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Entscheidende Fortschritte dank neuer Substanzen
Leading Opinions
Autor:
Dr. Therese Schwender
Quelle: Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, 10.–14. Oktober 2014, Hamburg
30
Min. Lesezeit
18.12.2014
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<p class="article-intro">
Das Mantelzelllymphom (MCL) ist nach wie vor ein B-Zell-Lymphom mit schlechter Prognose, lediglich ein kleiner Anteil der Patienten überlebt für Jahre mit nur wenig oder gar keiner Behandlung. Vor allem die Therapie rezidivierter Patienten ist eine grosse
Herausforderung. Hier hat eine Monotherapie mit Ibrutinib, einem Hemmer der Bruton-Tyrosinkinase, jedoch hohe Ansprechraten und eine lange Ansprechdauer gezeigt.</p>
<hr />
<p class="article-content">
<p>Prof. Dr. med. Martin Dreyling, München, ging im ersten Teil seines Vortrags auf die Standardtherapien des MCL ein. „Bei jüngeren, d.h. unter 65-jährigen Patienten sehen wir eine autologe Stammzelltransplantation nach wie vor
als Standardbehandlung an“, erklärte er. „Durch die Integration von hoch dosiertem Cytarabin in die Induktionstherapie konnte die Rate an molekularen Remissionen zudem von 30 auf mehr als 70 % erhöht werden.“ Dies führte
auch zu einem deutlichen Vorteil bezüglich des krankheitsfreien Überlebens.<sup>1</sup> „Bei den über 65-Jährigen hat der Einsatz von Bendamustin und Rituximab im Vergleich zu R-CHOP Vorteile gezeigt.“ Bekannt ist
jedoch auch, dass sich die Dauer der Remission nach R-CHOP durch eine anschliessende Rituximab-Erhaltungstherapie deutlich verlängern lässt.<sup>2</sup><br /> Wie Prof. Dreyling weiter erläuterte, komme man in der rezidivierten
Situation aufgrund der Aggressivität der Erkrankung sogar mit den bestmöglichen Chemotherapien, wie z.B. der Kombination aus Rituximab, Bendamustin und Cytarabin in einer ausreichenden Dosis, nicht mehr weiter. „Hier ist dann das
Einsatzgebiet von Substanzen wie Bortezomib, Ibrutinib, Temsirolimus und Lenalidomid.“</p>
<p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2014_Leading Opinions_Onko_1406_Weblinks_Seite68.jpg" alt="" width="626" height="423" /></p>
<h2>Neue Kombinationen werden getestet</h2>
<p>Bei VR-CAP wird Bortezomib anstelle von Vincristin im R-CHOP-Schema eingesetzt. Dies führte in der Erstlinientherapie von Patienten mit MCL zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens um 59 % (24,7 vs. 14,4 Monate; p<0,001).<sup>3</sup> „Es ist jedoch abzuwarten, ob dies klinischer Standard wird, kam es doch bei einem erheblichen Anteil der Patienten unter VR-CAP zu Thrombozytopenien“, gab Prof. Dreyling zu bedenken. Trotzdem seien die Daten so gut, dass nun in einer
MCL-Rezidivstudie R-HAD (Rituximab, hoch dosiertes Ara-C und Dexamethason) plus/minus Bortezomib untersucht würde.<br /> Der mTOR-Inhibitor Temsirolimus wird aktuell unter anderem in der deutschen BeRT-Studie untersucht.<sup>4</sup> Hierbei
werden die Sicherheit, Durchführbarkeit und Wirksamkeit der Zugabe von Temsirolimus zu einer Therapie mit Rituximab und Bendamustin zur Behandlung von Patienten mit follikulärem Lymphom oder Mantelzelllymphom im ersten bis dritten Rezidiv
geprüft. „Und für Lenalidomid wurde von unseren amerikanischen Kollegen die Kombination mit Rituximab untersucht. Diese hat nach zwei Jahren eine Ansprechrate von 20 % erzielt“, so Dreyling. Alle diese Daten würden zeigen,
