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Experten aus aller Welt präsentieren aktuelles immunonkologisches Wissen
Jatros
30
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01.03.2018
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<p class="article-intro">Die Immuntherapie gewinnt bei der Behandlung von Lungen-, Haut- oder Nierentumoren immer mehr an Bedeutung. Nicht verwunderlich also, dass sich ein internationaler Kongress spezifisch mit der Immunonkologie befasst. Auf der mehrtägigen Veranstaltung in Genf wurden dabei nicht nur aktuelle Daten zu etablierten Indikationen vorgestellt, sondern auch der Stellenwert einer Immuntherapie bei seltenen, aber aggressiven Tumoren, wie dem Merkelzellkarzinom, beleuchtet.</p>
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<p class="article-content"><p>Seit 2013 führt die European Society for Medical Oncology (ESMO) jeweils im Dezember eine Veranstaltung durch, die sich spezifisch der Immunonkologie widmet. Was damals als „Symposium on Immuno- Oncology“ begann, hat sich mittlerweile zu einem eigenständigen Kongress entwickelt, für den sich 2017 insgesamt 930 Teilnehmende registriert haben. Ziel des ESMO Immuno Oncology Congress – wie die Veranstaltung nun offiziell heißt – ist es, den Teilnehmenden auf diesem sich rasch weiterentwickelnden Gebiet anhand von Präsentationen anerkannter internationaler Experten den aktuellen Stand des Wissens zu vermitteln.</p> <h2>Dreierkombination als Erstlinientherapie beim NSCLC</h2> <p>Prof. Dr. Martin Reck aus Großhansdorf/ D, Experte auf dem Gebiet der Lungenkarzinome, stellte in Genf als Latebreaking Abstract Resultate der Phase-III-Studie IMpower150 vor.<sup>1</sup> Diese Studie schloss 1202 Patienten mit fortgeschrittenen nicht plattenepithelialen, nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) ein und randomisierte diese zu einer Chemotherapie (Carboplatin und Paclitaxel) plus Atezolizumab (Arm A), zu Chemotherapie plus Atezolizumab plus Bevacizumab (Arm B) oder zu Chemotherapie plus Bevacizumab (Arm C, Kontrollarm) (Abb. 1). IMpower150 stellt damit die erste Phase- III-Studie dar, die Daten zu einer Kombination aus Chemotherapie, antiangiogener Therapie und Immuntherapie liefert. Wie Prof. Reck erläuterte, basiert die Wahl der untersuchten Kombinationen auf wissenschaftlichen Überlegungen. „Bevacizumab könnte über eine Hemmung der VEGFassoziierten Immunsuppression sowie über weitere Mechanismen dazu beitragen, die positive Wirkung des Anti-PD-L1- Antikörpers Atezolizumab auf die Antitumorimmunität zu verstärken, während die Chemotherapie ebenfalls eine Immunantwort auslöst.“</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1801_Weblinks_s44_abb1.jpg" alt="" width="2187" height="943" /></p> <h2>Zugabe der Immuntherapie verbessert Wirksamkeit</h2> <p>Der koprimäre Endpunkt von IMpower150 umfasste das progressionsfreie Überleben (PFS) sowie das Gesamtüberleben (OS). „Die prinzipielle Frage bei dieser Studie war, ob die Zugabe von Atezolizumab zum Kontrollarm einen klinischen Nutzen bringt“, so Prof. Reck. Nach einem minimalen Follow-up von 9,5 Monaten ergab der Vergleich zwischen den Armen B und C, dass die Kombination aus Chemotherapie, Bevacizumab und Atezolizumab der Zweierkombination aus Chemotherapie und Bevacizumab überlegen war. So betrug das mediane PFS für die ITT-Wildtyp-Population (d.h. EGFR- und ALK-negative Patienten) unter der Dreierkombination 8,3 Monate im Vergleich zu 6,8 Monaten im Kontrollarm (HR: 0,62; p<0,0001). Ein Nutzen bezüglich PFS wurde dabei unabhängig vom Ausmaß der PD-L1-Expression beobachtet. „Diese Resultate zeigen uns, dass es einen Weg gibt, die Wirksamkeit einer platinbasierten Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen zu verbessern“, kommentierte Prof. Reck. Weiters erklärte er, dass die Auswertung hinsichtlich OS noch präliminär sei, die Resultate jedoch vielversprechend aussehen würden (medianes OS von 19,2 Monaten in Arm B vs. 14,4 Monate in Arm C; p=0,0262). Eine nächste Auswertung des OS ist für das erste Halbjahr 2018 vorgesehen. Die Arme A und B wurden bisher noch nicht formell miteinander verglichen. Abschließend betonte Prof. Reck: „Die Verträglichkeit der Kombination erscheint als akzeptabel, insbesondere zeigten sich keine neuen Sicherheitssignale.