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Kongresshighlights zur chronischen lymphatischen Leukämie
Jatros
30
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05.03.2020
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<p class="article-intro">Wie jedes Jahr lag einer der Schwerpunkte des ASH Annual Meetings auf den Strategien zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL). Im Interview mit JATROS Hämatologie & Onkologie fasst OA Dr. Thomas Nösslinger die wichtigsten Erkenntnisse dazu vom ASH 2019 zusammen.</p>
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<p class="article-content"><p><em><strong>Es gibt neue Wirkstoffe zur Behandlung der CLL. Welche Studien wurden dazu am ASH präsentiert?</strong></em><br /> <em><strong>T. Nösslinger:</strong> </em>Die wichtigste randomisierte Phase-III-Studie, die am ASH-Meeting zur CLL präsentiert wurde, ist die ELEVATE-Studie, die nicht vorbehandelte Patienten umfasst.<sup>1</sup> Hier ist das Studiendesign ähnlich dem der iLLUMINATE-Studie, die am ASH 2018 mit einer Behandlungskombination aus Ibrutinib und Obinutuzumab für Furore gesorgt hat. Im Rahmen dieser dreiarmigen Studie wurden die Patienten im ersten experimentellen Arm mit einer Kombination aus Acalabrutinib, einem selektiven Bruton-Tyrosinkinase( BTK)-Inhibitor der zweiten Generation, plus Obinutuzumab, einem Anti-CD20- Antikörper, behandelt. Anders als in der iLLUMINATE-Studie gab es außerdem einen Monotherapiearm mit Acalabrutinib, um die Wertigkeit der Zugabe des Anti-CD20- Antikörper beurteilen zu können. Der Kontrollarm entsprach der Standardbehandlung bis vor einem Jahr: der Kombination von Obinutuzumab plus Chlorambucil. Es konnten 535 Patienten im Verhältnis 1 :1 :1 randomisiert werden, das primäre Studienziel war das progressionsfreie Überleben (PFS). Verglichen wurden beide experimentellen Arme jeweils mit dem Kontrollarm. Dabei zeigte sich in der 2-Jahres-PFS-Rate, die 93 % betrug, ein dramatischer Vorteil für die Kombination von Acalabrutinib mit Obinutuzumab. Die Monotherapie mit Acalabrutinib erreichte eine 2-Jahres-PFS-Rate von 87 % im Vergleich zu 47 % in der Kontrollgruppe mit Chemo-Immuntherapie (Abb. 1). Obwohl ELEVATE eine Studie für ältere Patienten ist, muss man festhalten, dass ähnlich wie in der iLLUMINATE-Studie keine wirklich gebrechlichen bzw. komorbiden Patienten, wie es in der CLL14-Studie der Fall ist, eingeschlossen wurden. Der mediane CIRS-Score („Cumulative Illness Rating Scale“) ist deutlich geringer als in der CLL14-Studie. Generell waren die Toxizitäten geringer als bei der Behandlung mit Ibrutinib; die Patienten zeigten weniger Vorhofflimmern, weniger Bluthochdruck, die größtenteils milden Blutungsereignisse waren gleich häufig wie bei Patienten, die mit Ibrutinib behandelt wurden. Nachdem die FDA die Zulassung von Acalabrutinib bereits erteilt hat, könnte somit bald eine neue Substanz mit der gleichen Wirksamkeit wie Ibrutinib, aber mit einem günstigeren Nebenwirkungsprofil zur Verfügung stehen. Wobei erwähnt werden muss, dass die Langzeitverfolgung von Ibrutinib bereits 7–8 Jahre läuft und dieser Zeitraum bei Acalabrutinib noch abzuwarten ist, um festzustellen, ob hier später noch weitere Nebenwirkungen auftreten könnten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s28_abb1_noesslinger.jpg" alt="" width="550" height="385" /></p> <p><em><strong>Eine weitere Studie untersuchte die Kombinationsgabe von Acalabrutinib mit Obinutuzumab und Venetoclax. Wie verhält es sich mit dieser Dreierkombination?