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Latest News zu Magen-, Ösophagus- und Pankreaskarzinom
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll
Krankenhaus St. Vinzenz Betriebs GmbH, Zams<br> E-Mail: ewald.woell@krankenhaus-zams.at
30
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Beim ASCO-Meeting 2016 hat es bezüglich des Pankreaskarzinoms in der adjuvanten Therapie eine durchaus praxisrelevante und den derzeitig gültigen Standard ändernde Studie gegeben, ansonsten beziehen sich die neuen Daten zum Magenkarzinom und Ösophaguskarzinom auf zukunftsweisende Studien. Praxisrelevante Veränderungen hat es hier nicht gegeben.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Als praxisrelevante Änderung für das Pankreaskarzinom im kurativen Setting zeigt sich die adjuvante Therapie mit Gemcitabin und Capecitabin als derzeitig neuer Standard.</li> <li>Beim Magenkarzinom kann kein Vorteil für eine postoperative Radiochemotherapie nach präoperativer Chemotherapie im adjuvanten Setting gezeigt werden.</li> <li>In der palliativen Therapie ist die Claudin-Inhibition ein vielversprechender neuer Ansatz, der erst in einer Phase-III-Studie bewertet werden kann.</li> <li>Beim Ösophaguskarzinom ist für das Adenokarzinom eine präoperative kombinierte Radiochemotherapie nach Induktionschemotherapie bezüglich des Gesamtüberlebens einer reinen Induktionschemotherapie nicht überlegen, wobei die pCR-Rate deutlich höher ist und sich beim Gesamtüberleben ein Trend zeigt.</li> <li>In der palliativen Therapie des Ösophaguskarzinoms spricht viel für die Fortsetzung der Chemotherapie bis zum Progress.</li> <li>Die neuen Daten zur Checkpoint-Inhibition sind auch bei Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts vielversprechend, ein wesentlicher Schritt wird auch hier die Entwicklung von prädiktiven Markern sein.</li> <li>Vermutlich ist eine duale Blockade besser als eine Monotherapie, wobei auch hier die endgültigen Dosisschemata und die besten Konzepte noch in Erarbeitung sind.</li> </ul> </div> <h2>Adjuvante Therapie des Pankreaskarzinoms</h2> <p>Derzeit ist in der adjuvanten Therapie des Pankreaskarzinoms eine Monotherapie mit Gemcitabin für R0- und R1-resezierte Patienten über 6 Monate der Standard. Eine 5-FU-hältige Monotherapie ist dieser Therapie gleichwertig, jedoch aufgrund der schwierigen Durchführbarkeit bei uns seltener im Einsatz. Die ESPAC-4-Studie ist eine randomisierte Phase-III-Studie, die den bisherigen Standard Gemcitabin Tag 1 und 8 und 15 gegenüber Gemcitabin Tag 1 und 8 und 15 kombiniert mit Capecitabin Tag 1–21 mit 1.660mg/m<sup>2</sup> an 730 R0- und R1-resezierten Patienten mit einem Adenokarzinom des Pankreas untersucht hat. Dabei wurde R1 als Abstand der Tumorzellen zum Resektionsrand von weniger als 1mm definiert. Insgesamt deckt die Studie eine realistische Situation ab. 52 % der Patienten hatten einen Grad-II-Tumor, 38 % einen Grad-III-Tumor und 82 % waren Lymphknoten-positiv. Die Toxizität der Studie ist durchaus vertretbar, wie zu erwarten gab es im experimentellen Arm etwas mehr Fälle von Hand-/Fußsyndrom und Diarrhö. Bemerkenswert sind die Ergebnisse der Studie: Mit einer Hazard-Ratio von 0,82 ergibt sich eine Verlängerung des medianen Überlebens von 25,5 Monaten im Kontrollarm auf 28 Monate im experimentellen Arm. Dies ergibt eine Verbesserung der 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von 16 % auf 29 % . Dieser Fortschritt ist durchaus klinisch relevant und setzt den neuen Standard in der adjuvanten Therapie des Pankreaskarzinoms.<br /> In der Subgruppe der R1-resezierten Patienten zeigte sich dieser Effekt weniger deutlich. Möglicherweise ist ein Grund dafür die lange Zeit zwischen Operation und Randomisierung in die Studie zwischen 21 und 111 Tagen, im Mittel 64 Tage.