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Immuntherapie bei östrogenrezeptorpositivem Brustkrebs nicht aufgeben

<p class="article-intro">26 Millionen Zellen von etwa 140 Brustkrebspatientinnen untersuchte die Forscherin Johanna Wagner, MSc, am Institut für Molekulare Lebenswissenschaften an der Universität Zürich in der Gruppe von Prof. Dr. med. Bernd Bodenmiller im Rahmen ihrer Dissertation. Der Fokus lag dabei auf der Entschlüsselung des Tumorökosystems, also der Zusammensetzung von Tumoren aus Krebs- und Immunzellen. Welche Erkenntnisse sie bezüglich der Heterogenität von Tumoren erlangte und welche Rolle die Immuntherapie bei östrogenrezeptorpositivem Brustkrebs spielen könnte, lesen Sie im nachfolgenden Interview.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><em><strong>Ihre Arbeit behandelt ja das &Ouml;kosystem eines Tumors, welches bekanntlich u. a. aus Immun- und Stromazellen besteht. Welche Bedeutung hat dieses f&uuml;r den Erfolg von zielgerichteten Therapien? </strong></em><br /><em><strong>J. Wagner:</strong></em> Zuerst ist es wichtig, hervorzuheben, dass in der Grundlagenforschung ein Perspektivenwechsel stattgefunden hat, sodass bei Krebs nicht nur die Krebszellen isoliert betrachtet werden, sondern das gesamte Gewebe. Dies ist auch unsere Herangehensweise. Im Tumor&ouml;kosystem interagieren und kommunizieren Krebszellen mit den umliegenden Zellen, wie zum Beispiel Immunund Stromazellen und Zellen der Blutgef&auml;sse, f&uuml;r das Wachsen und &Uuml;berleben des Tumors. Diese Interaktionen sind somit f&uuml;r zielgerichtete Therapien bedeutsam, um das Tumorwachstum zu behindern und den Tumor zu eliminieren. Eine wichtige Frage f&uuml;r die Grundlagenforschung ist demnach, wie Tumor&ouml;kosysteme zusammengesetzt sind: Welche Zellarten sind vorhanden und in welcher Menge? Gleichzeitig interessiert uns die Verschiedenartigkeit der Zellen, also ihr molekulares &laquo;Aussehen&raquo;, denn dies kann entscheidend f&uuml;r die Interaktion mit Krebszellen sein und k&ouml;nnte auch ein Angriffspunkt f&uuml;r Therapien sein. Daf&uuml;r haben wir umfassend untersucht, welche Proteine im Inneren und auf der Oberfl&auml;che von mehreren Millionen Krebs- und Immunzellen vorkommen, um m&ouml;gliche krebsunterst&uuml;tzende oder -hemmende Interaktionen zu entdecken.</p> <p><em><strong>Inwiefern spielen dabei die ebenfalls von Ihnen untersuchten Tumor-assoziierten Makrophagen (TAM) eine Rolle? </strong></em><br /><em><strong>J. Wagner:</strong></em> Makrophagen sind mit T-Zellen die h&auml;ufigsten im Brustkrebs vorkommenden Immunzellen. Normalerweise erf&uuml;llen Makrophagen die wichtige Aufgabe, k&ouml;rperfremde Noxen und entartete Zellen durch Phagozytose zu entfernen. Zus&auml;tzlich pr&auml;sentieren sie Antigene, die zum Beispiel auf der Oberfl&auml;che von Krebszellen vorkommen, und k&ouml;nnen andere Immunzellen wie zytotoxische T-Zellen zur Eliminierung der Krebszellen aktivieren. TAM k&ouml;nnen jedoch auch den Krebs in seinem Wachstum unterst&uuml;tzen, indem sie zum Beispiel die krebsbek&auml;mpfenden Aktionen des Immunsystems unterdr&uuml;cken. Es kommt also auf den Ph&auml;notyp der Makrophagen an, ob sie den Tumor bek&auml;mpfen oder unterst&uuml;tzen. Angriffspunkte f&uuml;r zielgerichtete Therapien k&ouml;nnten folglich eine Umpolarisierung oder Blockade sch&auml;dlicher Makrophagen und eine Unterst&uuml;tzung n&uuml;tzlicher Makrophagen sein, f&uuml;r eine verst&auml;rkte Immunantwort gegen den Tumor.