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Hochpräzision in der Radioonkologie
Jatros
Autor:
Dr. Alfred Haidenberger
Europäisches Cyberknife Zentrum München<br> Großhadern
30
Min. Lesezeit
25.05.2017
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<p class="article-intro">„Personalisierte Tumortherapie“ ist in den letzten Jahren ein Schlagwort in der Onkologie geworden. Der Begriff ist fälschlicherweise vergesellschaftet mit der internistischen Onkologie, unzählige sogenannte zielgerichtete Medikamente sind entwickelt worden. Fälschlicherweise deshalb, da sich in den letzten Jahren nicht nur die systemische Therapie, sondern auch die Radioonkologie technisch mit mindestens der gleichen Geschwindigkeit weiterentwickelt hat. Neben der gut bekannten und etablierten Therapie mit normal fraktionierten Strahlen sind ergänzende Methoden wie Tomotherapie, Protonentherapie und Cyberknife-Radiochirurgie dazugekommen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Radiochirurgie hat eine hohe Effektivität bei geringem Risiko.</li> <li>Sie bietet maximalen Patientenkomfort durch Einzeittherapie.</li> <li>Sie ermöglicht kombinierte onkologische Therapiekonzepte.</li> <li>Sie wird ambulant durchgeführt, es ist keine stationäre Aufnahme notwendig.</li> <li>Sie kann bei richtiger Patientenselektion die Chirurgie im Einzelfall ersetzen.</li> </ul> </div> <p>Bei der Cyberknife-Technologie handelt es sich um die derzeit innovativste Form der Photonentherapie. Die wichtigste Aufgabe der Strahlenchirurgie mittels Cyberknife ist die hochpräzise Bestrahlung eines exakt festgelegten Zielvolumens. Dabei sollen die gesunden Körperteile in der Tumorumgebung so wenig wie möglich von Strahlen getroffen werden.</p> <h2>Was bedeutet Radiochirurgie und was kann sie bieten?</h2> <p>Radiochirurgie ist eine einmalige lokale Bestrahlung eines Tumors mit extrem hoher Präzision (ca. 0,5mm) unter optimaler Schonung des umliegenden gesunden Gewebes. Aufgrund einer bildgeführten Robotersteuerung kann hochpräzise eine tumorzerstörende Strahlendosis auf ein genau definiertes Zielvolumen gerichtet werden. Die Entwicklung der Cyberknife- Technologie mit einer Kombination aus integrierter Bildführung und Robotersteuerung ermöglicht eine völlig neue, nicht invasive Behandlungsmöglichkeit von Tumoren im gesamten Körper.<br /> Durch eine radiochirurgische Behandlung können Tumoren in Gehirn, Rückenmark, Auge sowie extrakraniellen Körperregionen (z.B. Lunge, Leber, Niere, Nebenniere, Bauchspeicheldrüse, Lymphknoten, Prostata, Knochen) effektiv ausgeschaltet werden. Aufgrund der hohen Präzision der Radiochirurgie wird in über 90 % der Fälle die notwendige tumorizide Dosis in nur einer einzigen Sitzung appliziert. Die hohe Dosis (13–65Gy je nach Indikation) schaltet gut- und bösartige Tumoren submillimetergenau aus, die Therapie dauert ca. 30 Minuten, ist schmerzfrei und wird ausschließlich ambulant durchgeführt.</p> <h2>Intrakranielle Indikationen sowie Tumoren im Auge</h2> <p>Hirnmetastasen mit einem maximalen Durchmesser von weniger als 3cm stellen ein ideales Target für die Cyberknife-Therapie dar. Die lokale Tumorkontrolle liegt bei ca. 90 % . Wissenschaftliche Analysen<sup>1–3</sup> haben bewiesen, dass in der Behandlung selektionierter Patienten mit Hirnmetastasen die Radiochirurgie der Operation mindestens gleichwertig ist, bei erheblich größerem Patientenkomfort.