<br /> Dennoch sollte aus meiner Sicht diese Therapie derzeit bei Patienten ohne Kontraindikation für Capecitabin den bisherigen Standard Gemcitabin-Monotherapie ersetzen. Mit Spannung dürfen die Ergebnisse der laufenden Studien mit modifiziertem Folfirinox versus Gemcitabin und mit Gemcitabin +/– Nab-Paclitaxel abgewartet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite115_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Magenkarzinom</h2> <p>Beim Magenkarzinom ist der derzeitige Standard in der perioperativen Therapie die Durchführung einer perioperativen Chemotherapie. Ob eine postoperative Strahlenchemotherapie in diesem Setting nach neoadjuvanter Chemotherapie einen Vorteil bringt, ist bis dato nicht klar. Diese Fragestellung wird von der CRITICS-Studie bearbeitet. In dieser großen Phase-III-Studie wurden 788 Patienten mit Adenokarzinomen des Magens und des gastroösophagealen Überganges (16 % ) im Stadium Ib bis IVa randomisiert. Alle Patienten erhielten präoperativ drei Zyklen EOX oder ECF, wurden anschließend operiert und erhielten im Kontrollarm postoperativ weitere drei Zyklen Chemotherapie oder eine kombinierte Radiochemotherapie mit 54Gy in 25 Dosen.<br /> Wie zu erwarten, konnten 84 % der Patienten die präoperative Therapie abschließen, während nur die Hälfte der Patienten den postoperativen Therapieteil abschließen konnte. Die Ergebnisse in dieser Studie sind ernüchternd: Insgesamt zeigt sich eine hohe 5-Jahres-PFS-Rate in beiden Gruppen von 39 % sowie eine hohe 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von 41 % . In beiden Gruppen besteht jedoch kein signifikanter Unterschied, sodass die postoperative Strahlenchemotherapie derzeit keinen Standard darstellt. Über den Einsatz der Strahlentherapie beim Magenkarzinom in der perioperativen Therapie werden uns die Studien TOPGEAR sowie ARTIST 2 und CRITICS 2 in den nächsten Jahren neue Informationen geben.<br /> In der palliativen Therapie des Magenkarzinoms gab es zum HER2-positiven Magenkarzinom beim heurigen ASCO-Meeting keine neuen Daten. Beim ASCO-GI wurden die leider negativen Daten der GATSBY-Studie vorgestellt, die keinen Vorteil für eine T-DM1-Therapie gegenüber einer taxanhältigen Therapie in der Zweitlinientherapie des HER2-positiven Magenkarzinoms ergibt. Subgruppenanalysen und biologische Analysen dieser Studie sind jedoch noch abzuwarten, um eine endgültige Bewertung vorzunehmen. Eine Schwäche dieser Studie ist sicherlich im Zeitpunkt der HER2-Testung zu sehen, die durchaus aus Material des primären Tumorgewebes durchgeführt werden konnte und damit einer möglichen Heterogenität, Diskordanz oder klonalen Evolution nicht Rechnung trägt. Ein weiterer Schwachpunkt der Studie ist das Fehlen eines dritten Armes, der eine Trastuzumab-Therapie mit Chemotherapie nach dem Progress unter Trastuzumab untersucht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite115_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Claudin-überexprimierendes Magenkarzinom</h2> <p>Spannende Phase-II-Daten wurden beim Claudin-überexprimierenden Magenkarzinom in der FAST-Studie berichtet. Hier wurden 161 Patienten im palliativen Setting, die Claudin mäßig oder stark überexprimierten, in der ersten Therapielinie randomisiert in einer Therapie mit EOX oder EOX mit dem monoklonalen Antikörper gegen Claudin 18.2 (IMAB362). Claudin ist ein Adhäsionsmolekül des Magens, das bei unterschiedlichen Tumorerkrankungen, insbesondere auch beim Magenkarzinom, in etwa der Hälfte der Fälle überexprimiert ist. Da Claudin im normalen Gewebe praktisch nicht vorkommt und im Magen durch die „tight junctions“ nicht zugänglich ist, ist es ein ideales Target für eine zielgerichtete Therapie. In dieser Studie konnte das mittlere progressionsfreie Überleben von 4,8 Monaten (Kontrollarm) auf 7,9 Monate verlängert werden. Auch das Gesamtüberleben wurde von 8,4 Monaten auf 13,2 Monate im Median verlängert, das entspricht einer HR von 0,51 und ist statistisch signifikant. Dabei ist die Toxizität dieser Therapie durchaus vertretbar. Noch deutlicher ist das Ergebnis bei den Patienten, die Claudin in hohem Ausmaß überexprimieren. Bei diesen ergab sich eine Verlängerung des Gesamtüberlebens von 9 Monaten auf 16,7 Monate. Mit Spannung können damit die Daten einer Phase-III-Studie erwartet werden. Mithilfe des positiv prädiktiven Markers ist möglicherweise auch eine Patientenselektion möglich.