</p> <p><em><strong>K&ouml;nnte dies auch dazu f&uuml;hren, Immuntherapien effektiver zu machen? Derzeit sind ja die Ansprechraten beim Mammakarzinom um einiges geringer als z. B. beim Melanom oder Bronchialkarzinom. </strong></em><br /><em><strong>J. Wagner:</strong></em> Man vermutet, dass das verminderte Ansprechen auf Checkpoint- Inhibitoren bei vielen Mammakarzinomen mit einer geringeren Immunogenit&auml;t im Vergleich zu Melanomen oder Bronchialkarzinomen zu tun hat. Mammakarzinome produzieren oftmals weniger Antigene und wirken dadurch vermutlich weniger immunaktivierend als Melanome oder Bronchialkarzinome. Gleichzeitig unterscheiden sich die verschiedenen Subtypen von Mammakarzinomen im Ansprechen auf die Immuntherapie. Diese Subtypen werden bekanntermassen anhand der Expression des &Ouml;strogenrezeptors (ER), des Progesteronrezeptors (PR) und des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors 2 (HER2) bestimmt. Patientinnen mit tripelnegativem Tumor sprechen tendenziell besser auf Checkpoint-Inhibitor- Immuntherapie an als Patientinnen mit &ouml;strogenrezeptorpositivem Krebs. Eine Art von Checkpoint-Inhibitor-Immuntherapie zielt gegen die Interaktion zwischen dem Liganden &laquo;programmed cell death ligand 1&raquo; (PD-L1) und seinem Rezeptor &laquo;programmed cell death protein 1&raquo; (PD-1). PD-L1 kann sowohl von Krebszellen als auch von TAM pr&auml;sentiert werden und zum &laquo;Erm&uuml;den&raquo; und damit Abschalten von PD-1-positiven zytotoxischen T-Zellen f&uuml;hren. Wird diese Interaktion zwischen PD-L1 und PD-1 durch den Checkpoint-Inhibitor blockiert, kann dies eine Reaktivierung der zytotoxischen T-Zellen und einen Wiederangriff gegen den Krebs verursachen. <br />Momentan werden Checkpoint-Inhibitoren vor allem bei Patientinnen mit metastasierendem tripelnegativem oder HER2-positivem Brustkrebs eingesetzt. Wir konnten nun auch bei einigen Patientinnen mit nicht metastasierendem &ouml;strogenrezeptorpositivem Brustkrebs PD-L1-positive Tumor-assoziierte Makrophagen und &laquo;erm&uuml;dete&raquo; PD-1-positive T-Zellen im Prim&auml;rtumor entdecken. Obwohl die &ouml;strogenrezeptorpositive Patientinnengruppe momentan als eher ungeeignet f&uuml;r die Checkpoint-Inhibitor-Immuntherapie gilt, zeigen unsere Ergebnisse, dass die Forschung unbedingt auch bei dieser Patientinnengruppe dranbleiben muss, um herauszufinden, wer von der Immuntherapie zus&auml;tzlich zur Standardtherapie profitieren k&ouml;nnte. Dabei ist es sehr wichtig, nicht nur die Krebszellen, sondern auch die Immunzellen im Tumor&ouml;kosystem genau zu untersuchen.</p> <p><em><strong>In welchem Zusammenhang steht dazu die oft propagierte Heterogenit&auml;t innerhalb des Karzinoms bei einer einzelnen Patientin? </strong></em><br /><em><strong>J. Wagner:</strong></em> Unsere umfassende Analyse von Tumor&ouml;kosystemen zeigte ein spannendes Bild von Intratumorheterogenit&auml;t auf. Jeder untersuchte Tumor war einzigartig in seiner Zusammensetzung aus verschiedenartigen Krebszellen. Spannenderweise enthielten aggressivere Tumoren oft eine dominante Krebszellart, also einen Klon, der mehr als 50 % aller Krebszellen des Tumors ausmachte. Eigentlich wurde vermutet, dass gerade aggressivere Tumoren am diversesten sein sollten. Dieser