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Fortschritte für den Patienten in vielen Bereichen der Onkologie
Jatros
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13.09.2018
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<p class="article-intro">Beim weltgrößten Kongress für Onkologie, der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO), wurden auch in diesem Jahr die Ergebnisse wichtiger Studien vorgestellt. Die Fortschritte in der Behandlung zeigen sich in vielen Bereichen der Onkologie, seien es die Immuntherapien bei Melanom und Nierenzellkarzinom oder der optimierte Einsatz etablierter Substanzen, beispielsweise beim Kolorektal-, Prostata- und Pankreaskarzinom. Im Folgenden eine Auswahl der Studien, die von der ASCO als besonders relevant angesehen und daher in den Oral Abstract Sessions präsentiert wurden.</p>
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<p class="article-content"><h2>Nierenzellkarzinom – gute Lebensqualität unter PD-L1- plus VEGFR-gerichteter Therapie</h2> <p>In der IMmotion151-Studie wurde Atezolizumab plus Bevacizumab bei therapienaiven Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom gegen Sunitinib verglichen und die Überlegenheit der Kombinationstherapie bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS) gezeigt. Beim ASCO wurden nun Ergebnisse der Patientenbefragung zur Lebensqualität präsentiert, die Atezolizumab plus Bevacizumab als überlegenes Regime bestätigen.<sup>1</sup><br /> In die Phase-III-Studie wurden 915 therapienaive Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenzellkarzinom eingeschlossen und randomisiert mit dem PD-L1-Inhibitor Atezolizumab (1200mg, q3w) plus Bevacizumab (15mg/ kg, q3w) oder alleinigem Sunitinib (50mg, d1–28, q6w) behandelt. Das mediane PFS der PD-L1-positiven Population war mit 11,2 Monaten unter kombinierter Anti-PDL1-/ Anti-VEGFR-Therapie dem Standard Sunitinib mit 7,7 Monaten signifikant überlegen (HR: 0,74; p=0,02). Auch in der ITT-Population war das mediane PFS im experimentellen Arm mit 11,2 Monaten versus 8,4 signifikant verlängert (HR: 0,83; 95 % CI: 0,70–0,97).<br /> Die Studienteilnehmer wurden an Tag 1 und 22 in jedem 6-Wochen-Zyklus, am Ende der Therapie und während der Nachbeobachtungszeit gebeten, einen Fragebogen zur Lebensqualität auszufüllen. Dem kamen mehr als 80 % der Patienten bei Studieneinschluss und mehr als 70 % bis Woche 54 nach. Die Lebensqualität und die Symptomlast waren zu Beginn der Studie in beiden Studienarmen vergleichbar. Bei Patienten unter Atezolizumab/ Bevacizumab wurden im Vergleich zu Sunitinib weniger Störungen des alltäglichen Lebens durch tumorassoziierte Symptome berichtet. Auch kam es erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer relevanten Verschlechterung der Störungen durch die Symptome (Abb. 1). Die Frage nach der Belastung durch Nebenwirkungen wurde im experimentellen Arm häufiger mit „gar nicht“ beantwortet als im Kontrollarm. „Etwas“ und „schon ein wenig“ wurden häufiger unter Sunitinib angegeben. Die Lebensqualität verschlechterte sich unter Atezolizumab/Bevacizumab weniger als unter Sunitinib.