagnostizierte Tumoren, 103 rezidivierte/refraktäre) und 15 Kontrollproben mittels «single-nucleus multiomics», Bulk-RNA-Sequenzierung und Exom-Sequenzierung identifizierten Russler-Germain und seine Mitarbeitenden drei dominante Mikroumgebungs-Archetypen (LymphoMAP).1
Der lymphknotenartige Typ (LN, 33% der Tumoren) erwies sich als reich an naiven/Memory-T-Zellen und antigenpräsentierenden Zellen. Der T-Effektorzellen-/Erschöpfungs-Typ (TEX, 30% der Tumoren) war charakterisiert durch eine Anreicherung an T-Effektor-Zellen und erschöpften CD8-T-Zellen. Der Fibroblasten/Makrophagen-Typ schliesslich (FMAC, 37% der Tumoren) wies viele Fibroblasten- und Makrophagen-Untergruppen auf, einschliesslich tumorassoziierter Fibroblasten.
Anhand der Daten aus der Studie ZUMA-7 (Axi-cel vs. Standardtherapie beim rezidivierten/refraktären grosszelligen B-Zell-Lymphom [r/r LBCL]) konnte die Forschungsgruppe schliesslich feststellen, dass der LN-Typ am meisten von der CAR-T-Zell-Therapie profitierte (HR: 0,21 vs. Chemotherapie; p<0,0001). Patient:innen mit dem FMAC-Typ profitierten moderat (HR: 0,38; p<0,0001), während der TEX-Typ keinen signifikanten Nutzen davon hatte (HR: 0,7; p=0,21).
Zusammenfassend sagte Russler-Germain: «LymphoMAP beschreiben wichtige Muster der Lymphom-Mikroumgebung, die einen Einfluss auf das Ansprechen auf eine CAR-T-Zell-Therapie haben. Zukünftig könnten sie dazu dienen, Patientinnen und Patienten vor Therapiebeginn entsprechend zu stratifizieren. Ausserdem können wir womöglich in Zukunft gezielte Strategien für eine Modulation der Mikroumgebung entwickeln.»
Ansprechen auf CAR-T-Zell-Therapie mittels KI prognostizieren
Dr. med. Stephen Schuster,Philadelphia, USA, stellte einen weiteren vielversprechenden Ansatz zur Vorhersage des Ansprechens eines r/r LBCL auf eine CAR-T-Zell-Therapie vor.2 Eine frühere monozentrische Studie hatte gezeigt, dass eine Deep-Learning-gestützte Analyse von FDG-PET/CT-Bilddaten vor Therapiebeginn das Ansprechen auf eine CAR-T-Zell-Therapie zuverlässiger vorhersagen konnte als klassische klinische Risikoscores.3 Die patient:innenbezogene Vorhersage wurde dabei regelbasiert aus den Einzelbewertungen der Läsionen abgeleitet.
In der in Lugano vorgestellten Arbeit wurden auf diese Weise prospektiv erhobene Bilddaten der Phase-II-Studie JULIET analysiert. JULIET untersuchte den Einsatz von Tisagenlecleucel bei erwachsenen Patient:innen mit r/r LBCL.2 Die KI-Analyse erfolgte retrospektiv und verblindet hinsichtlich des tatsächlichen Therapieansprechens nach zwölf Monaten. Es wurden FDG-PET- und Low-Dose-CT-Aufnahmen von 70 Patient:innen aus 27 Kliniken in zehn Ländern ausgewertet.
Das KI-Modell identifizierte Responder mit einer Sensitivität von 77% und Non-Responder mit einer Spezifität von 42%. Der positive prädiktive Wert lag bei 24%, der negative prädiktive Wert bei 89%. Trotz der hohen Heterogenität der Bilddaten, bedingt durch die Anzahl an beteiligten Zentren, konnte die Leistungsfähigkeit des Modells bestätigt werden. Dies unterstreicht gemäss den Autor:innen der Studie die Möglichkeit einer generalisierbaren Anwendung im klinischen Alltag. Durch weitere Verfeinerungen könnte dieser Ansatz das Potenzial haben, schon im Vorfeld einer CAR-T-Zell-Therapie klinisch nützliche Informationen zu liefern.
