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Iatrogene Fertilitätsreduktion

Indikationen und Optionen zur Fertilitätsprotektion

<p class="article-intro">Nach einer Empfehlung vom ASCO 2011 sollten alle Frauen im Alter von 14 bis 40 Jahren, die eine onkologische Therapie benötigen, welche die Ovarien nachhaltig schädigen könnte, sobald wie möglich von Onkologen an reproduktionsmedizinische Spezialisten weitergeleitet werden.<sup>1</sup></p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Einleitung</h2> <p>Eine Chemo- und/oder Strahlentherapie zur Behandlung onkologischer oder autoimmunbedingter Erkrankungen sch&auml;digt die Eierstockfunktion meist nachhaltig. Die radikale Reduktion der Eizellreserve f&uuml;hrt zu einer deutlichen Beeintr&auml;chtigung der Reproduktionsf&auml;higkeit und der endokrinen Funktion bis hin zum vorzeitigen Versagen der Ovarialfunktion (POF). Die Inzidenzen f&uuml;r eine Vielzahl von Krebserkrankungen sind nach wie vor im Steigen begriffen, gleichzeitig hat sich vor allem in den Industrienationen wegen sozio&ouml;konomischer und karrierebedingter Ursachen sowie aus politischen Gr&uuml;nden in den letzten Jahrzehnten der Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes immer mehr ins h&ouml;here reproduktive Alter der Frau verschoben. Aufgrund der st&auml;ndig steigenden &Uuml;berlebensraten muss daher den langfristigen Nebenwirkungen einer onkologischen Therapie wie z.B. der vorzeitigen Ovarialinsuffizienz mehr Bedeutung zugemessen werden. Die m&ouml;gliche gonadale Sch&auml;digung h&auml;ngt vor allem vom Alter der Patientin, der Dosis, dem Schema und der Dauer der Chemo- und/oder Strahlentherapie ab. Genauere Information und ausf&uuml;hrliche Aufkl&auml;rung &uuml;ber das eigene zuk&uuml;nftige Fertilit&auml;tspotenzial und eventuelle diesbez&uuml;gliche Einschr&auml;nkungen einer onkologischen Therapie durch die behandelnden &Auml;rzte sind daher als Teil der Aufkl&auml;rung der Krebstherapie notwendig und von einer &uuml;berwiegenden Mehrheit der Patientinnen ausdr&uuml;cklich erw&uuml;nscht.<sup>2</sup></p> <h2>Ovaripexie &ndash; Transposition der Ovarien</h2> <p>Ist bei der Patientin ausschlie&szlig;lich eine Strahlentherapie unter Miteinbeziehung des kleinen Beckens geplant, kann zum Schutz der Ovarien mit laparoskopischer Technik eine Transposition der Ovarien au&szlig;erhalb des vorgesehenen Bestrahlungsfeldes durchgef&uuml;hrt werden. Die genaue individuelle Prognose des Ovarschutzes ist schwierig, da dieser von der Streustrahlung, dem Alter, der Gesamtstrahlendosis, der durch die Bestrahlung hervorgerufenen Beeintr&auml;chtigung der versorgenden Gef&auml;&szlig;e und der Strahlenapplikationsart abh&auml;ngt. Erfolgsraten von bis zu 85 % sind in der Literatur beschrieben.<sup>3</sup></p> <h2>Ovarschutz durch GnRH-Analoga</h2> <p>Die Substanzgruppe der GnRH-Analoga wird bei der Behandlung von Patientinnen mit &ouml;strogenrezeptorpositivem Mammakarzinom, in der assistierten Reproduktion und in der Endometriosetherapie seit Jahren eingesetzt. Durch die Herabsetzung der Empf&auml;nglichkeit der Ovarien f&uuml;r die k&ouml;rpereigenen Gonadotropine durch Applikation eines GnRHAgonisten werden die Eierst&ouml;cke in einen der Pr&auml;pubert&auml;t vergleichbaren Ruhezustand gebracht &ndash; was in einer wesentlich geringeren Sch&auml;digung der Eierst&ouml;cke unter Chemotherapie resultieren sollte. Die Wirksamkeit dieser Therapieform ist zwar noch nicht g&auml;nzlich bewiesen, erste Metaanalysen weisen aber auf einen ovarprotektiven Effekt hin.