wie wichtig diese molekularen Substanzen seien, da in der rezidivierten Situation die konventionellen Chemotherapien nicht mehr ausreichten.</p>
<h2>Ibrutinib in Monotherapie erfolgreich</h2>
<p>PD Dr. med. Georg Hess, Mainz, präsentierte im Anschluss Daten zum Bruton-Tyrosinkinasehemmer Ibrutinib in der Behandlung des MCL. „Ibrutinib wurde in der Studie von Wang et al in einer Dosierung von 560mg pro Tag – also in einer
anderen Dosierung, als bei CLL untersucht wurde – eingesetzt“, erklärte er einleitend. Dabei wurde die Behandlung bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität bzw. bis zum Progress weitergeführt.<sup>5</sup> „Die
Patienten hatten im Median drei Vortherapien, damit wurde eine relevante refraktäre Population untersucht.“ Ibrutinib führte zu einer Gesamtansprechrate von 68 % , dies unabhängig davon, ob die Patienten mit Bortezomib vorbehandelt
waren oder nicht. „Solche Ansprechraten haben wir beim rezidivierten Mantelzelllymphom mit einer Monotherapie bisher nicht gesehen“, meinte Dr. med. Hess. „Zudem nahm die Ansprechrate mit zunehmender Behandlungsdauer noch bis
auf 75 % zu.“ Beeindruckend fand er in dieser Studie auch die geschätzte mediane Dauer des Ansprechens. Diese lag bei 17,5 Monaten (Abb. 1). Unter der Behandlung mit Ibrutinib wurde ein temporärer Anstieg der Lymphozytenzahl in
den ersten Behandlungswochen beobachtet. Der Referent erklärte dazu: „Dieser ‚lymphocyte flare‘, der auch bei der Behandlung von CLL-Patienten auftritt, ist ein typisches Phänomen dieser Substanz.“<br /> Insgesamt
brachen 8 % der Patienten aufgrund von Nebenwirkungen die Studie ab. In Hamburg wurde eine aktualisierte Analyse zum Verlauf bestimmter Nebenwirkungen über einen Beobachtungszeitraum von bis zu 24 Monaten präsentiert.<sup>6</sup> Dabei
zeigte sich, dass die Raten an Infektionen und Durchfall im Laufe der Zeit abnahmen. Die Prävalenz der Blutungsereignisse blieb stabil, mit einer Rate an schweren Blutungen von 5 % . Dr. med. Hess meinte zum Abschluss: „Noch offen bleibt
im Moment, wie wir bei einem Rezidiv unter neuen Substanzen wie Ibrutinib am besten vorgehen sollen. Hier braucht es noch entsprechende klinische Studien.“</p>
<h2>Interview</h2>
<h2>„Das Mantelzelllymphom ist prognostisch eines der ungünstigsten B-Zell-Lymphome“</h2>
<p>Prof. Dr. med. Christoph Renner, Zürich, schildert im nachfolgenden Interview, was für ihn die grösste Herausforderung bei der Behandlung des Mantelzelllymphoms ist, und gibt eine Einschätzung zum Potenzial neuer Optionen.</p>
<h3>Herr Prof. Renner, was ist aktuell die grösste Herausforderung bei der Behandlung von Patienten mit einem Mantelzelllymphom?</h3>
<p><strong>C. Renner:</strong> Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, weshalb die Patientenpopulationen in den Studien auch nicht so gross sind. Ausserdem sind es in der Regel ältere Patienten. Damit kann man nicht immer so intensiv behandeln,
wie man gerne möchte. Von der Prognose her ist das Mantelzelllymphom aber eines der ungünstigeren B-Zell-Lymphome. Man hat daher versucht, mit intensiver Therapie, d.h. Hochdosis-Immunchemotherapie und Stammzelltransplantation, die Behandlung
und damit die Prognose zu verbessern. Das progressionsfreie Überleben ist auch länger geworden; beim Gesamtüberleben sind die Daten etwas widersprüchlich. Die intensive Immunchemotherapie kann nur bei Patienten eingesetzt werden,
