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Fortschritte bei schwer therapierbaren Tumoreigenschaften
Jatros
30
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27.12.2018
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<p class="article-intro">Verschiedene molekulare Eigenschaften von Tumoren sind durchaus bekannt, konnten aber therapeutisch bisher nicht erfolgreich angegangen werden. In einer wissenschaftlichen Sitzung unter dem Vorsitz von Christian Dittrich, Wien, wurden Fortschritte und Schwierigkeiten bei verschiedenen dieser Mechanismen und der therapeutischen Herangehensweise diskutiert.</p>
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<p class="article-content"><p>Der Erfolg der molekularen Präzisionsmedizin hängt von der „actionability“ und der „druggability“ der Tumorerkrankung ab, erklärte Dittrich. Unter „actionability“ sei zu verstehen, dass Aberrationen bestehen, welche zur Diagnose herangezogen werden können und die einen Einfluss auf die Prognose und die Therapie haben. Mit der ESMO Scale for Clinical Actionability of molecular Targets (ESCAT) werden klinische, evidenzbasierte Kriterien definiert, um genomische Alterationen als Marker für die Patientenselektion in Bezug auf zielgerichtete Therapien zu priorisieren. Mit dieser Klassifizierung soll eine einheitliche Sprache für Wissenschaftler, Pharmaindustrie und Medikamentenentwickler geboten werden.<sup>1</sup><br /> Die „druggability“ erlaubt es, zelluläre Ziele durch Tyrosinkinase-Inhibitoren zu modulieren. Der Fokus liegt hier auf der direkten Bindungsinteraktion zwischen Medikament und seiner Zielstruktur (Desolvation Score). Die „druggability“ wird durch ein zelluläres Netzwerk beeinflusst, das mit der Zielstruktur verbunden ist und die Therapie beeinflussen kann.<sup>2</sup> Die „druggability“ von speziellen Tumorstrukturen sei ein zeitabhängiger Faktor, bemerkte Dittrich, wie Fortschritte an verschiedenen als „nicht druggable“ eingestuften Tumorcharakteristiken belegen.</p> <h2>Inhibierung des RAS-Signalwegs</h2> <p>Der RAS-Signalweg kann in verschiedenen Spezies nachgewiesen werden, was auf eine lange evolutionäre Bedeutung hinweist. Beim Menschen wird über den RAS-Signalweg das Zellwachstum gesteuert. Eine Mutation des RAS-Proteins ist eine der häufigsten genetischen Alterationen bei menschlichen Tumoren.<sup>3</sup> Etwa 30 % der humanen Tumoren weisen RASMutationen auf, am häufigsten KRASMutationen. KRAS und NRAS wären gute Zielstrukturen für therapeutische Eingriffe, bemerkte Alex A. Adjei, Rochester, USA, da u.a. bei etwa 90 % der Pankreaskarzinome, 50 % der Kolorektalkarzinome und 30 % der Lungenkarzinome KRASMutationen sowie 25 % der Melanome NRAS-Mutationen nachgewiesen werden.<br /> RAS aktiviert die MAP-Kinase via Phosphorylierung von RAS zur RAF-Kinase, zur MEK-Kinase und schließlich zur MAPKinase. Die MAP-Kinase dimerisiert und entert den Nukleus, wo die Transkription erfolgt. Mutiertes RAS ist nicht sensitiv gegenüber GAP, sondern persistent an GTP gebunden und aktiviert, wodurch dauerhaft ungeregelte Signale abgegeben werden. Mit vielen Tyrosinkinase-Inhibitoren ist es bereits gelungen, eine ATPBindung an Proteinkinasen herzustellen. Die Bindung von GTP an RAS scheitert an der hohen Affinität, mit der RAS an GTP bindet. Die Anti-KRAS-Strategien konzentrieren sich daher auf die Inhibition der Effektor-Signale „downstream“.<br /> Eine andere Strategie wurde mit den Farnesyltransferase-Inhibitoren (FTIs) durchgeführt.<sup>4</sup> Farnesyl ist notwendig, um RAS mit der Zellmembran zu verbinden. Ohne diesen Kontakt ist RAS nicht fähig, Signale von den Membranrezeptoren zu transferieren. Es wurden bereits diverse potente und selektive FTIs entwickelt, die in präklinischen Zellkulturen und Mausmodellen Anti-Tumor-Aktivität zeigten. Zwei FTIs haben es bisher zur Evaluation in Phase-III-Studien geschafft, allerdings mit negativen Studienergebnissen. Die Ursache liege wohl darin, dass nur HRAS durch FTI blockiert werde, während KRAS und NRAS auf FTI-induzierte, alternative Prenylierungen ausweichen, erklärte Adjei. In einer Phase-II-Studie wird der FTI Tipifarnib nun in HRAS-mutierten soliden Tumoren (Schilddrüsenkarzinome, Kopf- Hals-Tumoren, squamöse Tumoren) untersucht und erreichte nach ersten Ergebnissen die prädefinierten Therapieziele.