
EHA 2021 – Highlights von der Stammzelltransplantation
Autorin:
Priv.-Doz. Dr. Alexandra Böhm
3. Medizinische Abteilung
Hanusch-Krankenhaus, Wien
E-Mail: alexandra.boehm@oegk.at
Die allogene Stammzelltransplantation (allo-HCT) ist die einzige potenziell kurative Behandlung für viele hämatologische Erkrankungen mit der Besonderheit der Stimulierung einer Graft-versus-Leukämie(GvL)-Immunantwort. Eine schwerwiegende Komplikation dabei ist jedoch die „Graft-versus-host“-Erkrankung (GvHD), bei der Spender-T-Zellen das Gewebe des Empfängers als fremd erkennen und über eine Immunreaktion angreifen. Neue Therapiekonzepte sollten diese entzündliche Reaktion unterdrücken, aber auch therapeutisch dahingehend modulieren, dass der GvL-Effekt erhalten bleibt. In einer Education Session am heurigen EHA-Kongress wurden von drei Experten die neuesten Optionen präsentiert und im Folgenden zusammengefasst. Auch spannende Ergebnisse zur schweren aplastischen Anämie wurden präsentiert.
Neues zur GvHD-Prophylaxe bzw. Therapie der akuten GvHD
Blockade der T-Zell-Aktivierung
Zur Blockade der T-Zell-Aktivierung wird Abatacept untersucht, das zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen ist und die CD28-vermittelte Kostimulation von T-Zellen hemmt und damit die frühe CD4+-T-Zell-Proliferation und -aktivierung blockiert.
Sitagliptin ist eine weitere hoffnungsvolle Option. Sitagliptin ist zur Behandlung bei Diabetes mellitus zugelassen undinhibiert die Dipeptidyl-Peptidase 4 (DPP4, auch bekannt als CD26). DPP4 hat kostimulatorische Funktionen und verstärkt die T-Zell-Aktivierung. Bei der GvHD akkumulieren CD26+ T-Zellen in Zielorganen.
Reduktion von proinflammatorischen Zytokinen/Kinasehemmung
Ruxolitinib ist ein potenter selektiver JAK1/2-Inhibitor und zur Behandlung der Myelofibrose zugelassen. Die JAK/STAT-Signalübertragung ist wichtig für die T-Zell-Aktivierung und Veränderungen des T-Zell-Phänotyps. Die JAK-Hemmung reduziert vor allem aber die Zytokinaktivität, die durch die frühe Gewebeschädigung vermittelt wird, und blockiert die Migration von neutrophilen Granulozyten. Für die Behandlung der GvHD steht mit Ruxolitinib (in Kombination mit Steroiden) eine sehr potente Behandlung zur Verfügung, das immunsuppressive Potenzial dieser Substanz wurde bei der akuten GvHD in den Studien REACH1 und 2 gezeigt.
Der IL-6-Antikörper Tocilizumab – ebenfalls in der Rheumatologie zugelassen – in Kombination mit einer Standard-GvHD-Prophylaxe reduzierte die Inzidenz akuter GvHD in zwei Studien.
Die Behandlung mit dem IL-2R-Antagonisten Daclizumab führte bei Kindern mit steroidrefraktärer akuter GvHD zumindest zu partiellen Remissionen.
Die Blockade von TNF-α mit Etanercept bei Patienten mit steroidrefraktärer GvHD führt bei mehr als der Hälfte der Patienten zu einem Ansprechen, während das beste Ansprechen bei Patienten mit Darm-GvHD beobachtet wird. Vielversprechende Ergebnisse einer Phase-III-Studie (NCT00726375) zeigten, dass Patienten mit früher akuter GvHD ein geringeres Risiko für eine Progression hatten, wenn Kortikosteroide mit Etanercept kombiniert wurden.
Modifikation des T-Zell-Stoffwechsels
Das Erfordernis einer hohen glykolytischen Aktivität ist typisch für Effektor-T-Zellen, während regulatorische T-Zellen (Tregs) eher auf Lipidoxidation angewiesen sind. Mit Rapamycin – einem mTOR-Inhibitor – kann die glykolytische Aktivität von Spender-T-Zellen reduziert werden, die entscheidend für die GvHD-Induktion sind, und eine spezifische Blockade könnte ein weiterer neuer therapeutischer Ansatz sein.
