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Jede Behandlung ein Unikat: Zelltherapien aus der Perspektive der Transfusionsmedizin
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Georg Hopfinger
Knochenmarkstransplantation<br> Univ.-Klinik für Innere Medizin I<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: georg.hopfinger@meduniwien.ac.at
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Nina Worel
Univ.-Klinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: nina.worel@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
31.05.2018
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<p class="article-intro">Bei der Behandlung von hämatologischen Erkrankungen wird zunehmend das Immunsystem einbezogen. Durch Hemmung spezifischer Strukturen an Tumorzellen sowie durch Anwendung von chimären Antigen-Rezeptor-T-Zellen (CAR-T-Zellen) finden diese neuen Therapiemöglichkeiten bereits klinische Verwendung, derzeit meist noch in Studien. Besonders ermutigend ist die zum Teil dramatische Wirkung mit Ansprechraten von 50 bis 70 % bei therapierefraktären ALL-Patienten, die bereits zur FDA-Zulassung eines CAR-T-Produktes geführt haben.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Durch die Einführung unterschiedlicher monoklonaler Antikörper wurden die Behandlungsmöglichkeiten bei aggressiven hämatologischen Neoplasien wesentlich verbessert. Nun rückt die Aktivierung des Immunsystems in der Behandlung von Neoplasien weiter in den Vordergrund. Eine Errungenschaft ist der Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren wie „Programmed cell death (PD-1)“- und „Programmed cell death 1 ligand (PD-L1)“- Antikörpern, die zu einer Verstärkung der Immunantwort gegen den Tumor führen. Auch die Entwicklung neuartiger zellulärer Therapien wie chimärer Antigen-Rezeptor- T-Zellen (CAR-T) trägt zur Verbesserung der Ansprechraten vor allem bei lymphoproliferativen Erkrankungen bei.<br /> Bei der CAR-T-Zell-Therapie handelt es sich um eine neuartige Krebsimmuntherapie, bei der gentechnologisch veränderte T-Zellen mit synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren zur Anwendung kommen. Die Rezeptoren bestehen aus einer extrazellulären Bindungsdomäne, einer transmembranen Domäne und einer intrazellulären Domäne. CAR-T-Zellen erkennen gezielt Oberflächenantigene und führen zur Zerstörung der Zielzelle. Derzeit werden bereits mehrere Generationen von CAR aufgrund ihrer kostimulatorischen Domäne unterschieden, wobei die erste Generation nur CD3-zeta (CD3ζ) als einzelne zytoplasmatische Domäne aufwies und bei Folgegenerationen unterschiedliche kostimulierende Signalisierungsdomänen (CD28, 4-1BB) hinzugefügt wurden (Abb. 1). Diese Komponenten werden mittels eines viralen Vektors, Retrovirus oder Lentivirus, in patienteneigene T-Zellen transfiziert, wodurch eine Expression von Anti-CD19 auf T-Zellen induziert wird. Hierbei werden autologe, klonal expandierte T-Zellen (CAR-T), welche an CD19 binden, hergestellt. Nach In-vitro-Expansion werden diese T-Zellen im Anschluss an eine Lymphozyten-depletierende Therapie, meist Fludarabin/Cyclophosphamid (FC), wieder infundiert.<br /> Die Verwendung von CD19 ist insofern attraktiv, da dieses Antigen sowohl auf frühen als auch auf reifen B-Zellen, jedoch nicht auf hämatopoietischen Stammzellen exprimiert wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1803_Weblinks_s47_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="759" /></p> <h2>Ausgangsmaterial für die CAR-T-Herstellung</h2> <p>Als Ausgangsmaterial für CAR-T-Produkte dienen unstimulierte autologe mononukleäre Zellen (MNC), welche mittels Zellseparation gewonnen werden. Ob später die Expansion der transfizierten TZellen gelingt, hängt unter anderem von der Qualität der Zellen und von der Zusammensetzung des Ausgangsproduktes ab. Bei der Planung der Leukozytenentnahme ist darauf zu achten, dass ein entsprechend ausreichender Abstand zwischen Zellsammlung und der letzten zytostatischen Therapie (>2 Wochen bis >8 Wochen, je nach Substanz), der letzten Gabe von T-Zell-Antikörpern (>6 Wochen), der Gabe von hämatopoietischen Wachstumsfaktoren (z.B.: G-CSF; >2 Wochen), der Verabreichung von immunmodulierenden Substanzen (>2 Wochen) und der Gabe von Steroiden (>72 Stunden) eingehalten wird. All diese Substanzen wirken sich auf die Qualität der Zellen und deren spätere Expansionsfähigkeit aus. Zusätzlich muss ein ausreichender Abstand zu einer vorherigen Strahlentherapie (ca. 6 Wochen) und auch allogener Transplantation (>3 Monate) eingehalten werden. Die Patienten dürfen keine immunsuppressiven Medikamente einnehmen oder an einer Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) leiden. Die Qualität der T-Zellen kann auch mittels Durchflusszytometrie gemessen werden. Es scheint, dass „erschöpfte (exhausted)“ und „gealterte“ T-Zellen, erkennbar an ihrer Negativität für CD27 und CD28, den Herstellungsprozess von CAR-T-Zellen negativ beeinflussen.