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Langzeitergebnisse zur Immuncheckpoint-Blockade
Jatros
30
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21.09.2017
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<p class="article-intro">Die Immuncheckpoint-Blockade hat sich erstmals bei Melanomen als sehr effektiv erwiesen und die Prognose betroffener Patienten langfristig erheblich verbessert. Jetzt werden Checkpoint-Blocker auch beim kutanen Plattenepithelkarzinom erfolgreich geprüft.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Plattenepithelkarzinome der Haut („cutaneous squamous cell carcinoma“; CSCC) zählen in den USA zu den zweithäufigsten Hauttumoren. Die Prognose ist üblicherweise günstig: Das CSCC ist zu >95 % mittels Operation kurativ zu behandeln. Problematisch sind allerdings die inoperablen fortgeschrittenen Tumoren, informierte Prof. Dr. Kyrialios Papadopoulos, San Antonio. Für diesen kleinen Prozentsatz von Patienten gibt es bislang keinen Therapiestandard. Mit der konventionellen Chemotherapie können zwar Remissionen induziert werden; sie wird von den meist älteren Patienten jedoch in der Regel nur schlecht vertragen. Vielversprechend erscheint aber eine Checkpoint-Blockade, da CSCC zu den Tumoren mit den höchsten Mutationsraten gehören und Hochrisikopatienten eine starke PD-L1-Expression aufweisen. „Das CSCC ist ein perfekter Kandidat für die gegen PD-1 gerichtete Checkpoint-Blockade“, bestätigte auch Diskutant Prof. Dr. Alexander Menzies, Sydney. <br />In einer Phase-I-Studie bei 26 meist älteren Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem CSCC hat der vollhumane PD-1-Antikörper REGN2810 bei guter Verträglichkeit eine hohe Effektivität gezeigt.<sup>1</sup> Die Teilnehmer waren median 73 Jahre alt und zu 81 % männlich. Die Tumoren waren überwiegend im Hals- und Gesichtsbereich (69 % ) oder auf den Extremitäten (19 % ) lokalisiert. Gut die Hälfte der Patienten war systemisch vorbehandelt, drei Viertel waren bereits bestrahlt worden.</p> <h2>Fast jeder zweite Patient spricht an</h2> <p>Nach einem Follow-up von median 7 Monaten hatten 46,2 % der Patienten auf REGN2810 angesprochen. „Zwei Patienten haben mit einer bestätigten kompletten Remission (CR) angesprochen“, berichtete Papadopoulos. Die Rate partieller Remissionen (PR) lag in der metastasierten Situation bei 60 % , bei den Patienten mit lokal fortgeschrittenen Karzinomen bei 25 % . Die Tumorkontrollrate belief sich auf 69,2 % . Remissionen traten üblicherweise schnell ein, waren tief und hielten langfristig – teilweise über mehr als 40 Wochen – an. Die Wirksamkeit des Antikörpers war unabhängig vom PD-L1-Status: Auch drei der vier Patienten mit einer Expression <1 % sprachen mit einer Remission oder Stabilisierung an. Zudem wurde der Antikörper von den überwiegend älteren Patienten gut vertragen. Derzeit läuft bereits eine zulassungsrelevante internationale Phase-II-Studie (NCT02760498) bei Patienten mit inoperablem fortgeschrittenem oder metastasiertem CSCC (Abb. 1). <br />Aus der Phase-III-Studie KEYNOTE-006 liegen mittlerweile vielversprechende Langzeitdaten zu Pembrolizumab über 34 Monate bei Ipilimumab-naiven Patienten mit fortgeschrittenem Melanom vor.