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Deutsch-Österreichisch-Schweizerische Jahrestagung: Die besten Abstracts

Bei der gut aufgestellten Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie in Hamburg wurden in diesem Jahr die besten Abstracts in einer eigenen Sitzung mit einer Urkunde und einem Preisgeld gewürdigt. Ausgewählt waren Studien aus sehr unterschiedlichen Themenfeldern von der medikamentösen Therapie bis zur Trauerbegleitung.

Adjuvante Chemotherapie bleibt Standard beim Magenkarzinom

Die perioperative Chemotherapie mit dem FLOT-Regime, bestehend aus Docetaxel, Oxaliplatin, Fluorouracil und Leukovorin, ist ein Standard für Patient:innen mit operablen gastroösophagealen Adenokarzinomen. Allerdings kann mit Operation und Chemotherapie weniger als die Hälfte der Patient:innen geheilt werden.

Ein besonders hohes Rezidivrisiko haben Patient:innen mit einer R1-Resektion oder verbleibenden Tumorresten in den Lymphknoten (ypN+). Da die adjuvante Chemotherapie häufig auch schlecht vertragen wird, wurde in der VESTIGE-Studie eine adjuvante Therapie mit Nivolumab und Ipilimumab bei Patient:innen mit gastroösophagealen Adenokarzinomen im Stadium Ib–IVa mit hohem Rezidivrisiko nach neoadjuvanter Chemotherapie und Resektion gegeben.1 Primärer Studienendpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS).

Insgesamt 189 Patient:innen (geplant waren 240) erhielten randomisiert im experimentellen Studienarm 3mg/kg (q2w) Nivolumab plus 1mg/kg (q6w) Ipilimumab für die Dauer eines Jahres oder im Kontrollarm eine postoperative Chemotherapie zur Komplettierung der perioperativen Chemotherapie. In Hamburg wurden Ergebnisse einer nicht geplanten Interimsanalyse mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 11,5 Monaten im experimentellen und 9,4 Monaten im Kontrollarm präsentiert.

Im Ergebnis wurde im Kontrollarm mit einer perioperativen Chemotherapie ein signifikant längeres DFS erreicht als im experimentellen Arm (HR: 1,80; 95% CI: 1,09–2,98; p=0,0195). Im Median lebten die Patient:innen unter adjuvanter Nivolumab/Ipilimumab-Therapie 11,93 Monate krankheitsfrei und unter Chemotherapie 23,26 Monate. Die 12-Monats-DFS-Rate lag bei 49,3% vs. 62,2%. Für das Gesamtüberleben (OS) wurde im experimentellen Arm ein Median von 23,13 Monaten beobachtet, unter Chemotherapie wurde der Median noch nicht erreicht (HR: 1,79; 95% CI: 0,89–3,59; p=0,0994).

In Subgruppenanalysen konnte keine Patient:innengruppe identifiziert werden, die besser von der Immuntherapie profitiert hätte. Vorläufige Biomarker-Ergebnisse geben aber Hinweise auf eine insgesamt bessere Prognose bei vorliegender PD-L1-Expression (PD-L1 CPS≥1), einen Therapievorteil der Chemotherapie bei PD-L1-negativen Patient:innen (CPS<1) und einen vergleichbaren Therapieeffekt bei Patient:innen mit positivem PD-L1-Status (CPS≥1).

Die adjuvante Therapie mit Nivolumab+Ipilimumab nach perioperativer Chemotherapie+Resektion verlängerte das DFS im Vergleich zur adjuvanten Chemotherapie nicht, daher sollte die adjuvante Chemotherapie weiterhin bei Hochrisikopatient:innen eingesetzt werden, schlussfolgerten die Autor:innen.

