
Die schwierige Frage nach der optimalen Therapiesequenz
Autoren:
PD Dr. med. Savas Deniz Soysal
Schwerpunkt Hepatobiliäre Chirurgie
Clarunis Universitäres Bauchzentrum, Basel
E-Mail: savas.soysal@clarunis.ch
Prof. Dr. med. Otto Kollmar
Stv. Chefarzt und Leiter
Hepatobiliäre/pankreatische Chirurgie
Clarunis Universitäres Bauchzentrum, Basel
E-Mail: otto.kollmar@clarunis.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Kommt es bei Patienten mit kolorektalen Karzinomen zur Bildung von Lebermetastasen, bietet die chirurgische Resektion die einzige Chance auf Heilung. Die optimale Behandlungssequenz zu finden, ist jedoch nicht einfach. Ein interdisziplinäres Team mit einem erfahrenen Leberchirurgen schafft Abhilfe.
Keypoints
-
Die optimale Therapiesequenz bei kolorektalen Karzinomen mit synchronen Lebermetastasen ist weiterhin Gegenstand der Diskussion.
-
Bei bilobulärem Befall scheint die «Liver first»-Strategie von Vorteil zu sein.
-
Ziel ist immer eine R0-Resektion in kurativer Absicht.
-
Die Leberchirurgie ist die einzige Chance für eine Heilung.
Kolorektale Karzinome (KRK) sind die weltweit zweithäufigste krebsassoziierte Todesursache. In bis zu 50% der Fälle führt diese schwerwiegende Erkrankung zu kolorektalen Lebermetastasen (KRLM). Die chirurgische Resektion der Lebermetastasen ist die einzige Chance auf eine langfristige Heilung. Mit ihr kann man in 20% der Fälle eine Heilung erreichen und den Patienten eine 5-Jahres-Überlebensrate von mehr als 50% ermöglichen.
Auch wenn sich über die letzten Jahrzehnte die zur Verfügung stehenden Therapien, insbesondere die multimodale Chemotherapie, deutlich verbessert haben, bleibt das Management von Patienten mit KRLM sehr anspruchsvoll.
Grundsätzlich wird zwischen metachronen und synchronen Lebermetastasen unterschieden.1
Metachrone Lebermetastasen
Von metachronen Lebermetastasen sprechen wir bei Auftreten von Ablegern nach Diagnose und Therapie des Primarius. Die Behandlung von metachronen Lebermetastasen ist grundsätzlich einfacher als die von synchronen KRLM.
Entscheidend ist, ob eine chirurgische Therapie mit oder ohne perioperative Chemotherapie möglich ist. Ziel ist immer, die Resektabilität der Metastasen zu erreichen.2
Synchrone Lebermetastasen
Bei synchronen Lebermetastasen kommt es im Gegensatz zu metachronen Metastasen zum Auftreten von Ablegern vor oder während der Diagnose eines KRK. Die Therapie von synchronen KRLM ist deutlich komplexer. Folgende Überlegungen sollten hier einfliessen:
-
Verursacht der primäre Tumor Beschwerden? Ist er symptomatisch?
-
Können die Lebermetastasen reseziert werden?
-
Braucht es eine neoadjuvante (Radio)-Chemotherapie für den Primärtumor?
-
Chirurgie in ein oder zwei Schritten?
-
«Bowel first»- oder «Liver first»-Konzept?
Dadurch ergeben sich ca. 25 potenzielle Szenarien. Bei Karzinomen des Rektums mit synchronen Lebermetastasen potenzieren sich die möglichen Szenarien mit den zusätzlichen Therapieoptionen Kurzzeit-Bestrahlung, Langzeit-Bestrahlung und den zeitlichen Abständen zwischen den Therapien um ein Vielfaches.
Der Einfachheit halber unterscheiden wir deshalb im klinischen Alltag vier klinische Szenarien: asymptomatischer Primarius mit resezierbaren/nichtresezierbaren Metastasen sowie symptomatischer Primarius mit resezierbaren/nichtresezierbaren Metastasen (Abb. 1).2,3
Abb. 1: Behandlungsschema bei synchronen kolorektalen Lebermetastasen. Modifiziert nach Marin J et al. 20207
Dennoch bleibt die optimale Sequenz der Behandlung eine Herausforderung.
Mögliche Behandlungssequenzen
Klassischer Approach
Beim «klassischen» Approach wird zunächst der Primarius operiert, gefolgt von einer Systemtherapie. Die Operation der Lebermetastasen erfolgt danach, wiederum gefolgt von einer optionalen Systemtherapie. Handelt es sich um ein Karzinom des mittleren und unteren Rektums wird vor der Operation des Rektums zunächst eine neoadjuvante Radio-Chemotherapie durchgeführt. Der Vorteil besteht hier in der Vermeidung des Fortschreitens und/oder der Entwicklung von Komplikationen des Primärtumors und der Zeitgewinnung bei Metastasenverdacht. Der Hauptnachteil ist allerdings das mögliche Auftreten von Komplikationen im Rahmen der Operation des Primarius. Dadurch kann häufig eine Chemotherapie erst verzögert und im schlimmsten Fall gar nicht mehr verabreicht werden.
