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Lungenpathologie und Autoimmunerkrankungen
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Helmut Popper
Institut für Pathologie, Forschungseinheit<br> Molekulare Lungen- und Pleurapathologie,<br> Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: helmut.popper@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
25.05.2017
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<p class="article-intro">Im Rahmen der Frühjahrstagung der Österreichischen Gesellschaft für Pathologie (ÖGP) waren den Themen Lungenpathologie und Autoimmunerkrankungen mehrere Vorträge und Seminare gewidmet. Im folgenden Beitrag werden die neuesten Erkenntnisse auf diesen Gebieten in Anlehnung an die Kongressthemen zusammengefasst.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Im Vorfeld der Tagung wurde ein Themenblock zur molekularen Diagnostik der Pathologie präsentiert. Dieser Teil der Tagung war besonders als Fortbildung für biomedizinische Analytiker und Analytikerinnen (BMAs) ausgerichtet und befasste sich mit praktischen Fragen. Dabei spielte naturgemäß die molekulare Diagnostik des Lungenkarzinoms eine wesentliche Rolle. Bei ca. 15–20 % der Lungenkarzinompatienten können sogenannte Treibergene nachgewiesen werden, für die es spezifische Therapeutika gibt. Daher ist dieser Nachweis bereits Routine in den pathologischen Instituten. Allerdings kommt es im Rahmen dieser Therapien nach nicht vorhersehbarer Zeit zu Resistenzen gegen diese Therapie. Mechanismen sind neue Mutationen, ein Wechsel auf alternative Signalwege im Karzinom oder auch Amplifikationen im Treibergen. Da es für diese Resistenzen z.T. neue Medikamente gibt, ist auch die Bestimmung dieser Resistenzmechanismen Teil der pathologischen Routine geworden.<br /> Die Methoden für alle diese Untersuchungen haben sich in den letzten sechs Jahren rasch entwickelt. Statt die Analyse für jedes Gen mit einem eigenen Untersuchungsgang zu bestimmen, kann man nun mittels Next-Generation-Sequencing (NGS) mehrere Gene in einem Analysenansatz gleichzeitig untersuchen.</p> <h2>Neue molekulare Techniken</h2> <p>Dies hat sich auch in den Referaten über neue molekulare Techniken niedergeschlagen. BMAs berichteten aus der Sicht von BMAs über die Einführung des NGS, über relevante molekularbiologische Grundlagen für die molekulare Diagnostik und wie die Menge der bioptisch gewonnenen Gewebe oder Flüssigkeiten die molekulare Analytik limitieren kann. Weiters wurde die Frage behandelt, welche Mutationen des Lungenkarzinoms derzeit bestimmt werden müssen, um den Patienten personalisierte Therapie anbieten zu können. Das Thema der Qualitätssicherung in der molekularen Diagnostik wurde detailliert behandelt und dazu auch, wie man zur Akkreditierung nach ISO 15189 kommt. Auch die Bedeutung der Validierung molekularer Tests wurde genau dargestellt. Ein Mitarbeiter der Biobank der MedUni Wien (MUW) stellte neue europäische Normen in der Präanalytik vor.</p> <h2>„Liquid biopsy“</h2> <p>Im Verlauf der Entwicklung maligner Tumoren kommt es zur Freisetzung von Tumor-DNA und diese kann in verschiedenen Körperflüssigkeiten nachgewiesen werden. Der Nachweis dieser Tumor-DNA wird als „liquid biopsy“ bezeichnet und die so gewonnene DNA als „cell-free DNA“ (cfDNA). Diese DNA entsteht aus Tumorzerfall, aber auch durch Fehler in der Zellteilung und durch andere, derzeit nicht genau bekannte Prozesse. Je weiter ein Tumor entwickelt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass cfDNA gefunden werden kann. Ein fortgeschrittenes, bereits metastasiertes Stadium hat mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits nachweisbare cfDNA im Blut, im Urin und in anderen Körperflüssigkeiten. Tumoren im Frühstadium haben nur sehr selten cfDNA, allerdings kann man wahrscheinlich andere Substanzen aus Tumoren, wie Proteine oder einsträngige Ribonukleinsäuren, nachweisen. Im Moment ist diese Diagnostik noch etwas eingeschränkt, da man erstens eine tumorspezifische Mutation kennen muss, nach der in der cfDNA gesucht wird, und es zweitens einer gewissen Menge an DNA bedarf, um den Nachweis führen zu können. Hier sind aber laufend technische Entwicklungen zu erwarten, die diese Methode immer sensitiver machen werden.<br /> Der Frage, ob die „liquid biopsy“ schon für den diagnostischen Einsatz geeignet ist, widmete sich der Themenblock am frühen Nachmittag. Die Bedeutung der Resistenzmutationen in der individualisierten Therapie wurde aus klinischer Sicht behandelt. Der Nutzen der „liquid biopsy“ bei Mammakarzinompatientinnen wurde behandelt, und das Thema „liquid biopsy“ wurde auch mit Betrachtungen über die verschiedenen Methoden und die Sensitivität dieser Analysen abgeschlossen. Ein Appell, sich für die Sammlung anonymisierter Mutationsbefunde einzusetzen, bildete den Abschluss der Diskussion über molekulare Analytik.<br /> In einem Lunch-Seminar berichteten der Genetiker Prof. Dr. Martin Filiptits und der Pathologe Dr. Georg Hutarew über ihre Erfahrungen mit Monitoring und Detektion der Resistenzmutation T790M beim fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungenkarzinom. Für diese Resistenzmutation gibt es seit Kurzem ein Medikament zur Behandlung. Wenn wir derzeit das Lungenkarzinom zumeist nicht heilen können, haben wir doch eine Reihe von Medikamenten, mit deren Hilfe Tumorwachstum und Ausbreitung des Tumors gebremst oder sogar für einige Jahre völlig gestoppt werden können.