</strong></em><br /> <em><strong>T. Nösslinger:</strong></em> Das war eine Phase-II-Studie mit einer definierten Länge von 15 Monaten Therapie, in deren Rahmen auch die minimale Resterkrankung (MRD) analysiert wurde.<sup>2</sup> Hier wurde zuerst Acalabrutinib verabreicht; ab dem zweiten Zyklus wurde, wie schon in der ELEVATE-Studie, Obinutuzumab zugefügt und ab dem vierten Behandlungsmonat wurde Venetoclax verabreicht, um das Tumorlyse-Problem zu vermeiden. Diese Therapie zeigte MRD-Negativitätsraten von 70–75 % und führte dazu, dass gerade eine weltweite randomisierte Phase-III-Studie läuft, die diese Dreierkombination mit der Kombination von Acalabrutinib plus Venetoclax und Chemo-Immuntherapie bei jungen, fitten Patienten ohne Hochrisikogenetik vergleicht. An dieser Studie nimmt auch unser Zentrum teil.</p> <p><strong><em>Sie haben die CLL14-Studie schon angesprochen. Welche MRD-Daten wurden hierzu präsentiert?</em></strong><br /> <em><strong>T. Nösslinger:</strong> </em>Kirsten Fischer hat sowohl die MRD-Daten als auch ein Follow- up der CLL14-Studie präsentiert, es gibt mittlerweile die Daten zum 3-Jahres- PFS.<sup>3</sup> Die beim EHA-Kongress 2019 gezeigten Raten des 2-Jahres-PFS beliefen sich auf 88 % vs. 64 % , die hier am ASH gezeigte 3-Jahres-PFS-Rate beträgt 82 % unter Obinutuzumuab plus Venetoclax vs. 50 % im Kontrollarm. Das heißt: Nach drei Jahren sind immer noch 8 von 10 Patienten progressionsfrei. Die MRD wurde mittels allelspezifischer Oligonukleotid-Polymerasenkettenreaktion (ASO-PCR) sowohl im Knochenmark als auch im Blut gemessen, zusätzlich wurden auch Daten von Next generation sequencing (NGS) präsentiert – die MRD-Raten bewegen sich hier zwischen 60 % und 70 % (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s29_abb2_noesslinger.jpg" alt="" width="550" height="289" /></p> <p><em><strong>Es gab ja ein Update der E1912-Studie – wie sehen Sie die Zukunft von Ibrutinib?</strong></em><br /> <em><strong>T. Nösslinger:</strong></em> Tait Shanafelt hat die Phase-III-Studie ECOG-ACRIN E1912 upgedatet, hier hat sich im Vergleich zu den Daten seiner Publikation vom Sommer 2019 nicht viel verändert.<sup>4</sup> Was geblieben ist, ist der signifikante Überlebensvorteil, der aber sehr kritisch gesehen und auch von ihm selbst noch nicht als endgültig beschrieben wird. Dass der PFS-Vorteil bei Patienten ohne Mutation von <em>IGHV</em> („immunoglobulin heavy chain“) signifikant ist, war zu erwarten. Dass jedoch der Überlebensvorteil bei einer fitten, jungen Population ohne Hochrisikogenetik nach so kurzer Zeit erreicht wurde, war überraschend und könnte auch dem Zufall geschuldet sein. Abgesehen davon gibt es keine neuen Daten zu dieser Studie. Sie wird weiter beobachtet und es wäre nicht verwunderlich, wenn dieser Überlebensvorteil in weiterer Folge verloren geht.<br /> Ibrutinib gerät aber natürlich unter Druck – nicht nur durch Acalabrutinib, sondern auch durch Zanubrutinib, ein chinesisches Produkt. Dieser BTK-Inhibitor zweiter Generation ist in den USA mittlerweile für die Behandlung des Mantelzelllymphoms zugelassen. Aber auch BTK-Inhibitoren der dritten Generation drängen auf den Markt. Diese können selbst nach Mutationen bzw. Versagen der Inhibitoren der ersten und zweiten Generation noch wirken.