<sup>5</sup> Weitere potenzielle therapeutische Ansätze sind Exosomen mit siRNA beim KRAS<sup>G12D</sup>- mutierten Pankreaskarzinom, die kovalente Inhibition von KRAS<sup>G12C</sup> sowie Antisense-Oligonukleotide (ASO), die an der mRNA angreifen und die Translation in Proteine verhindern.<sup>6–8</sup></p> <h2>Nuklear-Transporter als therapeutisches Ziel</h2> <p>Der nukleare Transport, hauptsächlich über das Exportin CRM1 („nuclear export factor chromosomal region maintenance 1“), ist eine wichtige Funktion bei allen Eukaryoten, worüber Signale vom Nukleus in das Zytoplasma übertragen werden. Die Überexpression von CRM1 ist ein häufiger Prozess bei vielen Tumorentitäten und anderen Erkrankungen, wodurch die Inhibition des nuklearen Transports als therapeutisches Ziel interessant ist, wie Morten Mau-Sorensen, Kopenhagen, Dänemark, darstellte. Die Überexpression von CRM1 ist auch mit Resistenzen gegen Anti-Tumor-Therapien assoziiert und geht mit einer schlechten Prognose bei vielen malignen Erkrankungen einher. Nuklear- Export-Inhibitoren (NEIs) haben sich in vitro als effektive Anti-Tumor-Therapien erwiesen, sind allerdings in der Regel zu toxisch für die Praxis und bieten nur ein schmales therapeutisches Fenster.<sup>9</sup><br /> Der erste in einer klinischen Phase-IStudie untersuchte Inhibitor von Exportin 1 (XPO1/CRM1) ist das orale, hochspezifische „small molecule“ Selinexor (KPT- 330).<sup>10</sup> 189 Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren erhielten Selinexor in 21- oder 28-Tages-Zyklen. XPO1-Spiegel wurden vor und nach der Applikation gemessen und die Ansprechrate nach RECIST- Kriterien ermittelt. Bei 157 bezüglich des Ansprechens auswertbaren Patienten wurde ein komplettes Ansprechen bei einem Patienten und eine partielle Remission bei sechs Patienten (ORR=4,5 % ) gesehen. Außerdem zeigten 27 Patienten (17,2 % ) eine stabile Erkrankung für ≥4 Monate. An Nebenwirkungen (alle Grade) traten insbesondere Fatigue (70 % ), Übelkeit (70 % ), Anorexie (66 % ), Erbrechen (49 % ) und Gewichtsverlust (46 % ) auf. Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen waren Thrombozytopenie (16 % ), Fatigue (15 % ) und Hyponatriämie (13 % ).<br /> Mau-Sorensen wies bezüglich der Toxizität auf eine Dosierung von <40mg/m<sup>2</sup> hin, durch die Nebenwirkungen und Therapieabbrüche deutlich gegenüber der Dosierung >40mg/m<sup>2</sup> reduziert werden konnten. Die empfohlene Dosierung von Selinexor beträgt entsprechend 35mg/m<sup>2</sup> als Applikation von 60mg alle zwei Wochen. Zudem wurden Tendenzen zu einer besseren Verträglichkeit einer wöchentlichen Applikation beobachtet, so Mau-Sorensen.<br /> In eine Phase-I-Studie zur Behandlung von Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) mit Selinexor wurden 79 Patienten mit diversen NHL-Histologien eingeschlossen.<sup>11</sup> Selinexor wurde in Dosierungen von 3–80mg/m<sup>2</sup> und in der Studienerweiterung von 35 oder 60mg/m<sup>2</sup> gegeben. Die häufigsten Nebenwirkungen von Grad 3/4 waren Thrombozytopenie (47 % ), Neutropenie (32 % ), Anämie (27 % ), Leukopenie (16 % ), Fatigue (11 % ) und Hyponatriämie (10 % ). 31 % der 70 auswertbaren Patienten zeigten ein Ansprechen, darunter 4 Patienten mit kompletter Remission. Auch in dieser Studie wurde die Dosierung von 35mg/m<sup>2</sup> für weitere Studien empfohlen.</p> <h2>Therapien der Zukunft auf Basis des Tumormetabolismus</h2> <p>Die Einbeziehung des Tumormetabolismus in die Therapie von Krebserkrankungen wird laut Brian van Tine, St. Louis, USA, die nächste Welle in der Entwicklung von Anti-Tumor-Therapien auslösen. Sarkome sind aufgrund ihres frequenten ASS1-Mangels eine vorbildliche Entität für die Metabolismus-basierte Therapie.