Weiterentwicklung der CAR-NK-Zell-basierten Therapie

Die Immuntherapie mit Chimären-Antigen-Rezeptor(CAR)-T-Zellen hat insbesondere im hämatologischen Bereich erstaunliche Ergebnisse erzielt. Klinische Erfahrungen mit NK-Zellen liegen bereits aus der allogenen NK-Zell-Therapie vor. Die Verbindung von CAR mit natürlichen Killerzellen (NK) ist eine attraktive therapeutische Strategie, die in der Best-Abstract-Sitzung beim DGHO vorgestellt wurde.2

NK-Zellen sind ein Teil des angeborenen Immunsystems und tragen zur Vernichtung von Tumorzellen und virusinfizierten Zellen bei. NK-Zellen werden u.a. über die aktivierenden Rezeptoren NCR („natural cytotoxicity receptors“) und NKG2D („natural killer group 2 member D“) reguliert, d.h. im Fall eines Antigen-Verlusts kann die natürliche Zytotoxizität durch NCR und NKG2D ergänzt werden.3 Ein weiterer Nutzen der Strategie mit NK-Zellen ist, dass der GvL(„graft vs. leukemia“)-Effekt ohne GvHD („graft- vs. -host-disease“) erfolgt. Mit einem vorteilhaften Zytokinprofil besteht zudem ein geringes Risiko für CRS oder Neurotoxizität.

Als neue Strategie, um einer CAR-NK-Zell-Inhibierung durch eine tumorvermittelte Immunsuppression entgegenzuwirken, wurde nun eine CRISPR/Cas9-basierte genetische Modifikation von KLRC1-kodierenden Genen für den Immuncheckpoint NKG2A geprüft. Die dual modifizierte NK-Zelle habe das Potenzial, eine Immunsuppression zu überbrücken, und das nicht nur im Fall der schwer zu behandelnden akuten myeloischen Leukämie (AML), die im Vordergrund der bisherigen Forschung steht, sondern auch bei vielen anderen malignen Erkrankungen, so das Fazit der Autor:innen.

Einfluss sozialer Unterstützung aufTrauerreaktionen

Die soziale Unterstützung ist ein wichtiger Faktor in der Trauerbewältigung, vor allem, wenn verbliebene Angehörige Anzeichen einer komplizierten Trauer aufweisen. Gekennzeichnet ist die komplizierte Trauer durch eine pathologische Trauersymptomatik wie Trennungsschmerz mit Sehnsucht und Suchen nach der verstorbenen Person, durch kognitive und emotionale Schwierigkeiten bei der Akzeptanz des Todesfalls und durch psychosoziale Schwierigkeiten. Die soziale Unterstützung wird meistens als hilfreich angesehen, manchmal werden die Beziehungen zu anderen Menschen aber auch nicht als positiv empfunden.

Welche Auswirkungen positive und negative Erfahrungen in der Trauer um Angehörige ausmachen, wurde mit der monozentrischen Beobachtungsstudie STEW untersucht.4 Befragt wurden Angehörige von Menschen, die auf der Palliativstation des UKE Hamburg erwartbar gestorben waren, und Angehörige von Menschen, die unerwartet gestorben sind und am Institut für Rechtsmedizin des UKE Hamburg untersucht wurden.

Es konnten 377 Angehörige befragt werden, bei denen es sich in 56,5% der Fälle um die (Ehe-)Partner:innen handelte. Seit dem Versterben waren durchschnittlich 3,1 Jahre vergangen. Im Ergebnis gab es bei 28,8% der antwortenden Angehörigen Hinweise auf eine komplizierte Trauer. Im multivariablen Modell erhöhten belastende soziale Interaktionen die Wahrscheinlichkeit auf eine komplizierte Trauer signifikant. Die positive soziale Unterstützung zeigte hingegen keinen prädiktiven Wert für das Auftreten komplizierter Trauer.

Negative Erfahrungen der sozialen Unterstützung können also den Trauerprozess erschweren, während positive soziale Unterstützung keinen signifikanten Schutzfaktor darstellt, so das Fazit der Autor:innen. Für die Klinik bedeute das, dass positive und negative Aspekte in der Beziehung der Trauernden mit dem Umfeld regelhaft thematisiert werden sollten. Denn Angehörige mit negativen Erfahrungen der sozialen Unterstützung seien über die Trauer um den nahestehenden Menschen und die belastende Interaktion zweifach getroffen.