Neu diagnostiziertes LBCL: Verfeinerungen der Therapiestrategie
Als «Late Breaking Abstract» präsentierte Dr. med. Eleonora Calabretta, Boston, USA, die Resultate einer retrospektiven Analyse der POLARIX-Studie.4 POLARIX evaluierte die Wirksamkeit von Polatuzumab Vedotin plus Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Prednison (Pola-R-CHP) im Vergleich zu R-CHP beim neu diagnostizierten diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL).5,6
Die retrospektive Analyse setzte nun den DLBclass-Klassifikator ein und zeigte, dass Patient:innen im Cluster 5 – dieses ist typischerweise mit schlechten Ergebnissen assoziiert – von der Zugabe von Polatuzumab Vedotin am meisten profitieren konnten (5-Jahres-Rate PFS [progressionsfreies Überleben]: 70,4% vs. 42%).4 Diese Resultate untermauern das Potenzial für biologisch fundierte Behandlungsentscheidungen beim DLBCL.
Dr. med. Pengpeng Xu, Shanghai, China, stellte die Ergebnisse der PEARL-Studie vor.7 Diese in China durchgeführte multizentrische, randomisierte Studie verglich ZR2 (Zanubrutinib, Lenalidomid, Rituximab) mit R-miniCHOP bei nicht fitten oder gebrechlichen Patient:innen >70 Jahre mit einem neu diagnostizierten DLBCL. Die Ansprechrate (komplettes Ansprechen) war in beiden Gruppen vergleichbar, sodass ZR2 als nicht unterlegen bewertet wurde. Damit positioniert sich ZR2 als vielversprechende Alternative für ältere Patient:innen.
Die Kombination aus PET-Befunden und zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) könnte womöglich ebenfalls dazu beitragen, die Therapiestrategien beim bisher unbehandelten DLBCL zu verfeinern. In der Phase-II-Studie SAKK 38/19 werden Patient:innen mit einem unbehandelten DLBCL basierend auf dem Ausgangs-ctDNA-Befund unterschiedlichen Therapiearmen zugeordnet und im weiteren Verlauf mittels ctDNA und PET weiter stratifiziert.
Die am Kongress von Prof. Dr. med. Anastasios Stathis, Bellinzona, vorgestellten vorläufigen Resultate der Studie zeigten einerseits die Machbarkeit des Ansatzes: Die Analyse der ctDNA dauerte im Median neun Tage, die Therapiezuteilung erfolgte im Median nach 15 Tagen.8 Andererseits fand die Analyse eine Korrelation zwischen Ausgangs-ctDNA-Konzentration und mehreren klinischen Merkmalen wie IPI, Tumorvolumen und auch B-Symptomen. Eine hohe metabolische Tumorlast zu Therapiebeginn erwies sich ausserdem als prädiktiv für ein positives PET zum Therapieende.
Im weiteren Verlauf der Studie werden nun unter anderem die Auswirkungen dieser Vorgehensweise auf PFS und Gesamtüberleben (OS) untersucht.
Therapieoptimierung beim klassischen Hodgkin-Lymphom
Personen mit EBV-positiven klassischen Hodgkin-Lymphomen (cHL) zeigen erfahrungsgemäss schlechtere Überlebensraten als EBV-negative Patient:innen, teilweise bedingt durch eine höhere EBV-Prävalenz bei älteren Personen. EBV führt direkt zu einer erhöhten PD-L1-Expression beim cHL, was den Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren bei diesen Tumoren interessant macht.
