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Epigenetische Biomarker bei Krebserkrankungen
Jatros
Autor:
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. Gerda Egger
Klinisches Institut für Pathologie<br> Medizinische Universität Wien und Ludwig Boltzmann Institut Applied Diagnostics<br> E-Mail: gerda.egger@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
27.12.2018
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<p class="article-intro">Die Organisation und die Regulation unseres Genoms unterliegen komplexen epigenetischen Mechanismen, welche die Identität und Funktion von Zellen bestimmen. Veränderungen in epigenetischen Prozessen treten in frühen Stadien von Tumorerkrankungen auf und sind kausal in Tumorentstehung und Progression involviert. Das Tumorepigenom stellt einen wichtigen Angriffspunkt für Krebstherapien dar und epigenetische Muster können mittels sensitiver Analysemethoden als Biomarker für unterschiedliche klinische Aspekte angewendet werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Epigenetische Mechanismen</h2> <p>Ein ungefähr 2m langer DNA-Faden wird in jeder Zelle unseres Körpers in einen 10μm großen Zellkern verpackt. Diese Herausforderung wird durch Aufwickeln der DNA auf sogenannte Nukleosomen bewerkstelligt, welche sowohl Kondensation als auch Zugänglichkeit der DNA bestimmen. Die Nukleosomen bestehen aus einem Oktamer aus 4 verschiedenen Histonproteinen (H2A, H2B, H3 und H4) und formen gemeinsam mit der DNA das Chromatin. Durch chemische Veränderungen der Histonproteine wie zum Beispiel Azetylierung, Methylierung oder Phosphorylierung wird das Chromatin entweder aufgelockert oder eng verpackt und bedingt somit die mögliche Expression von Genen. Eine Vielzahl solcher Histonmodifikationen wurde bereits beschrieben und ihr Zusammenspiel resultiert in einem Code, der von speziellen Leseproteinen erkannt wird und über Aktivität oder Repression der DNA entscheidet.<sup>1</sup> Nebst Histonmodifikationen können auch sogenannte „Chromatin-Remodeler“ den Umbau der Nukleosomendichte veranlassen und wiederum die Zugänglichkeit der DNA verändern.<br /> Des Weiteren spielt die chemische Modifikation der DNA mittels Methylierung eine essenzielle Rolle in der Regulation der Genexpression. Die Bindung einer Methylgruppe an die C-5-Position der Cytosinbase in der DNA bedingt das Stilllegen des betroffenen DNA-Abschnittes. Dies geschieht zumeist im CpG-Kontext, also wenn ein Cyotosin von einem Guanin gefolgt wird. Etwa 70–80 % der genomischen CpGs sind methyliert. Die Ausnahme stellen sogenannte CpG-Inseln dar, welche einen hohen GC-Gehalt aufweisen, häufig in Promotoren von Genen zu finden sind und generell nicht methyliert vorliegen.<br /> Einen weiteren wichtigen Bestandteil epigenetischer Mechanismen stellen nicht codierende RNAs dar, welche selbst nicht in Proteine abgelesen werden, aber in Form von microRNAs (miRNAs) oder langer nicht codierender RNAs (lncRNA) die Genexpression beeinflussen können. miRNAs wirken auf transkriptioneller/ posttranskriptioneller Ebene, während lncRNAs als Gerüst für Proteine fungieren können, welche Chromatinmodifikationen durchführen.<br /> Die oben beschriebenen Prozesse sind eng verknüpft und bilden gemeinsam die Grundlage epigenetischer Regulation der zellulären DNA (Abb. 1).<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1807_Weblinks_jatros_onko_1807_s65_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="642" /></p> <h2>Epigenetische Veränderungen in Tumoren</h2> <p>Aus historischer Sicht wurden genetische Veränderungen der DNA (Mutationen, Translokationen, Deletionen, Amplifikationen) als Ursache für Tumorerkrankungen verantwortlich gemacht. In den letzten Jahrzehnten hat sich allerdings gezeigt, dass auch epigenetische Veränderungen essenziell zur Tumorentstehung und Progression beitragen. Der Begriff „Epigenetik“ beschreibt vererbbare Veränderungen in der Genexpression, die nicht durch Veränderungen in der DNA-Sequenz hervorgerufen werden. Obwohl das Epigenom generell stabil ist und von Zellgeneration zu Zellgeneration weitervererbt wird, können Umwelteinflüsse das Epigenom beeinflussen und verändern. Dies führt zu lokalen Veränderungen in DNAassoziierten Prozessen wie etwa Transkription, Reparatur und Replikation, während globale epigenetische Veränderungen genomische Instabilität hervorrufen.