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Ketogene Diät bei Krebs: therapeutische oder nur ergänzende Maßnahme?

<p class="article-intro">Diätetische Maßnahmen als Bestandteil einer Krebstherapie werden seit vielen Jahren sowohl emotional als auch sachlich diskutiert. Ein Wunschdenken ist es, dass eine spezifische Ernährung bzw. deren Bestandteile zu einer Sensibilisierung von Krebszellen für/gegenüber Standard-Krebstherapien wie Chemo-, Strahlen-, aber auch Immuntherapie führt. Besonders die sogenannte ketogene Diät – kohlenhydratarme Kostform („low carb diet“) – hat wegen postulierter antitumoraler Effekte sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten eine gewisse Popularität erlangt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die ketogene Di&auml;t (KD) beruht auf der Beobachtung von Otto Heinrich Warburg &ndash; einem sp&auml;teren Nobelpreistr&auml;ger &ndash;, der 1924 erstmals beschrieben hat, dass sich Krebszellen zur Energiegewinnung der aeroben Glykolyse und nicht der oxidativen Phosphorylierung bedienen. Anstatt Glukose zu verbrennen, verg&auml;ren sie Zucker zu Laktat. Fette und deren Bestandteile, wie Fetts&auml;uren, verwerten Krebszellen nur in geringem Ausma&szlig;. Bei dieser KD bilden sich sogenannte Ketonk&ouml;rper, die dann Glukose weitgehend als Energielieferant ersetzen.<br /> Die Rationale f&uuml;r diese fettreiche &bdquo;Low carb&ldquo;-Di&auml;t ist die Verminderung der Glukoseverf&uuml;gbarkeit, wodurch das Energiesubstrat f&uuml;r Krebszellen verknappt wird und diese durch Energieentzug &bdquo;verhungern&ldquo;. Zus&auml;tzlich wird durch die Senkung der Glukosespiegel eine Reduktion von Insulin und &bdquo;Insulin-likegrowth&ldquo;- Faktoren, die als Wachstumssignale fungieren, erzielt.<br /> Die Frage ist, ob und welche Schl&uuml;sse wir aus den publizierten Daten &uuml;ber KD von pr&auml;klinischen Modellen bzw. von Studien bez&uuml;glich Sicherheit und Wirksamkeit bei Krebspatienten ziehen k&ouml;nnen.<br /> Die Experten der Arbeitsgemeinschaft PRiO (Arbeitsgemeinschaft Pr&auml;vention und Integrative Onkologie) in der Deutschen Krebsgesellschaft gaben 2014 auf Basis einer systematischen Literaturrecherche folgende negative Stellungnahme zum Thema KD bei Krebs ab:<br /> 1. Es liegt keine wissenschaftliche Untersuchung vor, die belegt, dass eine derartige Kostform Wachstum und Metastasierung eines Tumors beim Menschen verhindern bzw. zur&uuml;ckdr&auml;ngen kann. 2. Es liegt auch keine wissenschaftliche Untersuchung vor, die beweist, dass eine derartige Kostform die Wirksamkeit einer Chemo- und/oder Strahlentherapie verbessert. 3. Es liegt des Weiteren keine wissenschaftliche Untersuchung vor, die beweist, dass die Vertr&auml;glichkeit einer Chemotherapie beim Menschen durch diese Kostform verbessert wird.<br /> Zum derzeitigen Zeitpunkt kann eine Anwendung einer kohlenhydratarmen oder ketogenen Di&auml;t f&uuml;r diese Indikation nicht empfohlen werden.</p> <p>R. J. Klement hat in der Publikation &bdquo;Beneficial effects of ketogenic diets for cancer patients: a realist review with focus on evidence and confirmation&ldquo; 29 tierexperimentelle Untersuchungen und 24 Patientenstudien einer systematischen Analyse unterzogen. Dabei berichtet der Autor, dass die Mehrheit, d.h. 72 % der pr&auml;klinischen Studien, eine Evidenz f&uuml;r einen antitumoralen Effekt einer KD aufwiesen.</p> <p>Dieser Nachweis war dagegen beim Menschen schwach ausgefallen und nur auf individuelle Kasuistiken beschr&auml;nkt. Der Autor folgerte weiters. &bdquo;A probabilistic argument shows that the available data strengthen the belief in the anti-tumor effect hypothesis at least for some individuals.&ldquo; Daf&uuml;r aber konnte eine nebenwirkungsfreie/-arme Durchf&uuml;hrbarkeit der KD bei Krebspatienten allgemein best&auml;tigt werden. Es gab in keiner dieser Studien einen Hinweis auf einen Tumor-promoting Effekt.</p> <p>Der rezente Review von S. B. Seidelmann et al. &bdquo;Dietary carbohydrate intake and mortality: a prospective cohort study and meta-analysis&ldquo; beschreibt f&uuml;r diese Kostform keinen Benefit f&uuml;r Langzeit&uuml;berleben; wobei eine Korrelation mit der Proteinquelle, d.h. tierisch = negativ und pflanzlich = positiv, in der Ern&auml;hrung klar dokumentiert wurde.</p> <p>In der Publikation von D. Lettieri-Barbato und K. Aquilano &bdquo;Pushing the limits of cancer therapie: the nutrient game&ldquo; wird &ndash; nach ausf&uuml;hrlichem Review der Evidenzbasis &ndash; eine auf pflanzlicher Basis bestehende KD empfohlen, die in pr&auml;klinischen Studien als therapeutische Intervention erforscht werden sollte. Unter dem Motto: &bdquo;The game goes on!&ldquo;</p> <p>Aus diesen nun vorliegenden Publikationen zum Thema &bdquo;KD bei Krebspatienten&ldquo; kann der Schluss gezogen werden, dass kontrollierte und auch randomisierte klinische Studien dringend erforderlich sind, damit die postulierte antitumorale Wirksamkeit &ndash; im Sinne einer therapeutischen Di&auml;tform &ndash; bzw. die N&uuml;tzlichkeit (Lebensqualit&auml;tsverbesserung, klinischer Benefit etc.) der KD beim Krebspatienten &bdquo;evidenzbasiert&ldquo; best&auml;tigt wird und diese Kostform generell empfohlen werden kann.</p></p>
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