
Kolorektalkarzinom: Immuntherapie und Biologika im Fokus
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Eisterer
Innere Medizin Hämatologie, Internistische Onkologie, Rheumatologie und Infektiologie<br> Klinikum Klagenfurt am Wörthersee<br> E-Mail: wolfgang.eisterer@kabeg.at
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Beim heurigen ASCO Annual Meeting in Chicago standen beim Kolorektalkarzinom zwei Themen klar im Vordergrund: zum einen Fortschritte auf dem Gebiet der Immuntherapie und zum anderen die Frage, ob die Primärtumorlokalisation des Kolorektalkarzinoms prädiktive Wertigkeit für die Wahl des Biologikums in der Erstlinientherapie besitzt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die Immuntherapie hält weiter Einzug beim metastasierten Kolorektalkarzinom.</li> <li>Die Primärtumorlokalisation des Kolonkarzinoms ist prognostisch wirksam, die prädiktive Wertigkeit der Tumorlokalisation bezüglich der Wahl des Biologikums in der Erstlinientherapie kann noch nicht abschließend beurteilt werden.</li> </ul> </div> <h2>Immuntherapie</h2> <p>Le et al präsentierten ein Update der Pembrolizumab-Studie. Hier wurden Kolorektalkarzinome und andere Tumorentitäten mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI) wie auch Kolorektalkarzinome mit Mikrosatellitenstabilität (MSS) mit Pembrolizumab behandelt. Hintergrund dieser Untersuchung ist die Tatsache, dass Tumoren, die Mismatch-Reparaturdefiziente sind, viele potenziell immunogene Proteine (MANA: „mutant associated neo-antigens“) exprimieren. Das macht diese Tumoren zu guten Kandidaten für eine immunogene Therapie. Bei Identifizierung von MANA durch das Immunsystem wird eine entzündliche Mikroumgebung induziert mit nachfolgendem hohem Aufkommen von Immuncheckpoints.<br /> Es wurden insgesamt 53 Patienten mit MSI und 30 Patienten mit MSS mit Pembrolizumab 10mg/kg alle 2 Wochen behandelt. Einschlusskriterium war die immunhistochemische Detektion einer Mutation in MLH1, MSH2, MSH6 oder PMS2 bzw. der Nachweis von Mutationen in zumindest 2 Genloci mittels PCR. Die Patienten mit Kolorektalkarzinomen (CRC) hatten zumindest zwei Linien an Vortherapie erhalten. Im Median erhielten MSI-CRC-Patienten 3 Vortherapien, MSS-CRC-Patienten 4 Vortherapien.<br /> Bei 28 MSI-CRC zeigten 58 % der Patienten ein objektives Ansprechen. Die Krankheitskontrollrate betrug 89 % . Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) waren noch nicht erreicht. Auch bei Nicht-CRC-Patienten mit MSI erzielten 64 % der Patienten ein objektives Ansprechen, darunter auch Komplettremissionen. Bei CRC-MSS-Patienten wurde kein objektives Ansprechen erzielt. Bei den MSI-CRC-Patienten mit einer Response konnte das Ansprechen lange gehalten werden, was sich im langen PFS ausdrückt.<br /> Insgesamt sind diese Ergebnisse sehr vielversprechend und sprechen dafür, die Immuncheckpoint-Blockade bei geeigneten Patienten in früheren Linien zu prüfen.<br /> Die Phase-II-CHECKMATE-142-Studie untersuchte diese Hypothese bei CRC-Patienten und verglich die Wirkung von zwei Checkpoint-Inhibitoren, Nivolumab und Ipilimumab. Ipilimumab verstärkt die Aktivierung von T-Zellen durch dendritische Zellen, während Nivolumab in der Tumormikroumgebung die zytotoxische Aktivität von tumorspezifischen T-Zellen steigert.<br /> 59 Patienten mit MSI-rezidiviertem oder metastasiertem CRC wurden randomisiert mit Nivolumab 3mg/kg alle 2 Wochen (n=33) bzw. Nivolumab 3mg/kg plus Ipilimumab 1mg/kg alle 3 Wochen (n=26) behandelt. Darüber hinaus wurden 20 Patienten mit MSS randomisiert mit der Nivolumab-Dosis 3mg/kg sowie Ipilimumab 1mg/kg (Nivo3/Ipi1) bzw. Nivolumab 1mg/kg sowie Ipilimumab 3mg/kg (Nivo1/Ipi3).