Aufgabe der Forschung sei die Schaffung spezifischer Messinstrumente, die positive und auch belastende Interaktionen erfassen können. Es fehle auch an qualitativer Forschung zur Entwicklung eines tieferen Verständnisses belastender Interaktionen aus Sicht der Hinterbliebenen.

Frühe Stomarückverlagerung nach Rektumkarzinomresektion

Die protektive Ileostomie nach tief-anteriorer Rektumresektion (TAR) ist Standard an den meisten Zentren. Da Patient:innen ungern bis zu fünf Monate auf die Ileostomarückverlagerung (ISRV) warten, könnte die Komplettierung der adjuvanten Chemotherapie unter der späten ISRV leiden, so die Hypothese, die zur Durchführung der randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie AIO KRK 0113 führte.5 Da bisher keine konklusiven Daten zur Sicherheit einer frühen ISRV vorlagen, wurde der Einfluss der frühen Stomarückverlagerung nach Rektumkarzinomresektion auf die Komplettierung der adjuvanten Chemotherapie untersucht.

116 und 117 Patient:innen konnten vor bzw. nach adjuvanter Chemotherapie eine ISRV erhalten. Die frühe Rückverlagerung fand 8–10 Tage und die späte Rückverlagerung 26 Wochen nach der TAR statt. Primärer Endpunkt war die Komplettierung aller geplanter Zyklen der adjuvanten Chemotherapie, unabhängig von Dosisreduktionen oder Intervallverschiebungen. An sekundären Endpunkten wurden chirurgische Komplikationen, Hospitalisierungen, das DFS und die Lebensqualität bewertet.

Im frühen bzw. späten ISRV-Arm begannen 77,7% vs. 77,0% der Patient:innen die adjuvante Chemotherapie (p=0,97) und 62,9 vs. 65,8% komplettierten sie (p=0,79). Dosismodifikationen wurden bei 69,1 vs. 71,0% durchgeführt. Die Zeit bis zum Beginn der Chemotherapie war mit 38 Tagen in der Gruppe der frühen ISRV vs. 27 Tagen bei später ISRV signifikant verschieden (p<0,01). Es wurde keine signifikant erhöhte chirurgische Morbidität beobachtet.

Bezüglich des DFS traten bei früher ISRV 15 Ereignisse und bei später ISRV 23 Ereignisse auf (HR: 1,6; 95% CI: 0,83–3,06; p=0,15; Abb. 1). Die frühe ISRV sei somit eine valide und sichere Behandlungsoption, schlossen die Autor:innen.

Abb. 1: Krankheitsfreies Überleben in der Phase-III-Studie AIO KRK 0113. Modifiziert nach Hofheinz RD et al.5

Teclistamab beim rezidivierten und refraktären multiplen Myelom

Teclistamab ist der erste zugelassene „off-the-shelf“ BCMAxCD3-gerichtete bispezifische Antikörper für die Behandlung des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms (RRMM). Die Zulassung erfolgte auf Basis der Phase-I/II-Studie MajesTEC-1, deren Ergebnisse nun mit einer verlängerten Nachbeobachtungszeit von 23 Monaten präsentiert wurden.6 165 intensiv vorbehandelte Patient:innen erhielten Teclistamab in der Dosierung von 1,5mg/kg einmal wöchentlich.

Ein Ansprechen wurde bei 63% der Patient:innen beobachtet, mit über die Zeit vertiefenden Remissionen. Ein mindestens komplettes Ansprechen (≥CR) erreichten 45,5% der Patient:innen in einer medianen Zeit von 4,6 Monaten. Die mediane Dauer des Ansprechens lag bei 21,6 Monaten für alle Patient:innen und bei 26,7 Monaten mit ≥CR. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 11,3 (alle) bzw. 26,9 Monate (≥CR), das mediane Gesamtüberleben (OS) 21,9 Monate (alle) bzw. wurde nicht erreicht (≥CR). Es wurden keine neuen Sicherheitssignale berichtet.