<sup>2</sup> Es handelt sich damit um die reifsten Phase-III-Daten zur PD-1-Blockade beim Melanom. Zudem gibt es erstmals Erfahrungen in Bezug auf das Outcome der Patienten nach Ende der protokollarisch vorgesehenen zweijährigen Therapie. Die 834 Teilnehmer mit inoperablem Tumor (Stadium III/IV) und maximal einer Vortherapie (35 % ) waren zu Pembrolizumab in zwei Dosierungen (10mg/kg alle 2 oder alle 3 Wochen) oder zu Ipilimumab randomisiert worden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_s74.jpg" alt="" width="1458" height="849" /></p> <h2>Pembrolizumab: anhaltender Effekt nach Behandlungsende</h2> <p>Bereits in der ersten Analyse erwies sich Pembrolizumab als effektiver und besser verträglich als Ipilimumab, berichtete Prof. Dr. Caroline Robert, Villejuif. Die Überlegenheit blieb auch während des mittlerweile 34-monatigen Follow-ups erhalten, wie das Update mit gepoolter Auswertung beider Pembrolizumab-Arme zeigt: Das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde ebenso wie die 33-Monats-PFS-Rate durch den PD-1-Inhibitor im Vergleich zu Ipilimumab mehr als verdoppelt (8,3 vs. 3,3 Monate bzw. 31 % vs. 14 % ). Auch beim Gesamtüberleben (OS) zeigte sich erneut ein deutlicher Vorteil für Pembrolizumab: Der Median liegt bei 32,3 % Monaten versus 15,9 für Ipilimumab, die 32-Monats-OS-Raten bei 50 % bzw. 39 % . Die mediane Remissionsdauer ist bei beiden Therapien noch nicht erreicht. Doch sind anhaltende Remissionen mit einer Rate von 71 % unter Pembrolizumab häufiger als unter Ipilimumab (65 % ). <br />19 % der Patienten (n=104) haben die zweijährige Pembrolizumab-Therapie mittlerweile beendet, berichtete Robert. Bei 23 der 24 Patienten in CR und bei 64 der 68 Patienten in PR halten die Remissionen auch nach Absetzen weiter an; keiner der Responder ist bislang gestorben. „Median 9,7 Monate nach Therapieende sind 98 % der Patienten noch am Leben, 91 % sind nicht progredient“, betonte Robert. Die Daten stützen nach ihren Worten den Einsatz von Pembrolizumab als Therapiestandard beim fortgeschrittenen Melanom. Aufgrund dieser und weiterer Ergebnisse hält Menzies ein Absetzen von PD-1-Blockern aufgrund der anhaltenden Wirksamkeit für gerechtfertigt. Allerdings sei bislang unklar, ob eine erneute Therapie bei Patienten mit späterem Rezidiv wiederum effektiv sei.</p> <h2>Immuntherapie lässt Hirnmetastasen schrumpfen</h2> <p>Etwa ein Viertel aller Patienten mit einem Melanom im Stadium IV hat ZNS-Metastasen; gemäß Autopsiedaten kann die Rate sogar bis zu 70 % betragen. Die bislang eingesetzten Maßnahmen – Operation, stereotaktische Bestrahlung oder Ganzhirnbestrahlung – beeinflussen weder das Überleben noch die extrakranielle Erkrankung. „Hirnmetastasen weisen auf eine ungünstige Prognose und ein kurzes Überleben von median nur etwa fünf Monaten hin“, erinnerte Prof. Dr. Hussein Tawbi, Houston. Seit Kurzem liegen jedoch positive Daten für systemische Ansätze wie die gegen BRAF gerichtete Therapie und die Checkpoint-Blockade vor. <br />Tawbi stellte Ergebnisse der Phase-II-Studie CheckMate 204 an 75 Melanompatienten mit ZNS-Metastasen vor, die seit median 9,2 Monaten nachbeobachtet werden.<sup>3</sup> Sie erhielten zunächst eine Induktionstherapie mit der Kombination Nivolumab/Ipilimumab (Nivo/Ipi), danach Nivolumab allein zur Erhaltung. Etwa jeder zweite Patient (55 % ) sprach auf die Immuntherapie mit einer bestätigten intrakraniellen Remission an; 21 % der Patienten erreichten eine CR. Extrakraniell liegt die Responserate bei 49 % . Die Tumorkontrollraten betragen 60 % bzw. 52 % . Die Zeit bis zum intrakraniellen Ansprechen ist mit 2,8 Monaten kurz, die mediane Remissionsdauer ist noch nicht erreicht. 