<sup>4</sup> Die ASCO weist in ihren Leitlinien aus dem Jahr 2013 darauf hin, dass GnRH-Analoga additiv und nicht als einzige Therapieoption gegeben werden sollen.<sup>5</sup> Diese Empfehlung entspricht auch dem Vorgehen der ESMO und ASRM.<sup>6</sup><br /> Der Vorteil in dieser Therapieoption besteht darin, dass sie sehr schnell realisiert werden kann; insbesondere bei fehlenden therapeutischen Alternativen zum Fertilit&auml;tserhalt sollte diese Methode chemotherapeutisch behandelten Patientinnen angeboten werden.</p> <h2>Kryokonservierung von Oozyten/Embryonen</h2> <p>Die In-vitro-Fertilisation (IVF) und die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) sind voll etablierte assistierte Reproduktionstechniken, die bei ausreichend vorhandener Zeit bis zum Beginn der geplanten onkologischen Therapie angewendet werden k&ouml;nnen. F&uuml;r eine entsprechende Stimulationsbehandlung ist heute ein Zeitfenster von ca. 2 Wochen n&ouml;tig. Problematisch bei dieser Methode ist, dass die begrenzte Anzahl von Oozyten/Embryonen, die gewonnen und eingefroren werden k&ouml;nnen, in einer eingeschr&auml;nkten Anzahl von Transfers resultiert, womit wiederum die zu erwartende kumulative Schwangerschaftsrate bei ungef&auml;hr 40 % liegt. Dieses Verfahren gilt seit 2013 nicht mehr als experimentell,<sup>7</sup> jedoch liegen bislang zu wenig Daten vor, um exakte Prognosen in Bezug auf zu erwartende Lebendgeburtenraten bei Krebspatientinnen geben zu k&ouml;nnen. Im Kollektiv der infertilen Normalbev&ouml;lkerung betr&auml;gt die Lebendgeburtenrate pro eingefrorener Eizelle in den weltweit erfahrensten Zentren laut Donnez et al durchschnittlich 6 % . Das kann bedeuten, dass man mitunter bis zu zwanzig Eizellen f&uuml;r eine Lebendgeburt ben&ouml;tigt.<sup>8</sup> Bei an Krebs erkrankten Frauen falle die erwartete Anzahl gewonnener Eizellen jedoch m&ouml;glicherweise niedriger aus.<sup>9</sup> Jedes gealterte Jahr senkt die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r eine Lebendgeburt um etwa 7 % . Frauen, die &auml;lter als 38 Jahre sind und bei denen weniger als 8 Eizellen gewonnen werden k&ouml;nnen, haben Studien von Cobo et al zufolge eine drastisch reduzierte Lebendgeburtenrate.<sup>10</sup><br /> Dar&uuml;ber hinaus ist ein Wechsel des Partners bei schon eingefrorenen Embryonen, abgesehen von den zu erwartenden rechtlichen Problemen, zumindest genetisch nicht mehr m&ouml;glich. Weiters kann mit dieser Methode die endokrine Funktion weder gesch&uuml;tzt noch wiederhergestellt werden. Daher soll der Patientin vor Beginn der Stimulationsbehandlung zus&auml;tzlich die M&ouml;glichkeit der Ovargewebeeinlagerung dargelegt und dokumentiert werden. Entscheidet sich die Patientin f&uuml;r eine zus&auml;tzliche Kryokonservierung, so ist die operative Entnahme im Anschluss an die IVF-Behandlung durchzuf&uuml;hren.