<br /> Genomweite Mutationsanalysen einer Vielzahl von verschiedenen Tumoren haben gezeigt, dass epigenetische Regulatoren zu den am häufigsten mutierten Genen in Tumorerkrankungen zählen. So sind zum Beispiel Gene, die für DNA-Methylierung und -Demethylierung verantwortlich sind (<em>DNMT3A, TET2</em>), häufig in hämatologischen Erkrankungen wie dem myelodysplastischen Syndrom (MDS) oder der akuten myeloischen Leukämie (AML) betroffen.<sup>3, 4</sup> Selbst Histonproteine können mutieren, wie etwa in Glioblastomen oder Sarkomen gezeigt wurde.<sup>5, 6</sup> Metabolische Veränderungen von Tumorzellen führen zu veränderten Konzentrationen an Metaboliten, welche die Basis für epigenetische Modifikationen darstellen.<sup>7</sup> Der vermehrte Glukosestoffwechsel von Tumorzellen führt zu einem höheren Angebot von Azetyl- CoA, einem wichtigen Substrat für die Azetylierung von Histonen und anderen Proteinen. S-Adenosyl-Methionin (SAM) stellt einen wichtigen Methylgruppendonator für DNA und Histonmethylierungsreaktionen dar und ist häufig in Tumorzellen verändert. Mutationen in den Genen <em>IDH1</em> und <em>IDH2</em> führen zur Produktion des onkogenen Metaboliten 2-Hydroxyglutarat (2HG), welcher zur Inhibierung von Histon- und DNA-Demethylasen führt. Die Inhibierung der DNA-Demethylierung resultiert in dem sogenannten CpG-Island- Methylator-Phänotyp (CIMP), wie in verschiedenen Tumorarten wie Glioblastomen, Cholangiokarzinomen oder AML beobachtet werden konnte.<sup>8–10</sup> CIMP wurde ursprünglich in Kolonkarzinomen beschrieben, wo es eine Subgruppe mit klinischer Relevanz darstellt.<sup>11</sup> CIMP-positive Tumoren haben eine bessere Prognose, sind häufig mit Mikrosatelliteninstabilität und <em>BRAF</em>-Mutationen assoziiert und eher im proximalen Kolon lokalisiert.<sup>12</sup> Letztendlich stellt das methylierte Cytosin selbst einen wichtigen Angriffspunkt für genetische Mutationen dar; durch Deaminierung wird Methyl-Cytosin in Thymin umgewandelt und durch falsche oder fehlende Reparaturmechanismen kommt es zu einer CpG>TpG-Transition. Diese Veränderungen zählen zu den am häufigsten beobachteten Mutationen in Tumoren.<sup>13</sup></p> <h2>Epigenetische Therapien und Biomarker</h2> <p>Da epigenetische Prozesse reversibel sind, stellen sie ein wichtiges Target für spezielle therapeutische Ansätze dar. Zu den bisher erfolgreichsten Therapien zählen DNMT- und HDAC-Inhibitoren wie zum Beispiel Decitabin und Vorinostat, welche für MDS oder T-Zell-Lymphome Anwendung finden. Vielversprechende präklinische Studien und das Interesse der Pharmaindustrie lassen auf schnelle weitere Entwicklungen hoffen.<br /> Große Hoffnung wird auch in die Entwicklung epigenetischer Biomarker gesetzt. Vor allem tumorspezifische Veränderungen in der DNA-Methylierung sind sehr stabil und erlauben die Klassifizierung verschiedener Tumorentitäten.<sup>10, 14–17</sup> So wurde etwa kürzlich eine auf DNA-Methylierung basierende Klassifikation von Tumoren des zentralen Nervensystems vorgeschlagen.<sup>18</sup><br /> Eine große Anzahl an Studien hat die Bedeutung von tumorspezifischen Methylierungsmarkern untersucht und zahlreiche Publikationen belegen den Nutzen dieser für Risikoeinschätzung, frühe Diagnose, Prognose und Prädiktion von Krebserkrankungen (Tab. 1).<sup>19</sup> Vor allem der Nachweis tumorspezifischer Methylierung mittels nicht invasiver Diagnostik erscheint vielversprechend. Zirkulierende freie Tumor- DNA kann mittels sensitiver Methoden zum Beispiel in Blut, Urin, Sputum oder Stuhl nachgewiesen werden. Der erste von der FDA (Food and Drug Administration) zugelassene kommerzielle Kit Epi proColon<sup>®</sup> wurde als blutbasierter Screeningtest entwickelt und analysiert die DNA-Methylierung des <em>SEPT9</em>-Gens. Weitere vielversprechende Marker sind in klinischen Studien für Tumordiagnostik, Prognose oder Prädiktion.