Infektionen traten bei 80,0% der Patient:innen auf, davon Infektionen von Grad 3–4 bei 55,2% und von Grad 5 bei 12,7% der Patient:innen (Covid-19: 10,9%). Die Inzidenz neuer Infektionen von Grad ≥3 nahm im Laufe der Zeit ab.

Genetische und funktionelle Charakterisierung bei MDS-Patient:innen

Das Therapieansprechen von Patient:innen mit myelodysplastischem Syndrom mit Hochrisiko (hr-MDS) oder sekundärer akuter myeloischer Leukämie (sAML) auf Azacitidin+Venetoclax kann möglicherweise mithilfe der genetischen Charakterisierung vorhergesagt werden. Dies ist das Ergebnis einer Studie mit zehn hr-MDS- und 13 (s)AML-Patient:innen, deren Blut- und Knochenmarksproben über einen längeren Zeitraum genetisch und zytogenetisch analysiert wurden.7

Laut den ersten in der Best-Abstract-Sitzung präsentierten Ergebnissen konnte mithilfe des BH3-Profilings eine Assoziation von genetischen Aberrationen mit einem molekularen Ansprechen vs. einer stabilen Erkrankung identifiziert werden.

Kandidaten für die Entwicklung einer Resistenz sind z.B. eine NRAS-Mutation oder der funktionelle Wechsel von BCL-2 auf MCL-1. Auch ein kompletter Verlust des apoptotischen Primings unter der Therapie mit Azacitidin+Venetoclax wurde beobachtet. Die unterschiedlichen Resistenzmuster wurden auch in klinischen Zelllinien gesehen. Die Ergebnisse könnten neben dem prädiktiven Wert gegenüber Azacitidin+Venetoclax auch von Relevanz für den Einsatz weiterer zielgerichteter Therapien sein.

Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, 13.–16. Oktober 2023, Hamburg

1 Lordick F et al.: EORTC 1707 VESTIGE: adjuvante Immuntherapie bei Patient:innen mit resezierten gastro-ösophagealen Adenokarzinomen nach präoperativer Chemotherapie und Hochrisikomerkmalen für ein Rezidiv (ypN+ und/oder R1). DGHO 2023; Abstr. #V867 2 Ullrich E et al.: CRISPR/Cas9 Editierung des Immun-Checkpoint-Rezeptors NKG2A verbessert die Wirksamkeit von primären CD33-CAR-NK-Zellen zur Behandlung der AML. DGHO 2023; Abstr. #V868 3 Albinger N et al.: Primary CD33-targeting CAR-NK cells for the treatment of acute myeloid leukemia. Blood Cancer J 2022; 12: 61 4 Ullrich A et al.: Wie hängen positive und negative Erfahrungen sozialer Unterstützung mit Trauerreaktionen bei hinterbliebenen Angehörigen zusammen? DGHO 2023; Abstr. #V689 5 Hofheinz RD et al.: Der Einfluss der frühen Stomarückverlagerung nach Rektumkarzinomresektion auf die Komplettierung der adjuvanten Chemotherapie (CoCStom): eine randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie der AIO (AIO KRK 0113). DGHO 2023; Abstr. #V870 6 Besemer B et al.: Langzeit-Nachbeobachtung der MajesTEC-1-Studie zu Teclistamab, einem bispezifischen B-Cell-Maturation-Antigen (BCMA) x CD3-Antikörper, bei Patient:innen mit rezidiviertem/refraktärem multiplem Myelom (RRMM). DGHO 2023; Abstr. #V871 7 Mazzeo P et al.: Integrative genetische und funktionelle Charakterisierung der behandlungsassoziierten klonalen Evolution bei hr-MDS und sAML. DGHO 2023; Abstr. #V872

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