<br /> Neben der Qualität der Zellen ist auch ihre Quantität ein wichtiger Faktor. Nachdem man im Vorfeld nicht genau abschätzen kann, wie viele der gesammelten Lymphozyten bereits erschöpft (exhausted) und deshalb nicht expandierbar sind, ist es empfehlenswert, die Zellsammlung eher großzügig durchzuführen. Die Verarbeitung des 3- bis 4-fachen Gesamtblutvolumens ist empfehlenswert. Als Surrogatmarker für den Anteil an CD27- und CD28-negativen Zellen im Leukozytenpräparat kann man den Wert aus dem peripheren Blut heranziehen.<br /> Ein wichtiger Parameter ist auch die Reinheit des Leukozytenpräparats. Die angestrebte Konzentration an MNC soll bei zumindest 80 % liegen. Der Hämatokrit im Produkt ist so niedrig wie möglich einzustellen. Es empfiehlt sich, einen Wert von 2,5 % nicht zu überschreiten.</p> <h2>Allogene CAR-T</h2> <p>Derzeit finden vor allem autologe CART Verwendung, was jedoch die individuelle Verfügbarkeit von ausreichend modifizierbaren T-Zellen des Patienten voraussetzt. Um ein CAR-T-Produkt patientenunabhängig und in größerer Menge („off-the shelf“) zur Verfügung zu stellen, werden zunehmend allogene CAR-T auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Allerdings ist bei allogenen CAR-T-Produkten neben dem potenziellen Risiko für eine Graft-versus- Host-Reaktion auch eine Abstoßung des T-Zell-Produktes und damit ein Wirkungsverlust möglich. Um eine erhöhte Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit zu gewährleisten, werden gegenwärtig spezifische Zell-Subsets wie Memory-T- oder Gamma/delta-T-Zellen ausgewählt bzw. kann durch „gene editing“ mit CRISPR/ Cas9 die Wirksamkeit gezielt beendet werden. Rezent konnten mittels allogener, gegen CD19 gerichteter CAR-T zwei Kinder mit rezidivierter refraktärer CD19+ B-Zell-akuter lymphoblastischer Leukämie erfolgreich behandelt werden und eine molekulare Remission erreicht werden.</p> <h2>Nebenwirkungen und deren Management</h2> <p>Da es bei der CAR-T-Zell-Therapie mitunter zu schwerwiegender Toxizität kommen kann, ist das rechtzeitige Erkennen von Nebenwirkungen, insbesondere des Cytokine-release-Syndroms (CRS), welches mit Fieber, neurologischen Veränderungen und arterieller Hypotension bis hin zum Schockgeschehen und Tumorlysesyndrom (TLS) einhergehen kann, essenziell. Um rasch und vor allem mit den richtigen Therapiemaßnahmen reagieren zu können, ist die Anwendung von Therapiealgorithmen hilfreich. Neben der symptomatischen Gabe von Antipyretika, Antihistaminika und Flüssigkeit können die Gabe von niedrig dosierten Vasopressoren sowie ein Sauerstoffsupport erforderlich sein. Die Gabe von Steroiden sollte nicht unkontrolliert und reflexartig als Ersttherapie erfolgen, da initiale Daten darauf hinweisen, dass die Steroidgabe mit einem gleichzeitigen Wirkungsverlust und reduzierter Expansion der autologen CAR-TZellen einhergehen kann. Neuere Daten konnten allerdings zeigen, dass bei robuster Expansion der CAR-T-Zellen ein Wirkungsverlust nicht unbedingt eintreten muss. Bei Symptomenverschlechterung wird jedenfalls die Gabe von Tocilizumab, einem monoklonalen Antikörper gegen den Interleukin-6(IL-6)-Rezeptor, dringend empfohlen. IL-6 spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung eines CRS. Die Gabe von Tocilizumab führt zu einer raschen Symptomverbesserung, ohne einen Wirkungsverlust von CAR-T zu bedingen. An Spättoxizität kann es zu einer anhaltenden B-Zell-Aplasie mit konsekutiver Hypogammaglobulinämie und Infektionsneigung kommen, da die CAR-T-Zellen auch gegen das CD19-Antigen, welches auf normalen B-Zellen exprimiert wird, gerichtet sind. Besonders bei Kindern wird die regelmäßige Gabe von Immunglobulinen empfohlen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>CAR-T-Zellen stellen eine innovative Therapieoption bei Entitäten dar, die bisher als „austherapiert“ gegolten haben. Es befindet sich derzeit eine Vielzahl von CAR-T-Produkten in klinischer Erprobung, wobei sich die Produkte in der kostimulatorischen Domäne und dem verabreichten T-Zell-Typ (alle T-Zellen vs. selektionierte Zellen) unterscheiden. Die reifsten Daten liegen für KT-019 (Domäne CD28; Bulk von T-Zellen), CTL019 (Domäne 4-1BB; Bulk von T-Zellen) und JCAR017 (Domäne 4-1BB; CD4/CD8 Subsets) vor. Allen Produkten gemein ist das potenzielle Risiko für akute Toxizitäten wie das CRS. Neben der belegten Aktivität von immunologischen Mechanismen bei hämatologischen Neoplasien gibt es auch zunehmend Bestrebungen, die CAR-T-Zell-Therapie bei soliden Tumoren einzusetzen. Allerdings erscheint die Wirksamkeit mit den derzeit zur Verfügung stehenden Produkten noch limitiert. Als Herausforderungen sind neben dem logistischen Aufwand die extrem hohen Kosten zu nennen. Da ein sorgfältiges Monitoring für das Erkennen von therapiebedingten Nebenwirkungen wie CRS unabdingbar ist, sollte die Behandlung mit CAR-T-Zellen derzeit nur spezialisierten Zentren vorbehalten sein.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 17. Onkologische Wintergespräche, 12.–13. Jänner 2018,
Wien
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