<br /> Die Entfernung von Arginin bei ASS1- mangelnden, Arginin-auxotrophen Tumoren verändert den Metabolismus dahingehend, dass der Warburg-Effekt herunterund die Glutamin-Anaplerose hochreguliert wird.<sup>12</sup> Wird ein Defekt im Harnstoffzyklus therapeutisch angezielt, so kann dies zu einer Hochregulierung der oxidativen Phosphorylierung, des Glutamin- Metabolismus und der Biosynthese der Aminosäure Serin führen. Dieser Umweg macht Zellen vulnerabel gegenüber synthetischen, letalen, metabolischen Therapien, bei denen ADI-PEG20 die Arginin- Aushungerung induziert. Dazu unterdrücken – als zwei mögliche Strategien – Glutaminase(GLS)-Inhibitoren die kompensatorische Alternative des Glutamins und Phosphoglycerat-Dehydrogenase( PHGDH)-Inhibitoren verhindern die Hochregulation der Serin-Biosynthese. Keiner der beiden letztgenannten Inhibitoren wäre alleine ausreichend, um hohe Raten an Zelltod zu induzieren, da es schnell zu einer metabolischen Reprogrammierung käme. Kombiniert sind GLSoder PHGDH-Inhibitoren mit der Arginin- Deprivation eine effektive Therapie.<br /> Mit Ausnahme der IDH-Mutation bei leukämischen Malignomen, die sensitiv gegenüber dem IDH-Inhibitor AG-221 sind, zeigen Tumoren ein schnelles metabolisches Ausweichverhalten, welches zu Resistenzen gegen die Therapie führt. Durch die duale globale Inhibition können diese Mechanismen überkommen werden. Auch die Kombination von metabolischer Blockade mit Chemotherapie könnte erfolgreich sein, wie jetzt in einer Studie beim metastasierten Weichteilsarkom mit ADI-PEG20 plus Gemcitabin und Docetaxel untersucht werden soll, erklärte van Tine.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahresversammlung der European Society for Medical
Oncology (ESMO), Sitzung „Drugging non-conventional
targets“, 22. Oktober 2018, München
</p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Mateo J et al.: A framework to rank genomic alterations as targets for cancer precision medicine: the ESMO Scale for Clinical Actionability of molecular Targets (ESCAT). Ann Oncol 2018; 29: 1895-1902 <strong>2</strong> Wu F et al.: Network motifs modulate druggability of cellular targets. Sci Rep 2016; 6: 36626 <strong>3</strong> Miller MS, Miller LD: RAS mutations and oncogenesis: Not all RAS mutations are created equally. Front Genet 2011; 2: 100 <strong>4</strong> Kohl NE et al.: Inhibition of farnesyltransferase induces regression of mammary and salivary carcinomas in ras transgenic mice. Nature 1995; 1: 792-7 <strong>5</strong> Ho AL et al.: Preliminary results from a phase 2 trial of tipifarnib in squamous cell carcinomas (SCCs) with HRAS mutations. ESMO 2018, Abstr. #1046O <strong>6</strong> Kamerker S et al.: Exosomes facilitate therapeutic targeting of oncogenic KRAS in pancreatic cancer. Nature 2017; 546: 498- 503 <strong>7</strong> Janes MR et al.: Targeting KRAS mutant cancers with a covalent G12C-specific inhibitor. Cell 2018; 172: 578-89 <strong>8</strong> Ross SJ et al.: Targeting KRAS-dependent tumors with AZD4785, a high-affinity therapeutic antisense oligonucleotide inhibitor of KRAS. Sci Transl Med 2017; 9: eaal5253 <strong>9</strong> Sun Q et al.: Inhibiting cancer cell hallmark features through nuclear export inhibition. Signal Transduct Target Ther 2016; 1: 16010 <strong>10</strong> Razak ARA et al.: Firstin- class, first-in-human phase I study of selinexor, a selective inhibitor of nuclear export, in patients with advanced solid tumors. J Clin Oncol 2016; 34: 4142-50 <strong>11</strong> Kuruvilla J et al.: Selective inhibition of nuclear export with selinexor in patients with non-Hodgkin’s lymphoma. Blood 2017; 129: 3175-83 <strong>12</strong> Kremer JC et al.: Arginine deprivation inhibits the Warburg effect and upregulates glutamine anaplerosis and serine biosynthesis in ASS1-deficient cancer. Cell Reports 2017; 18: 991-1004</p>
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