“</p> <p>Prof. Dr. Solange Peters, Universitätsspital Lausanne, hatte die Aufgabe, die Resultate der Studie im Anschluss zu kommentieren. Sie meinte dazu: „Welchen Nutzen die Patienten aus der Zugabe der Immuntherapie ziehen, lässt sich insbesondere bei einer längerfristigen Betrachtung erkennen, wird doch das 12-Monats- PFS durch die Zugabe der Immuntherapie von 18 % auf 37 % verdoppelt. Das ist sehr vielversprechend, haben wir doch bei unselektionierten Patienten eine Verdoppelung des PFS nach einem Jahr bisher noch für keine zielgerichtete Therapie sehen können.“ Noch wichtiger sei aber, dass sich der Vorteil der Kombination als unabhängig von Faktoren wie der PD-L1-Expression oder der T-Effektor-Gen-Signatur erwiesen habe. „Sogar Patienten mit EGFR- und ALK-Alterationen profitierten, was für gewöhnlich bei Immuntherapien nicht der Fall ist.“</p> <h2>Strategie zur Überwindung der Resistenz beim Melanom</h2> <p>Nicht nur in der Behandlung von Lungenkarzinomen, sondern insbesondere auch in der Therapie von Melanomen haben Checkpoint-Inhibitoren einen hohen Stellenwert. Allerdings sind myeloide Suppressorzellen (MDSC, „myeloid-derived suppressor cells“) in der Mikroumgebung des Tumors bei vielen Patienten dafür verantwortlich, dass sie nicht auf die Therapie ansprechen. Diese Zellen produzieren Sauerstoff- und Stickstoffradikale (ROS und RNS) und hemmen dadurch die tumorspezifische Immunantwort der CD8+- T-Zellen.<sup>2, 3</sup> Präklinische Modelle konnten zeigen, dass eine Hemmung der MDSC und eine Reduktion der ROS und RNS zu einer Wiederherstellung der Immunantwort auf tumorspezifische Antigene führen kann.<sup>3</sup><br /> Die Substanz Omaveloxolon (Omav) stellt einen potenten Induktor Nrf2-vermittelter antioxidativer Pfade dar und führte in präklinischen Tumormodellen zu einer Wiederherstellung der Immunüberwachung.<sup>3, 4</sup> „Die gemeinsame Verabreichung von Omav mit Checkpoint- Inhibitoren könnte zu einer Verbesserung der Antitumorimmunantwort führen“, erklärte Dr. Sapna Patel, Houston/USA. Sie präsentierte in diesem Zusammenhang die Daten der offenen, multizentrischen Phase-1b-Studie REVEAL, in welcher die Sicherheit und Wirksamkeit von Omav in Kombination mit Ipilimumab oder Nivolumab bei Patienten mit nicht resezierbaren oder metastasierten Melanomen untersucht werden.<sup>5</sup> Bisher wurden 39 Patienten eingeschlossen, bei denen >5 % der Tumorzellen iNOS (induzierbare Stickstoffmonoxid-Synthase)- positiv waren. Die Daten von 30 Patienten konnten für die aktuelle Präsentation ausgewertet werden. Sieben dieser Patienten hatten vorher keinen Checkpoint- Inhibitor erhalten, 23 waren entsprechend vortherapiert. Omav plus Nivolumab hatten 21 Patienten erhalten, 9 Patienten wurden mit Omav plus Ipilimumab therapiert. Omav wurde in steigenden Dosierungen (5, 10, 20, 100 bzw. 150mg pro Tag) kontinuierlich peroral verabreicht, bei den beiden Checkpoint- Inhibitoren wurden die in der Melanomtherapie üblichen Dosierungsschemata verwendet.<br /> Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug schließlich 57 % bei den Checkpoint-Inhibitor- naiven Patienten und 17 % bei den vorbehandelten. Im Median dauerte es 19 Wochen bis zum Ansprechen. „Es zeigten sich keine schwerwiegenden Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Omav. Sein Einsatz in Kombination mit Ipilimumab oder Nivolumab zeigte eine gute Verträglichkeit“, erläuterte Dr. Patel. „Dies ist eine der ersten Studien, die eine bedeutsame Ansprechrate in einer Checkpoint- Inhibitor-refraktären Population gezeigt hat. Aktuell laufen weitere Dosiseskalations- und Dosisexpansionsstudien sowie Gewebe-basierte Experimente, mit deren Hilfe der Effekt dieser Behandlungskombination weiter geklärt werden soll“, schloss sie.</p> <h2>Immuntherapie beim metastasierten Merkelzellkarzinom</h2> <p>Die Wirksamkeit einer Immuntherapie wird im Weiteren auch bei seltenen Tumorentitäten untersucht. Eine dieser Entitäten ist das Merkelzellkarzinom (MCC). „Das Merkelzellkarzinom ist zwar selten, gleichzeitig ist es aber auch der aggressivste Hauttumor, den wir kennen“, erklärte Prof. Dr. Shailender Bhatia, Seattle/USA. „Das MCC weist eine Mortalitätsrate von 45 % auf und damit eine dreimal höhere Rate als das Melanom.