Kolorektalkarzinom: Immuntherapie und Biologika im Fokus

<p class="article-intro">Beim heurigen ASCO Annual Meeting in Chicago standen beim Kolorektalkarzinom zwei Themen klar im Vordergrund: zum einen Fortschritte auf dem Gebiet der Immuntherapie und zum anderen die Frage, ob die Primärtumorlokalisation des Kolorektalkarzinoms prädiktive Wertigkeit für die Wahl des Biologikums in der Erstlinientherapie besitzt.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die Immuntherapie h&auml;lt weiter Einzug beim metastasierten Kolorektalkarzinom.</li> <li>Die Prim&auml;rtumorlokalisation des Kolonkarzinoms ist prognostisch wirksam, die pr&auml;diktive Wertigkeit der Tumorlokalisation bez&uuml;glich der Wahl des Biologikums in der Erstlinientherapie kann noch nicht abschlie&szlig;end beurteilt werden.</li> </ul> </div> <h2>Immuntherapie</h2> <p>Le et al pr&auml;sentierten ein Update der Pembrolizumab-Studie. Hier wurden Kolorektalkarzinome und andere Tumorentit&auml;ten mit Mikrosatelliteninstabilit&auml;t (MSI) wie auch Kolorektalkarzinome mit Mikrosatellitenstabilit&auml;t (MSS) mit Pembrolizumab behandelt. Hintergrund dieser Untersuchung ist die Tatsache, dass Tumoren, die Mismatch-Reparaturdefiziente sind, viele potenziell immunogene Proteine (MANA: &bdquo;mutant associated neo-antigens&ldquo;) exprimieren. Das macht diese Tumoren zu guten Kandidaten f&uuml;r eine immunogene Therapie. Bei Identifizierung von MANA durch das Immunsystem wird eine entz&uuml;ndliche Mikroumgebung induziert mit nachfolgendem hohem Aufkommen von Immuncheckpoints.<br /> Es wurden insgesamt 53 Patienten mit MSI und 30 Patienten mit MSS mit Pembrolizumab 10mg/kg alle 2 Wochen behandelt. Einschlusskriterium war die immunhistochemische Detektion einer Mutation in MLH1, MSH2, MSH6 oder PMS2 bzw. der Nachweis von Mutationen in zumindest 2 Genloci mittels PCR. Die Patienten mit Kolorektalkarzinomen (CRC) hatten zumindest zwei Linien an Vortherapie erhalten. Im Median erhielten MSI-CRC-Patienten 3 Vortherapien, MSS-CRC-Patienten 4 Vortherapien.<br /> Bei 28 MSI-CRC zeigten 58 % der Patienten ein objektives Ansprechen. Die Krankheitskontrollrate betrug 89 % . Das mediane progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS) und das Gesamt&uuml;berleben (OS) waren noch nicht erreicht. Auch bei Nicht-CRC-Patienten mit MSI erzielten 64 % der Patienten ein objektives Ansprechen, darunter auch Komplettremissionen. Bei CRC-MSS-Patienten wurde kein objektives Ansprechen erzielt. Bei den MSI-CRC-Patienten mit einer Response konnte das Ansprechen lange gehalten werden, was sich im langen PFS ausdr&uuml;ckt.<br /> Insgesamt sind diese Ergebnisse sehr vielversprechend und sprechen daf&uuml;r, die Immuncheckpoint-Blockade bei geeigneten Patienten in fr&uuml;heren Linien zu pr&uuml;fen.<br /> Die Phase-II-CHECKMATE-142-Studie untersuchte diese Hypothese bei CRC-Patienten und verglich die Wirkung von zwei Checkpoint-Inhibitoren, Nivolumab und Ipilimumab. Ipilimumab verst&auml;rkt die Aktivierung von T-Zellen durch dendritische Zellen, w&auml;hrend Nivolumab in der Tumormikroumgebung die zytotoxische Aktivit&auml;t von tumorspezifischen T-Zellen steigert.<br /> 59 Patienten mit MSI-rezidiviertem oder metastasiertem CRC wurden randomisiert mit Nivolumab 3mg/kg alle 2 Wochen (n=33) bzw. Nivolumab 3mg/kg plus Ipilimumab 1mg/kg alle 3 Wochen (n=26) behandelt. Dar&uuml;ber hinaus wurden 20 Patienten mit MSS randomisiert mit der Nivolumab-Dosis 3mg/kg sowie Ipilimumab 1mg/kg (Nivo3/Ipi1) bzw. Nivolumab 1mg/kg sowie Ipilimumab 3mg/kg (Nivo1/Ipi3).