</p> <p><em><strong>Verlassen wir die Erstlinie und gehen wir zur Zweitlinie über. Was gibt es Neues zur MURANO-Studie zu berichten?</strong></em><br /> <em><strong>T. Nösslinger:</strong></em> John Seymour hat in der Rezidiv-Sitzung die 4-Jahres-Daten der MURANO-Studie präsentiert.<sup>5</sup> Nach 4 Jahren sind nach wie vor 57 % der Patienten im experimentellen Arm Rituximab/ Venetoclax (für zwei Jahre) progressionsfrei. Wie zu erwarten war, sind nach vier Jahren noch unter 5 % der mit Bendamustin plus Rituximab behandelten Patienten progressionsfrei. Zudem wurden MRD-Analysen und Daten zum Gesamtüberleben aktualisiert: Der Gesamtüberlebensvorteil ist nach wie vor höchst signifikant. Außerdem wurden NGS- und Mutationsdaten von CLL-relevanten Genen von Arnon Kater präsentiert.<sup>6</sup> Was man jedenfalls schon sagen kann: Von den Patienten, die nach zwei Jahren Therapie MRD-negativ sind, sind 87 % weitere zwei Jahre MRD-negativ. Das heißt, diese Therapie hat durchaus einen nachhaltigen Effekt auf die CLL-Klone.</p> <p><em><strong>Konnte man aus diesen Studiendaten erkennen, welche die bessere Sequenz ist – also Ibrutinib oder Venetoclax in der Erstlinie?</strong></em><br /> <em><strong>T. Nösslinger:</strong> </em>Da Ibrutinib schon viel länger am Markt ist, war man diesbezüglich skeptisch. Es gibt viele Daten zur Behandlungsstrategie Venetoclax nach BTK-Inhibition oder Phosphoinositid- 3-Kinase(PI3K)-Inhibition, aber nur wenige Daten zur umgekehrten Reihenfolge. John Seymour konnte jedoch zeigen, dass Patienten, die im Rituximab-Venetoclax-Arm progedient waren und dann BTK-Inhibitoren bekamen, sehr gut darauf ansprachen.<sup>5</sup><br /> Ebenso wurden Daten zur Wiederbehandlung mit Venetoclax präsentiert. Patienten waren in Remission, die Behandlung war nach zwei Jahren zu Ende. Anschließend rezidivierten diese Patienten dann, erhielten erneut Venetoclax und zwei Drittel sprachen wieder darauf an. Es gibt also genug Daten, die zeigen, dass die Sequenz nicht wichtig ist. Was man weiß, ist, dass es einen großen Unterschied macht, ob das Absetzen des Medikamentes aufgrund von BTK-Inhibitor- Intoleranz oder wegen Progression der Krankheit erfolgt.</p> <p><em><strong>Am ASH-Meeting wurde wieder sehr viel über chimärische Antigen- Rezeptor(CAR)-T-Zellen referiert, bei der CLL könnten diese auch eine Rolle spielen. Wie sehen Sie das?</strong></em><br /> <em><strong>T. Nösslinger:</strong> </em>Um die CAR-T-Zellen gab es die letzten Jahre und auch beim vergangenen ASH-Kongress wieder einen riesigen Hype. Mittlerweile sind auch zwei Drittgenerations- CAR-T-Zell-Arten im Umlauf. Bei der CLL ist die CAR-T-Zell-Therapie allerdings nur für eine gewisse Hochrisikopopulation ein Thema. Das sind Patienten, denen sowohl BTK- und BCL-2-Inhibitoren verabreicht wurden und die dann progredient waren, oder junge Patienten mit Hochrisikogenetik, die mit der Kombination aus BTK- und BCL-2-Inhibitoren keine MRD-Negativität erreichen. Diese Populationen sind sicher Kandidaten für eine CAR-T-Zell-Therapie, allerdings auch – sollte ein geeigneter Spender zur Verfügung stehen – für eine allogene Stammzelltransplantation.</p> <p><em><strong>Es wurde auch Daten einer Phase-I/IIStudie gezeigt, in deren Rahmen neue Substanzen wie LOXO-305, Umbralisib, Ublituximab und Zanubrutinib in verschiedenen Kombinationen und Sequenzen untersucht wurden. Was haben wir da zu erwarten?