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1805_Weblinks_jatros_onko_1805_s50_abb1.jpg" alt="" width="1464" height="1069" /></p> <h2>Malignes Melanom – konsistente Ergebnisse auch im adjuvanten Setting</h2> <p>Trotz kurativer Resektion rezidivieren etwa 50–80 % der Patienten mit malignem Melanom bei Erkrankung im Stadium III und IV innerhalb von 5 Jahren. Die Phase-III-Studie CheckMate 238 zeigte einen Vorteil der adjuvanten Therapie mit Nivolumab gegenüber Ipilimumab.<sup>2</sup><br /> Jeweils 453 Melanompatienten im komplett resezierten Stadium IIIB/IIIC oder IV mit hohem Rezidivrisiko erhielten in der CheckMate-238-Studie Nivolumab plus Ipilimumab-Placebo oder Ipilimumab plus Nivolumab-Placebo für die Dauer von einem Jahr. Der primäre Studienendpunkt war das rezidivfreie Überleben (RFS), sekundäre Endpunkte waren u.a. das Gesamtüberleben (OS) und die Sicherheit.<br /> Der bereits beim ESMO 2017 präsentierte Therapievorteil der Nivolumab- Therapie im adjuvanten Setting wurde mit den aktuell beim ASCO präsentierten 24-Monats-Daten konsistent bestätigt. Nach 12, 18 und 24 Monaten waren 70 % , 66 % und 63 % der Patienten unter Nivolumab ohne Rezidiv. Im Ipilimumab-Arm waren es 60 % , 53 % und 50 % . Das Risiko für das Auftreten eines Rezidivs wurde mit Nivolumab gegenüber dem aktiven Komparator Ipilimumab um 34 % hochsignifikant gesenkt.<br /> In Subgruppenanalysen wurde der RFS-Vorteil für Patienten mit einer PD-L1-Expression <5 % (HR: 0,73) und ≥5 % (HR: 0,54) gezeigt. Ebenso profitierten Patienten im Stadium III und IV stärker von Nivolumab verglichen mit Ipilimumab, wie auch Patienten in den Subgruppen mit den Tumorstadien IIIB und IIIC (alle HR: 0,68). Patienten mit <em>BRAF</em>-mutierten Tumoren (HR: 0,73) und <em>BRAF</em>-Wildtyp-Tumoren (HR: 0,61) zeigten einen größeren Therapieerfolg unter der Nivolumab- als unter der Ipilimumab- Behandlung. Der Therapievorteil mit Nivolumab wurde außerdem in allen anderen präspezifizierten Subgruppen, wie beispielsweise Alter, Geschlecht, mit/ ohne Ulzeration oder Lymphknotenbeteiligung, gesehen.</p> <h2>Kolorektalkarzinom – Erhaltungstherapie mit Chemotherapie plus EGFR-Antikörper</h2> <p>Es gibt nur wenige Studien, die den Stellenwert einer Erhaltungstherapie bei Kolorektalkarzinompatienten mit RASWildtyp- Tumoren nach EGFR-gezielter Induktionstherapie untersuchen. In der VALENTINO-Studie wurde die Erhaltungstherapie mit Panitumumab oder Panitumumab plus 5-FU/LV nach 4-monatiger FOLFOX/Panitumumab-Induktionstherapie auf Nichtunterlegenheit geprüft.<sup>3</sup><br /> 229 Patienten erhielten randomisiert eine Erhaltungstherapie mit 5-FU/LV plus Panitumumab (Arm A) oder alleiniges Panitumumab (Arm B) bis zum Progress oder nicht tolerierbaren Nebenwirkungen. Primärer Studienendpunkt war die Rate an Patienten mit progressionsfreiem Überleben nach 10 Monaten. Die Patienten waren median 62–63 Jahre alt und in zwei Dritteln der Fälle männlich. Sie zeigten mehrheitlich einen sehr guten Allgemeinzustand (ECOG PS 0: 72 % , ECOG PS 1: 28 % ). Bei 84 % der Patienten in Arm A und 80 % der Patienten in Arm B war der Tumor linksseitig lokalisiert. 97 % bzw. 95 % der Tumoren waren vom <em>BRAF</em>-Wildtyp.<br /> Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 13,8 Monaten waren noch 29 Patienten in Arm A und 22 Patienten in Arm B unter Behandlung. Bezüglich des primären Studienendpunkts konnte die Nichtunterlegenheit von alleinigem Panitumumab versus Panitumumab plus 5-FU/LV nicht nachgewiesen werden. Patienten in Arm A lebten median 13,0 Monate progressionsfrei, Patienten in Arm B 10,2 Monate (HR: 1,55; 95 % CI: 1,09–2,20; p=0,011). Die Ansprechrate war mit 65,8 % versus 67,0 % vergleichbar, die mediane Dauer des Ansprechens betrug 12,6 Monate mit kombinierter Erhaltungstherapie versus 9,8 Monate unter alleinigem Panitumumab.