dominante Klon war oft besonders stark ver&auml;ndert im Vergleich zu gesunden Epithelzellen der Mamma und unterschied sich von Patientin zu Patientin. Genetische Analysen deuteten bereits in diese Richtung und wir konnten dies nun auch auf Proteinebene best&auml;tigen. Es ist m&ouml;glich, dass diese stark ver&auml;nderten Krebszellen auch aggressiver sind, d. h. sich besser an die Bedingungen im Tumor&ouml;kosystem anpassen k&ouml;nnen, was wiederum in Zusammenhang mit Therapieresistenz, Wiederauftreten des Tumors und Metastasierung stehen k&ouml;nnte. <br />Dass bisherige Krebstherapien zwischen Patientinnen unterschiedlich effektiv sind, k&ouml;nnte damit zu tun haben, dass Tumoren so verschiedenartig zusammengesetzt sind. Spricht ein bestimmter dominanter Krebszellklon einer Patientin nicht gut auf die Therapie an, k&ouml;nnte dies zu einem schlechteren Krankheitsverlauf f&uuml;hren. Unsere Ergebnisse zeigen weniger, dass alle Tumoren gleich behandelt werden k&ouml;nnen. Deshalb pl&auml;dieren wir daf&uuml;r, dass eine umfassendere Analyse der Krebszellen eines Tumors Einzug in die Diagnostik h&auml;lt, als das bisher der Fall ist. Es gibt bereits eine Vielzahl von zielgerichteten Therapien, die bei verschiedenen Krebsarten eingesetzt werden. Es ist die grosse Aufgabe der zuk&uuml;nftigen Pr&auml;zisionsmedizin, das Therapiespektrum bei Brustkrebs zu erweitern und f&uuml;r jede Patientin die am besten geeignete Therapie zu ermitteln, f&uuml;r eine hohe Lebensqualit&auml;t und einen Sieg gegen Resistenz, Wiederauftreten und Metastasierung.</p> <p><em><strong>Sie haben ja mehr als 26 Millionen Zellen von 140 Patientinnen, haupts&auml;chlich von &ouml;strogenrezeptorpositivem Brustkrebs betroffen, analysiert. Worauf lag Ihr Hauptaugenmerk? </strong></em><br /><em><strong>J. Wagner:</strong></em> Unser Interesse galt gezielt Proteinen, die bei Brustkrebs heterogen exprimiert werden, bekanntermassen wichtig f&uuml;r die Tumorbiologie sind und wenn m&ouml;glich prognostische Informationen enthalten. Insgesamt haben wir 37 Proteine auf Einzelzellebene analysiert, wie zum Beispiel Adh&auml;sions- und Strukturproteine, den Hormonrezeptor-Androgenrezeptor, den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) 1, die &Uuml;berlebensproteine &laquo;B-cell lymphoma 2&raquo; (BCL-2) und Survivin, den Tumorsuppressor p53 und das Onkoprotein c-Myc. Gegen einige dieser Proteine gibt es bereits Therapeutika. Die Frage ist nur, ob diese auch bei Brustkrebs wirksam w&auml;ren, was im Anschluss an unsere umfassende Analyse des gesamten Tumor&ouml;kosystems getestet werden k&ouml;nnte.</p> <p><em><strong>Die Methode, mit der Sie diese grosse Menge an Daten akquiriert haben, ist die sogenannte Massenzytometrie. K&ouml;nnen Sie diese bitte kurz beschreiben? Denken Sie, dass sie sich prinzipiell auch f&uuml;r den Einsatz in der Routine-Labordiagnostik eignen w&uuml;rde, um umfassende Tumorprofile von Patienten zu erstellen? <br />J. Wagner:</strong></em> Die Massenzytometrie ist eine recht neue Technologie, die man sich als Kombination von Durchflusszytometrie und Massenspektrometrie vorstellen kann. F&uuml;r unsere Studie haben wir zun&auml;chst das zu untersuchende Gewebe zu einer Einzelzellsuspension dissoziiert. Die einzelnen Zellen, sowohl Krebs-, Stromaals auch Immunzellen, wurden dann mit verschiedenen Antik&ouml;rpern gef&auml;rbt, die