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Eine Frage bleibt: welche Substanz für welchen Patienten?
Jatros
30
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms wurden auf dem diesjährigen ASCO-Meeting aktuelle Studiendaten zu neuen Substanzen präsentiert, die erfolgreich in der Zweitlinientherapie eingesetzt werden können. Einige davon könnten in den kommenden Jahren den Sprung in die Erstlinienbehandlung machen. Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger, Medizinische Universität Wien, spricht über die Highlights.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Beim ASCO-Meeting wurden die Ergebnisse zum Gesamtüberleben aus der METEOR-Studie präsentiert. Demnach ist Cabozantinib Everolimus klar überlegen. Auch Nivolumab verlängerte das Gesamtüberleben im Vergleich mit Everolimus. Was sind die Kriterien, nach denen Sie nun in Hinsicht auf die Zweitlinientherapie entscheiden?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Wir haben jetzt drei Player in der Second-Line-Therapie: Nivolumab, Cabozantinib und die Kombination Lenvatinib/Everolimus. Nivolumab wurde mit Everolimus verglichen und auf Basis eines Benefits beim OS zugelassen.<sup>1</sup> Die Substanz ist schon verfügbar und wird auch verschrieben. Dann haben wir die METEOR-Studie mit Cabozantinib versus Everolimus.<sup>2</sup> Cabozantinib, ein oraler Tyrosinkinase-Inhibitor, war Everolimus ebenfalls beim OS überlegen (Abb. 1) und hat zusätzlich einen signifikanten Benefit beim primären Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) gezeigt. Die dritte Alternative ist die Kombination aus Lenvatinib plus Everolimus. Sie wurde zwar nur in einer randomisierten Phase-II-Studie versus Everolimus bzw. Lenvatinib allein getestet.<sup>3</sup> Doch die Kombination war in allen drei Endpunkten – Responserate, progressionsfreies und Gesamtüberleben – ebenfalls positiv versus Everolimus (Abb. 2). Daraus nun eine Empfehlung für die Therapie abzuleiten ist sehr schwierig, denn die Substanzen wurden ja nicht direkt miteinander verglichen. Insofern kann ich nur sagen, dass ich sicherlich keine Everolimus-Monotherapie mehr einsetzen würde. Welche Therapie aber für welchen Patienten infrage kommt, das kann man auf Basis dieser drei Studien nicht ablesen. Wenn ich alle Mittel schon zur Verfügung hätte, würde ich bei Patienten mit hoher Tumorlast aufgrund der hohen Responseraten von 43 % in Richtung Everolimus/Lenvatinib tendieren. Bei Patienten, die nach Sunitinib progredient sind, ist Cabozantinib sehr attraktiv. In der METEOR-Studie lag das PFS in dieser Patientenpopulation bei 9,1 Monaten.<sup>4</sup> Das ist in der Second Line wirklich toll!</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite106.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>Die Frage ist, wer bleibt übrig für Nivolumab?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Jeder Patient will Nivolumab, denn es gibt derzeit einen großen Hype um die Immuntherapie, und sie hat auch sicher ihren Platz. Doch natürlich beschäftigt uns bei dieser Substanz der Aspekt, dass das PFS nicht verlängert wird. Zudem soll man über die Progression hinaus therapieren, weil dies das Überleben verlängert.<sup>5</sup> Ich glaube nicht, dass das OS dabei alleine durch die Fortsetzung der Nivolumab-Therapie zustande kommt. Ich vermute, dass die Patienten, die nach der Progression weitertherapiert wurden, sich irgendwie von jenen unterscheiden, die nicht weiterbehandelt wurden. Weitere Kriterien zur Therapieauswahl kann ich nicht nennen, da die Substanzen ja nicht direkt miteinander verglichen wurden. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite107.jpg" alt="" width="" height="" /> <strong>Sind solche Studien geplant?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Nein, eigentlich nicht. Cabozantinib wurde laut einer Presseveröffentlichung in einer randomisierten Phase-II-Studie in der First-Line-Therapie bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenzellkarzinom versus Sunitinib getestet.