<br /> Für Immuncheckpoint-Inhibitoren liegt beim Magenkarzinom eine Reihe von Untersuchungen vor, die durchaus Effektivität zeigen. In diesen frühen Phase-I/Phase-II-Studien konnten der Effekt sowohl der Anti-PD-1- als auch der Anti-PD-L1-Therapie, aber auch die Kombination einer Anti-PD-1-Therapie mit einer Anti-CTLA4-Therapie untersucht werden. Endgültig lässt sich diesbezüglich noch keine Aussage treffen, die Ansprechraten liegen bei 10–15 % bei schwer vorbehandelten Patienten, wobei Patienten, die auf die Therapie ansprechen, durchaus lange progressionsfreie Intervalle zeigen.<br /> Interessant wird für das Magenkarzinom zweifelsfrei die Möglichkeit eines für die Immuntherapie positiv prädiktiven Markers sein. Hier sind aufgrund der molekularen Typisierung des Magenkarzinoms vermutlich besonders der EBV-assoziierte Subtyp und der mikrosatelliteninstabile Subtyp des Magenkarzinoms für zukünftige Studien interessant. Erste Ergebnisse, die auch beim ASCO-Meeting vorgestellt wurden, zeigen bei einigen wenigen Patienten, die mikrosatelliteninstabil sind, bei Magenkarzinom besonders gute Ansprechraten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite116.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Ösophaguskarzinom</h2> <p>Für das Ösophaguskarzinom wurde in der neoadjuvanten Therapie die Langzeitnachbeobachtung der POET-Studie vorgelegt. In dieser ausgezeichnet designten Phase-III-Studie der deutschen Studiengruppe wurde randomisiert bei Patienten mit operablem Adenokarzinom des Ösophagus in eine Induktionschemotherapie mit 5 FU/Cisplatin oder eine Induktionschemotherapie mit 5 FU/Cisplatin, gefolgt von einer Radiochemotherapie mit Cisplatin und Etoposid.<br /> Insgesamt konnte hier eine R0-Resektionsrate in der kombinierten Radiochemotherapie von 88 % gegenüber 77 % im Kontrollarm erreicht werden, mit einer histologisch kompletten pathologischen Remission von 14,3 % im experimentellen Arm gegenüber lediglich 1,9 % im Kontrollarm. Dabei war die Toxizität bei kombinierter Radiochemotherapie wie zu erwarten etwas höher. Leider waren die Gesamtüberlebensdaten nicht statistisch signifikant, obwohl sich ein Trend zu einer verbesserten Langzeitüberlebensrate im kombinierten Radiochemotherapiearm zeigte. Aufgrund der fehlenden Signifikanz (möglicherweise aufgrund der geringen Patientenzahl) kann diese Studie jedoch den derzeitigen Standard nicht ändern und es müssen weitere Untersuchungen abgewartet werden.<br /> In der palliativen Therapie des Ösophaguskarzinoms hat es keine wesentlichen Neuerungen gegeben. Lediglich eine Studie unterstreicht die Notwendigkeit der Chemotherapie zur Verbesserung der Lebensqualität. In dieser Studie (E-DIS) wurden Patienten mit metastasiertem inoperablem Ösophaguskarzinom für 6 Wochen mit einer 5-FU/Platin-basierten Chemotherapie behandelt. Nach 6 Wochen wurden Patienten, die nicht progredient waren, randomisiert und erhielten entweder beste unterstützende Therapiemaßnahmen oder beste unterstützende Therapiemaßnahmen mit Fortsetzung der Chemotherapie.<br /> Auch wenn in beiden Gruppen das Gesamtüberleben gleich war, zeigte sich doch eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens durch die Fortsetzung der Chemotherapie. Dies übersetzte sich auch in eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der Zeit bis zur Verschlechterung des globalen Gesundheitsstatus, sodass einer kontinuierlichen Chemotherapie bezüglich des Endpunkts Lebensqualität und progressionsfreies Überleben – und das sind sicher die relevanten Faktoren in einer fortgeschrittenen Situation – der Vorzug gegeben werden muss.</p></p>
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