
©
Getty Images/iStockphoto
Einsatz von CDK4/6-Inhibitoren beim Mammakarzinom
Jatros
Autor:
Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Georg Pfeiler
Leiter der onkologischen Brustambulanz<br> Abteilung für Gynäkologie und<br> gynäkologische Onkologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: georg.pfeiler@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Die Mehrzahl der Mammakarzinome (prämenopausal + postmenopausal) sind hormonrezeptorpositiv (Östrogen- und/oder Progesteronrezeptor) und gelten somit als endokrin responsiv. Der Kliniker erwartet also, dass eine Brustkrebszelle, die den Östrogenrezeptor exprimiert, auf eine endokrine, antihormonelle Therapie ansprechen – unvornehm ausgedrückt: absterben – wird. Doch das stimmt leider nicht immer.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Der Östrogenrezeptor der Brustkrebszelle wird durch Bindung an Östrogen aktiviert, transloziert in den Zellkern und aktiviert dort Gene, die zu vermehrtem Zellwachstum und Proliferation sowie zur Reduktion der Apoptose führen. Gleiches wird auch erreicht, wenn der Östrogengebundene Östrogenrezeptor den AKT- und ERK-Signalweg aktiviert. Es liegt somit nahe, dass entweder die Blockade bzw. Degradierung des Östrogenrezeptors durch Tamoxifen bzw. Fulvestrant oder die Östrogendeprivation (quasi das Aushungern der Krebszelle) durch Aromataseinhibitoren zu einem Untergang der Krebszellen und einem längeren Überleben der Brustkrebspatientinnen führen.<br /> In der überwiegenden Mehrheit funktioniert das sehr gut, aber wie Saphner et al bereits 1996 zeigen konnten, treten doch relativ konstant über 10–20 Jahre Rezidive auf – d.h., es gibt Krebszellen, die überleben. Das wichtige Wort im vorangegangenen Satz ist „konstant“, denn wie bei Saphner et al nachzulesen ist, treten Rezidive bei hormonrezeptorpositiven Mammakarzinomen mit relativ gleicher Häufigkeit im ersten, im fünften sowie auch im zehnten Jahr nach der Erkrankung auf. Das bedeutet, dass es Krebszellen gibt, die primär resistent gegen die endokrine Therapie sind, und solche, die wohl durch die endokrine Therapie zunächst in Schach gehalten werden können, aber nach und nach eine Resistenz (sekundäre Resistenz) entwickeln. Beispielsweise kann über Aktivierung verschiedener Signalwege wie des EGF- oder IGF-Signalweges der Östrogenrezeptor Liganden-unabhängig phosphoryliert werden. Das Zellwachstum sowie die Proliferation funktionieren folglich ohne das „stimulierende“ Östrogen. Weiters können über genannte Signalwege ebenso AKT und ERK aktiviert und das Zellwachstum und die Proliferation vorangetrieben werden.<br /> Aber auch DNA-Methylierungen – sowohl Hyper- als auch Hypomethylierungen – können zu endokriner Resistenz führen. Es konnte gezeigt werden, dass in Primärtumoren, bei denen es zu Rezidiven kommt, signifikant mehr Methylierungen vorhanden sind als bei Tumoren, bei denen auch nach 14 Jahren kein Rezidiv aufgetreten ist. Zudem wurde untersucht und beschrieben, dass in dem Rezidiv der Tumoren eine dramatische Zunahme an Methylierungen auftritt, die wohl primär die Apoptose und somit das Absterben der Tumorzellen verhindern.</p> <h2>Cyclin-abhängige Kinasen (CDK)</h2> <p>Das zuvor beschriebene Zellwachstum und die Proliferation, aber auch die Reduktion der Apoptose werden durch eine Anlagerung von Cyclin-abhängigen Kinasen („cyclin dependent kinase“ [CDK], vor allem 4 und 6) und folglich eine Aktivierung von Cyclinen (vor allem Cyclin D und E) erreicht. Die Komplexe CDK4/6-Cyclin D sowie CDK2-Cyclin E führen zu einer Hyperphosphorylierung von RB und somit zu einer Freisetzung von E2F. Das wiederum führt die Zelle von der G1- in die Synthesephase und startet somit Zellwachstum und Proliferation.<br /> Studien der Grundlagenforschung haben gezeigt, dass Cyclin D1 ganz essenziell für das Entstehen sowie den Progress von Mammakarzinomen ist. Das Ausknocken (= Nicht-vorhanden-Sein) von Cyclin D1 in Zellen verhindert die Onkogen-induzierte Tumorentstehung. Bei Mäusen, denen Tumorzellen injiziert wurden, konnte gezeigt werden, dass das Ausschalten von Cyclin D1 die Tumorlast signifikant reduziert. Interessant ist, dass dies in gleichem Maße durch CDK-Inhibitoren – somit ein indirektes Ausschalten von Cyclin D1 – erreicht werden konnte.<br /> Finn et al konnten zeigen, dass CDK4/6-Inhibitoren vor allem bei luminalen (hormonrezeptorpositiven) sowie bei HER2/neu-positiven Zellen zu einem Zellzyklusstillstand führen. In Kombination mit einer endokrinen Therapie (Tamoxifen, Aromatasehemmer oder Fulvestrant) zeigen sich synergistische Effekte mit den CDK4/6-Inhibitoren, die zu einem Untergang der Tumorzellen führen.