</p> <h2>Kryokonservierung von Ovargewebe</h2> <p>Im Gegensatz zur Oozyten- oder Embryonenkryokonservierung bietet die ovarielle Kryokonservierung (&bdquo;ovarian tissue banking&ldquo;, OTB) den Vorteil einer gro&szlig;en Zahl verf&uuml;gbarer Keimzellen, die sich zum &uuml;berwiegenden Teil in dem f&uuml;r den Einfriervorgang g&uuml;nstigeren Ruhepool befinden. Zus&auml;tzlich kann eine Kryopr&auml;servation von Eierstockgewebe im Gegensatz zu einer IVF-Therapie oder einer Downregulation mittels GnRH-Analoga sehr kurzfristig ohne Terminverz&ouml;gerung, hormonelle Belastung sowie unabh&auml;ngig vom Alter und Partnerstatus der Patientin durchgef&uuml;hrt werden. Besonders zu unterstreichen ist, dass dies die einzige Methode darstellt, mit der eine Rekonstitution der Fertilit&auml;t und der endokrinen Funktion m&ouml;glich ist. Die Entnahme von ungef&auml;hr der H&auml;lfte des Ovarialkortex erfolgt in laparoskopischer Technik, die anschlie&szlig;ende Verarbeitung, Aufbereitung und Kryokonservierung erfolgt nach strikt festgelegten Qualit&auml;tsstandards im Labor einer Gewebebank (Abb. 1). Nach einem ausreichend langen rezidivfreien Intervall kann bei Vorliegen eines POF (&bdquo;premature ovarian failure&ldquo;) und entsprechendem Kinderwunsch das Gewebe &uuml;blicherweise orthotop in das verbliebene kontralaterale Ovar retransplantiert werden.<sup>11, 12</sup><br /> Voraussetzungen und Indikationen f&uuml;r OTB sind:</p> <ul> <li>M&auml;dchen und Frauen bis zu einem Alter von 35&ndash;37 Jahren (mit einer dem Alter entsprechenden ovariellen Follikelreserve), bei denen eine Chemotherapie oder eine andere die Eierstockfunktion sch&auml;digende Therapie geplant ist.</li> <li>Keine ovarielle Beteiligung an der Grunderkrankung, auch d&uuml;rfen keine Tumoren mit hohem Risiko einer ovariellen Beteiligung (metastasierter Brustkrebs, Ovarialkarzinom etc.) vorliegen.</li> <li>Der Zeitabstand zwischen der Laparoskopie und der geplanten Chemotherapie sollte drei Tage nicht unterschreiten.</li> <li>Der Eingriff f&uuml;r OTB darf die Sicherheit der Patientin nicht gef&auml;hrden.</li> </ul> <p><br /> Bei der Kryokonservierung von Ovarialgewebe ist zu bedenken, dass die internationalen Erfahrungen mit dieser Technik noch begrenzt sind. Die Geburt von &uuml;ber 60 Kindern und mehrere weitere Schwangerschaften weisen aber auf das hohe Potenzial hin.<sup>13, 14</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s44_abb1.jpg" alt="" width="686" height="718" /></p> <h2>Allgemeine Empfehlungen zur Fertilit&auml;tserhaltung</h2> <p>Die Inhalte der Beratungsgespr&auml;che sowie die daraus resultierende Behandlung sollten als Teil der onkologischen Behandlung angesehen und auch dort dokumentiert werden; alle Methoden der Ovarprotektion sollten interdisziplin&auml;r in Betracht gezogen werden. Die zur Fertilit&auml;tserhaltung geplanten Ma&szlig;nahmen d&uuml;rfen jedoch zu keiner Zeit die Effektivit&auml;t der onkologischen Behandlung negativ beeinflussen oder den Therapiestart relevant verz&ouml;gern (Abb. 2).<br /> An der Gyn&auml;kologischen Abteilung des Landesklinikums Korneuburg wird in Zusammenarbeit mit dem Ober&ouml;sterreichischen Roten Kreuz/der Gewebebank Linz im Zuge der &bdquo;Ferti-Save Initiative&ldquo; seit dem Jahr 2012 eine Kryokonservierung ovariellen Gewebes vorgenommen. Um m&ouml;glichst viele betroffene Frauen kompetent beraten zu k&ouml;nnen, ist die Schaffung einer Fertilit&auml;ts-/Protektions-Sprechstunde an der Gyn&auml;kologischen Abteilung des LK Korneuburg geplant. Ziel ist es, durch die interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit zwischen Onkologie und Gyn&auml;kologie einerseits und spezialisierten Gewebebanken andererseits ein Netzwerk &ouml;ffentlicher Institutionen zu etablieren. Damit soll einer m&ouml;glichst breiten Schicht onkologischer Patientinnen der Zugang zu den Techniken der Fertilit&auml;tserhaltung als Teil der Krebstherapie erm&ouml;glicht werden. Die Behandlungen mit GnRH-Analoga, Ovaripexie und Ovarian Tissue Banking k&ouml;nnen direkt an der Gyn&auml;kologischen Abteilung LK Korneuburg durchgef&uuml;hrt werden, f&uuml;r eine IVF-Behandlung zur Eizellgewinnung ist geplant, die Patientinnen an niedergelassene IVF-Institute weiterzuschicken.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s44_abb2.jpg" alt="" width="1454" height="1459" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Lee JS et al: American Society of Clinical Oncology recommendations on fertility preservation in cancer patients. J Clin Oncol 2006; 24(18): 2917-31 <strong>2</strong> Partridge AH et al: Web-based survey of fertility issues in young women with breast cancer. J Clin Oncol 2004; 22(20): 4174-83 <strong>3</strong> Bisharah M, Tulandi T: Laparoscopic preservation of ovarian function: an underused procedure. Am J Obstet Gynecol 2003; 188(2): 367-70 <strong>4</strong> Bedaiwy MA et al: Gonadotropin- releasing hormone analog cotreatment for preservation of ovarian function during gonadotoxic chemotherapy: a systematic review and meta-analysis. Fertil Steril 2011; 95: 906-14 <strong>5</strong> Loren AW et al: Fertility preservation for patients with cancer: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline update. J Clin Oncol 2013; 31(19): 2500-10 <strong>6</strong> Peccatori FA et al: Cancer, pregnancy and fertility: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2013; 24 Suppl 6: vi160-70 <strong>7</strong> Practice Committee of American Society for Reproductive Medicine: Fertility preservation in patients undergoing gonadotoxic therapy or gonadectomy: a committee opinion. Fertil Steril 2013; 100(5): 1214- 23 <strong>8</strong> Donnez J, Dolmans MM: Ovarian tissue freezing: current status. Curr Opin Obstet Gynecol 2015, 27(3): 222-30 <strong>9</strong> Cakmak H, Rosen MP: Ovarian stimulation in cancer patients. Fertil Steril 2013; 99(6): 1476-84 <strong>10</strong> Rienzi L et al: Consistent and predictable delivery rates after oocyte vitrification: an observational longitudinal cohort multicentric study. Hum Reprod 2012; 27(6):1606-12 <strong>11</strong> Donnez J et al: Livebirth after orthotopic transplantation of cryopreserved ovarian tissue. Lancet 2004; 364(9443): 1405-10 <strong>12</strong> Revelli A et al: Live birth after orthotopic grafting of autologous cryopreserved ovarian tissue and spontaneous conception in Italy. Fertil Steril 2013; 99(1): 227-30 <strong>13</strong> Donnez J et al: Children born after autotransplantation of cryopreserved ovarian tissue. A review of 13 live births. Ann Med 2011; 43(6): 437-50 <strong>14</strong> Donnez J, Dolmans MM: Ovarian cortex transplantation: 60 reported live births brings the success and worldwide expansion of the technique towards routine clinical practice. J Assist Reprod Genet 2015; 32(8): 1167-70</p> </div> </p>
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