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EGFR-/ALK-positive nichtkleinzellige Lungentumoren

Vor- und Nachteile neuer Entwicklungen in der Erstlinientherapie des NSCLC

Verschiedene Studien haben Alternativen zu den bisherigen Standard-Erstlinienoptionen bei EGFR- bzw. ALK-positiven nichtkleinzelligen Lungentumoren untersucht. Ein Vortrag am 5thInternational Lung Cancer Summit zeigte nicht nur die Vorteile der neuen Optionen auf, sondern wies auch auf mögliche Nachteile hin.

Keypoints

  • In den letzten Jahren haben verschiedene in Phase-III-Studien untersuchte Substanzen bzw. Kombinationen klinisch bedeutsame Verbesserungen in der Erstlinientherapie des EGFR- bzw. ALK-positiven NSCLC gezeigt.

  • Beim EGFR-mutierten NSCLC verlängerte die Kombination von Osimertinib mit Chemotherapie (Carboplatin/Pemetrexed) sowie von Lazertinib mit dem bispezifischen Antikörper Amivantamab das PFS gegenüber Osimertinib. Aufgrund der Nebenwirkungsprofile bleibt Osimertinib aber nach wie vor für viele Patient:innen eine gute Wahl.

  • Beim ALK-positiven NSCLC erwiesen sich ALK-TKI der zweiten und dritten Generation als (viel) besser wirksam im Vergleich zu Crizotinib. Ob die Ergebnisse der CROWN- Studie den verbreiteten Einsatz von Lorlatinib in der Erstlinientherapie rechtfertigen, ist nach wie vor Gegenstand von Diskussionen.

  • Es braucht bessere Instrumente zur Risikostratifizierung und Patient:innenselektion.

In ihrem Vortrag konzentrierte sich Zosia Piotrowska, MD/MHS, Massachusetts General Hospital, Boston (USA), auf die Erstlinientherapie von EGFR(epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor)- bzw. ALK(ana- plastische Lymphomkinase)-positiven nichtkleinzelligen Lungentumoren (NSCLC). Wie sie einleitend erklärte, stellt Osimertinib den aktuellen Therapiestandard beim EGFR-positiven NSCLC dar, basierend auf den Resultaten der FLAURA-Studie.1,2 Diese ergab für Osimertinib im Vergleich zu anderen EGFR-Tyrosinkinasehemmern (Gefitinib und Erlotinib) ein signifikant längeres medianes progressionsfreies Überleben (PFS) von 18,9 Monaten und ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 38,6 Monaten.

Beim ALK-positiven NSCLC haben aktuell ALK-Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation den Platz der Standard-Erstlinientherapie inne. Die Referentin präsentierte dazu die Daten der ALEX-Studie, in welcher mit dem Tyrosinkinasehemmer (TKI) Alectinib ein medianes PFS von 34,8 Monaten und ein 5-Jahres-OS von 62,5% erreicht wurden. «Das sind bereits sehr eindrückliche Resultate», kommentierte Piotrowska. Die Frage sei nun, ob noch weitere Verbesserungen möglich wären.

Kombinationen bei EGFR-mutierten Tumoren

Eine mögliche Strategie zur weiteren Verbesserung der therapeutischen Resultate stellt einerseits die Entwicklung neuer TKI-Generationen, andererseits der Einsatz von Kombinationstherapien dar. «Denkbar sind hier Kombinationen eines TKI mit einer Chemotherapie, mit einem bispezifischen Antikörper oder einem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat», sagte die Referentin. Bei der Evaluation solcher Optionen sollte jedoch stets an die Balance zwischen Nutzen und Auswirkungen auf die Lebensqualität gedacht werden, fand Piotrowska. «Die zentrale Frage, die bisher noch nicht beantwortet wurde, ist zudem, wie wir diejenigen Patient:innen identifizieren können, die am ehesten von solchen neuen Therapie profitieren.»

