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EANO-Kongress 2014
Leading Opinions
Autor:
Prim. Prof. Dr. med. Wolfgang Grisold
Neurologische Abteilung<br/> Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien<br/> E-Mail: wolfgang.grisold@wienkav.at<br/> Quelle: EANO-Kongress, 9.–12. Oktober 2014
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18.12.2014
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<p class="article-intro">Die 11. zweijährlich stattfindende Jahrestagung der EANO (www.eano.eu) fand diesmal vom 9.–12. Oktober 2014 in Turin, Italien, statt. Der Kongressort war Lingotto, die Veranstaltungen wurden in einem Kongresszentrum in den Räumen der riesigen, verlassenen ehemaligen Fiat-Fabrik in Turin abgehalten.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Im Bereich der Neurochirurgie lassen sich intraoperativ mit einer speziellen Lasertechnik Stoffwechselvorgänge abbilden; möglicherweise könnte diese Technik die intraoperative Stimulation bald ersetzen.</li> <li>Studien und Untersuchungen bei niedriggradigen Gliomen beschäftigen sich mit der Langzeitprognose, und das Dogma der „Wait and see“-Vorgangsweise wird zunehmend kritisch hinterfragt.</li> <li>Bei den Oligodendrogliomen, welche im Rahmen der EORTC-Studien behandelt wurden, sind bei den Patienten mit 1p/19q-Deletionen nunmehr Überlebenszeiten bis zu 125 Monate bekannt, was die Sinnhaftigkeit der initialen Kombination von PCV-Schema und Radiotherapie bestärkt.</li> <li>Während die zielgerichteten Therapien in den Hintergrund getreten sind, rücken Immuntherapien zunehmend in den Fokus des Interesses.</li> <li>Der Begriff der Lebensqualität, palliative Therapie und „end of life“ gewinnen auch im Bereich der Neuroonkologie zunehmend an Stellenwert.</li> </ul> </div> <p>Etwa 1.000 Teilnehmer besuchten die Konferenz, die zusammen mit der italienischen Gesellschaft für Neuroonkologie (IANO) organisiert wurde. Wie immer handelte es sich beim Kongress der EANO (European Association of Neuro-Oncology) um eine multidisziplinäre und multiprofessionelle Teilnehmerschaft. Zusätzlich zum wissenschaftlichen Programm finden ein Edukationstag und immer eine „Nurses“-Sitzung statt.</p> <h2>„Educational day“</h2> <p>Traditionellerweise hält die EANO einen „Educational day“ vor dem Kongress ab. Heuer umfasste dieser sowohl einen experimentellen Teil, der eher der Grundlagenforschung gewidmet war, als auch einen klinischen Teil, der sich mit besonderen Aspekten der Patientenbehandlung und einigen ausgewählten Kapiteln von Krankheitsbildern beschäftigte. Besondere Beachtung fand der Vortrag von Prof. Vecht (Niederlande), der über das wichtige Kapitel der häufigen Steroid-Nebenwirkungen referierte.</p> <h2>Wissenschaftliches Programm</h2> <p>Im Bereich der Diagnostik hat sich bei den Hirntumoren die Bildgebung im Sinne der RANO (Response Assessment in Neuro-Oncology)-Kriterien weiterentwickelt, und auch die Rolle der kombinierten Verfahren wie MRT/PET ist im Begriff zuzunehmen.<br /> Im Bereich der Neurochirurgie standen die verschiedenen Methoden, welche bei Wachoperationen eingesetzt werden, im Vordergrund. Neben unterschiedlichen neurophysiologisch dominierten Stimulationsverfahren lassen sich intraoperativ auch mit einer speziellen Lasertechnik Stoffwechselvorgänge abbilden, und es ist zu vermuten, dass diese Technik die intraoperative Stimulation bald ersetzen könnte.<br /> Nach stürmischen Entwicklungen der letzten Jahre hat sich am SOC („standard of care“), das ist das Stupp-Schema, als Standardtherapie nichts geändert. Vergeblich wartet die Community auf das Stupp-2-Schema.<br /> Verhalten und vorsichtig waren auch die Stellungnahmen zu Bevacizumab; diese Thematik hat in den vergangenen Jahren bei einigen Kongressen dies- und jenseits des Atlantiks dominiert. Nach den beiden grossen Studien, deren Ergebnisse ernüchternd waren, bemühen sich die Experten, jene Patienten zu identifizieren, welche von den immer wieder in Einzelfällen beobachteten Erfolgen der Bevacizumab-Therapie profitieren könnten.<br /> Studien und Untersuchungen bei niedriggradigen Gliomen beschäftigen sich mit der Langzeitprognose, und das Dogma der „Wait and see“-Vorgangsweise wird zunehmend kritisch hinterfragt. Bei den Oligodendrogliomen, welche im Rahmen der EORTC-Studien behandelt wurden, sind bei den Patienten mit 1p/19q-Deletionen nunmehr Überlebenszeiten bis zu 125 Monate bekannt, was die Sinnhaftigkeit der initialen Kombination von PCV-Schema (Procarbazin, Lomustin und Vincristin) und Radiotherapie unterstreicht. Bei diesem Krankheitsbild wird auch die Frage nach der wesentlich leichter anwendbaren Alternative von Temodal gegenüber PCV diskutiert, was aber noch nicht gut durch Daten belegt ist.