<br /> Das Nebenwirkungsprofil war, wie zu erwarten, günstiger unter alleiniger EGFR-gerichteter Therapie. Insbesondere Stomatitis/orale Mukositis, Diarrhö, periphere Neuropathie und Neutropenie wurden unter der Panitumumab-Monotherapie seltener berichtet. Insgesamt waren die Nebenwirkungen in beiden Studienarmen handhabbar.<br /> Die VALENTINO-Studie konnte somit den Wert von zusätzlichem 5-FU/LV zu Panitumumab in der Behandlung des Kolorektalkarzinoms bestätigen. Für Patienten, die Oxaliplatin absetzen, ist die Erhaltung mit 5-FU/LV plus Panitumumab eine Therapieoption.</p> <h2>Prostatakarzinom – verbesserter Therapieerfolg der ADT mit Abirateronacetat</h2> <p>Die intermittierende Androgendeprivationstherapie (ADT) ist eine etablierte Therapieoption bei Hormontherapie-naiven Prostatakarzinompatienten mit biochemischem Rückfall ohne Metastasen. Es konnte kein signifikanter Überlebensunterschied zur kontinuierlichen Gabe gezeigt werden, aber eine verbesserte Lebensqualität. Daher wurde nun untersucht, ob Abirateronacetat zusätzlich zur intermittierenden ADT den Therapieerfolg verbessern kann, ohne dass die Testosteronerholung verzögert wird.<sup>4</sup><br /> Prostatakarzinompatienten mit PSARückfall erhielten 8 Monate Abirateronacetat/ Prednison plus LHRHa oder alleiniges LHRHa. Der primäre Endpunkt war das PSA-progressionsfreie Überleben. 197 der 200 randomisierten Patienten wurden behandelt. Im Median waren die Patienten 65 Jahre alt und in einem sehr guten Allgemeinzustand. Der mediane PSA-Wert betrug 1ng/ml (0,3–33,3ng/ ml), das Testosteron 346ng/dl (160– 946ng/dl). Die Patienten unter 8-monatiger Abirateron/LHRHa-Therapie lebten median 28,3 Monate ohne PSA-Progress versus 21,1 Monate im LHRHa-Arm (HR: 0,62; p=0,007). Die mediane Zeit bis zur Testosteronerholung betrug 13,1 versus 12,9 Monate. Subgruppenanalysen zeigten keinen Unterschied bezüglich der Vorbehandlung, des PSA-Werts, des Gleason- Scores, der Pathologie, der Zeit vom Rückfall bis zur Therapie oder der Art der Therapie. Es wurden keine Grad-4-Nebenwirkungen oder neue Sicherheitssignale berichtet.</p> <h2>Pankreaskarzinom – mFOLFIRINOX neuer Standard für adjuvante Therapie</h2> <p>In der Behandlung des Adenokarzinoms des Pankreas ist nach Resektion die adjuvante 6-monatige Therapie mit Gemcitabin und/oder Fluoropyrimidin der Standard. Etwa drei Viertel der Patienten rezidivieren trotz adjuvanter Behandlung nach zwei Jahren. Da im metastasierten Setting FOLFIRINOX der Therapie mit Gemcitabin überlegen ist, wurde in der multizentrischen, randomisierten Phase- III-Studie PRODIGE 24/CCTG PA.6 modifiziertes FOLFIRINOX (ohne Fluorouracil- Bolus) versus Gemcitabin geprüft.