<p class="article-intro">Hochrisiko humane Papillomviren (HPV), wie HPV 16 und 18, stellen die Hauptursache für die Entstehung anogenitaler Karzinome, insbesondere des Zervixkarzinoms, sowie einer Untergruppe von Kopf- und Halstumoren dar. Bestimmte kutane HPV, wie HPV 5 und 8, verursachen bei Patienten mit der seltenen Genodermatose Epidermodysplasia verruciformis Plattenepithelkarzinome (SCC) der Haut. Des Weiteren werden diese kutanen HPV auch in der Pathogenese nicht melanozytärer Hautkarzinome (NMSC) bei nicht genetisch prädisponierten Personen, vor allem bei immunsupprimierten Organtransplantierten, diskutiert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Mehr als die Hälfte der Patienten mit Epidermodysplasia verruciformis entwickeln beta-HPV-induzierte Plattenepithelkarzinome der Haut, vorwiegend an sonnenexponierten Körperregionen.</li> <li>Die Infektion mit kutanen beta-HPV scheint einen Risikofaktor für die Entstehung kutaner Plattenepithelkarzinome bei organtransplantierten Patienten darzustellen.</li> <li>Im Gegensatz zu alpha-HPV – wie HPV 16 – erfolgt bei beta-HPV keine Integration in das Wirtsgenom; vielmehr wirken diese durch Störung physiologischer DNA-Reparaturmechanismen und Inhibition apoptotischer Aktivität onkogen.</li> </ul> </div> <p><br />HPV sind humanpathogene DNA-Viren, von denen bislang an die 170 (Geno-)Typen bekannt sind, welche in 5 Genera – alpha, beta, gamma, my und ny – unterteilt werden können. Sie bestehen aus einer Proteinhülle, dem sogenannten Viruskapsid, das eine ringförmig geschlossene, doppelsträngige DNA von ca. 7200–8000 Basenpaaren umgibt. Das virale Genom beinhaltet eine nicht kodierende Kontrollregion, welche regulierende Elemente enthält, sowie eine kodierende Region für die sogenannten Früh- („early“, E) und Spätproteine („late“, L). Die Frühproteine E1, E2 und E4 regeln einerseits die virale Transkription und Replikation, andererseits sorgen sie in der Wirtszelle für optimale Bedingungen für die Virustranskription und die Freisetzung neu gebildeter Viren aus den abgeschilferten Epithelzellen. Die Frühproteine E6 und E7 spielen eine Rolle bei der malignen Entartung, indem sie Komplexe mit zellulären Proteinen wie p53 und pRb bilden, die an der Kontrolle des Zellzyklus und der Apoptose beteiligt sind. Die Spätproteine L1 und L2 kodieren für das virale Kapsid.<br />Papillomviren sind epitheliotrop, das heißt, sie infizieren ausschließlich Epithelzellen der Haut und Schleimhaut an unterschiedlichen Körperstellen. Zu Beginn einer Infektion gelangen HPV nach Bindung an die Basalmembran in die basalen Keratinozyten, welche normalerweise durch das differenzierte, geschichtete und verhornte Plattenepithel geschützt sind. Es wird vermutet, dass die HPV-Infektion ihren Ursprung in einer Lücke der epithelialen Barriere, z.B. verursacht durch ein Mikrotrauma, oder auch im Bereich von Haarfollikeln hat.</p> <h2>Kutane HPV als Risikofaktor für SCC der Haut</h2> <p>Neben dem Hauptrisikofaktor UVB-Strahlung stellen Röntgenstrahlung, Immunsuppression, chemische Karzinogene oder medikamentöse Therapien – u.a. BRAF-Inhibitoren oder das Azol-Antimykotikum Voriconazol – Risikofaktoren für die Entstehung von NMSC („non-melanoma skin cancer“) der Haut dar. Darüber hinaus werden auch infektiöse Agenzien wie kutane HPV des Genus beta (beta-HPV) als Ursache der Entstehung insbesondere von SCC, weniger von Basalzellkarzinomen, diskutiert.<sup>1, 2</sup></p> <h2>Kutane HPV bei Epidermodysplasia verruciformis</h2> <p>Der beste Beweis für das karzinogene Potenzial kutaner beta-HPV stammt von Patienten mit Epidermodysplasia verruciformis, einer seltenen, erblich bedingten Erkrankung mit einem zumeist autosomal-rezessiven Erbgang.