<br /> Neue Behandlungen, Substanzen und Medikamente sind derzeit nicht in Sicht. Die Hoffnungen konzentrieren sich auf weit über die klassische Neuropathologie hinausgehende metabolische und genetische Analysen der Tumoren, die eine gezieltere und personalisierte Therapie ermöglichen. Das bisher kleine Spektrum vom MGMT, IDH, 1p/19q usw. wird bald durch weitere Marker ergänzt werden.<br /> Ein Thema, welches die letzten beiden EANO-Kongresse beherrscht hat, nämlich die gezielten („targeted“) Therapien, ist in den Hintergrund getreten, da zahlreiche vielversprechende Substanzen die Erwartungen in Studien nicht erfüllen konnten. Dafür werden wieder Immuntherapien in Betracht gezogen, die mit raffinierten Methoden verschiedene Antigen-Eigenschaften der Tumoren definieren und auch in einem „Warehouse“ personalisierte Behandlungen ermöglichen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2014_Leading Opinions_Onko_1406_Weblinks_Seite13.jpg" alt="" width="691" height="334" /></p> <h2>Toxizitäten, QoL, Palliative und „end of life“ Care</h2> <p>Neben den Behandlungen sind noch zwei weitere wichtige Themen zu erwähnen. Einerseits die Toxizität verschiedener Behandlungen, andererseits die Frage der Lebensqualität (QoL), Palliative Care und EOL („end of life“). Bezüglich der Toxizitäten konnten sehr differenziert definierte Symptome als Langzeitfolge der Strahlentherapie dargestellt werden: das SMART-Syndrom (migräneartige Zustandsbilder), periiktale Pseudoprogression (mit Anfällen kombiniert) und das ALERT-Syndrom im Sinne einer Enzephalopathie.<br /> Die häufigste Form der Toxizität bei der Behandlung von Tumorleiden, nämlich die Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN), wurde nur in zwei Vorträgen behandelt, wobei in der europäischen PeriNomS (Peripheral Neuropathy Outcome Measures Standardisation)-Studie auf eine validierte Erfassung von Symptomen und Zeichen bei Patienten mit CIPN eingegangen wurde. Durch Analysen der vorliegenden Daten wird es klarer, dass die vorwiegend sensorischen CIPN oft mit Koordinationsstörungen einhergehen, die bis zur Ataxie führen und die Patienten im Alltagsleben schwer beeinträchtigen können.<br /> Der Begriff der Lebensqualität, palliative Therapie und auch „end of life“ gewinnen einen zunehmenden Stellenwert. Während der Tumorbehandlung werden vermehrt Fragen bezüglich der QoL thematisiert und es ist davon auszugehen, dass fast alle Studien diese Aspekte beinhalten.<br /> Palliative Care ist immer noch ein Begriff, der in Bezug auf zeitliche und inhaltliche Aspekte unterschiedlich und auch sehr freizügig verwendet wird. Nicht selten wird er auch mit dem Ende des Lebens verwechselt.<br /> Mehrere Aspekte wie die Bedürfnisse von Patienten und Verwandten während der Therapie, kulturell unterschiedlicher Umgang mit der Möglichkeit von „advance directives“, das wichtige Kapitel der EOL-Situation, im Rahmen dessen palliative Sedierung, Bewässerung und der Ort des Sterbens thematisiert wurden, gaben Anlass zu vielen Überlegungen und Diskussionen.<br /> Schliesslich hat Prof. Dr. med. Jan Heimans, Niederlande, die Interaktionen zwischen Hirntumoren und Hirnfunktionen erläutert (Abb. 1).<br /> Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der EANO-Kongress eine wichtige Bereicherung im Rahmen des Informationsaustausches über die Inhalte der Neuroonkologie darstellt und themenmässig ein breites Spektrum umfasst. Relativ wenig Aufmerksamkeit, abgesehen von Hirnmetastasen, erhielten die häufigsten Auswirkungen von Malignomen, nämlich die Effekte von Krebsleiden auf das Nervensystem.</p> <h2>Guidelines</h2> <p>Die EANO hat sich entschlossen, Guidelines zu publizieren. Bereits 2010 wurden zusammen mit der damaligen EFNS Guidelines für niedriggradige Gliome und Hirnmetastasen entwickelt. Diese werden nun überarbeitet. Erst kürzlich wurden neue Guidelines zur Behandlung der Glioblastome von „Lancet Neurology“ angenommen (M. Weller: Erstautor), weitere Guidelines, zunächst zu primären ZNS-Lymphomen, werden folgen.<br /> Für alle an der EANO Interessierten gibt es auf der EANO-Website (www.eano.eu) Informationen zur EANO. Das Open-Access-Magazin „EANO NeuroOncology Magazine“ (auch im Directory of Open Access Journals), welches Fallberichte und Übersichtsartikel enthält, die sehr informativ sind, kann gratis heruntergeladen werden. Der nächste EANO-Kongress wird im Jahr 2016 in Heidelberg stattfinden.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Neurologische Abteilung<br/>
Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien<br/>
E-Mail: wolfgang.grisold@wienkav.at<br/>
Quelle: EANO-Kongress, 9.–12. Oktober 2014
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