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Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren bei Kopf-Hals-Tumoren – Chancen und Pitfalls

<p class="article-intro">Plattenepithelkarzinome des Kopf-Hals-Bereiches (KHT) sind die weltweit sechsthäufigste Tumorentität.1 Die Prognose im metastasierten oder rezidivierten (R/M) Stadium ist weiterhin schlecht, mit medianen Überlebensraten von ca. 10 Monaten.2 Nach Versagen einer Platin-basierten Erstlinientherapie beträgt das mediane Gesamtüberleben ungefähr 6 Monate.3 Die Überlegenheit und Effektivität einer zytotoxischen Chemotherapie in diesem Setting im Vergleich zu „best supportive care“ konnten bis dato nicht in einer randomisierten Phase-III-Studie gezeigt werden. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Durch die Zulassung der neuen Checkpoint-Inhibitor(CPI)-Immuntherapeutika hat sich die t&auml;gliche klinische Praxis in vielen Bereichen der Onkologie gewandelt. Die Therapielandschaft von R/M KHT hat sich mit der europ&auml;ischen Zulassung von Nivolumab nun ebenfalls ver&auml;ndert. KHT eignen sich aus mehreren Gr&uuml;nden besonders f&uuml;r eine Immuntherapie mittels CPI: Die Mutationsrate von KHT ist im Vergleich zu anderen Tumorentit&auml;ten besonders hoch, wodurch eine h&ouml;here Anzahl an Tumorneoantigenen exprimiert wird, was mit dem Ansprechen auf CPI korreliert.<sup>4</sup> Zus&auml;tzlich geh&ouml;ren neben der virologischen Genese von HPV-positiven Oropharynxkarzinomen sowohl HPV-positive als auch HPV-negative Tumoren zu jenen Tumorentit&auml;ten mit der h&ouml;chsten Anzahl von tumorinfiltrierenden Lymphozyten.<sup>5</sup> Durch unterschiedliche Mechanismen wie zum Beispiel die Herunterregulierung von &bdquo;Humane-Leukozyten-Antigen&ldquo;(HLA)-Komplex oder Hochregulierung von &bdquo;programmed cell death protein-1&ldquo; (PD-1) nach Strahlen- oder Chemotherapie entkommen KHT jedoch trotz der oben genannten prim&auml;r g&uuml;nstigen immunologischen Umgebung der T-Zell-vermittelten Immunantwort.<sup>6</sup> Exposition mit einem PD-1-CPI sollte die Immunantwort theoretisch wiederherstellen und zur Tumor&shy;elimination f&uuml;hren.</p> <h2>CheckMate-141-Studie</h2> <p>Die oben erw&auml;hnte europ&auml;ische Zulassung von Nivolumab zur Behandlung von R/M KHT, die w&auml;hrend oder nach einer Platin-basierten Chemotherapie innerhalb von 6 Monaten progredient sind, basiert auf den Daten der CheckMate-141-Studie. <br />In dieser randomisierten Phase-III-Studie wurde die Effektivit&auml;t des PD-1-Antik&ouml;rpers Nivolumab von R/M-KHT-Patien-ten, die w&auml;hrend oder nach einer Platin-basierten Chemotherapie innerhalb von 6&nbsp;Monaten progredient waren, im Vergleich zu einer Therapie untersucht, die vom jeweiligen klinischen Pr&uuml;fer ausgew&auml;hlt wurde (Docetaxel, Methotrexat oder Cetuximab). Prim&auml;rer Endpunkt war das Gesamt&uuml;berleben (OS). Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da das Studienziel erreicht wurde und die &Uuml;berlegenheit von Nivolumab gezeigt werden konnte. Die Patientengruppe, die mit Nivolumab therapiert wurde (241 Patienten), hatte ein OS von 7,5 Monaten und eine 1-Jahres-&Uuml;berlebensrate von 36 % im Vergleich zu 5,1 Monaten und 16,6 % in der Kontrollgruppe (121 Patienten) (HR: 0,70; 95 % CI: 0,51&ndash;0,96; p=0,0101). Die 6-Monats-Rate f&uuml;r das progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS) war 19,7 % in der Nivolumab-Gruppe und 9,9 % in der Kontrollgruppe, wobei das mediane PFS (2,0 vs. 2,3 Monate) nicht unterschiedlich war. In der Subgruppenanalyse zeigt sich ein besonderer Vorteil bei p16-positiven Patienten (HR: 0,56; 95 % CI: 0,32&ndash;0,99) und bei Patienten mit einer PD-L1-Expression der Tumorzellen &gt;1 % (HR: 0,55; CI: 0,36&ndash;0,81). Grunds&auml;tzlich profitieren jedoch auch p16- und PD-L1-negative Patienten, wobei die Studie nicht darauf ausgelegt war, einen Unterschied in den Subgruppen zu detektieren. Die Ansprechrate (ORR) betrug 13,3 % im Nivolumab-Arm vs. 5,8 % im Standardtherapie-Arm. Durch Nivolumab-Therapie konnten alle Lebensqualit&auml;ts- und Symptomparameter (l&auml;nger) stabil gehalten werden, w&auml;hrend sie sich durch Chemotherapie rascher verschlechterten.