<sup>1</sup> Bei 75 % dieser Patienten liegt der genetische Defekt auf Chromosom 17 in den zwei benachbarten Genen EVER1 (TMC6) und EVER2 (TMC8). Diese Gene kodieren für zwei transmembrane Proteine des endoplasmatischen Retikulums, die den intrazellulären Zinkspiegel kontrollieren. Eine Fehlfunktion des EVER-Zinktransportkomplexes hat eine hohe intrazelluläre Zinkkonzentration zur Folge, die zu einer höheren Empfindlichkeit gegenüber persistierenden Hautinfektionen mit beta-HPV, nicht jedoch gegenüber HPV anderer Genera oder Bakterien bzw. Pilzen führt. Es wird vermutet, dass ein erhöhter intrazellulärer Zinkspiegel eine gesteigerte Aktivität von Transkriptionsfaktoren verursacht, welche die virale beta-HPV-Transkription und -Replikation begünstigt. Bei den restlichen 25 % der Patienten besteht Unklarheit bezüglich der EVER-Mutation bzw. ist keine Mutation nachweisbar.<br />Bei Patienten mit Epidermodysplasia verruciformis entstehen bereits in früher Kindheit generalisiert Pityriasis-versicolor-ähnliche Läsionen sowie flache Warzen. In etwa der Hälfte der Fälle entwickeln sich aus diesen Läsionen über eine maligne Transformation kutane SCC, in der Regel an sonnenexponierten Arealen. Infektionen mit kutanen beta-HPV (früher auch als EV-Typen bezeichnet) sind kausal an der Entwicklung dieser Hauttumoren beteiligt. Vor allem die beta-HPV-Typen 5 und 8 konnten in den Epidermodysplasia-verruciformis-SCC nachgewiesen werden. In diesen Tumoren fand sich eine hohe Viruslast und damit eine starke Replikation dieser Viren mit einer hohen Anzahl an Transkripten der E6/E7-Onkogene. Zahlreiche seroepidemiologische Studien, die eine erhöhte Seroprävalenz von beta-HPV bei Epidermodysplasia-verruciformis-Patienten gegenüber der Normalbevölkerung nachweisen, untermauern zusätzlich den kausalen Zusammenhang zwischen einer beta-HPV-Infektion und der Entstehung von SCC in dieser genetisch vorbelasteten Population.</p> <h2>Kutane HPV in der Normalbevölkerung</h2> <p>Infektionen mit beta-HPV sind auch in der Normalbevölkerung weit verbreitet. Zumeist verläuft die Infektion jedoch asymptomatisch. So konnte DNA der beta-HPV in Abstrichen von gesunder Haut, in den Bulbi von Haarfollikeln sowie in verschiedenen Hauttumoren nachgewiesen werden.<sup>3</sup> Asymptomatische Infektionen mit beta-HPV treten bereits ab dem Kindesalter auf.<br />Bei Immunkompetenten sind 40–70 % der SCC positiv für beta-HPV-DNA. In den Tumoren konnte jedoch nur eine niedrige Viruslast von weniger als 1 Viruskopie pro Zelle nachgewiesen werden, ein prävalenter Typ – wie HPV 16 beim Zervixkarzinom – wurde bis dato nicht gefunden. Da beta-HPV auch in gesunder Haut oder Haarfollikeln in ähnlicher Häufigkeit vorliegen, sind die Argumente für eine kausale Rolle von beta-HPV in der Entstehung epithelialer Hauttumoren bei nicht immunsupprimierten Personen eher schwach.</p> <h2>Kutane HPV in SCC bei organ­transplantierten Patienten (OTR)</h2> <p>Die Inzidenz von SCC ist in OTR gegenüber der Normalbevölkerung um das 60- bis 100-Fache erhöht. Innerhalb von 15 Jahren nach Transplantation entwickeln etwa 40 % der Patienten epitheliale Tumoren, hauptsächlich SCC. Neben den zwei größten Risikofaktoren (UV-Strahlung und Immunsuppression) stellt aber auch die Infektion mit kutanen HPV einen möglichen Risikofaktor für die Entstehung von NMSC dar. Wie bei Epidermodysplasia-verruciformis-Patienten scheinen hauptsächlich beta-HPV dafür verantwortlich zu sein. <br />In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass eine hohe beta-HPV-Viruslast sowie eine Viruspersistenz mit einem erhöhten Auftreten kutaner SCC assoziiert sind.