<br /> Neben diesen malignen zerebralen Tumoren wird die Radiochirurgie auch bei benignen zerebralen Tumoren angewendet. Häufige Indikationen sind das Meningeom und das Akustikusneurinom,<sup>4, 5</sup> dazu kommen noch spinale Tumoren<sup>6</sup> sowie arteriovenöse Malformationen (AVM). Einer der Schwerpunkte in München ist die Behandlung von Tumoren am Auge, dem malignen Aderhautmelanom. Eine früher weitverbreitete Behandlungsmethode des Aderhautmelanoms war die chirurgische Entfernung des Auges (Enukleation). Mit der Radiochirurgie steht uns mittlerweile eine nicht invasive, organerhaltende Alternative zur Verfügung. Das Auge wird mittels Retrobulbäranästhesie ruhiggestellt und der Patient kann ohne starre Fixierung präzise behandelt werden. Es können damit neben kleinen auch mittlere bis große Melanome ohne operativen Eingriff zerstört werden. Die Behandlungsindikation wird in enger Abstimmung mit den Kollegen der Augenklinik der Universität München gestellt.<br /> Eine aktuelle Publikation<sup>7</sup> im Fachblatt „Melanoma Research“ zeigt auf, dass Patienten mit Aderhautmelanom von einer Behandlung mit der strahlenchirurgischen, robotergeführten Cyberknife-Technologie profitieren; es ist mit 217 Patienten die bisher größte Untersuchung zur Radiochirurgie des Aderhautmelanoms.</p> <h2>Radiochirurgie in Körper und Organen</h2> <p>Während man mit früheren Radiochirurgiesystemen wie dem Gammaknife nur Tumoren im Kopfbereich behandeln konnte, ist mit der weiterentwickelten Behandlungstechnik das Indikationsspektrum auf den extrakraniellen Bereich erweitert worden. Das robotergeführte Cyberknife ist derzeit das einzige Verfahren, das ohne Rahmen bzw. starre Fixierung des Patienten auskommt und trotzdem bewegliche Tumoren mit höchster Präzision erfassen kann.</p> <h2>Leber</h2> <p>Das Cyberknife-System kann Lebertumoren (sowohl primäre Lebertumoren als auch Metastasen), die zuvor mit einem kleinen Goldmarker versehen worden sind, während der Behandlung in Echtzeit orten. Ein spezielles Tracking-System verfolgt die Tumorbewegung, während der Patient normal atmet, und stellt den Roboterkopf entsprechend ein. Die Atembewegung des Brustkorbs wird mit LEDSensoren erfasst und mit der Bewegung des Tumors abgeglichen. Die Systemgenauigkeit für bewegliche Ziele liegt im Submillimeterbereich, sodass die Strahlendosis unter Schonung des angrenzenden gesunden Gewebes zielgenau in den Tumor abgegeben werden kann. Daten zur lokalen Kontrolle aus unserem Zentrum bezogen auf das hepatozelluläre Karzinom sind vergleichbar mit den Daten aus der Chirurgie.<sup>8</sup> Das progressionsfreie Überleben (PFS) lag nach ein bzw. drei Jahren bei 79,4 % respektive 29,8 % , das Gesamtüberleben bei 84,8 % respektive 66 % . Auch die Daten zur Radiochirurgie von Lebermetastasen<sup>9</sup> sind vergleichbar mit denen aus der Chirurgie und signifikant besser als die der Radiofrequenzablation.</p> <h2>Lunge</h2> <p>Das Radiochirurgiesystem Cyberknife bietet Patienten eine neue Option für die Behandlung von Lungenkrebs. Es wird eingesetzt bei Patienten, die für eine Operation nicht infrage kommen oder eine Alternative zur Chirurgie suchen. Die besondere Schwierigkeit bei Lungentumoren ist, dass sie sich bewegen, während der Patient atmet. Anders als bei herkömmlicher Strahlentherapie identifiziert das Cyberknife-System die präzise Lage des Tumors wie schon oben erwähnt. Dazu wird bei kleinen Tumoren ein Goldmarker implantiert, bei etwas größeren Tumoren erkennt das System den Tumor ohne vorherige Markerimplantation. Mithilfe dieser Präzision und des „real-time tumor tracking“ werden lokale Kontrollraten von bis zu 96 % nach zwei Jahren erreicht.