das Quantifizieren von 37 Proteinen im Inneren und auf der Oberfl&auml;che der Zellen gleichzeitig erm&ouml;glichen. Die Antik&ouml;rper sind dabei an Metallisotope gekoppelt, die als Reporter dienen. Das Prinzip ist gleich wie in der Durchflusszytometrie, f&uuml;r welche Antik&ouml;rper verwendet werden, an die fluoreszierende Stoffe gekoppelt sind. Das Massenspektrometer misst dann f&uuml;r jede einzelne Zelle, welche und wie viele Metallisotope gebunden sind. So erhalten wir f&uuml;r jede Zelle ein Proteinprofil von bis zu 37 verschiedenen Proteinen. Im Vergleich zur Durchflusszytometrie k&ouml;nnen wir also wesentlich mehr Proteine gleichzeitig messen. Ein Nachteil ist, dass die Probe anders als bei der Durchflusszytometrie bei der Massenzytometrie w&auml;hrend der Messung zerst&ouml;rt wird. <br />Als Routine-diagnostische Methode ist die Massenzytometrie eher Zukunftsmusik, da die Datenanalyse sehr umfangreich und bislang wenig automatisiert ist, was momentan Experten n&ouml;tig macht. Es gibt jedoch bereits starke Bestrebungen in diese Richtung und auch in unserem Labor werden die daf&uuml;r n&ouml;tigen Schritte entwickelt. Prof. Bodenmiller hat die Massenzytometrie so weiterentwickelt, dass sie auch auf Gewebeschnitten angewendet werden kann, und bereits verschiedene Softwares f&uuml;r die Datenanalyse publiziert. Die Analyse von Gewebeschnitten ist aufgrund der grossen Verf&uuml;gbarkeit von eingebettetem Gewebe f&uuml;r die Forschung von immenser Bedeutung und erm&ouml;glicht bereits umfangreiche retrospektive Studien. Daf&uuml;r arbeitet unser Labor mit verschiedenen Spit&auml;lern zusammen. F&uuml;r unsere Studie wurden wir auch sehr engagiert von der Stiftung Patients&rsquo; Tumor Bank of Hope (PATH) in Deutschland unterst&uuml;tzt. Die Automatisierungsbestrebungen f&uuml;r die Massenzytometrie sind also sehr gross und wir bewegen uns Schritt f&uuml;r Schritt in Richtung digitale Pathologie von Tumor&ouml;kosystemen.</p> <p><em><strong>Wie w&uuml;rden Sie die Relevanz Ihrer Daten einem klinisch t&auml;tigen Onkologen erl&auml;utern? </strong></em><br /><em><strong>J. Wagner:</strong></em> Die gr&ouml;ssten Herausforderungen unserer Zeit f&uuml;r die Krebstherapie sind Metastasierung und Resistenzentwicklung. Im Kampf gegen Brustkrebs werden neuartige Therapieans&auml;tze erforscht, die Krebszellen gezielter treffen und zus&auml;tzlich das Tumor-assoziierte Immunsystem aktivieren sollen. Ein erster und wichtiger Schritt in diese Richtung ist eine genaue Aufschl&uuml;sselung der Krebsund Immunzellen und ihrer Interaktionen im Tumor&ouml;kosystem und wie sich diese von Patientin zu Patientin unterscheiden. Genau diesen Schritt haben wir mit unserer Forschungsarbeit getan.</p> <p><em><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></em></p> <p><em><strong><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1904_Weblinks_lo_onko_1904_s33_abb1_wagner.jpg" alt="" width="550" height="629" /></strong></em></p> <p><em><strong><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1904_Weblinks_lo_onko_1904_s34_abb2_wagner.jpg" alt="" width="550" height="770" /></strong></em></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Wagner J et al.: A single-cell atlas of the tumor and immune ecosystem of human breast cancer. Cell 2019; 177(5): 1330-45</p> </div> </p>
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