<sup>5</sup><br /> 493 Patienten wurden mit dem Studienziel der Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) in die französisch- kanadische Studie eingeschlossen. Mit einer Nachbeobachtungszeit von median 33,6 Monaten waren 314 Ereignisse eingetreten. Bezüglich der hämatologischen Nebenwirkungen wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Regimen gesehen. Neutropenien traten bei 28,4 % der Patienten im mFOLFIRINOX- Arm und bei 26,0 % der Patienten im Gemcitabin-Arm auf. Allerdings erhielten 59,9 % versus 3,7 % der Patienten G-CSF. Thrombozytopenien wurden bei 1,3 % der Patienten unter mFOLFIRINOX versus 4,5 % unter Gemcitabin berichtet. Nicht hämatologische Nebenwirkungen traten insgesamt häufiger unter mFOLFIRINOX auf, mit Grad-3/4-Diarrhö (18,6 % vs. 3,7 % ), peripherer Neuropathie (9,3 % vs. 0 % ), Fatigue (11 % vs. 4,6 % ), Erbrechen (5,0 % vs. 1,2 % ), Mukositis (2,5 % vs. 0 % ) und Hand-Fuß-Syndrom (0,4 % vs. 0 % ) als signifikant häufiger auftretenden Toxizitäten. Kopfschmerzen (19,4 % vs. 8,4 % ), Fieber (32,4 % vs. 16,5 % ) und grippeähnliche Symptome (5,0 % vs. 1,3 % ) traten hingegen häufiger im Gemcitabin-Arm auf.<br /> Die geplante Anzahl an Chemotherapiezyklen wurde bei 66,4 % der Patienten im mFOLFIRINOX-Arm sowie 79,0 % im Gemcitabin-Arm appliziert. Die relative Dosisintensität betrug 48,7 % versus 91,4 % . 8,8 % versus 4,5 % der Patienten brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab.<br /> Der primäre Studienendpunkt wurde erreicht: Patienten im mFOLFIRINOXArm lebten median 21,6 Monate krankheitsfrei versus 12,8 Monate im Gemcitabin- Arm (HR=0,58; p<0,0001). Die 3-Jahres-DFS-Rate betrug 39,7 % versus 21,4 % . Metastasenfrei lebten die Patienten im Median 30,4 versus 17,7 Monate (HR: 0,59; p<0,0001). Das OS betrug 54,4 Monate unter mFOLFIRINOX versus 35,0 Monate unter Gemcitabin (HR: 0,64; p=0,003). Die 3-Jahres-OSRate war mit 63,4 % versus 48,6 % ebenfalls überlegen im mFOLFIRINOX-Arm.<br /> Aufgrund des signifikanten Überlebensvorteils bei zwar höherer, aber kontrollierbarer Toxizität sollte mFOLFIRINOX als neuer adjuvanter Therapiestandard bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand Anwendung finden.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahresversammlung der American Society of Clinical
Oncology (ASCO), 1.–5. Juni 2018, Chicago
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Escudier B et al.: Patient-reported outcomes (PROs) in IMmotion151: Atezolizumab (atezo) + bevacizumab (bev) vs sunitinib (sun) in treatment (tx) naive metastatic renal cell carcinoma (mRCC). ASCO 2018; Abstr. #4511 <strong>2</strong> Weber J et al.: Adjuvant therapy with nivolumab versus ipilimumab after complete resection of stage III/IV melanoma: Updated results from a phase 3 trial (CheckMate 238). ASCO 2018; Abstr. #9502 <strong>3</strong> Pietrantonio F et al.: First-line FOLFOX plus panitumumab (pan) followed by 5-FU/LV plus pan or single-agent pan as maintenance therapy in patients with RAS wild-type metastatic colorectal cancer (mCRC): The VALENTINO study. ASCO 2018; Abstr. #3505 <strong>4</strong> Efstathiou E et al.: A randomized study of finite abiraterone acetate (AA) plus leuprolide (LHRHa) versus LHRHa in biochemically recurrent non metastatic hormone naïve prostate cancer (M0HNPC). ASCO 2018; Abstr. #5002 <strong>5</strong> Conroy T et al.: Unicancer G I PRODIGE 24/CCTG PA.6 trial: a multicenter international randomized phase III trial of adjuvant mFOLFIRINOX versus gemcitabine (gem) in patients with resected pancreatic ductal adenocarcinomas. ASCO 2018; Abstr. # LBA4001</p>
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