Als erste Weiterentwicklung beim Vorliegen klassischer EGFR-Mutationen (ex19del und L858R) stellte Piotrowska anschliessend die Kombination von Osimertinib mit Carboplatin/Pemetrexed vor, die im Rahmen der Studie FLAURA2 untersucht worden war.3,4 Die Zugabe der Chemotherapie führte dabei zu einer signifikanten Verlängerung des medianen PFS um 8,8 Monate (HR: 0,62; 95% CI: 0,49–0,79; p<0,0001). «Die Daten zum Gesamtüberleben waren zum Zeitpunkt der letzten Auswertung noch unreif und zeigten keinen statistisch signifikanten Unterschied», berichtete die Referentin. Etwa 40% der Teilnehmenden der FLAURA2-Studie wiesen ZNS-Metastasen auf. Gemäss einer explorativen Analyse scheinen gerade diese Patient:innen besonders von einer Zugabe der Chemotherapie zu profitieren.4 Piotrowska betonte, dass trotz des guten Resultats der Kombination bedacht werden muss, dass die Zugabe einer intravenös applizierten Chemotherapie auch das Nebenwirkungsprofil der ansonsten sehr gut verträglichen rein oralen Therapie mit Osimertinib beeinflusst. In der Studie wurden insbesondere hämatologische Toxizitäten beobachtet, vor allem in den ersten drei Monaten der Behandlung.

TKI plus bispezifischer Antikörper

Die Kombination eines TKI mit einem bispezifischen Antikörper wurde in der Studie MARIPOSA untersucht.5 Eingesetzt wurden Lazertinib, ein TKI der dritten Generation, und Amivantamab, ein bispezifischer EGRF/MET-Antikörper. Nach einem medianen Follow-up von 22 Monaten vermochte die Kombination im Vergleich zu Osimertinib das mediane PFS um 7,1 Monate zu verlängern (23,7 vs. 16,6 Monate; HR: 0,70; 95% CI: 0,58–0,85; p<0,001). Die Daten zum OS waren zum Analysezeitpunkt noch unreif. «Auch hier müssen wir diesen PFS-Vorteil der Notwendigkeit der intravenösen Gabe von Amivantamab und einer doch signifikant erhöhten Toxizität gegenüberstellen», gab die Referentin zu bedenken. So traten v.a. dermatologische Toxizitäten und infusionsassoziierte Reaktionen vermehrt auf. «Bei 37% der Teilnehmenden kam es zudem zu einer venösen Thromboembolie, die nun eine prophylaktische Antikoagulation bei Verabreichung dieses Regimes erforderlich macht», ergänzte sie. Dies alles habe einen Einfluss auf die Lebensqualität der Patient:innen.

Abb. 1: Mögliche Optionen für die erste und die weiteren Therapielinien bei EGFR-positiven nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen. Modifiziert nach dem ILCS-Vortrag von Dr. Piotrowska

Diesen Teil ihres Vortrags zusammenfassend meinte Dr. Piotrowska anschliessend, dass es nun grundsätzlich drei verschiedene Möglichkeiten der Erstlinientherapie eines EGFR-positiven NSCLC gibt (Abb. 1): Osimertinib, gefolgt von Chemotherapie in der zweiten und Lazertinib plus Amivantamab in der dritten Linie oder Osimertinib plus Chemotherapie in der ersten Linie gefolgt von Lazertinib/Amivantamab oder Lazertinib/Amivantamab als Erstlinienbehandlung gefolgt von Chemotherapie. «Eine einfache Antwort auf die Frage zur besten Wahl gibt es hier nicht, da uns keine Biomarker zur Patient:innenselektion zur Verfügung stehen. Wir sollten daher Vor- und Nachteile der Optionen mit den Betroffenen besprechen und auch bedenken, dass die Wahl der Erstlinienoption einen Einfluss auf die Wahl der nachfolgenden Linien hat.» Aufgrund der Nebenwirkungsprofile stelle Osimertinib aber sicherlich nach wie vor für viele Patient:innen eine gute Option dar.