<sup>6</sup> Dabei habe es einen Benefit beim primären Endpunkt PFS gezeigt, hieß es, aber die Daten kennen wir nicht. Es kann daher durchaus sein, dass Cabozantinib sehr bald in die First Line kommt. Dann würde es in der Second Line, vor allem für die neuen Patienten, nicht mehr infrage kommen. Und für die Kombination Lenvatinib/Everolimus läuft jetzt ebenfalls für die First-Line-Therapie eine Phase-III-Studie an. Es kann also sein, dass auch diese Kombination sich in die First Line bewegt.<br /> <br /><strong> Sie erwarten also, dass diese Therapieoptionen alle in die Erstlinie vorrücken?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Ja, das denke ich. Und auch die Immuntherapie wird als First-Line-Therapie untersucht. Ich glaube, die Frage, die wir uns heute bei der Second-Line-Behandlung stellen – was sollen wir verwenden? –, diese Frage werden wir uns möglicherweise in einem Jahr oder etwas länger in der First Line stellen, weil wir alle diese Substanzen zur Verfügung haben. Derzeit laufen so viele Studien, dass es das Beste ist, Patienten in eine davon einzubringen.<br /> <br /><strong> In welcher Therapielinie und bei welchen Patienten sehen Sie den besten Einsatz für Axitinib?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Im indirekten Vergleich mit den neuen Therapien sieht Axitinib schlechter aus. Allerdings muss man bedenken, dass es nicht direkt mit diesen Substanzen verglichen wurde. Anders als Everolimus ist es nicht in einem direkten Vergleich unterlegen. Auch Axitinib wird jetzt als First-Line-Therapie untersucht, in Kombination mit einem Checkpoint-Inhibitor. Ich glaube nicht, dass Axitinib als Monotherapie in der Second Line bestehen wird, wenn alle neuen Therapien verfügbar sind. Es ist eine sehr gute Substanz, aber in der Second Line nicht gut aufgehoben.<br /> <br /><strong> Wann und bei wem sollte Sorafenib zur Anwendung kommen?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Ich verwende es gar nicht. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es einen Stellenwert hat. Es hat in der First Line versus Interferon keinen Benefit gezeigt und war in der Second Line versus Axitinib in Bezug auf den primären Endpunkt PFS unterlegen.<br /> <br /><strong> Sehen Sie noch einen Stellenwert für Everolimus in der Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Nein, die Monotherapie mit Everolimus ist out.<br /> <br /> <strong>Bisher waren Kombinationen nicht erfolgreich beim Nierenzellkarzinom. Erwarten Sie mit den Immuntherapien einen Paradigmenwechsel hin zur Kombinationstherapie? Welche Substanzen kämen als Kombinationspartner in Betracht?</strong><br /> <br /><strong> M. Schmidinger:</strong> Ich glaube, dass die Immuntherapie in Kombination mit einem VEGF-Inhibitor durchaus sehr viel Potenzial hat. Dies wird zum Beispiel untersucht in einer Studie mit der Kombination von Axitinib und Avelumab.<sup>7</sup> Warum glaube ich das? Wir haben zwar gesehen, dass die Immuntherapie wirkt. Aber der Tumor ist doch trotzdem VEGF-abhängig. Dieses Prinzip ist ja nicht aufgehoben. Und nachdem man Immuntherapie und VEGF-Inhibitoren eigentlich gut kombiniert hat, denke ich, dass das die Zukunft sein wird.<br /> <br /><strong> Gab es beim ASCO-Meeting Studien, die Ihren Therapiealltag direkt beeinflussen und zur Optimierung der etablierten Strategien führen?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Was sehr interessant war, war der Einfluss einer Metastas­ektomie oder anderer Lokaltherapien wie der stereotaktischen Bestrahlung auf Nierenzellkarzinompatienten. Es wurde gezeigt, dass sich das Überleben dieser Patienten erheblich verlängert, wenn sie zusätzlich zu ihrer TKI-Therapie eine Lokaltherapie bekommen. Und das gilt selbst bei inkompletter Metastasektomie oder wenn man nur manche Läsionen zum Beispiel stereotaktisch bestrahlt.<sup>8, 9</sup> Leider waren dies nur retrospektive Daten, denn bei diesem Thema kann man nur sehr schwer prospektiv untersuchen. <br /> <br /><strong> Was ist dabei über den Zeitpunkt zu sagen, zu dem die Lokaltherapie den besten Benefit zeigt?