<sup>7</sup></p> <p><strong>Bewertung der CheckMate-141-Studie durch den Autor</strong></p> <p>Bis zur Publikation der CheckMate-141-Studie konnte keine randomisierte Phase-III-Studie einen &Uuml;berlebensvorteil als Zweitlinientherapie nach Platin-Versagen bei R/M KHT Patienten nachweisen. Die Aufnahme von Nivolumab in die amerikanischen und international angewendeten NCCN-Leitlinien zur Behandlung von KHT in dieser Indikation und die daraus abgeleitete Kategorie-I-Empfehlung erscheint daher gerechtfertigt. Hervorzuheben ist auch die Verbesserung der Lebensqualit&auml;ts- und Symptomparameter, was bei KHT ebenfalls mit dem OS korreliert. Ein Vorenthalten von Nivolumab aufgrund von PD-L1-Negativit&auml;t erscheint aufgrund der vorliegenden Daten nicht gerechtfertigt. Wir beobachten auch bei PD-L1-negativen Tumoren eine ORR von 10 % . Dennoch sind einige Aspekte zu bedenken bzw. auch kritisch zu hinterfragen: <br />Erstens geht aus den Studiendaten nicht hervor, welche Platin-Kumulativdosis verabreicht wurde. Das ist vor allem deshalb entscheidend, weil Patienten, die mit konkomitanter Radiochemotherapie im lokal fortgeschrittenen Setting behandelt werden, mindestens eine Kumulativdosis von 200mg/m<sup>2</sup> Cisplatin erhalten m&uuml;ssen, damit ein Chemotherapie-Effekt auf das OS nachgewiesen werden kann. Zweitens deckt sich der Vergleichsarm mit MTX, Docetaxel oder Cetuximab in dieser Subpopulation (d.h., Patienten die nach oder w&auml;hrend Radiochemotherapie innerhalb von 6 Monaten progredient sind) nicht mit der klinischen Praxis und erscheint inferior z.B. gegen&uuml;ber einer Taxan-plus-Cetuximab-Kombination. Drittens muss angemerkt werden, dass nur eine Minderheit der Patienten profitiert.<br />Im klinischen Alltag begegnen wir daher 3 Standardsituationen bei R/M KHT, in denen Nivolumab grunds&auml;tzlich zugelassen sein wird.<br />Erstlinientherapie:</p> <ul> <li>Patienten, die Induktionschemotherapie (Docetaxel, Cisplatin und 5-FU) gefolgt von Radiatio (+/&ndash; Cetuximab) erhalten haben und w&auml;hrend der Radiatio oder innerhalb von 6 Monaten progredient sind</li> <li>Patienten, die nach oder w&auml;hrend prim&auml;rer Radiochemotherapie mit Cisplatin innerhalb von 6 Monaten progredient sind. Hier besteht, wie oben erw&auml;hnt, auch die M&ouml;glichkeit, Patienten mit einer Taxan/Cetuximab-Kombination zu behandeln</li> </ul> <p>Zweitlinientherapie:</p> <ul> <li>Patienten, die eine palliative Chemotherapie mit Cisplatin/5-FU (oder Docetaxel) plus Cetuximab im R/M-Setting erhalten haben und innerhalb von 6 Monaten progredient sind</li> </ul> <h2>Biomarker</h2> <p>Die Biomarker-Frage muss derzeit weiter offenbleiben. PD-L1-Positivit&auml;t eignet sich zwar als Anreicherungsmarker, jedoch profitieren auch Patienten von einer CPI-Inhibitor-Therapie, deren Tumor PD-L1 nicht exprimiert. Rezente Daten der CheckMate-141-Studie, die am AACR-2017-Meeting pr&auml;sentiert wurden, zeigen, dass die PD-L1-Expression der Immunzellen auch bei KHT einen zus&auml;tzlichen Parameter zur Vorhersage auf das Ansprechen auf CPI liefert. Andere Biomarker wie die Bestimmung der Mutationslast sind nicht validiert und im klinischen Alltag (noch) nicht einsetzbar. Wie ebenfalls am AACR-2017-Kongress pr&auml;sentiert, konnte leider auch die Charakterisierung des Mikrobioms im Speichel keinen Hinweis auf jene Patienten liefern, die besonders gut oder schlecht auf eine CPI-Therapie ansprechen.