“ Das 5-Jahres-OS von Patienten mit einem MCC im Stadium IV liegt unter 20 % .<sup>6</sup> „Damit besteht hier definitiv Bedarf nach einer kurativen Therapie, d.h. einer Therapie, die zu einer anhaltenden kompletten Remission führt.“<br /> Mit einer zytotoxischen Chemotherapie, der Standardbehandlung des metastasierten MCC während vieler Jahre, lassen sich zwar hohe Ansprechraten (ORR: 53 % , CR: 13 % ), aber kein anhaltendes Ansprechen erreichen (medianes PFS lediglich 3 Monate).<sup>7</sup> Der Anti-PD-L1-Antikörper Avelumab dagegen lieferte in einer Phase-II-Studie bei 88 vortherapierten Patienten mit metastasierten MCC mit einer ORR von 32 % und einem zum Zeitpunkt der Analyse (medianes Followup 10,4 Monate) anhaltenden Ansprechen bei 82 % der Patienten bemerkenswerte Resultate.<sup>8</sup> „Bei einem Patienten mit komplettem Ansprechen wurde über eine Ansprechdauer von 19 Monaten berichtet“, ergänzte Prof. Bhatia. Das Ansprechen auf Avelumab erfolgte zudem rasch, die mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 6 Wochen. „Aufgrund dieser Resultate wurde Avelumab im März 2017 von der FDA zur Behandlung des metastasierten MCC – unabhängig von einer Vortherapie – zugelassen und stellt damit die erste Substanz dar, die für diese Tumorentität offiziell registriert wurde.“ Im September 2017 wurde Avelumab für diese Indikation auch von der EMA zugelassen.<br /> Wie Prof. Bhatia zudem erklärte, seien am AACR-Meeting 2017 Daten einer aktuellen Auswertung der Studie präsentiert worden. „Bei einigen Patienten zeigte sich dabei eine Ansprechdauer von 2 Jahren oder länger. Das längere Followup zeigte zudem, dass interessanterweise einige Patienten mit einem partiellen Ansprechen zeitverzögert noch eine komplette Remission erreichten.“ Trotz allem hätte es aber auch Patienten ohne anhaltende CR gegeben.<br /> In einer weiteren Studie wurde bei 24 bisher unbehandelten Patienten mit einem metastasierten MCC erfolgreich Pembrolizumab eingesetzt (ORR: 56 % , die längste Ansprechdauer betrug 12 Monate).<sup>9</sup> „Gibt es also aktuell noch Gründe dafür, bei immunkompetenten Patienten mit einem metastasierten Merkelzellkarzinom eine Chemotherapie anstelle einer Immuntherapie einzusetzen?“, fragte Prof. Bhatia. „Ich würde meinen, nein.“ Zudem rief er dazu auf, Patienten mit MCC, wann immer möglich, in eine klinische Studie einzuschließen.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: ESMO Immuno-Oncology Congress, 7.–10. Dezember
2017, Genf
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Reck M et al.: Primary PFS and safety analyses of a randomized phase III study of carboplatin + paclitaxel +/− bevacizumab, with or without atezolizumab in 1L non-squamous metastatic NSCLC (IMpower150). Ann Oncol 2017; 28(Suppl 11): Abstract LBA1_PR <strong>2</strong> Gabrilovich DI et al.: Coordinated regulation of myeloid cells by tumours. Nat Rev Immunol 2012; 12: 253-68 <strong>3</strong> Nagaraj S et al.: Anti-inflammatory triterpenoid blocks immune suppressive function of MDSCs and improves immune response in cancer. Clin Cancer Res 2010; 16: 1812-23 <strong>4</strong> Sporn MB et al.: New synthetic triterpenoids: potent agents for prevention and treatment of tissue injury caused by inflammatory and oxidative stress. J Nat Prod 2011; 74(3): 537-45 <strong>5</strong> Patel S et al.: A phase 1b/2 study of omaveloxolone in combination with checkpoint inhibitors in patients with unresectable or metastatic melanoma. Ann Oncol 2017; 28(Suppl 11): Abstract 5O_PR <strong>6</strong> Lemos BD et al.: Pathologic nodal evaluation improves prognostic accuracy in Merkel cell carcinoma: analysis of 5823 cases as the basis of the first consensus staging system. J Am Acad Dermatol 2010; 63: 751-61 <strong>7</strong> Iyer JG et al.: Response rates and durability of chemotherapy among 62 patients with metastatic Merkel cell carcinoma. Cancer Med 2016; 5: 2294-301 <strong>8</strong> Kaufman HL et al.: Avelumab in patients with chemotherapy-refractory metastatic Merkel cell carcinoma: a multicentre, single- group, open-label, phase 2 trial. Lancet Oncol 2016; 17: 1374-85 <strong>9</strong> Nghiem PT et al.: PD-1 blockade with pembrolizumab in advanced Merkel-cell carcinoma. N Engl J Med 2016; 374: 2542-52</p>
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