Hypomethylierende Substanzen
Azacitidin und Decitabin wirken als Inhibitoren von DNA-Methyltransferasen und verursachen dadurch eine globale DNA-Hypomethylierung. Neben der direkten zytostatischen Aktivität führt die Induktion der Apoptose zu einer Expansion von Tregs durch Erhöhung der FOXP3-Expression.
Transfer von immunmodulatorischen und immunsuppressiven Zellpopulationen
Der Transfer von regulatorischen T-Zellen (Tregs) bei der GvHD ist ein ganz neuer, zum Teil noch experimenteller Therapieansatz. Die Zugabe von CD4+ CD25+ FOXP3+ Tregs zum Transplantat kann in Maus-Modellen die GvHD-Entwicklung reduzieren, ohne den GvL-Effekt zu beeinträchtigen. Die Isolierung von Tregs ist jedoch schwierig, da deren Anteil im peripheren Blut niedrig ist und die Ex-vivo-Expansion schwierig ist.
Obwohl viele therapeutische Ansätze in frühen klinischen Studien vielversprechend sind, sind randomisierte Phase-III-Studien erforderlich, um die besten Strategien zur Prävention oder Behandlung von GvHD zu identifizieren.
Neues zur schweren aplastischen Anämie
Die allogene Stammzelltransplantation (allo-HCT) gilt auch als einzige kurative Therapieoption für die schwere aplastische Anämie (SAA) und wird in vielen Behandlungsempfehlungen für Patienten <50 Jahren empfohlen. In einer spanischen Studie (EHA Abstract #EP587) wurde das Langzeitüberleben (OS) nach 5 und 10 Jahren analysiert und die Todesursachen wurden genauer untersucht.
Zwischen den Jahren 2000 und 2019 hat die spanische Gruppe für hämatopoetische Stammzelltransplantation und Zelltherapie (GETH-TC) 722 allogene Transplantationen aufgrund von „Bone marrow failure“-Syndromen (BMF) durchgeführt. Ein längeres Follow-up gab es bei 333 Patienten. Beim EHA-Kongress wurden die aktualisierten Ergebnisse aus der Serie von 188 Patienten mit idiopathischer SAA und HSCT gezeigt. Das mediane Alter bei der Diagnose betrug 25 Jahre (Bereich: 2–69) und 55% waren männlich. 108 Patienten (57%) wurden mit Immunsuppression (IST) vorbehandelt. Das mediane Alter bei der allo-HCT betrug 27 Jahre. Die Stammzellquelle war Knochenmark (62%), peripheres Blut (30%) und Cord Blood (7%), 153 (81%) Patienten hatten einen HLA-identen Spender (Geschwister 111 [59%]; nicht verwandt 42 [22%]). Das häufigste Konditionierungsregime war Fludarabin/Cyclophosphamid/ Antithymozytenglobulin (Flu/Cy/ATG; 41%), gefolgt von Cy-ATG (37%) und Cyclosporin A/Methotrexat (59%) oder Prednison (23%) waren die häufigsten GvHD-Prophylaxen. Faktoren im Zusammenhang mit einer verzögerten allo-HCT waren vorherige IST (p<0,001) und Fehlen eines passenden verwandten Spenders (p<0,001). Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 114 Monaten (68–173) lag das OS sowohl nach 5 als auch nach 10 Jahren bei 67,8 ±3,6%. Von den 119 lebenden Patienten befinden sich derzeit 97 (82%) in anhaltender kompletter Remission (CR). 61 Patienten starben, hauptsächlich aufgrund von Infektionen (40 Patienten, 65%) und anderen HSCT-bedingten Ursachen (16 Patienten, 26%). Die kumulative Inzidenz der Transplantat-assoziierten Mortalität (TRM) nach 1 Jahr betrug 25,4% (95% CI: 19,1–32,2%) und 29% nach 5 und 10 Jahren. Frühere IST und Alter bei Transplantation ≥20 Jahre waren in der multivariaten Analyse mit deutlich erhöhter Mortalität assoziiert, bei dieser großen Serie von transplantierten SAA-Patienten wurde dennoch ein sehr zufriedenstellendes Langzeit-Überleben beobachtet.
Literatur:
bei der Verfasserin
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