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Herausforderungen in der Diagnostik von Weichgewebstumoren
Leading Opinions
Autor:
Assoz. Prof. PD Dr. Bernadette Liegl-Atzwanger
Diagnostik & Forschungszentrum für Molekulare BioMedizin<br> Diagnostik & Forschungsinstitut für Pathologie<br> CCC Subzentrum Sarkome<br> Medizinische Universität Graz
30
Min. Lesezeit
11.04.2019
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<p class="article-intro">Weichgewebssarkome sind äusserst seltene Tumorerkrankungen mit einer Inzidenz von etwa 4 bis 5 Sarkomfällen pro 100 000 Einwohner pro Jahr in Europa. Die Seltenheit dieser Tumorerkrankung sowie die Vielfalt der histologischen Subtypen von Weichgewebssarkomen (über 80) stellen eine besondere diagnostische Herausforderung für den Pathologen dar.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die häufigsten Subtypen sind Liposarkome (LS) und Leiomyosarkome mit einer Inzidenz von einem Fall pro 100 000 Einwohner pro Jahr. Die Inzidenz aller anderen Sarkomtypen (die überwiegende Zahl) ist also verschwindend klein. Wegen der Seltenheit dieser Erkrankung sollten Patienten mit einem Weichgewebssarkom an einem Tumorzentrum behandelt werden, wo ein adäquates multidisziplinäres Netzwerk vorhanden ist, um diese Patienten mit der nötigen Expertise zu betreuen. Die Behandlung von Patienten an Sarkomzentren wird in internationalen Richtlinien gefordert (ESMO 2018).</p> <h2>Pathologie</h2> <p>Durch das rasche Fortschreiten der Sarkomforschung, speziell in den letzten 10 bis 15 Jahren, sind die Anforderungen an die Pathologie ständig gestiegen. Dies zeigt sich durch die dynamische Entwicklung der Nomenklatur, die Beschreibung von vielen neuen Tumorentitäten sowie neue Erkenntnisse in der Tumorgenetik und Tumorepigenetik. Diese Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit, molekularpathologische Untersuchungen aus diagnostischen, prädiktiven oder prognostischen Aspekten in den histopathologischen Befund zu implementieren. Um dies zu gewährleisten, sind spezialisierte Fachbereiche an einer Pathologie notwendig. In einen histopathologischen Befund fliessen klinische Informationen, Histologie, Immunhistochemie und Molekularpathologie ein (Abb. 1).<br /> Die diagnostischen Herausforderungen bei der Beurteilung von Weichgewebssarkomen sind durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt:</p> <ul> <li>Es handelt sich um äusserst seltene Tumoren: Es gibt etwa 200 bis 300 neu diagnostizierte Sarkomfälle pro Jahr in Österreich.</li> <li>Sarkompathologen sind mit vielen unterschiedlichen Sarkomsubtypen konfrontiert (mehr als 80 verschiedene Subtypen sind bekannt). Eine Spezialisierung ist notwendig, um den Anforderungen zu entsprechen.</li> <li>Sarkome zeigen eine massive morphologische Vielgestaltigkeit (Heterogenität).</li> <li>Pathologen sind konfrontiert mit limitiertem Untersuchungsmaterial (Biopsien).</li> </ul> <p>Die Aufgaben der Pathologie in der Diagnostik sind vielschichtig und beginnen mit der makroskopischen Beurteilung des eingelangten Biopsiematerials bzw. mit der Aufarbeitung von Tumoroperationspräparaten. An dieser Stelle ist anzumerken, dass speziell eine hinreichende Fixierung des Tumorgewebes in 4 % -Formalin und eine Dokumentation der Fixierzeit bzw. auch das Asservieren von Gefrierproben für weitere diagnostische Untersuchungen immer wichtiger werden. Des Weiteren sollte von den Patienten ein «informed consent» (Aufklärung/Zustimmung) eingeholt werden, um Gewebe für zukünftige diagnostische Belange zu asservieren und für die medizinische Forschung zur Verfügung zu haben. Gespräche mit Sarkompatienten zeigen die unglaubliche Bereitschaft von Patienten und Patientenvertretern, Ärzte und Forscher diesbezüglich zu unterstützen. Eine flächendeckende Aufklärungskampagne wäre wünschenswert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1902_Weblinks_lo_onko_1902_s56_abb1.jpg" alt="" width="550" height="570" /></p> <h2>Histologie</h2> <p>Nach der makroskopischen Aufarbeitung erfolgt die histologische Aufarbeitung, wobei der Pathologe Gewebsschnitte beurteilt, die initial mit Hämatoxylin und Eosin (HE) gefärbt sind (Abb. 2). An diesen Gewebsschnitten werden Sarkome anhand einer «pattern recognition» in Tumorgruppen eingeteilt bzw. Diagnosen und Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen, die danach mittels Spezialuntersuchungen bestätigt bzw. ausgeschlossen werden. Zu diesen Spezialuntersuchungen gehört in der Regel eine Abklärung mittels immunhistochemischer Sonderfärbungen. Die eingesetzten Techniken ermöglichen es, spezifische Zellbestandteile durch Antigen-Antikörper-Reaktionen sichtbar zu machen. Unter Verwendung eines breiten Antikörperspektrums können aus dem Expressionsprofil spezifische Differenzierungstendenzen des Tumors abgeleitet