<sup>4, 5</sup> Bei OTR sind entstandene SCC zu 80–100 % beta-HPV-DNA-positiv. Im Vergleich zu den epithelialen Tumoren bei Immunkompetenten ist die Viruslast in den OTR-SCC jedoch höher, des Weiteren lassen sich oft multiple beta-HPV-Typen nachweisen. In einigen SCC sowie deren Präkursoren konnten auch eine transkriptionelle Aktivität der beta-HPV-Onkogene E6 und E7 sowie eine produktive Infektion nachgewiesen werden, was auf eine aktive Rolle dieser Viren schließen lässt.<sup>6, 7</sup> Die Assoziation zwischen einer beta-HPV-Infektion und einer SCC-Entstehung bei immunsupprimierten OTR wird außerdem durch Seroprävalenzdaten unterstützt. Kürzlich konnte eine wichtige Studie zeigen, dass die Seropositivität für beta-HPV zum Zeitpunkt der Transplantation einen prädiktiven Marker für die nachfolgende Entstehung kutaner SCC darstellt.<sup>8</sup></p> <h2>Mechanismen der kutanen HPV</h2> <p>Anders als bei Malignomen – wie z.B. den Zervixkarzinomen –, die durch Hochrisiko-Schleimhaut-HPV des Genus alpha entstehen, kommt es bei einer Infektion mit beta-HPV nicht zur Integration der viralen Onkogene in das Wirtsgenom. Auch können nicht in allen malignen Zellen kutaner SCC beta-HPV-Transkripte nachgewiesen werden. Dies erschwert die Klärung der exakten Rolle der beta-HPV in der Hautkarzinogenese. <br />Während alpha-HPV, wie HPV 16, hauptsächlich über die Inaktivierung der Tumorsuppressorproteine p53 und pRb karzinogen wirken, scheinen beta-HPV über andere (Patho-)Mechanismen zur Hautkarzinogenese beizutragen. Diskutiert wird ein „Hit and run“-Mechanismus, bei dem das Virus bei der Tumorinitiation eine Rolle spielt („hit“), die viralen Transkripte aber nicht für die Aufrechterhaltung des malignen Phänotyps notwendig sind („run“). In dem Zusammenhang ist auch interessant, dass die Viruslast von beta-HPV 5 und 8 in den prämalignen SCC-Vorstufen, wie den aktinischen Keratosen, höher ist als in den SCC selbst, was vereinbar wäre mit einer onkogenen Rolle der Viren in den frühen Stadien der Tumorentwicklung.<sup>9</sup><br />Unter den beta-HPV sind nur wenige Typen wie beta-HPV 38 in der Lage, mit den Tumorsuppressorproteinen p53 oder pRb zu interagieren und diese zu inaktivieren – ähnlich wie alpha-HPV. Der Großteil der beta-HPV scheint durch Störung physiologischer DNA-Reparaturmechanismen, durch eine antiapoptotische Aktivität sowie durch Interferenz mit normalen Zellzyklus- und/oder epithelialen Differenzierungsprozessen seinen onkogenen Effekt auszuüben (Abb. 1). Dieser führt dazu, dass Keratinozyten mit DNA-Schäden – wie sie z.B. durch UV-Bestrahlung induziert werden – überleben. Durch Akkumulation der geschädigten Zellen kommt es schlussendlich zur Entstehung kutaner Malignome.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s63_1.jpg" alt="" width="1554" height="1521" /></p> <h2>Beta-HPV-Mausmodelle</h2> <p>Ein experimenteller Beweis des karzinogenen Potenzials der beta-HPV-Onkogene konnte mithilfe transgener (tg) Mausmodelle erbracht werden. Nach epidermaler Expression der viralen Onkogene von beta-HPV 8 kam es in den tg Mäusen zur spontanen Entstehung kutaner Papillome mit unterschiedlichen Graden epidermaler Dysplasie sowie – in einem kleinen Prozentsatz – zur spontanen Entstehung kutaner SCC.<sup>10</sup> Im Gegensatz dazu entwickelten nicht tg Kontrolltiere (die keine beta-HPV-Onkogene exprimierten) keine Hautläsionen. Des Weiteren führte eine chronische UV-Bestrahlung zu einer höheren Inzidenz von aktinischen Keratosen und SCC in den tg Mäusen, während bei nicht tg Kontrollmäusen bei der gleichen UV-Dosis keine Entstehung (prä)maligner Hauttumore verzeichnet werden konnte. Ähnliche Ergebnisse zeigten auch andere tg Mausmodelle für die beta-HPV-Typen 20, 27 und 38. <br />Die Grundlagenforschung wurde durch die Isolation des murinen Papillom­-virus Mus musculus papillomavirus 1 (MmuPV1) erleichtert. MmuPV1 verursacht nach experimenteller Übertragung bei immunkompetenten Mäusen eine asymptomatische Hautinfektion, bei schwer immunsupprimierten Mäusen jedoch die Entstehung von Hautpapillomen (Abb. 2) ähnlich einer Infektion mit beta-HPV.