<br /> Die Nebenwirkungsraten Grad 3 und 4 waren unter der Kombinationstherapie deutlich höher als unter der Nivolumab-Monotherapie (27 % vs 14 % ). Bei 13 % wurde die Kombinationstherapie aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt gegenüber nur 3 % unter der Nivolumab-Monotherapie. Das objektive Ansprechen unter Nivolumab betrug 25 % und weitere 30 % erreichten eine Krankheitsstabilisierung. Patienten mit einem Ansprechen und einer Stabilisierung konnten dieses bis zu einem Jahr halten. Unter der Kombinationstherapie mit Nivolumab und Ipilimumab war das Ansprechen nicht deutlich höher: partielle Remissionen bei 33 % und Stabilisierung bei 50 % ; erneut konnte das Ansprechen bzw. die Stabilisierung über längere Zeiträume gehalten werden. Bei MSS-Patienten zeigte sich ein enttäuschendes Ergebnis: Bei 20 Patienten konnte nur eine Remission induziert werden. Insgesamt gesehen ist die Monotherapie mit Nivolumab bei MSI-Patienten aktiv, die Kombination scheint das Outcome nicht wesentlich zu verbessern.</p> <h2>Kombination aus <em>MEK</em>-1/2-Inhibitor und PD-1-Antikörper</h2> <p>Einen interessanten neuen Ansatz lieferten Bendell et al. Hier wurden MSS-CRC mit einer Kombination aus Cobimetinib, einem <em>MEK</em>-1/2-Inhibitor, und Atezolizumab, einem PD-1-Antikörper, behandelt. Atezolizumab hemmt die Bindung von PD-L1 an seine Rezeptoren PD-1 und B7.1. Atezolizumab zeigt Wirkung bei einer Vielzahl von Tumortypen. Das Ansprechen bei CRC mit stabilen Mikrosatelliten (MSS) ist allerdings gering. Die Rationale der Arbeit liegt in der MEK-Inhibition durch Cobimetinib, was zu einer vermehrten T-Zell-Infiltration und Expression von MHC-I-Molekülen im Tumor führt. Dies könnte die Grundlage für eine Immuncheckpoint-Blockade mit Atezolizumab bilden. <br /> Die Studie sah eine Dosiseskalationsphase von Cobimetinib beginnend mit 20mg/Tag vor, welches in weiterer Folge auf 80mg/Tag in Kombination mit Atezolizumab 800mg 1x alle 2 Wochen gesteigert wurde. Die Patienten waren schwer vorbehandelt, im Median erhielten sie 3 Vortherapien (Range: 1–5). Es wurden 20 Patienten mit MSS-CRC therapiert. Es traten ca. 35 % Grad-3- und -4-Nebenwirkungen auf, hauptsächlich waren dies gastrointestinale Nebenwirkungen (Diarrhö Grad 3 und 4 bei 9 % ). <br /> Bei 20 MSS-CRC konnten 20 % objektive Remissionen und 20 % Krankheitsstabilisierungen erreicht werden. Patienten mit Response oder Stabilisierung profitierten längerfristig bis zu einem Jahr von der Therapie. <br /> Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die maximal verabreichte Dosis der Kombination gut toleriert wurde und bei einem primär nicht für eine Immuntherapie geeigneten Subset von Patienten ein bedeutsames Ansprechen erreicht wurde. Mittlerweile wurde bereits eine Phase-III-Studie dieses Konzeptes begonnen.</p> <h2>Einfluss der Primärtumorlokalisation auf die Prognose beim metastasierten kolorektalen Karzinom (mCRC)</h2> <p>In einigen klinischen Studien ergaben sich Hinweise auf die prognostische Relevanz der Lokalisation des Primärtumors. Das rechtsseitige Kolon stammt entwicklungsgeschichtlich aus dem Midgut, das linksseitige ist dem Hindgut zuzuordnen. Patienten mit Tumoren der rechten Seite, die circa ein Drittel aller Kolonkarzinome ausmachen, sind häufiger älter und weiblich, haben öfter okkulte Blutungen und eine Peritonealkarzinose. Daneben gibt es Unterschiede in der pathologischen Charakteristik: Rechtsseitige Tumoren entstehen häufiger aus sessilen Polypen, sind schlechter differenziert und haben häufiger eine muzinöse oder eine Siegelringzell-Histologie.<br /> In der vorliegenden Auswertung des US-amerikanischen Programms Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER) aus den Jahren 2007–2011 wurde dies systematisch aufgearbeitet und zeigt deutliche Unterschiede zwischen den beiden Lokalisationen (Abb. 1). Als rechtsseitig wurden Karzinome von Zökum bis Colon transversum, als linksseitig Karzinome distal der linken Kolonflexur klassifiziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite84.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Besitzt die Seitenlokalisation auch prädiktive Aussagekraft bezüglich der Wahl des Biologikums in der Erstlinie?