
©
Getty Images/iStockphoto
Der Höhenflug in der Uroonkologie setzt sich fort
Jatros
Autor:
OA Dr. Franz Stoiber
Abteilung für Urologie und Andrologie Salzkammergut-Klinikum Vöcklabruck<br> E-Mail: franz.stoiber@gespag.at
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Der diesjährige ASCO-Kongress war aus urologischer Sicht sicherlich von den beiden Abirateron-Studien, LATITUDE und dem G-Arm des STAMPEDE-Trials, geprägt, die sogenannte „practice-changing“ Outcomes offenbarten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Mit CHAARTED und STAMPEDE wurde 2015 die Therapie des metastasierten kastrationsnaiven Prostatakarzinoms insofern revolutioniert, als der frühzeitige Einsatz von Docetaxel zusätzlich zur herkömmlich als „standard of care“ (SOC) geltenden alleinigen Androgendeprivation (ADT) das Gesamtüberleben auf bisher noch nie dagewesene Weise verlängerte. Innerhalb einer Dekade stieg damit das Überleben der Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom von knapp 1–3 Jahren auf mittlerweile 5–6 Jahre.<br />Nun wurde in der LATITUDE-Studie Abirateron anstatt Docetaxel mit der ADT kombiniert, womit erneut ein signifikanter Vorteil gezeigt wurde, sowohl in den primären Endpunkten des OS und rPFS als auch in den sekundären Endpunkten. Deswegen wurde diese internationale (in den USA nicht durchgeführte) Phase-III-Studie von Karim Fizazi, die 1199 Patienten einschloss, nach der ersten Interimsanalyse nach 30,4 Monaten Follow-up entblindet und ein Cross-over erlaubt. <br />Das mediane Gesamtüberleben war in der Interventionsgruppe noch nicht erreicht, allerdings hochsignifikant gegenüber dem ADT-Arm mit einem p-Wert von <0,0001 und einer Hazard-Ratio von 0,62 (Abb. 1) verlängert, welche der in der CHAARTED- und der STAMPEDE-Studie entspricht. Das mediane Gesamtüberleben der Kontrollgruppe lag im Rahmen der aus den vorgenannten Studien zu erwartenden 34,7 Monate. Insgesamt bedeutet das Ergebnis, dass das Risiko, am Tumor zu sterben, um 38 % reduziert ist.<br />Das Studiendesign verglich sogenannte Hochrisikopatienten, die konventionelle ADT erhielten, mit solchen, die mit ADT plus täglich 1.000mg Abirateron und 5mg Prednisolon behandelt wurden. Das hohe Risiko war definiert als das Vorhandensein von mindestens 2 der folgenden Faktoren: Gleason Score ≥8, ≥3 Knochenmetastasen oder viszerale Metastasen. Auch diesbezüglich war die Studienpopulation mit der in der CHAARTED-Studie definierten „High volume“-Gruppe vergleichbar. Allerdings waren 95 % der Patienten, die nahezu allesamt einen PS von 0–1 hatten, dieser Hochrisikogruppe zugeordnet, nur wenige Patienten mit PS 2 waren inkludiert.<br />Auch die Zeit bis zur radiografischen Progression war mit 33 Monaten vs. 14,8 hochsignifikant verlängert (HR: 0,47; p<0,001). Die sekundären Endpunkte, wie die Zeit bis zur Schmerz- und PSA-Progression, die Zeit bis zur nächstfolgenden Therapie/bis zum Beginn der Chemotherapie sowie die Zeit bis zum nächsten skelettalen Ereignis waren mit einem p-Wert von 0,009 signifikant verbessert. Am Prostatakarzinom starben bisher 20 % der Patienten im Abirateron-Arm vs. 32 % im Arm mit alleiniger ADT.<br />Das Toxizitätsprofil im experimentellen Arm wies erwartungsgemäß mit 20 % bzw. 10 % höhere Raten von Hypertonie und Hypokaliämie vom Grad 3 auf. Die Rate der Erhöhung der Transaminasen vom Grad 3 lag bei 4 % und die der sog. „cardiac disorders“ bei 3 % .<br />Da das mediane Alter in den Studienkohorten sowohl in den Docetaxel- als auch in den neuen Abirateron-Studien mit ca. 67 Jahren deutlich unter dem der Alltagspopulationen lag und somit die Anwendung von Docetaxel, das ein höheres Toxizitätsprofil aufweist, nicht uneingeschränkt möglich ist, wurde die Zugabe von Abirateron/Prednisolon ziemlich einhellig zum neuen SOC beim Hochrisikopatienten erklärt.<br />Problematisch gesehen wurde neben der sogenannten „Kostentoxizität“ die lang dauernde Steroidexposition, da die Therapiedauer bis zur radiografischen Progression bei etwa 3 Jahren lag. Es wird sich nun zeigen, wie schnell Abirateron/Prednisolon in dieser Indikation zugelassen wird. Die Ergebnisse des G-Armes der STAMPEDE-Studie, die parallel zur LATITUDE-Studie am ASCO-Kongress vorgestellt und schon am Präsentationstag im NEJM publiziert worden sind, sollten diese Zulassung allerdings beschleunigen.