<sup>11</sup> Dieses murine Virus wirkt synergistisch mit UVB-Bestrahlung in der Hautkrebsentstehung. Nach UVB-Bestrahlung kam es bei infizierten immunkompetenten Mäusen zum Wachstum kutaner Papillome, die fokal eine Progression zu SCC zeigten, während nicht infizierte UVB-bestrahlte Mäuse keine Hauttumoren entwickelten.<sup>12</sup><br />Es scheint, dass HPV in der Haut die Entstehung von SCC begünstigen, indem sie Keratinozyten gegenüber schädlicher UV-Strahlung empfindlicher machen. Damit sind sie ursächlich an der Krebsentstehung beteiligt. Eine derzeitige Überlegung ist, ob besonders gefährdete Personengruppen, wie z.B. OTR, durch eine Impfung gegen beta-HPV vor Hautkarzinomen geschützt werden können. So wie die bisherigen bi-, quadri- oder nonavalenten Vakzinen gegen alpha-HPV der Schleimhaut erfolgreich vor anogenitalen HPV-Infektionen und nachfolgenden Dysplasien bzw. Karzinomen schützen, könnte auch ein Impfstoff gegen beta-HPV der Entstehung kutaner SCC vorbeugen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1704_Weblinks_s63_2.jpg" alt="" width="1251" height="1391" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Quint KD et al: Human beta-papillomavirus infection and keratinocyte carcinomas. J Pathol 2015; 235(2): 342-54 <strong>2</strong> Howley PM, Pfister HJ: Beta genus papillomaviruses and skin cancer. Virology 2015; 479-480: 290-6 <strong>3</strong> Antonsson A et al: The ubiquity and impressive genomic diversity of human skin papillomaviruses suggest a commensalic nature of these viruses. J Virol 2000; 74(24): 11636-41 <strong>4</strong> Neale RE et al: Human papillomavirus load in eyebrow hair follicles and risk of cutaneous squamous cell carcinoma. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2013; 22(4): 719-27 <strong>5</strong> Plasmeijer EI et al: Persistence of betapapillomavirus infections as a risk factor for actinic keratoses, precursor to cutaneous squamous cell carcinoma. Cancer Res 2009; 69(23): 8926-31 <strong>6</strong> Dang C et al: E6/E7 expression of human papillomavirus types in cutaneous squamous cell dysplasia and carcinoma in immunosuppressed organ transplant recipients. Br J Dermatol 2006; 155(1): 129-36 <strong>7</strong> Borgogna C et al: Improved detection reveals active β-papillomavirus infection in skin lesions from kidney transplant recipients. Mod Pathol 2014; 27(8): 1101-15 <strong>8</strong> Genders RE et al: The presence of betapapillomavirus antibodies around transplantation predicts the development of keratinocyte carcinoma in organ transplant recipients: a cohort study. J Invest Dermatol 2015; 135(5): 1275-82 <strong>9</strong> Weissenborn SJ et al: Human papillomavirus-DNA loads in actinic keratoses exceed those in non-melanoma skin cancers. J Invest Dermatol 2005; 125(1): 93-7 <strong>10</strong> Schaper ID et al: Development of skin tumors in mice transgenic for early genes of human papillomavirus type 8. Cancer Res 2005; 65(4): 1394-400 <strong>11</strong> Handisurya A et al: Strain-specific properties and T cells regulate the susceptibility to papilloma induction by Mus musculus papillomavirus 1. PLoS Pathog 2014; 10(8): e1004314 <strong>12</strong> Uberoi A et al: Role of ultraviolet radiation in papillomavirus-induced disease. PLoS Pathog 2016; 12(5): e1005664</p>
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</p>