</p> <h2>Hyperprogression</h2> <p>Ein klinisch und wissenschaftlich interessantes Ph&auml;nomen, das bis dato nur mangelhaft erfasst wurde, ist die Hyperprogression unter CPI-Therapie. Hierbei handelt es sich nicht um eine Pseudoprogression, sondern um eine fulminante echte Progression des Tumors (mindestens Verdoppelung der Tumorwachstumsrate) infolge der CPI-Therapie innerhalb von 8 Wochen nach Therapiebeginn. Laut einer rezenten Studie scheinen davon ungef&auml;hr 9 % der Patienten betroffen zu sein, wobei die Dunkelziffer h&ouml;her liegen d&uuml;rfte, da ein kleiner Teil der Patienten, die mit CPI behandelt wurden, bereits vor dem ersten Restaging verstorben ist.<sup>8</sup> Eine Korrelation mit bestimmten Tumorentit&auml;ten besteht nicht, jedoch d&uuml;rfte vor allem eine Assoziation mit dem Alter des Patienten (Risiko &gt;65 Jahre) bestehen. Das OS ist bei Patienten mit Hyperprogression deutlich vermindert (Abb. 1, rote Kurve).<sup>8</sup> Die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen sind ungekl&auml;rt, wobei vor allem eine Korrelation der Hyperprogression mit MDM2/4- und EGFR-Mutationen (auch bei KHT-Patienten) bestehen d&uuml;rfte.<sup>9</sup> Im klinischen Alltag w&auml;re vor allem eine pathologische Untersuchung von Patienten, die bereits vor der ersten Bildgebung unter CPI-Therapie versterben, anzustreben, um das Ph&auml;nomen der Hyperprogression besser zu verstehen bzw. &uuml;berhaupt zu detektieren.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Therapie mit dem CPI Nivolumab gem&auml;&szlig; der europ&auml;ischen Zulassung bei R/M-KHT-Patienten nach Progression unter/nach Platin-Therapie ist nun &bdquo;standard of care&ldquo;. Als problematisch erweist sich, dass nur eine Minorit&auml;t der Patienten profitiert und kein pr&auml;diktiver Biomarker existiert, um diese Population zu identifizieren. Abgesehen davon scheint bei einem kleinen Teil der Patienten eine Hyperprogression unter CPI-Therapie vorzukommen. In Zukunft wird dieses Ph&auml;nomen intensiver untersucht, die pr&auml;diktive Biomarker-Entwicklung weiter angestrebt und die Effektivit&auml;t von CPI-Therapien mittels Kombinationstherapien optimiert werden m&uuml;ssen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Jemal A et al.: Global cancer statistics. CA Cancer J Clin 2011; 61(2): 69-90 <strong>2</strong> Vermorken JB, Specenier P: Optimal treatment for recurrent/metastatic head and neck cancer. Ann Oncol 2010; 7: vii252-61 <strong>3</strong> Stewart JS et al.: Phase III study of gefitinib compared with intravenous methotrexate for recurrent squamous cell carcinoma of the head and neck [corrected]. J Clin Oncol 2009; 27(11), 1864-71 <strong>4</strong>&nbsp;Alexandrov LB et al.: Signatures of mutational processes in human cancer. Nature 2013; 500(7463), 415-21 <strong>5</strong> Mandal R et al.: The head and neck cancer immune landscape and its immunotherapeutic implications. JCI insight 2016; 1(17): e89829 <strong>6</strong> Ferris RL: Immunology and immunotherapy of head and neck cancer. J Clin Oncol 2015; 33(29): 3293-304 <strong>7</strong> Ferris RL et al.: Nivolumab for recurrent squamous-cell carcinoma of the head and neck. N Engl J Med 2016; 375(19): 1856-67 <strong>8</strong> Champiat S et al.: Hyperprogressive disease is a new pattern of progression in cancer patients treated by anti-PD-1/PD-L1. Clin Cancer Res 2017; 23(8), 1920-8 <strong>9</strong> Kato S et al.: Hyper-progressors after immunotherapy: analysis of genomic alterations associated with accelerated growth rate. Clinical Cancer Res 2017; doi: 10.1158/1078-0432.CCR-16-3133; [Epub ahead of print]</p> </div> </p>
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