<sup>20</sup> Die Menge an zirkulierender freier Tumor-DNA ist jedoch sehr gering und daher sind diese Tests für frühe Diagnostik oft nicht ausreichend sensitiv. Gewebe wie Blut, Urin, Mundhöhlen- oder Zervixabstriche zeigen spezifische epigenetische Muster, welche eine frühe Risikoabschätzung von Krebserkrankungen mithilfe von Surrogatmarkern erlauben.<sup>21</sup><br /> Obwohl anormale DNA-Methylierung vieler Gene in unterschiedlichsten Tumoren identifiziert wurde, sind bisher nur wenige Marker in der klinischen Anwendung oder in klinischen Studien angelangt. Grund dafür sind eine fehlende Standardisierung von Analysemethoden und das Fehlen von großen prospektiven klinischen Validierungsstudien. Vielversprechend erscheinen Multi-Panel-Tests, die sowohl Mutationen als auch epigenetische Veränderungen mehrerer Gene untersuchen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1807_Weblinks_jatros_onko_1807_s64_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1331" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Jenuwein T, Allis CD: Translating the histone code. Science 2001; 293(5532): 1074-80 <strong>2</strong> Egger G et al.: Epigenetics in human disease and prospects for epigenetic therapy. Nature 2004; 429(6990): 457-63 <strong>3</strong> Delhommeau F et al.: Mutation in TET2 in myeloid cancers. N Engl J Med 2009; 360(22): 2289-301 <strong>4</strong> Ley TJ et al.: DNMT3A mutations in acute myeloid leukemia. N Engl J Med 2010; 363(25): 2424-33 <strong>5</strong> Lu C et al.: Histone H3K36 mutations promote sarcomagenesis through altered histone methylation landscape. Science 2016; 352(6287): 844-9 <strong>6</strong> Sturm D et al.: Paediatric and adult glioblastoma: multiform (epi)genomic culprits emerge. Nat Rev Cancer 2014; 14(2): 92-107 <strong>7</strong> Pavlova NN, Thompson CB: The emerging hallmarks of cancer metabolism. Cell Metab 2016; 23(1): 27-47 <strong>8</strong> Borger DR et al.: Frequent mutation of isocitrate dehydrogenase (IDH)1 and IDH2 in cholangiocarcinoma identified through broad-based tumor genotyping. Oncologist 2012; 17(1): 72-9 <strong>9</strong> Mardis ER et al.: Recurring mutations found by sequencing an acute myeloid leukemia genome. N Engl J Med 2009; 361(11): 1058-66 <strong>10</strong> Parsons DW et al.: An integrated genomic analysis of human glioblastoma multiforme. Science 2008; 321(5897): 1807-12 <strong>11</strong> Toyota M et al.: CpG island methylator phenotype in colorectal cancer. Proc Natl Acad Sci U S A 1999; 96(15): 8681-6 <strong>12</strong> Weisenberger DJ et al.: CpG island methylator phenotype underlies sporadic microsatellite instability and is tightly associated with BRAF mutation in colorectal cancer. Nat Genet 2006; 38(7): 787-93 <strong>13</strong> Alexandrov LB et al.: Signatures of mutational processes in human cancer. Nature 2013; 500(7463): 415-21 <strong>14</strong> Bormann F et al.: Cell-of-origin DNA methylation signatures are maintained during colorectal carcinogenesis. Cell Rep 2018; 23(11): 3407-18 <strong>15</strong> Figueroa ME et al.: DNA methylation signatures identify biologically distinct subtypes in acute myeloid leukemia. Cancer Cell 2010; 17(1): 13-27 <strong>16</strong> Paul Y et al.: DNA methylation signatures for 2016 WHO classification subtypes of diffuse gliomas. Clin Epigenetics 2017; 9: 32 <strong>17</strong> Stefansson OA et al.: A DNA methylation-based definition of biologically distinct breast cancer subtypes. Mol Oncol 2015; 9(3): 555-68 <strong>18</strong> Capper D et al.: DNA methylation- based classification of central nervous system tumours. Nature 2018; 555(7697): 469-474 <strong>19</strong> Leygo C et al.: DNA methylation as a noninvasive epigenetic biomarker for the detection of cancer. Dis Markers 2017; 2017: 3726595 <strong>20</strong> Thomas ML, Marcato P: Epigenetic modifications as biomarkers of tumor development, therapy response, and recurrence across the cancer care continuum. Cancers (Basel) 2018; 10(4) <strong>21</strong> Widschwendter M et al.: Epigenome-based cancer risk prediction: rationale, opportunities and challenges. Nat Rev Clin Oncol 2018; 15(5): 292-309</p>
</div>
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