<br /> In einer Reihe klinischer Studien wurden und werden CDK4/6-Inhibitoren untersucht. Drei verschiedene Inhibitoren – Palbociclib, Ribociclib und Abemaciclib – unterschiedlicher Firmen sind in Studien im Einsatz.</p> <h2>PALOMA-Studien mit Palbociclib</h2> <p>Am weitesten vorangeschritten sind die Untersuchungen von Palbociclib, die Ende 2016 zur Zulassung in Europa geführt haben. In der randomisierten Phase-II-Studie PALOMA-1 wurde bei fortgeschrittenen Östrogenrezeptor-positiven, HER2/neu-negativen Mammakarzinompatientinnen die Effektivität von Palbociclib in Kombination mit dem Aromatasehemmer Letrozol als Erstlinientherapie untersucht. Interessant an dieser Studie ist vor allem, dass es zwei Kohorten gab: Die erste Kohorte wurde ausschließlich aufgrund des Rezeptorstatus eingeschlossen, die Tumoren der zweiten Kohorte mussten zusätzlich noch eine Überaktivierung von Cyclin D1 und/oder einen Verlust von p16 (Suppressor von Cyclin D1) aufweisen. Die Zugabe von Palbociclib zum Aromatasehemmer brachte den Patientinnen einen signifikanten und klinisch relevanten Vorteil von absolut 10 Monaten bezogen auf das progressionsfreie Überleben. Die vermeintlich prädiktiven Faktoren Cyclin D1 und p16 konnten als solche in der Studie nicht bestätigt werden. Häufigste Nebenwirkung von Palbociclib ist neben Fatigue, Anämie und Grad-1–2-Alopezie die Neutropenie, die allerdings in ihrer klinischen Relevanz einer Chemotherapie-induzierten Neutropenie nicht gleichzusetzen ist (!).<br /> Die PALOMA-2-Studie ist als Phase-IIIStudie quasi die Bestätigungsarbeit der PALOMA-1-Studie. In dieser Studie wurde bei 666 hormonrezeptorpositiven, HER2/ neu-negativen Mammakarzinompatientinnen erneut die Effektivität von Palbociclib zusätzlich zu Letrozol untersucht. Der absolute Vorteil von 10 Monaten bezogen auf das progressionsfreie Überleben durch Palbociclib konnte bestätigt werden. Es wurden keine neuen überraschenden Nebenwirkungen registriert.<br /> In der randomisierten Phase-III-Studie PALOMA-3 wurde die Effektivität von Palbociclib nicht in Kombination mit einem Aromatasehemmer, sondern mit Fulvestrant untersucht. Auch diese Arbeit konnte einen signifikanten Vorteil mit einer HR von 0,42 durch die Gabe von Palbociclib zeigen.<br /> Die beeindruckenden klinischen Daten zu Palbociclib, die hohe Effektivität bei wirklich gutem Nebenwirkungsprofil haben zur Zulassung von Palbociclib für das fortgeschrittene hormonrezeptorpositive Mammakarzinom in Europa geführt.</p> <h2>Klinische Studien mit Ribociclib</h2> <p>Aber auch zu Ribociclib gibt es ähnlich beeindruckende Daten. Eine Phase-IIIStudie untersuchte die Effektivität von Ribociclib in Kombination mit Letrozol bei Patientinnen mit fortgeschrittenem hormonrezeptorpositivem, HER2/neu-negativem Mammakarzinom. Die Zugabe von Ribociclib konnte das progressionsfreie Überleben signifikant und klinisch relevant verlängern (HR: 0,56). Das Nebenwirkungsprofil ähnelt dem von Palbociclib, allerdings zeigt sich bei dieser Substanz in 3,3 % der Patientinnen eine relevante Verlängerung der QT-Zeit – das muss man für die Praxis im Hinterkopf behalten.</p> <h2>Klinische Studien mit Abemaciclib</h2> <p>Erste klinische Daten zu Abemaciclib wurden vorgestellt und zeigen auch bei diesem CDK4/6-Inhibitor positive Ergebnisse.</p> <h2>Weitere Studien mit Palbociclib</h2> <p>Zwei Studien, die derzeit laufen, testen die Effektivität von Palbociclib beim frühen Mammakarzinom. Die PenelopeBStudie untersucht die Effektivität von Palbociclib bei hormonrezeptorpositiven Mammakarzinompatientinnen mit hohem Risiko nach neoadjuvanter Chemotherapie. Die Phase-III-Studie PALLAS, die Prof. Gnant mit der ABCSG weltweit – außer in den USA – leitet, untersucht bei 4.600 hormonrezeptorpositiven, HER2/neu-negativen Brustkrebspatientinnen adjuvant die Effektivität von Palbociclib. Eingeschlossen werden können Patientinnen mit Brustkrebs im Stadium 2 und 3. Die Patientinnen erhalten zusätzlich zur adjuvanten endokrinen Therapie (5 Jahre) 2 Jahre lang Palbociclib. Ähnlich großartige Ergebnisse wie für die metastasierte Situation werden auch adjuvant erhofft (erwartet).</p> <h2>Fazit</h2> <p>CDK4/6-Inhibitoren, die den Eintritt der Zellen in die Synthesephase verhindern, haben mit Palbociclib bereits den Einzug in die Klinik gefunden. Die Zulassung besteht für das fortgeschrittene hormonrezeptorpositive, HER2/neu-negative Mammakarzinom in Kombination mit einer endokrinen Therapie. Ob das Konzept der Resistenzdurchbrechung für die adjuvante Situation auch funktioniert, wird derzeit in großen Studien untersucht.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>beim Verfasser</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...