38 der 41 Responder waren zum Zeitpunkt der Auswertung noch in Remission. „Etliche Patienten sprechen schon über ein Jahr, mehr als die Hälfte mindestens sechs Monate lang an“, berichtete Tawbi. <br />Die 6-Monats-Rate für das Überleben ohne intrakraniellen Progress liegt bei 67 % . Vielversprechend ist auch die Tatsache, dass sich die Ereigniskurve nach etwa neun Monaten auf einem Plateau stabilisiert. Sowohl intra- wie auch extrakraniell ist der Median im PFS noch nicht erreicht. Tawbi bewertete die Wirksamkeit von Nivo/Ipi beim ins ZNS disseminierten Melanom daher als klinisch relevant, sodass die Kombination eine neue Erstlinienoption in dieser Situation darstellen könnte.</p> <h2>Nivo/Ipi-Kombination aktiver als Monotherapie</h2> <p>Die hohe Aktivität von Nivo/Ipi bei Melanompatienten mit Hirnmetastasen wird durch eine Phase-II-Studie der Anti-PD1 Brain Collaboration (ABC) untermauert, die Prof. Dr. Georgina Long, Sydney, vorstellte.<sup>4</sup> Patienten in Kohorte A (n=33) und Kohorte B (n=27) mit asymptomatischen, zuvor nicht lokal behandelten Metastasen erhielten die Nivo/Ipi-Kombination (A) bzw. Nivolumab (B) als Monotherapie, Patienten der Kohorte C (n=16) mit bereits therapierten oder symptomatischen Metastasen erhielten ebenfalls Nivolumab mono.<br />Die intrakranielle Ansprechrate war in Kohorte A mit 42 % am höchsten, von diesen Patienten hatten 15 % eine CR. In den Kohorten B und C lag die intrakranielle Ansprechrate bei 20 % (CR: 12 % ) bzw. 6 % . In keiner Kohorte ist bislang die mediane Remissionsdauer erreicht worden. Grundsätzlich stimmten intra- und extrakranielles Ansprechen laut Long gut überein. Das Überleben ohne intrakranielle Progression war mit median 4,8 Monaten in Kohorte A am längsten; in B und C lag es bei 2,7 bzw. 2,5 Monaten. Die ABC-Daten machen klar, dass die Aktivität der Immuntherapie bei multipel oder bereits mit BRAF- und MEK-Inhibitoren vorbehandelten Patienten eher niedrig ist. Anders bei Melanompatienten mit lokal nicht vortherapierten Hinrmetastasen: Bei diesen zeigt Nivo/Ipi eine vielversprechende Aktivität. Long sieht diese Kombination daher ebenfalls als neue Upfront-Therapie für Melanompatienten mit ZNS-Metastasen.</p> <h2>Checkpoint-Blockade plus epigenetische Therapie</h2> <p>Melanompatienten, die gegenüber einer Checkpoint-Blockade refraktär sind, steht mit der Kombination von Pembrolizumab und dem HDAC-Inhibitor Entinostat eine weitere Therapieoption zur Verfügung. Das zeigt die noch laufende Phase-2-Studie ENCORE 601, in der mit dem PD1/HDAC-Regime bei vier von 13 Patienten (31 % ) Remissionen eingeleitet wurden.<sup>5</sup> Bei weiteren vier Patienten wurde eine Tumorstabilisierung erreicht. Im Median sprachen Responder 4,9 Monate lang auf die Kombination an. <br />Laut Studienleiterin Prof. Dr. Melissa Johnson, Nashville, können myeloide Suppressorzellen (MSC) zur Resistenz gegenüber PD-1-/PD-L1-Inhibitoren führen, da sie die durch T-Zellen vermittelten Immunreaktionen unterdrücken. Dieses Phänomen könnte durch Entinostat aufgehoben werden, da der HDAC-Inhibitor in präklinischen Studien MSC-supprimierende Effekte gezeigt hat.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology
(ASCO), 2.–6. Juni 2017, Chicago
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<p><strong>1</strong> Papadopoulos KP et al.: ASCO 2017; Abstr. 9503 <strong>2</strong> Robert C et al.: ASCO 2017; Abstr. 9504 <strong>3</strong> Tawbi HA et al.: ASCO 2017; Abstr. 9507 <strong>4</strong> Long GV et al.: ASCO 2017; Abstr. 9508 <strong>5</strong> Johnson ML et al.: ASCO 2017; Abstr. 9529</p>
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