</h2> <p>In der Phase-III-Studie CALGB/SWOG 80405 waren Wirksamkeit und Verträglichkeit von Bevacizumab und Cetuximab jeweils in Kombination mit Chemotherapie (FOLFOX oder FOLFIRI) in der Erstlinienbehandlung von Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom verglichen worden, wobei sich zwischen den beiden Therapieansätzen keine Unterschiede in der Wirkung auf das progressionsfreie und das Gesamtüberleben zeigten. Diese Daten wurden bereits 2014 am ASCO- (<em>KRAS</em>-WT) und ESMO-Kongress (All-<em>RAS</em>-WT) präsentiert.<br /> Venook und seine Kollegen untersuchten nun retrospektiv, wie sich die Lokalisation des Primärtumors auf das Überleben der Patienten auswirkte. Die Lokalisation des Primärtumors wurde anhand der Krankenakte eruiert. Als „rechts“ wurden alle Tumoren zwischen Zäkum und rechter Flexur, als „links“ alle zwischen linker Flexur und Rektum definiert und als „Transversum“ alle Tumoren zwischen rechter und linker Flexur. Die Tumoren des Transversums wurden später aus der Analyse ganz ausgeschlossen. In der aktuellen Untersuchung wurden nur <em>KRAS</em>-Wildtyp(<em>KRAS</em>-WT)-Patienten berücksichtigt.<br /> Patienten mit einem Primärtumor im linken Kolon lebten mit 33,3 Monaten im Median signifikant länger als Patienten mit einem Primärtumor im rechten Kolon mit 19,4 Monaten (HR: 1,60; p<0,001). Diese Unterschiede wurden auch in den beiden Therapiegruppen festgestellt. In der Bevacizumab-Gruppe überlebten Patienten mit linksseitigem Kolonkarzinom 31,4 Monate, mit rechtem Primärtumor 24,2 Monate. <br /> Als besonders „dramatisch“ bezeichnete Venook den Unterschied im Gesamtüberleben von fast 20 Monaten in der Cetuximab-Gruppe: Hier überlebten Patienten mit linksseitigem Kolonkarzinom 36 Monate, mit rechtsseitigem Tumor 16,7 Monate (HR: 1,987; p<0,001).<br /> Bereits im vorletzten Jahr hat die FIRE-3-Studiengruppe beim ASCO-Kongress Daten präsentiert, die zeigten, dass in der RAS-Wildtyp-Gruppe ein deutlicher Unterschied zwischen rechts und links besteht und dass der Überlebensvorteil der mit Cetuximab behandelten Patienten gegenüber einer Bevacizumab-Therapie durch den Vorteil bei den linksseitigen Tumoren zustande kommt, während rechtsseitig Bevacizumab (bei sehr kleinen Patientenzahlen und daher ohne Signifikanz) zumindest gleichwertig, wenn nicht überlegen schien (Tab. 1).<br /> Das wichtigste Ergebnis aus der CALGB-Studie, nämlich das Überleben in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation und der Wahl des Biologikums mit Angabe der jeweiligen Hazard-Ratio, ist in Tabelle 2 dargestellt.<br /> Viele Fragen bleiben offen: so etwa neben der Frage nach der besten Chemotherapie für beide Seiten natürlich auch die Frage nach dem Effekt der Therapie bei <em>RAS</em>-mutierten Patienten in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation. Die Befunde aus FIRE-3 und CALGB sind hierzu aufgrund der geringen Fallzahl von <em>RAS</em>-mutierten Patienten, die ja im Verlauf der Studie von der Teilnahme ausgeschlossen waren, nicht aussagekräftig. Es wäre von Interesse, ob auch in den Zulassungsstudien mit FOLFIRI und FOLFOX ein Unterschied zur alleinigen Chemotherapie beim <em>RAS</em>-Wildtyp auf der rechten Seite existiert. Es handelt sich ausschließlich um retrospektive und nicht vorgeplante Analysen, wenn auch mit sehr suggestiver Übereinstimmung mit der FIRE-3-Studie. Die Unterschiede in den HR sind im Gegensatz zum medianen Überleben nicht extrem unterschiedlich. Aus meiner Sicht ist die derzeitige Evidenz nicht ausreichend, um die Tumorlokalisation unmittelbar in den Behandlungsalgorithmus einfließen zu lassen. Allerdings ist es sinnvoll, in zukünftigen Studien zum Kolorektalkarzinom die Patienten nach der Lokalisation des Primärtumors zu stratifizieren, um einer Verzerrung der Ergebnisse vorzubeugen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite86.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p>
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<p>Literatur beim Verfasser<br /><br /></p>
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