</p> <h2>Morphologische Diagnostik</h2> <p>Der letzte Teil des BMA-Pathologen- Tages widmete sich der morphologischen Diagnostik, beginnend mit einem Referat über Möglichkeiten und Grenzen der Biopsiebeurteilung, gefolgt von einer Präsentation über den Wert der Schnellzytologie. Abgeschlossen wurde dieser Teil durch ein Referat über Zytologie und Immunzytologie in der Lungenpathologie sowie einen Vortrag über Vorteile und Pitfalls der Immunhistologie zur Diagnostik des Lungenkarzinoms. Mit der neuen WHO-Klassifikation der Lungentumoren (2015) haben auch genetische und immunhistologische Methoden offiziell in die Klassifikation Eingang gefunden und sind damit Routine in der Diagnostik.<br /> Mit dem Thema Lungentumoren und Immundiagnostik begann der Haupttag des Symposiums über Lungen- und Immunpathologie. Am Beginn zeigten im Rahmen eines Schnittseminars erfahrene Lungenpathologen sechs seltene Lungentumoren und erläuterten, wie man zur Diagnose gelangen kann. Dann folgten zwei Referate über die Praxis der PD-L1- Bestimmung in der täglichen Diagnostik, gefolgt von einem Überblick über Mechanismen der Immuntoleranz im Lungenkarzinom sowie die vielfältigen Möglichkeiten des therapeutischen Eingreifens ins System der Tumorimmunologie jenseits von PD-L1 und PD-1.<br /> Die Keynote-Lecture unter der Überschrift „Lungentumoren translational“ war ein aktuelles, gut dosiertes, mit Empathie dargebotenes Referat zum State of the art der Immuntherapie beim Lungenkarzinom vom Leiter der Abteilung für Onkologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I, Wien, Prof. Dr. Christoph Zielinski. Anschließend folgte ein Vortrag über Tumorheterogenität, aufgeschlüsselt als intratumorale, intertumorale Tumoren und Metastasen, unter Berücksichtigung der Morphologie und Genetik sowie des Verlaufs.<br /> Die Immuntherapie hat seit ihrer Einführung in die Behandlung der Lungenkarzinome Furore gemacht. Während die molekularbiologische Therapie mit Hemmern von Wachstumsgenen überwiegend bei Nichtrauchern einen festen Platz hat, gibt es nun auch für Patienten mit tabakrauchinduzierten Karzinomen neue Hoffnung. Mit einer Beeinflussung von Kontrollmechanismen des Immunsystems gelingt es, das körpereigene Immunsystem zum Kampf gegen den Krebs zu mobilisieren. Die derzeitigen Medikamente sind aber erst die „Spitze des Eisbergs“. In den kommenden Jahren werden viele weitere Medikamente hinzukommen.</p> <h2>Autoimmunerkrankungen</h2> <p>Im nächsten Abschnitt wurden Themen der Autoimmunerkrankungen behandelt. Zuerst gab es einen Überblick über Autoimmunerkrankungen mit Fokus auf Nephritiden und anschließend ein Referat über Immunvaskulitiden, besonders Lunge und Niere betreffend. Es folgte ein Update über IgG4-assoziierte Erkrankungen in mehreren Organen und in einer Doppelkonferenz von Pathologie und Klinik wurde eindrucksvoll ein Überblick über Amyloidosen gegeben. Den Abschluss dieses Tages bildeten Referate über infektiöse und nicht infektiöse Pneumonien.<br /> Autoimmunerkrankungen haben ihr „Aussehen“ im histologischen Präparat im letzten Jahrzehnt wesentlich verändert, und dies insbesondere in der Lungenbeteiligung. Während früher oft akute oder subakute Stadien beurteilt werden mussten, sind es heute auch aufgrund besserer Therapie oft chronische Stadien, die sich in der Lunge als fibrosierende entzündliche Erkrankung manifestieren. Die stellt eine Herausforderung für die Pathologie dar, die nur durch Spezialisierung auf Lungenpathologie bewältigt werden kann. Diese chronisch fibrosierenden Stadien sind nicht nur eine diagnostische Herausforderung, sondern haben auch für die Prognose der Patienten eine wesentliche Bedeutung: Der Therapieplan muss umgestellt werden, die Fibrosierung sollte behandelt werden. Zwar wird in der Fachliteratur behauptet, dass die Diagnose mittels radiologischer Bildanalyse erstellt werden kann, als Gutachter für eine Vielzahl von Fällen aus Nord- und Mitteleuropa kann ich nur immer wieder feststellen, dass letztlich erst die pathologische Diagnose Klarheit gibt. Mit der Erforschung fibrosehemmender Medikamente wird daher auch in diesem Bereich die pathologische Diagnostik an Wertigkeit gewinnen.<br /> Am letzten Tag wurden in drei Schnittseminarteilen über Lungenpathologie Fälle von infektiösen Lungenerkrankungen, granulomatösen Läsionen, Autoimmunerkrankungen der Lunge und Hypersensitivitätspneumonien durch vier Lungenpathologen präsentiert. Schnittseminare sind in der Pathologie ein wichtiger Teil der Aus- und Fortbildung. Mittels digitaler Technik können die ausgewählten Fälle vor der Tagung bereits über eine Internetleitung mikroskopiert werden, es können Diagnosen eingegeben werden, und bei der Tagung folgten dann die Auflösung und Diskussion der eingesandten Diagnosen. Jedes Mitglied kann dabei anonym seinen Kenntnisstand überprüfen.</p></p>
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