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Ist das Heilungspotenzial in Tumorboards adäquat abgebildet?
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Grünberger
1. Chirurgische Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung Wien<br> E-Mail: thomas.gruenberger@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
17.11.2016
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<p class="article-intro">Im Rahmen des diesjährigen ESMO-Kongresses wurde ich eingeladen, einen Vortrag über die Frage zu halten, ob das Potenzial der kurativen Therapieoption in den Tumorboards ausreichend diskutiert wird. Diese Fragestellung kann natürlich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantwortet werden, denn sie ist im Wesentlichen davon abhängig, wie interdisziplinär dieses Tumorboard zusammengesetzt ist, und vor allem davon, wie die Expertise des chirurgischen Onkologen in diesem Tumorboard ist. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Wichtig ist, die Patientenfälle nach Diagnosestellung das erste Mal anhand von adäquatem Bildmaterial im Tumorboard zu diskutieren.</li> <li>Idealerweise sollte man sich auf ein Behandlungskonzept einigen, das in SOPs („standard operating procedures“) festgeschrieben ist.</li> </ul> </div> <p>Die wichtigste Voraussetzung für eine funktionierende und für den Patienten bestmögliche Versorgung ist, dass der Fall des Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose mit einem adäquaten Bildmaterial im Tumorboard diskutiert wird. Hierbei sollte der Case-Manager (der den Patienten auch wirklich kennt) den Patienten mit seinen aktuellen Symptomen und Komorbiditäten und zumindest einem CT von Leber/Thorax/Abdomen vorstellen. Ein auf dem Gebiet des Gastrointestinaltrakts erfahrener Radiologe wird das Ausmaß der Erkrankung anhand der Bilder illustrieren und die Tumorboardmitglieder (ideal: GI-Radiologe, interventioneller Radiologe, Gastroenterologe, medizinischer Onkologe, Pathologe, chirurgischer Onkologe – CRC-Spezialist, Leberchirurg –, Strahlentherapeut, Anästhesist) sollten sich anhand der vorhandenen Information auf ein Behandlungskonzept einigen, das idealerweise in SOPs („standard operating procedures“) festgeschrieben ist, weil sich daran die Uniformität der Behandlung erkennen lässt.</p> <p>Wenn man die Literatur betrachtet, ist leider eindeutig, dass lediglich in spezialisierten Zentren, wo die Expertise oben genannter Spezialisten zu jeder Zeit vorhanden ist, die Möglichkeiten der kurativen Behandlung am besten ausgereizt werden. Es lässt sich deutlich nachvollziehen, dass aufgrund der unzureichenden Information über die Möglichkeiten der Resektion sowohl am Primum als auch vor allem an Leber und Lunge leider nur einem geringen Prozentsatz der Patienten mit Metastasen eine potenziell kurative Behandlung angeboten wird. Es ist heute nicht nur durch den Einsatz einer Vielzahl von wirksamen Substanzen eine erfreuliche Verlängerung des medianen Überlebens beim metastasierten kolorektalen Karzinom (mCRC) festzustellen, sondern es wäre durch die technisch-chirurgischen Entwicklungen essenziell notwendig, diesen Patienten auch eine potenziell kurative Therapieoption anzubieten.</p> <h2>FIRE-3-Studie</h2> <p>Ganz aktuell wurde am ESMO-Kongress in Kopenhagen die FIRE-3-Studie hinsichtlich des Angebots einer Resektion von Metastasen analysiert.<sup>1</sup> Die initialen Bilder und die Bilder zum Zeitpunkt der besten Response von 448 in die Studie randomisierten Patienten wurden 8 Leberchirurgen und 3 Onkologen gezeigt und die Ärzte wurden ersucht, die Möglichkeit der kurativen Operation zu evaluieren. Nach Einschätzung der Spezialisten waren 21,7 % der Patienten bereits bei Diagnosestellung resektabel, dieser Prozentsatz erhöhte sich auf 53,1 % zum Zeitpunkt des besten Ansprechens (Abb. 1, 2). Wenn man sich vorstellt, dass die FIRE-3-Studie eine der derzeit meistdiskutierten palliativen Studien ist, verwundert es, dass jeder 5. Patient der Studie aufgrund der Resektabilität seines Tumors eigentlich von der Studie ausgeschlossen sein sollte. Noch viel dramatischer wird die Situation, wenn man sich vorstellt, dass bei mehr als der Hälfte der Patienten während ihrer Behandlung eine Phase eintrat, in der das mCRC potentiell heilbar war, aber in Wahrheit lediglich bei 13 % der Patienten in der Studie der Tumor reseziert wurde. Diese Ergebnisse sind ein trauriger Beweis dafür, dass leider weiterhin viele erfahrene Behandler von mCRC-Patienten die für den Patienten essenzielle Notwendigkeit einer Diskussion seines Falls im Rahmen eines MDT-Meetings nicht wahrnehmen. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite30.jpg" alt="" width="713" height="529" /> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite32_1.jpg" alt="" width="713" height="529" /></p> <p>Wenn man nun die tägliche Praxis beleuchtet – und damit ist österreichweit die Diskussion von mCRC-Patienten in Tumorboards gemeint –, ist die Etablierung von MDT-Treffen in den meisten Spitälern vollzogen, sie gehören zur wöchentlichen Praxis in der Behandlung von Tumorpatienten. Natürlich kann nicht in jedem Tumorboard ein ausgewiesener Spezialist für jeden Fachbereich sitzen, erfreulicherweise aber wird die Einholung einer sogenannten „second opinion“ an spezialisierten Zentren immer beliebter. Wir könnten uns die Erfahrung aus anderen Ländern zunutze machen, wo es üblich ist, die initialen Bilder von Patienten einer definierten geografischen Region (anhand von dort lebenden Bevölkerungszahlen) hinsichtlich ihrer möglichen Resektabilität von chirurgischen Spezialisten begutachten zu lassen. Dies ist mitunter – wie etwa in England – an die Erlaubnis der Verwendung spezifischer Substanzen gekoppelt, was in Zeiten der finanziellen Restriktionen in der Medizin auch bei uns üblich werden wird.</p> <h2>Drei spezialisierte onkologische Zentren vorgesehen</h2> <p>Für die optimierte Versorgung von Tumorpatienten im Wiener Raum sieht die Zukunft eine organspezifische Zuteilung zu drei onkologischen Zentren vor, welche im sogenannten Masterplan des KAV abgebildet ist. In diesen Zentren wird in Anlehnung an weltweit etablierte Cancer Centers auf Basis eines für Patienten wie Mediziner und Pflegepersonen ersichtlichen Organigramms die Tumorerkrankung von der Detektion bis zur Behandlung abgebildet. Definierte SOPs ebnen den Weg zu etablierten Behandlungspfaden, Studienbeteiligungen ermöglichen die Offerierung neuester Behandlungskonzepte. Die Einbeziehung des niedergelassenen Bereichs zur adäquaten Strukturierung der Patientenströme und die Aufklärung über die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten werden wichtige Instrumente zur Verbesserung der Prognose darstellen und somit auch das Angebot von heilenden Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen. Exemplarisch sei ein Behandlungspfad angeführt, bei dem häufig synchron diagnostizierte mCRC an unserem Zentrum dargestellt werden (Abb. 3). <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1605_Weblinks_seite32_2.jpg" alt="" width="697" height="681" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Neumann U et al: Evaluation for surgical treatment options in metastatic colorectal cancer (mCRC) – a retro­spective, central evaluation of FIRE-3. ESMO 2016, Abstract 468PD</p>
</div>
</p>
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