<br /> Die Nebenwirkungsraten Grad 3 und 4 waren unter der Kombinationstherapie deutlich h&ouml;her als unter der Nivolumab-Monotherapie (27 % vs 14 % ). Bei 13 % wurde die Kombinationstherapie aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt gegen&uuml;ber nur 3 % unter der Nivolumab-Monotherapie. Das objektive Ansprechen unter Nivolumab betrug 25 % und weitere 30 % erreichten eine Krankheitsstabilisierung. Patienten mit einem Ansprechen und einer Stabilisierung konnten dieses bis zu einem Jahr halten. Unter der Kombinationstherapie mit Nivolumab und Ipilimumab war das Ansprechen nicht deutlich h&ouml;her: partielle Remissionen bei 33 % und Stabilisierung bei 50 % ; erneut konnte das Ansprechen bzw. die Stabilisierung &uuml;ber l&auml;ngere Zeitr&auml;ume gehalten werden. Bei MSS-Patienten zeigte sich ein entt&auml;uschendes Ergebnis: Bei 20 Patienten konnte nur eine Remission induziert werden. Insgesamt gesehen ist die Monotherapie mit Nivolumab bei MSI-Patienten aktiv, die Kombination scheint das Outcome nicht wesentlich zu verbessern.</p> <h2>Kombination aus <em>MEK</em>-1/2-Inhibitor und PD-1-Antik&ouml;rper</h2> <p>Einen interessanten neuen Ansatz lieferten Bendell et al. Hier wurden MSS-CRC mit einer Kombination aus Cobimetinib, einem <em>MEK</em>-1/2-Inhibitor, und Atezolizumab, einem PD-1-Antik&ouml;rper, behandelt. Atezolizumab hemmt die Bindung von PD-L1 an seine Rezeptoren PD-1 und B7.1. Atezolizumab zeigt Wirkung bei einer Vielzahl von Tumortypen. Das Ansprechen bei CRC mit stabilen Mikrosatelliten (MSS) ist allerdings gering. Die Rationale der Arbeit liegt in der MEK-Inhibition durch Cobimetinib, was zu einer vermehrten T-Zell-Infiltration und Expression von MHC-I-Molek&uuml;len im Tumor f&uuml;hrt. Dies k&ouml;nnte die Grundlage f&uuml;r eine Immuncheckpoint-Blockade mit Atezolizumab bilden. <br /> Die Studie sah eine Dosiseskalationsphase von Cobimetinib beginnend mit 20mg/Tag vor, welches in weiterer Folge auf 80mg/Tag in Kombination mit Atezolizumab 800mg 1x alle 2 Wochen gesteigert wurde. Die Patienten waren schwer vorbehandelt, im Median erhielten sie 3 Vortherapien (Range: 1&ndash;5). Es wurden 20 Patienten mit MSS-CRC therapiert. Es traten ca. 35 % Grad-3- und -4-Nebenwirkungen auf, haupts&auml;chlich waren dies gastrointestinale Nebenwirkungen (Diarrh&ouml; Grad 3 und 4 bei 9 % ). <br /> Bei 20 MSS-CRC konnten 20 % objektive Remissionen und 20 % Krankheitsstabilisierungen erreicht werden. Patienten mit Response oder Stabilisierung profitierten l&auml;ngerfristig bis zu einem Jahr von der Therapie. <br /> Zusammenfassend l&auml;sst sich sagen, dass die maximal verabreichte Dosis der Kombination gut toleriert wurde und bei einem prim&auml;r nicht f&uuml;r eine Immuntherapie geeigneten Subset von Patienten ein bedeutsames Ansprechen erreicht wurde. Mittlerweile wurde bereits eine Phase-III-Studie dieses Konzeptes begonnen.</p> <h2>Einfluss der Prim&auml;rtumorlokalisation auf die Prognose beim metastasierten kolorektalen Karzinom (mCRC)</h2> <p>In einigen klinischen Studien ergaben sich Hinweise auf die prognostische Relevanz der Lokalisation des Prim&auml;rtumors. Das rechtsseitige Kolon stammt entwicklungsgeschichtlich aus dem Midgut, das linksseitige ist dem Hindgut zuzuordnen. Patienten mit Tumoren der rechten Seite, die circa ein Drittel aller Kolonkarzinome ausmachen, sind h&auml;ufiger &auml;lter und weiblich, haben &ouml;fter okkulte Blutungen und eine Peritonealkarzinose. Daneben gibt es Unterschiede in der pathologischen Charakteristik: Rechtsseitige Tumoren entstehen h&auml;ufiger aus sessilen Polypen, sind schlechter differenziert und haben h&auml;ufiger eine muzin&ouml;se oder eine Siegelringzell-Histologie.<br /> In der vorliegenden Auswertung des US-amerikanischen Programms Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER) aus den Jahren 2007&ndash;2011 wurde dies systematisch aufgearbeitet und zeigt deutliche Unterschiede zwischen den beiden Lokalisationen (Abb. 1). Als rechtsseitig wurden Karzinome von Z&ouml;kum bis Colon transversum, als linksseitig Karzinome distal der linken Kolonflexur klassifiziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite84.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Besitzt die Seitenlokalisation auch pr&auml;diktive Aussagekraft bez&uuml;glich der Wahl des Biologikums in der Erstlinie?