Die Studie SWOG S1826 hatte denn auch gezeigt, dass die Zugabe von Nivolumab (N) zu AVD (Adriamycin, Vinblastin, Dacarbazin) im Vergleich zu Bv-AVD (Brentuximab Vedotin, Adriamycin, Vinblastin, Dacarbazin) beim cHL zu einem signifikant längeren PFS führte (2-Jahres-PFS-Rate: 92% vs. 83%).9 In einer Subanalyse der Studie wurde nun der Einfluss des EBV-Status und der Tumorhistologie (nodulär-sklerosierende [NS] vs. nicht nodulär-sklerosierende [Non-NS] Subtypen) auf das Therapieergebnis untersucht.10
Wie sich zeigte, verbesserte N-AVD im Vergleich zu Bv-AVD die Outcomes beim fortgeschrittenen cHL unabhängig von EBV-Status oder histologischem Subtyp. N-AVD konnte insbesondere die bisher schlechten Verläufe beim EBV-positiven cHL und bei Non-NS-Histologien deutlich verbessern. Die Studienautor:innen sind der Meinung, dass N-AVD als neuer Therapiestandard beim fortgeschrittenen cHL gelten sollte – insbesondere bei Patient:innen mit einem EBV-positiven Tumor oder Non-NS-Subtyp. Ausserdem weisen sie darauf hin, dass ihre Ergebnisse wichtige Anhaltspunkte für zukünftige Studien liefern, um die Wirkmechanismen von Checkpoint-Inhibitoren in verschiedenen molekularen Subgruppen des cHL besser zu verstehen (Tab.1).
Tab. 1: Progressionsfreies Überleben (PFS) in Abhängigkeit von der zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA) in der Gesamtkohorte und den beiden Therapiearmen der SWOG-S1826-Studie (modifiziert nach Herrera AF et al.)11
Eine weitere Auswertung der S1826-Daten zeigte zudem: Die molekulare Tumorlast (MTB), bestimmt über ctDNA, war sowohl am ersten Tag des dritten Zyklus als auch zum Therapieende signifikant mit dem PFS assoziiert – unabhängig vom Behandlungsarm.11
Die Autor:innen dieser Analyse sind der Ansicht, dass ihre Ergebnisse den potenziellen Einsatz der ctDNA als einen integralen Biomarker in einer ctDNA-Response-adaptierten klinischen Studie beim fortgeschrittenen cHL unterstützen.
Quelle:
18th International Conference on Malignant Lymphoma (ICML), 17. bis 21. Juni 2025, Lugano und online
Literatur:
1 Russler-Germain DA et al.: Large B-cell lymphoma microenvironment archetype profiles (LymphoMAPs) identify subgroups with greatest benefit from CD19 CAR T cell therapy. Hematol Oncol 2025; 43(S3): Abstr. #5 2 Schuster SJ et al.: Deep learning-based image analysis of retreatment FDG-PET/CT predicts CAR T-cell treatment outcome at 12 months. Hematol Oncol 2025; 43(S3): Abstr. #LBA4 3Tong Y et al.: Prediction of lymphoma response to CAR T cells by deep learning-based image analysis. PLoS One 2023; 18: e0282573 4 Calabretta E et al.: The benefit of POLA-R-CHP in DLBclass-defined molecular subsets of newly diagnosed DLBCL in the POLARIX trial. Hematol Oncol 2025; 43(S3): Abstr. #LBA1 5 Tilly H et al.: Polatuzumab vedotin in previously untreated diffuse large B-cell lymphoma. N Engl J Med 2022; 386: 351-63 6 Salles G et al.: Five-year analysis of the POLARIX study: prolonged follow-up confirms positive impact of polatuzumab vedotin plus rituximab, cyclophosphamide, doxorubicin, and prednisone (Pola-R-CHP) on outcomes. Blood 2024; 144(Suppl. 1): 469 7 Xu P et al.: Zanubrutinib plus lenalidomide and rituximab versus R-miniCHOP in unfit or frail patients with newly diagnosed diffuse large B-cell lymphoma aged 70 years or older. Hematol Oncol 2025; 43(S3): Abstr. #LBA2 8 Stathis A et al.: Feasibility of ctDNA and PET guided therapy in untreated DLBCL. Preliminary results of the SAKK 38/19 phase II trial. Hematol Oncol 2025; 43(S3): Abstr. #6 9 Herrera AF et al.: Nivolumab + AVD in advanced-stage classic Hodgkin‘s lymphoma. N Engl J Med 2024; 391: 1379-89 10 Ahmed S et al.: Impact of EBV status and histology on outcomes with Nivolumab-AVD versus Bv-AVD in patients enrolled on SWOG S1826. Hematol Oncol 2025; 43(S3): Abstr. #20 11 Herrera AF et al.: Prognostic value of circulating tumor DNA in patients with advanced stage classic Hodgkin lymphoma treated on SWOG S1826. Hematol Oncol 2025; 43(S3): Abstr. #21
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