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Es gibt keinen festen Zeitpunkt, denn meist erfolgt die Lokaltherapie, vor allen die Chirurgie, zu Beginn der Erkrankung. Aber ich kann aus meinen eigenen Daten sagen, dass sie auch während der Behandlung sinnvoll ist. Oft ergibt sich das zum Beispiel bei einer „mixed response“ oder es besteht eine klinische Indikation, etwa wenn eine Metastase Beschwerden verursacht oder die Organfunktion bedroht.<br /> <br /><strong> Welches sind, laut den neuen Ergebnissen vom ASCO-Meeting, die nächsten interessanten Wirksubstanzen in der Pipeline?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Was ich sehr spannend finde, ist CRLX101, ein Nanopartikel, das in Kombination mit Bevacizumab untersucht wird. Es wurde schon letztes Jahr beim ASCO-Meeting vorgestellt.<sup>10</sup> Noch gibt es dazu keine neuen Daten, aber es läuft gerade eine Studie, die beim ESMO-Kongress präsentiert werden soll. Diesen Ansatz halte ich abgesehen von den Immuntherapien für vielversprechend.<br /> <br /><strong> Wie lauten die wichtigsten Fragen beim Nierenzellkarzinom, deren Beantwortung Sie sich bis zum nächsten ASCO-Meeting wünschen?</strong><br /> <br /> <strong>M. Schmidinger:</strong> Ich würde mir wünschen, eine Antwort auf die Frage zu bekommen, welche Patienten von einer Immuntherapie profitieren können. Es wäre sehr schön, wenn wir einen prädiktiven Marker oder ein Patientenprofil hätten. Aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass diese Frage bis zum nächsten ASCO-Meeting beantwortet werden wird.<br /> <br /><strong> Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Motzer RJ et al: Nivolumab versus everolimus in advanced renal-cell carcinoma. N Engl J Med 2015; 373: 1803-13<br /><strong>2</strong> Choueiri TK et al: Cabozantinib versus everolimus in advanced renal cell carcinoma (METEOR): final results from a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet Oncol 2016; 17: 917-27<br /><strong>3</strong> Motzer RJ et al: Lenvatinib, everolimus, and the combination in patients with metastatic renal cell carcinoma: a randomised, phase 2, open-label, multicentre trial. Lancet Oncol 2015; 16: 1473-82<br /><strong>4</strong> Escudier BJ et al: Subgroup analyses of METEOR, a randomized phase 3 trial of cabozantinib versus everolimus in patients with advanced renal cell carcinoma. J Clin Oncol 2016; 34(suppl 2S): abstr 499<br /><strong>5</strong> Escudier BJ et al: Treatment beyond progression with nivolumab (nivo) in patients (pts) with advanced renal cell carcinoma (aRCC) in the phase III CheckMate 025 study. J Clin Oncol 2016; 34(suppl): abstr 4509<br /><strong>6</strong> Exelixis announces results from randomized phase 2 trial CABOSUN demonstrate cabozantinib significantly improved progression-free survival versus sunitinib in previously untreated advanced renal cell carcinoma. (ClinicalTrials.gov: NCT01835158)<br /><strong>7</strong> A phase 3, multinational, randomized, open-label, parallel-arm study of avelumab (MSB0010718C) in combination with axitinib (Inlyta(registered)) versus sunitinib (Sutent(registered)) monotherapy in the first-line treatment of patients with advanced renal cell carcinoma. (ClinicalTrials.gov: NCT02684006 )<br /><strong>8</strong> Orlova R et al: Efficacy of incomplete metastasectomy with targeted therapy in patients with metastatic renal cell carcinoma. J Clin Oncol 2016; 34(suppl): abstr e16117<br /><strong>9</strong> Mark JR et al: Effect of local intervention on renal cell carcinoma metastases in patients treated with tyrosine kinase inhibitors (TKIs) stratified by IMDC risk groups. J Clin Oncol 2016; 34(suppl): abstr e16101<br /><strong>10</strong> Keefe SM: HIF inhibition in metastatic renal cell carcinoma (mRCC): final results of a phase Ib /IIa clinical trial evaluating the nanoparticle drug conjugate (NDC), CRLX101, in combination with bevacizumab (bev). J Clin Oncol 2015; 33(suppl): abstr 4543</p>
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