
Essen und Trinken bei hämatoonkologischen Erkrankungen
Autorin:
Johanna Lhotta, BSc
Landeskrankenhaus Innsbruck
Verband der Diaetologen Österreichs
Arbeitskreis „Ernährung und Onkologie“
E-Mail: onko@diaetologen.at
Appetitlosigkeit, Übelkeit, Immunschwäche, Mukositis, Gewichtsverlust: Dies sind nur einige der vielen Nebenwirkungen, die mit einer Therapie bei hämatoonkologischen Erkrankungen einhergehen. Umso wichtiger ist eine angepasste Ernährungstherapie für die Betroffenen, die den Erfolg der Therapie begünstigt und nicht zuletzt auch Genuss und Wohlbefinden beim Essen bringen soll.
Keypoints
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Die Ernährung sollte energiereich sein, um den erhöhten Bedarf im Rahmen der Therapie abzudecken. Mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt und eine reichliche Verwendung von fettreichen Lebensmitteln können dabei helfen, die Kalorienzufuhr zu steigern.
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Die Aufnahme an Eiweiß spielt eine zentrale Rolle in der Erhaltung eines guten Ernährungszustandes. Eiweißreiche Lebensmittel wie Milchprodukte, Eier, Fleisch, Fisch und Hülsenfrüchte sollten mehrmals täglich im Speiseplan enthalten sein.
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Zur Vermeidung von Lebensmittelinfektionen sollte auf eine gute Küchenhygiene und die richtige Lagerung von Lebensmitteln geachtet werden. Je nach Therapiephase ist es auch sinnvoll, keimanfällige Lebensmittel nur in gekochter Form zu verzehren.
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Im Rahmen der Therapie kann eine Vielzahl von Nebenwirkungen (wie z.B. Übelkeit, Geschmacksveränderungen, Verdauungsbeschwerden, …) auftreten, welche sich negativ auf die Ernährung auswirken können. Gegen viele davon gibt es wirksame Maßnahmen, die in einem diätologischen Beratungsgespräch besprochen werden können.
Der Weg durch die Therapie
So unterschiedlich die Therapien von hämatoonkologischen Erkrankungen wie akuten Leukämien, multiplen Myelomen und Lymphomen sind, in ihren Auswirkungen auf die Ernährung ähneln sie sich sehr.
Im Rahmen der Therapie kann sich eine Reihe von Nebenwirkungen bemerkbar machen, deren Auswirkungen mit einer passenden Ernährungstherapie gemildert werden können. Es beginnt mit banalen Dingen, wie der täglichen Speiseplangestaltung im Gespräch mit den Betroffenen, die zu einer verbesserten Nahrungsaufnahme führen können.
Des Weiteren beinhaltet die Ernährungstherapie die Beratung zu einer Vielzahl von Maßnahmen, die beispielsweise das Essen bei unterschiedlichen Verdauungsbeschwerden erleichtern. Auch der Einsatz von diätetischen Lebensmitteln gegen Obstipation oder Diarrhö kann hierbei hilfreich sein.
Zuletzt greift die Ernährungstherapie auch bei schwerwiegenden Nebenwirkungen und entlastet die Patient:innen mit dem Einsatz einer passenden künstlichen Ernährung über enterale oder parenterale Zugänge. Diätolog:innen sind hierbei gute Ansprechpersonen, um mit einer Reihe an Ratschlägen die Beschwerden zu erleichtern und die Freude am Essen wieder zu fördern.
Das Plus an Eiweiß und Energie
Wie auch bei den meisten anderen onkologischen Erkrankungen führt die Erkrankung dazu, dass der Körper mehr Energie und Nährstoffe benötigt (Tab. 1a). Gleichzeitig fällt es aber den meisten Betroffenen während der Therapie schwer, eine ausreichende Menge zu essen: ein Ungleichgewicht, das nicht selten zu einem Gewichtsverlust und einer Abnahme der Muskelkraft führt. Um dies zu vermeiden, sollten Betroffene gleich zu Beginn der Therapie mit Wissen ausgestattet werden, welche Lebensmittel bei der Deckung des Bedarfs helfen können (Tab. 1b).
Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den Nährstoffen Fett und Eiweiß zu. Fettreiche Lebensmittel wie etwa Öl, Butter und Sahne enthalten in geringen Mengen einen hohen Wert an Kilokalorien und können so auch bei einer reduzierten Essensmenge erheblich zur Steigerung der Energiezufuhr beitragen. Eiweiß ist im Körper Bestandteil der Zellmasse bzw. Muskulatur und wird im Rahmen der Inflammation bei einer Krebserkrankung vermehrt aus dieser Körpermasse mobilisiert. Wenn dies durch die Nahrungsaufnahme nicht ausgeglichen wird, kann es zu einem übermäßigen Abbau von Muskelmasse kommen, der sich dann wiederum negativ auf die Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und Prognose auswirkt.
Hochwertiges Eiweiß ist vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch, Fleischwaren, Milchprodukten und Eiern enthalten. Pflanzliche Eiweißquellen stellen Hülsenfrüchte, Getreideprodukte und Nüsse dar. Wenn der Konsum von diesen Lebensmitteln während der Therapie schwerfällt, bieten hochkalorische Trinknahrungen eine gute Ergänzung zu den normalen Speisen. Sie sollten schluckweise über den Tag verteilt getrunken werden und sind in vielen Fällen bei den gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähig. Die Auswahl der Trinknahrung sollte immer an die Bedürfnisse und Nebenerkrankungen der Betroffenen angepasst sein.
Hygiene in der Küche
Hämatoonkologische Erkrankungen und deren Therapie gehen meist mit einer vorübergehenden Immunschwäche einher. Erfreulicherweise hat sich in den letzten Jahren durch Untersuchungen gezeigt, dass rigide Einschränkungen in der Lebensmittelauswahl nicht notwendig sind. Um das Risiko für eine Lebensmittelinfektion aber so gering wie möglich zu halten, macht es dennoch Sinn, keimanfällige Lebensmittel zu kennen und diese auf eine risikoarme Weise zuzubereiten.
Dabei gilt die Regel „Säubern – Kochen – Trennen – Kühlen“. Diese bezieht sich auf den richtigen Kochprozess: Säuberung der Hände, Arbeitsflächen und Kochutensilien und darauffolgend das ausreichende Erhitzen von rohen Speisen. Des Weiteren beschreibt sie das Trennen der Arbeitsbereiche (z.B. mit verschiedenen Schneidbrettern) von roh und gekocht verzehrten Speisen sowie die Einhaltung der Kühlkette in der Lagerung von Nahrungsmitteln.
In der Phase der Neutropenie beim stationären Aufenthalt kommt der Lebensmittelhygiene naturgemäß eine hohe Bedeutung zu. Lebensmittel tierischer Herkunft, welche hochpathogene Keime enthalten können, sollten in dieser Phase nur in gekochter oder pasteurisierter Form verzehrt werden. Das Schälen und/oder Kochen von Obst und Gemüse sowie das ausreichende Erhitzen von rohen Kräutern, Getreideflocken, Nüssen und Trockenfrüchten führt ebenso zu einer erhöhten Sicherheit. Zudem sollten Speisen und Getränke alsbald verbraucht und schnell verderbliche Lebensmittel stets gekühlt werden. Nach einer Stammzelltransplantation oder CAR-T-Zelltherapie macht es für einen begrenzten Zeitraum auch Sinn, weiterhin vermehrt Augenmerk auf die Lebensmittel- und Küchenhygiene zu legen. Der Zeitraum sollte mit den behandelnden Ärzt:innen abgestimmt werden. Sowohl im stationären als auch ambulanten Setting sollten hierbei Diätolog:innen die Betroffenen entsprechend schulen.
Literatur:
• Arends J et al.: S3-Leitline der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. (DGHO), der Arbeitsgemeinschaft „Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin“ der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS) und der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Ernährung (AKE). Aktuelle Ernährungsmedizin 2015; 40 • Anforderungen an die Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2021; 64:232-64 • Uhrig M, für den Arbeitskreis Pflege des Klinikums der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, et al.: Ernährung von Patienten mit geschwächtem Immunsystem [Internet]. Onkopedia 2017 [cited 2023 Aug 23]. Abrufbar unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia-p/guidelines/ernaehrung-von-patienten-mit-geschwaechtem-immunsystem/@@guideline/html/index.html