</strong></em><br /> <em><strong>T. Nösslinger:</strong> </em>PI3K-Inhibitoren sind ja schon ähnlich lang auf dem Markt wie BTK-Inhibitoren, sie wurden zeitgleich von der EMA zugelassen. Es gab jedoch große Probleme mit der Toxizität. Umbralisib dürfte ähnlich effektiv sein wie Idelalisib oder Duvelisib, allerdings ist es besser verträglich. Es kann sein, dass diese Substanz für Hochrisikopatienten, die schon alle an deren Substanzklassen erhalten haben, ei ne Option ist. Prinzipiell sind das jedoch mittlerweile Reservemedikamente, da die BTK- und BCL2- Inhibitoren doch dominieren.<br /> LOXO-305, ein BTK-Inhibitor, könnte durchaus in der Zukunft eine spannende Therapieoption sein. Es gibt ein Mausmodell, das zeigt, dass Mäuse, die mit einer BTK<sup>C481S</sup>-Mutation transfiziert wurden, von einer LOXO-305-Therapie profitieren. <sup>7</sup> Das heißt, dass dieser Resistenzmechanismus durch die neue Substanz überwunden werden könnte. Dazu hat auch Anthony Mato Daten einer Phase-I-Studie präsentiert, die in diese Richtung deuten: eine hochaktive Substanz auch nach Versagen von Ibrutinib.<sup>8</sup><br /> Zanubrutinib würde ich ähnlich einschätzen wie Acalabrutinib – es hat ein besseres Toxizitätsprofil als Ibrutinib, aber auch hier gilt es eine längere Nachbeobachtungszeit abzuwarten.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Sharman JP et al.: ELEVATE TN: phase 3 study of acalabrutinib combined with obinutuzumab (O) or alone vs O plus chlorambucil (Clb) in patients (Pts) with treatment-naive chronic lymphocytic leukemia (CLL). ASH 2019, Abstr. #31 <strong>2</strong> Lampson BL et al.: Preliminary safety and efficacy results from a phase 2 study of acalabrutinib, venetoclax and obinutuzumab in patients with previously untreated chronic lymphocytic leukemia (CLL). ASH 2019, Abstr. #32 <strong>3</strong> Fischer K et al.: Quantitative analysis of minimal residual disease (MRD) shows high rates of undetectable MRD after fixed-duration chemotherapy-free treatment and serves as surrogate marker for progression-free survival: a prospective analysis of the randomized CLL14 trial. ASH 2019, Abstr. #36 <strong>4</strong> Shanafelt TD et a.: Ibrutinib and rituximab provides superior clinical outcome compared to FCR in younger patients with chronic lymphocytic leukemia (CLL): extended follow-up from the E1912 trial. ASH 2019, Abstr. #33 <strong>5</strong> Seymour JF et al.: Fouryear analysis of murano study confirms sustained benefit of time-limited venetoclax-rituximab (VenR) in relapsed/refractory (R/R) chronic lymphocytic leukemia (CLL). ASH 2019, Abstr. #355 <strong>6</strong> Kater AP et al.: Genome and exome-wide studies reveal potential predictive efficacy markers for venetoclax and rituximab (VenR) in relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia (R/R CLL): subgroup analyses of the Murano trial. ASH 2019, Abstr. #356 <strong>7</strong> Gomez EB et al.: Loxo-305, a highly selective and non-covalent next generation BTK inhibitor, inhibits diverse BTK C481 substitution mutations. Blood 2019; 134: 4644<strong> 8</strong> Mato AR et al.: Results from a firstin- human, proof-of-concept phase 1 trial in pretreated b-cell malignancies for Loxo-305, a next-generation, highly selective, non-covalent BTK inhibitor. ASH 2019, Abstr. #501</p>
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