</h2> <p>In der Phase-III-Studie CALGB/SWOG 80405 waren Wirksamkeit und Vertr&auml;glichkeit von Bevacizumab und Cetuximab jeweils in Kombination mit Chemotherapie (FOLFOX oder FOLFIRI) in der Erstlinienbehandlung von Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom verglichen worden, wobei sich zwischen den beiden Therapieans&auml;tzen keine Unterschiede in der Wirkung auf das progressionsfreie und das Gesamt&uuml;berleben zeigten. Diese Daten wurden bereits 2014 am ASCO- (<em>KRAS</em>-WT) und ESMO-Kongress (All-<em>RAS</em>-WT) pr&auml;sentiert.<br /> Venook und seine Kollegen untersuchten nun retrospektiv, wie sich die Lokalisation des Prim&auml;rtumors auf das &Uuml;berleben der Patienten auswirkte. Die Lokalisation des Prim&auml;rtumors wurde anhand der Krankenakte eruiert. Als &bdquo;rechts&ldquo; wurden alle Tumoren zwischen Z&auml;kum und rechter Flexur, als &bdquo;links&ldquo; alle zwischen linker Flexur und Rektum definiert und als &bdquo;Transversum&ldquo; alle Tumoren zwischen rechter und linker Flexur. Die Tumoren des Transversums wurden sp&auml;ter aus der Analyse ganz ausgeschlossen. In der aktuellen Untersuchung wurden nur <em>KRAS</em>-Wildtyp(<em>KRAS</em>-WT)-Patienten ber&uuml;cksichtigt.<br /> Patienten mit einem Prim&auml;rtumor im linken Kolon lebten mit 33,3 Monaten im Median signifikant l&auml;nger als Patienten mit einem Prim&auml;rtumor im rechten Kolon mit 19,4 Monaten (HR: 1,60; p&lt;0,001). Diese Unterschiede wurden auch in den beiden Therapiegruppen festgestellt. In der Bevacizumab-Gruppe &uuml;berlebten Patienten mit linksseitigem Kolonkarzinom 31,4 Monate, mit rechtem Prim&auml;rtumor 24,2 Monate. <br /> Als besonders &bdquo;dramatisch&ldquo; bezeichnete Venook den Unterschied im Gesamt&uuml;berleben von fast 20 Monaten in der Cetuximab-Gruppe: Hier &uuml;berlebten Patienten mit linksseitigem Kolonkarzinom 36 Monate, mit rechtsseitigem Tumor 16,7 Monate (HR: 1,987; p&lt;0,001).<br /> Bereits im vorletzten Jahr hat die FIRE-3-Studiengruppe beim ASCO-Kongress Daten pr&auml;sentiert, die zeigten, dass in der RAS-Wildtyp-Gruppe ein deutlicher Unterschied zwischen rechts und links besteht und dass der &Uuml;berlebensvorteil der mit Cetuximab behandelten Patienten gegen&uuml;ber einer Bevacizumab-Therapie durch den Vorteil bei den linksseitigen Tumoren zustande kommt, w&auml;hrend rechtsseitig Bevacizumab (bei sehr kleinen Patientenzahlen und daher ohne Signifikanz) zumindest gleichwertig, wenn nicht &uuml;berlegen schien (Tab. 1).<br /> Das wichtigste Ergebnis aus der CALGB-Studie, n&auml;mlich das &Uuml;berleben in Abh&auml;ngigkeit von der Tumorlokalisation und der Wahl des Biologikums mit Angabe der jeweiligen Hazard-Ratio, ist in Tabelle 2 dargestellt.<br /> Viele Fragen bleiben offen: so etwa neben der Frage nach der besten Chemotherapie f&uuml;r beide Seiten nat&uuml;rlich auch die Frage nach dem Effekt der Therapie bei <em>RAS</em>-mutierten Patienten in Abh&auml;ngigkeit von der Tumorlokalisation. Die Befunde aus FIRE-3 und CALGB sind hierzu aufgrund der geringen Fallzahl von <em>RAS</em>-mutierten Patienten, die ja im Verlauf der Studie von der Teilnahme ausgeschlossen waren, nicht aussagekr&auml;ftig. Es w&auml;re von Interesse, ob auch in den Zulassungsstudien mit FOLFIRI und FOLFOX ein Unterschied zur alleinigen Chemotherapie beim <em>RAS</em>-Wildtyp auf der rechten Seite existiert. Es handelt sich ausschlie&szlig;lich um retrospektive und nicht vorgeplante Analysen, wenn auch mit sehr suggestiver &Uuml;bereinstimmung mit der FIRE-3-Studie. Die Unterschiede in den HR sind im Gegensatz zum medianen &Uuml;berleben nicht extrem unterschiedlich. Aus meiner Sicht ist die derzeitige Evidenz nicht ausreichend, um die Tumorlokalisation unmittelbar in den Behandlungsalgorithmus einflie&szlig;en zu lassen. Allerdings ist es sinnvoll, in zuk&uuml;nftigen Studien zum Kolorektalkarzinom die Patienten nach der Lokalisation des Prim&auml;rtumors zu stratifizieren, um einer Verzerrung der Ergebnisse vorzubeugen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite86.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Literatur beim Verfasser<br /><br /></p> </div> </p>
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