die fit genug für diese Behandlung sind. Zudem können wir immer noch nicht beweisen, dass wir das Mantelzelllymphom mit dieser Therapie wirklich heilen können.</p>
<h3>Am ASCO-Kongress dieses Jahres wurden bemerkenswerte Daten zur Kombination VR-CAP als Erstlinientherapie präsentiert.<sup>3</sup> In Hamburg schien das kein Thema mehr zu sein. Wie schätzen Sie diese Option ein?</h3>
<p><strong>C. Renner:</strong> Bortezomid erreicht als Monosubstanz eine Ansprechrate von 25 bis 30 % . Die neuen Substanzen aber, v.a. Ibrutinib, kommen längerfristig auf Ansprechraten von 70 bis 75 % . VR-CAP wurde bisher kaum eingesetzt, da die
Zulassung bis vor Kurzem fehlte und viele Ärzte erwarten, dass wir bald noch bessere Optionen haben werden. Zudem wurde die Studie ohne Rituximab-Erhaltungstherapie gemacht. Wir wissen aber, dass R-CHOP plus R-Erhaltung deutlich besser ist
als nur R-CHOP. Deshalb wird es das VR-CAP-Regime schwer haben, obwohl man schon sagen muss, dass die Verdoppelung des PFS in der Studie ein tolles Resultat ist.</p>
<h3>Welche der neuen Substanzen, die aktuell beim Mantelzelllymphom untersucht werden, scheint Ihnen persönlich das grösste Potenzial zu haben und warum?</h3>
<p><strong>C. Renner:</strong> Sicherlich von Bedeutung ist Lenalidomid mit einer Ansprechrate von 50 % , auch Lenalidomid plus Rituximab erreicht gute Ansprechraten. Aber Ibrutinib ist derzeit wahrscheinlich von allen die potenteste Substanz, daher
wird sie nun auch in einer Vielzahl möglicher Kombinationen untersucht. Idelalisib erreicht ebenfalls hohe Ansprechraten, leider scheint die Wirkungsdauer beim Mantelzelllymphom jedoch kürzer zu sein.</p>
<h3>Vielen Dank für das Gespräch!</h3>
</p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Deutschen,
Österreichischen und Schweizerischen
Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische
Onkologie, 10.–14. Oktober 2014, Hamburg
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur">Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Hermine O et al: Alternating courses of 3x CHOP and 3x DHAP plus rituximab followed by a high dose ara-c containing myeloablative regimen and autologous stem cell transplantation (ASCT) is superior to 6 courses of CHOP plus
rituximab followed by myeloablative radiochemotherapy and ASCT in mantle cell lymphoma: update of results of the MCL younger trial of the European Mantle Cell Lymphoma Network (MCL Net). Hematol Oncol 2013; 31 (Suppl 1): 125, Abstract 086<br
/><strong>2</strong> Kluin-Nelemans HC: Treatment of older patients with mantle-cell lymphoma. N Engl J Med 2012; 367: 520-31<br /><strong>3</strong> Cavalli F et al: Randomized phase 3 study of rituximab, cyclophosphamide, doxorubicin, and
prednisone plus vincristine (R-CHOP) or bortezomib (VR-CAP) in newly diagnosed mantle cell lymphoma patients ineligible for bone marrow transplantation. J Clin Oncol 2014; 32: Abstract 8500<br /><strong>4</strong> www.clinicaltrial.gov. NCT01078142<br
/><strong>5</strong> Wang ML et al: Targeting BTK with ibrutinib in relapsed or refractory mantle-cell lymphoma. N Engl J Med 2013; 369: 507-16<br /><strong>6</strong> Stilgenbauer S et al: Updated phase 2 safety analysis of prevalence of
infection, diarrhea, and bleeding with ibrutinib over time in previously treated mantle cell lymphoma. DGHO 2014, Abstract V125</p>
</div>
</p>
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