<sup>10</sup></p> <h2>Urologische Tumoren</h2> <p>Auch Tumoren aus dem urologischen Spektrum (Nieren-, Nebennieren- oder Nierenbeckentumoren) können mit dem Cyberknife- System behandelt werden. Somit steht uns hier eine ausgezeichnete Alternative zur Operation zur Verfügung. Daten aus unserem Zentrum bestätigen diese Erkenntnisse.<sup>11</sup> Wir konnten bei 45 Patienten mit Nierenzellkarzinom nach neun Monaten eine lokale Kontrollrate von 98 % erreichen, 38 Patienten zeigten eine Tumorverkleinerung (19 davon eine in der Bildgebung komplette Remission), die Nierenfunktion wurde durch die Radiochirurgie nicht negativ beeinflusst.<br /> Das Cyberknife-System bietet mit der robotergeführten Radiochirurgie auch eine neue und sehr schonende Option für die Behandlung von Prostatakarzinomen. Die Beweglichkeit der Prostata stellt in der externen Strahlentherapie ein Problem dar, da sich das Organ innerhalb weniger Minuten aufgrund von Darmaktivität oder Blasenfüllung unvorhersehbar verschieben kann. Genau diese Bewegung kann mit dem uns zur Verfügung stehenden System dargestellt und identifiziert werden, dies erlaubt eine deutliche Reduzierung der Sicherheitssäume, was zu einer deutlich geringeren Dosisbelastung des gesunden Gewebes führt. Aufgrund der Schonung der Risikoorgane kann die Behandlungszeit auf fünf Sitzungen reduziert werden, im Gegensatz zu ca. 40 Sitzungen bei der normalen herkömmlichen Strahlentherapie. Eine dazu multizentrisch durchgeführte und aktuell publizierte Studie von Meier R et al<sup>12</sup> konnte mit Tumorkontrollraten von 97,3 % fünf Jahre nach Behandlung nicht nur demonstrieren, dass diese Methode effektiv, sondern auch, dass sie sicher und nebenwirkungsarm ist.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Die Cyberknife-Radiochirurgie bietet nach aktueller Datenlage für geeignete Indikationen viele Vorteile hinsichtlich der Effektivität, der Sicherheit und des Patientenkomforts. Sie ist ambulant durchführbar und kann in 90 % der Fälle in einer einzigen Sitzung stattfinden. Weitere Vorteile sind die Möglichkeit der Kombination mit systemischen Therapieansätzen und der geringe Zeitaufwand ohne die Notwendigkeit von Rehabilitationsmaßnahmen. Die analysierten Daten zeigen, dass sie die Chirurgie in Einzelfällen ergänzen oder auch ersetzen kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1703_Weblinks_s81_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="804" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Romagna A et al: Radiat Oncol 2016; 11(1): 139 <strong>2</strong> Wowra B et al: Prog Neurol Surg 2012; 25: 201-9 <strong>3</strong> Muacevic A et al: World J Urol 2005; 23(3): 180-4 <strong>4</strong> Wowra B et al: J Neurosurg 2013; 119: 114-8 <strong>5</strong> Wowra B et al: Neuro Oncol 2012; 14(7): 902-9 <strong>6</strong> Kufeld M et al: Technol Cancer Res Treat 2012; 11(1): 27-34 <strong>7</strong> Eibl-Lindner K et al: Melanoma Res 2016; 26(1): 51-7 <strong>8</strong> Schoenberg M et al: Cureus 2016; 8(4): e591 <strong>9</strong> Stintzing S et al: Ann Surg Oncol 2010; 17(11): 2877- 83 <strong>10</strong> van der Voort van Zyp NC et al: Radiother Oncol 2009; 91(3): 296-300 <strong>11</strong> Staehler M et al: J Urol 2015; 193(3): 771-5 <strong>12</strong> Meier R et al: Radiat Oncol 2016; 96(2): 33-4</p>
</div>
</p>