Synchroner Approach
Beim «synchronen» Approach werden die Lebermetastasen zur gleichen Zeit behandelt wie der Primarius. Kumulativ kann dadurch eine kürzere Krankenhausverweildauer erreicht werden, mit Reduktion der Gesamtkosten. Diese Therapiestrategie ist sehr abhängig von der Grösse und Anzahl der Lebermetastasen sowie insbesondere der chirurgischen und institutionellen Expertise. Nicht jeder Chirurg ist in der Lage, eine Major-Hepatektomie durchzuführen. Weiterhin gibt es, zumindest beim Rektumkarzinom, wenig Daten hierzu.
«Liver first»-Approach
Beim «neuen» Approach oder «Liver first»-Approach oder «reversed Strategie» wird zunächst eine systemische Chemotherapie durchgeführt. Danach erfolgt die Operation der Lebermetastasen, gefolgt von der Operation des Primarius. Bei einem Rektumkarzinom des mittleren und unteren Rektums wird hierbei eine Radio-Chemotherapie zwischen die Leber- und Rektumoperation geschaltet (Abb. 2).
Abb. 2: Behandlungsschema nach Tumorboardentscheid «Liver first»-Approach bei Clarunis (Universitäres Bauchzentrum Basel). FOLFOXIR: Folinsäure, 5-Fluorouracil, Oxaliplatin, Irinotecan; RCT: Radiochemotherapie; RT: Radiotherapie
Vorteil: Durch den Start der Chemotherapie werden gleichzeitig der Primarius und die Metastasen behandelt, wodurch man ein «Downstaging» oder «Downsizing» erreichen kann. Weiterhin gibt es ein vorgegebenes Zeitfenster für die ggf. notwendige Radio- oder Radio-Chemotherapie. Auch eine zweizeitige Resektion bei ausgedehntem Leberbefall ist hierdurch sehr gut möglich. Im Falle eines Rektumkarzinoms kann sogar nach Leberresektion eine «Watch& wait»-Strategie diskutiert werden. Auch wenn diese «neue» Strategie mittlerweile seit einigen Jahren durchgeführt wird, gibt es bisher leider nur wenige retrospektive Daten.3–5
Wichtiges zur Leberchirurgie
Die Leberchirurgie sollte nur mit kurativer Intention durchgeführt werden. Die «Debulking»-Operation hat keinen Stellenwert bei der Metastasenbehandlung des kolorektalen Karzinoms. Die Lebertransplantation bei nicht resezierbaren Lebermetastasen hat nur in selektiven seltenen Fällen in wenigen Zentren einen Stellenwert.
Das Überleben der Patienten ist abhängig von der Resezierbarkeit der Lebermetastasen. Die Operation des Primarius in einer metastasierten Situation erzielt im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie keinen Überlebensvorteil. Ziel ist es, eine vollständige Tumorfreiheit zu erreichen.
Von einer gesunden Leber können bis zu 80% des Lebervolumens entfernt werden. Gegebenenfalls kann dies durch eine Pfortaderembolisation oder eine vollständige Deprivation, d.h die Embolisation der korrespondierenden Lebervene, erreicht werden. Bei bilobulärer Metastasierung kann auch durch eine zweizeitige Resektion Heilung erzielt werden. Auch die sogenannte ALLPS(«associating liver partition with portal vein ligation for staged hepatectomy»)-Prozedur gehört hier in das Repertoire des Leberchirurgen.
Die optimale Therapiesequenz ist weiterhin Gegenstand der Diskussion. In einer kürzlich veröffentlichten Publikation zeigte sich aber bei einem bilobulären Befall der Leber ein Überlebensvorteil für Patienten in der «Liver first»-Gruppe.
Eine Reoperation der Leber bei erneutem Befall ist mittlerweile ebenfalls Standard und generiert einen Überlebensvorteil für die Patienten. Wichtig ist die Besprechung in einem interdisziplinären Team in Anwesenheit eines erfahrenen Leberchirurgen.5, 6
Literatur:
1 Zou H et al.: Colorectal liver metastasis: molecular mechanism and interventional therapy. Signal Transduct Target Ther 2022; 7(1): 70 2 Ivey GD et al.: Current surgical management strategies for colorectal cancer liver metastases. Cancers 2022; 14(4): 1063 3 Adam R et al.: Managing synchronous liver metastases from colorectal cancer: a multidisciplinary international consensus. Cancer Treat Rev 2015; 41(9): 729-41 4 Ivey GD et al.: Current surgical management strategies for colorectal cancer liver metastases. Cancers 2022; 14(4): 1063 5 Newhook TE et al.: Colorectal liver metastases: state-of-the-art management and surgical approaches. Langenbecks Arch Surg 2022; online ahead of print 6 Giuliante F et al.: Liver first approach for synchronous colorectal metastases: analysis of 7360 patients from the LiverMetSurvey Registry. Ann Surg Oncol 2021; 28(13): 8198-208 7 Martin J et al.: Colorectal liver metastases: current management and future perspectives. World J Clin Oncol 2020; 11(10): 761-808
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...