Neue Generation an ALK-TKI

Im Zusammenhang mit der Erstlinienbehandlung des ALK-mutierten NSCLC wies Piotrowska insbesondere auf die Entwicklung weiterer, potenterer TKI hin. So wurde der Drittgenerations-TKI Lorlatinib im Rahmen der CROWN-Studie bei Patient:innen mit einem ALK-positiven NSCLC untersucht.5 Als Vergleichssubstanz diente Crizotinib. «Das ist eigentlich nicht der Vergleichsarm, den wir brauchen würden. Wir hätten uns hier eher einen Zweitgenerations-TKI wie Alectinib oder Brigatinib gewünscht», gab sie zu bedenken.

Der Unterschied in Bezug auf das mediane PFS fiel dann auch sehr klar aus. Während das mediane PFS unter Crizotinib bei 9,3 Monaten lag, wurde es von der Lorlatinib-Gruppe noch nicht erreicht (HR: 0,27; 95% CI: 0,18–0,39). «Mit 0,27 ist die Hazard-Ratio hier deutlich niedriger als für Alectinib in der ALEX-Studie mit 0,5 und für Brigatinib in der ALTA-1L-Studie mit 0,48», ergänzte Piotrowska. Die 3-Jahres-PFS-Rate betrug 64% unter Lorlatinib im Vergleich zu 19% unter Crizotinib. «Einer der Vorteile von Lorlatinib ist zudem seine gute Wirkung auf ZNS-Metastasen», so die Referentin weiter. So führte der ALK-TKI zu einer intrakraniellen Gesamtansprechrate von 83% und zu einer Reduktion der kumulativen Inzidenz eines Fortschreitens der ZNS-Metastasen als erstes Ereignis (45% unter Crizotinib vs. 5% unter Lorlatinib).

Wie Piotrowska weiter ausführte, sollte aber auch hier das Nebenwirkungsprofil berücksichtigt werden. «Aufgrund seiner ZNS-Aktivität treten unter Lorlatinib einige spezifische Nebenwirkungen auf, die für gewisse Patient:innen belastend sein können.» Sie nannte hier neben einer Gewichtszunahme auch neurokognitive Effekte. «Gerade für neu diagnostizierte junge und ansonsten gesunde Betroffene, die mitten im Berufsleben stehen, kann dies zu einer Verschlechterung der Lebensqualität beitragen und ist sicherlich ein Punkt, den wir mit ihnen diskutieren müssen», sagte sie.

Optimale Wahl noch schwierig

Sowohl beim EGFR- als auch beim ALK-positiven NSCLC haben neue Therapieschemata zu einer Verlängerung des PFS geführt, allerdings zum Preis einer erhöhten Toxizität. «Die Einführung dieser Therapieschemata erfordert eine kritische Bewertung ihrer Gesamtauswirkungen auf das Leben der Patient:innen und ihrer Stellung im Gesamtbehandlungsverlauf», betonte die Referentin und fand, dass für eine optimale Auswahl der Therapie gewisse Voraussetzungen erfüllt werden müssten. «Meine Wunschliste dazu beinhaltet Daten zum Gesamtüberleben, aussagekräftige Indikatoren für die Lebensqualität, relevante Vergleichsarme in randomisierten Studien, die wirklich unsere aktuelle Therapiepraxis widerspiegeln, sowie bessere Instrumente für die Patient:innenselektion», schloss Piotrowska.

5th International Lung Cancer Summit, 10. November 2023, Lausanne und online

1 Soria JC et al.: N Engl J Med 2018; 378: 113-25 2 Ramalingam SS et al.: N Engl J Med 2020; 382: 41-50 3 Janne P et al.: J Thorac Oncol 2023; 18: S36-7 (WCLC PL03.13) 4 Planchard D et al.: Ann Oncol 2023; 34(suppl_2): S1311-2 5 Cho BC et al.: Ann Oncol 2023; 34: S1306 6 Solomon BJ et al.: Lancet Respir Med 2022; 11: 354-66

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