werden. Durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse kommen vermehrt neue und teils mutationsspezifische Antikörper zum Einsatz. Mittels eines entsprechenden immunhistochemischen Expressionsprofils kann im besten Fall eine linienspezifische Differenzierung eines Tumors bzw. ein typisches immunhistochemisches Profil abgeleitet und dadurch eine spezifische histopathologische Diagnose formuliert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1902_Weblinks_lo_onko_1902_s56_abb2.jpg" alt="" width="800" height="1066" /></p> <h2>Molekulardiagnostik</h2> <p>Dank der Entwicklungen in der molekularen Diagnostik kann die molekulare Klassifikation der Weichgewebstumoren für diagnostische Belange eingesetzt werden. Bei Weichgewebstumoren geht es derzeit um den Nachweis von Fusionen/ Translokationen, Amplifikationen oder Mutationen. Hauptsächlich handelt es sich aber um den Nachweis von Fusionen/ Translokationen, durch die Gene in Nahebeziehung zueinander gelangen, von denen eines die Synthese eines Transkriptionsfaktors kodiert. Innerhalb einer Entität sind häufig mehrere Fusionen bekannt. Dabei kann ein Translokationspartner variieren, während der zweite Translokationspartner meist konstant bleibt. Die entstehenden Fusionsprodukte können auf Gen- und Proteinebene mittels molekularer Techniken routinemässig nachgewiesen werden. Die Einführung von «Next Generation Sequencing»(NGS)-Technologien hat die Etablierung bedeutender neuer diagnostischer Anwendungen in der täglichen Routine ermöglicht. Die ständig steigende Anzahl von genetischen Veränderungen in Weichgewebstumoren sowie die rasante Entwicklung von zielgerichteten Therapien basierend auf dem genetischen Fingerprint eines Tumors, unterstreichen die zunehmende Bedeutung der molekularpathologischen Diagnostik in der personalisierten Therapie von Weichgewebstumoren. NGS ermöglicht ein Mutationsscreening von Tumorgewebe auf eine Vielzahl von therapierelevanten Mutationen in einer Untersuchung. Die serielle Untersuchung auf Translokationen mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) oder Reverse-Transkriptase-Polymerase- Kettenreaktion (RT-PCR) wird ersetzt durch Fusions-Panels, abgestimmt auf Weichgewebstumoren, welche alle gängigen Fusionen abdecken. Diese materialsparende Methode ist speziell bei Biopsien zu bevorzugen. Die hohe Sensitivität dieser Methoden, die Möglichkeit der Durchführung auf Paraffinmaterial, die zeitnahe Befunderstellung und die vertretbaren Kosten ermöglichen den Einsatz der NGS-Technologie in der Routinediagnostik zur Diagnosesicherung, Therapieplanung oder Suche nach potenziellen Therapietargets im metastasierten Stadium. Die Implementierung von molekularpathologischen Untersuchungen hat die Interobserver- Variabilität deutlich reduziert und ist in Kombination mit HE-Morphologie und Immunhistochemie ein nützliches, teils unverzichtbares diagnostisches Tool.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend beinhaltet ein histopathologischer Befund</p> <ol style="list-style-type: lower-alpha;"> <li>die Makroskopie: Tumorgrösse, Tumorlokalisation (oberflächlich oder tief, abhängig von der Faszie), Nekroseausmass (Schätzung),</li> <li>die Histologie: histopathologische Diagnose (entsprechend der rezenten WHO-Klassifikation 2013), ein Tumor-Grading sofern möglich unter Berücksichtigung des FNCLCC(Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le Cancer)-Grading-Systems (speziell für spindelzellige Tumoren einsetzbar), Beurteilung der Resektionsränder (Abstand zum nächstgelegenen Resektionsrand in mm); bei Zustand nach Therapie sollte eine Schätzung der therapiebedingten Veränderungen (Nekroseareale, Fibrohyalinose usw.) angegeben werden – derzeit gibt es noch kein allgemein gültiges und akzeptiertes Beurteilungsschema.</li> <li>Inkludierung des molekularen Befundes (NGS, RT-PCR, FISH, Sanger- Sequenzierung usw.) in den histopathologischen Befund ist gewünscht.</li> </ol> <p>Entsprechend den rezenten ESMO Guidelines 2018 ist eine histopathologische Referenzbegutachtung von malignen Weichgewebstumoren an einem spezialisierten Zentrum angezeigt.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>• Brodowicz T et al.: Consensus diagnosis and therapy of soft tissue sarcoma. Wien Klin Wochenschr 2012; 124(3-4): 85-99 • Casali PG et al.: Soft tissue and visceral sarcomas: ESMO-EURACAN Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2018; 29(Supplement_ 4): iv51-iv67 • Fletcher CD et al.: WHO classification of tumours of soft tissue and bone. IARC Press 2013; 4<sup>th</sup> edition, Lyon, France • Szurian K et al.: Role of nextgeneration sequencing as a diagnostic tool for the evaluation of bone and soft-tissue tumors. Pathobiology 2017; 84(6): 323-38</p>
</div>
</p>
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