© Translational Research Laboratory, Melanoma Institute Australia

Therapieresistente Tumoren

Der Schlüssel zur Kreuzresistenz bei Melanomen

Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen um Anna Obenauf, PhD, vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien hat untersucht, wie zielgerichtete Therapien die Wirksamkeit einer nachfolgenden Immuntherapie bei Melanompatienten beeinflussen können. Es zeigte sich, dass zielgerichtete Therapien unter bestimmten Umständen die Wirksamkeit von Immuntherapien gefährden. Eine wichtige Erkenntnis, da diese Therapien bisher häufig in genau dieser Reihenfolge verabreicht wurden.

Keypoints

  • Tumorresistenzen stellen ein häufiges Problem in der Krebstherapie dar.

  • Wenn eine Therapieform die Bildung einer Resistenz gegen eine andere Therapieform auslöst, so spricht man von Kreuzresistenz.

  • Forscher*innen zeigten nun anhand von Hautkrebs bei Mäusen, dass eine Resistenz gegen eine zielgerichtete Therapie eine Kreuzresistenz gegen eine Immuntherapie auslösen kann.

  • Gezielte klinische Studien müssen nun die Übertragbarkeit der Studie auf humane Tumoren aufzeigen; möglicherweise sollte eine zielgerichtete Therapie nicht bis zum Erwerb einer Resistenz als erste Therapieform eingesetzt werden.

Die zielgerichtete und die Immuntherapie stellen aktuell die wichtigsten Säulen der Krebsbehandlung dar und kommen oft bei denselben Patient*innen zur Anwendung.

Zielgerichtete Therapien werden dabei meist so lange verabreicht, bis eine Tumorresistenzentwicklung auftritt, danach wird auf die Immuntherapie zurückgegriffen. Diese Strategie weist aber große Nachteile auf: Manche Patient*innen zeigen ein schlechtes Ansprechen auf die Immuntherapie im zweiten Schritt. In einem solchen Fall spricht man von Kreuzresistenz. Interessanterweise schaffen es Tumoren dabei, sich aufeinanderfolgenden Therapien zu entziehen, obwohl deren Wirkungsweise völlig unterschiedlich ist.

Dieses interessante Phänomen weckte die Neugierde von Anna Obenauf, die seit 2016 am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) am Vienna BioCenter in Wien eine Arbeitsgruppe leitet und dort die molekularen Grundlagen von Metastasenbildung und Therapieresistenzen erforscht. Das übergeordnete Ziel der Forschungsgruppe ist es dabei, die Wirksamkeit derzeitig verfügbarer Therapien durch kombinatorische Behandlungsschemata zu verbessern und neue therapeutische Wege zur Bekämpfung von metastasierendem Krebs zu finden.

Das Kreuz mit der Resistenz

Die nun vorgelegte Studie hat ihren Ausgangspunkt aber in einer ganz konkreten Frage: Könnte eine Resistenz gegen eine Therapieform auch einen Einfluss auf ganz andere Behandlungsformen haben? Um darauf eine Antwort zu finden, untersuchten die Wissenschaftler*innen anhand von Hauttumoren bei Mäusen und humanen Melanombiopsien (Abb. 1), wie sich die Resistenz gegen eine zielgerichtete Therapie auf die Zusammensetzung der Tumoren auswirkt – und welchen Einfluss sie auf eine anschließende Immuntherapie hat. Unterstützt wurden die Wiener Forscher*innen dabei von Kolleg*innen an der Medizinischen Universität Wien, dem Schweizer Universitätskrankenhaus Lausanne, Boehringer Ingelheim, der australischen University of Sydney und dem britischen Institute of Cancer Research sowie der MRC Cancer Unit. Die Ergebnisse dieses internationalen Projektes wurden letzten Sommer in „Nature Cancer“ publiziert.

© Translational Research Laboratory, Melanoma Institute Australia

Abb. 1: Immunzellen (rot und magenta) infiltrieren einen Hauttumor in einer Melanombiopsie eines Patienten (gelb)

„Die von uns untersuchten Hauttumoren entwickeln in 75–80% der Fälle eine Resistenz gegen eine zielgerichtete Therapie, was ziemlich alarmierend ist“, fasst Lisa Haas, MSc, eine der beteiligten Forscher*innen, die Ausgangssituation zusammen. „Wir fanden dann heraus, dass eine erworbene Resistenz gegen eine zielgerichtete Therapie einen starken Einfluss auf die Zusammensetzung der Immunzellen des Tumors hat. Und das könnte zu einer Resistenz gegen eine Immuntherapie führen.“

Immunzellen als Schlüssel

Die Forscher*innen entdeckten weiters, dass Tumoren mit Resistenzen gegen zielgerichtete Therapien zu wenige dendritische Zellen aufwiesen (Abb. 2). Diese sind jedoch für die Aktivierung des Immunsystems während der Immuntherapie entscheidend. Die wenigen vorhandenen dendritischen Zellen waren zudem nicht voll funktionell. Infolgedessen war die verabreichte Immuntherapie nicht in der Lage, das Immunsystem anzuregen, wodurch das Tumorwachstum nicht eingedämmt werden konnte.

© IMP/Izabela Krecioch

Abb. 2: Links: Ein Tumor, der gegenüber zielgerichteten Therapien naiv ist, enthält viele dendritische Zellen (fluoreszierend). Rechts: Ein Tumor, der gegen eine zielgerichtete Therapie resistent geworden ist, weist weit weniger dendritische Zellen auf

„Die gute Nachricht ist, dass derzeit klinische Studien laufen, um Strategien zur Aktivierung dendritischer Zellen zu entwickeln und dadurch die Wirksamkeit der Immuntherapie zu verbessern“, erklärt Lisa Haas. „Unsere Arbeit liefert solide Beweise dafür, dass die Resistenz gegen eine Immuntherapie zum Teil durch die Veränderungen entsteht, die in den Tumoren auftreten, nachdem sie gegen eine zielgerichtete Therapie resistent geworden sind.“ Der nächste Schritt der Forscher*innen besteht nun darin, jene Moleküle zu identifizieren, die die Anzahl und Funktion der dendritischen Zellen beeinflussen.

Den Ergebnissen der Studie zufolge ist es also wichtig, Resistenzen gegen zielgerichtete Therapien zu vermeiden, um sicherzustellen, dass eine darauffolgende Immuntherapie wirksam ist. Die zielgerichtete Therapie sollte als erste Behandlung auf einen kurzen Zeitraum beschränkt sein, und ein Wechsel zur Immuntherapie sollte erfolgen, bevor der Tumor Resistenzen aufweist. Bei Krebserkrankungen, die früh erkannt werden, sollte die Immuntherapie die Erstbehandlung darstellen, um Resistenzen zu vermeiden.

„Wir müssen verstehen, wie Therapien den Tumor formen und die spätere Empfänglichkeit für Therapien beeinflussen“, fasst Anna Obenaufzusammen. „Das wird sicherlich neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen und längerfristig die Art und Weise, wie wir Krebspatient*innen behandeln, tiefgreifend verändern.“

• Haas L et al.: Acquired resistance to anti-MAPK targeted therapy confers an immune-evasive tumor microenvironment and cross-resistance to immunotherapy in melanoma. Nature Cancer 2021; DOI: 10.1038/s43018-021-00221-9

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