<br />1917 Personen aus der nun über 9000 Patienten umfassenden STAMPEDE-Kohorte wurden für diese Open-Label-Studie herangezogen, in der die Zugabe von Abirateron 1000mg/Prednisolon 5mg zur ADT mit dem SOC in STAMPEDE (ADT + RT) im kastrationsnaiven Stadium verglichen wurde. 52 % der Patienten waren de novo metastasiert, 20 % hatten positive Lymphknoten und bei 28 % war der Tumor lokal fortgeschritten. <br />Die Analyse wurde 2004 geplant und wie LATITUDE initiiert, als die Docetaxel-Studien bereits rekrutiert hatten, sodass der Komparator in beiden Abirateron-Studien ADT und nicht ADT + Docetaxel war.<br />Dennoch ähneln die Ergebnisse der STAMPEDE-Studie, deren einziger primärer Endpunkt das Gesamtüberleben war, denen der LATITUDE insofern, als die Überlebensrate um 37 % erhöht wurde (HR: 0,63) (Abb. 2), dies bedeutet ein Überleben von 6–7 Jahren gegenüber einem von 40 Monaten in der Gruppe mit alleiniger ADT.<br />Auch die sekundären Endpunkte, wie „failure-free survival“ (FFS) mit einer unglaublichen HR von 0,29 und die radiologische bzw. klinische Progression mit einer HR von 0,40, waren mit einem p-Wert von <0,001 sowohl für die metastasierte als auch für die Lymphknoten-positive Gruppe bzw. die Gruppe mit lokal fortgeschrittenen Tumoren hochsignifikant. Das Gleiche gilt für das Auftreten der ersten skelettalen Ereignisse. <br />Nach 40 Monaten Follow-up waren 76 % vs. 82 % in der Gruppe mit alleiniger ADT am Prostatakarzinom gestorben. Das bedeutet, dass sowohl Patienten mit Metastasen als auch Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren ohne Metastasen von der Addition von Abirateron zum SOC ADT hinsichtlich des Gesamtüberlebens profitierten, das wiederum die LATI­TUDE-Daten bestätigt.<br />Das Toxizitätsprofil zeigte eine Rate an Nebenwirkungen der Grade 3–5 von 47 % im Kombinationsarm gegenüber 33 % im ADT-Arm, wobei Hypertonie vom Grad 3 (5 % ), Transaminasenerhöhung vom Grad 3 (7 % ) und Hypokaliämie (1 % ) die häufigsten Nebenwirkungen waren.<br />Mit großer Spannung erwartet werden nun sowohl die Studie zur Kombination von Abirateron und Docetaxel mit ADT im Rahmen der Studie PEACE 1 als auch die Studie SWOG 1216, die ADT vs. ADT und TAK 700 (Orteronel) vergleicht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_s68_2.jpg" alt="" width="1455" height="2045" /></p> <h2>Therapiesequenz beim kastrations­resistenten metastasierten Prostatakarzinom weiterhin unklar</h2> <p>Im Stadium des kastrationsresistenten metastasierten Prostatakarzinoms ist zwar die Zahl der Therapieoptionen gestiegen, doch bleibt wegen fehlender Biomarker die Therapiesequenz weiterhin unklar. Einen kleinen Beitrag zur Klärung dieser brennenden Problematik lieferten die Studien von Chi et al. und Attard et al. im chemonaiven Setting. Erstere ist eine randomisierte kanadische Phase-II-Studie mit einem Cross-over von Enzalutamid zu Abirateron nach Progression. Es wurden zwar keine endgültigen Ergebnisse zum Cross-over-Effekt präsentiert, jedoch sind diese Daten von 200 Patienten die ersten randomisierten Vergleichsdaten zwischen Abirateron und Enzalutamid.<br />Der PSA-Response nach 12 Wochen war mit Enzalutamid etwas höher, jedoch war die Zeit bis zur ersten Progression als sekundärer Endpunkt mit 7,4 Monaten ident. Diese Studie ist eine von 4 Phase-II-Studien der letzten beiden Jahre, die die Sequenz Abi-Enza vs. Enza-Abi untersucht haben, und die Daten von Miyake et al., Terada et al. und Maughan et al. zeigten, dass die Sequenz Abi-Enza wohl von Vorteil in Bezug auf das PFS, vor allem das PSA-PFS, nicht aber in Bezug auf das OS sein könnte, wenngleich das Ansprechen auf das nachfolgende Androgen­rezeptor­(AR)-gerichtete Agens infolge der Kreuzresistenz immer schlechter war. <br />Die finale Analyse des primären Endpunktes, des Cross-overs, muss abgewartet werden, um definitive Aussagen über die Sequenzierung zu erhalten. Bestätigende Phase-III-Studien sind im Laufen.<br />Ein weiterer Endpunkt der Studie von Chi et al. war die Korrelation der zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA), die ca. 2 % der zirkulierenden freien DNA (cfDNA) ausmacht, mit der Sequenzierung. Dabei war die Detektion einer quantifizierbaren ctDNA ein schlechter prognostischer Faktor und vergesellschaftet mit weiteren bekannten negativen Prognosefaktoren wie höherem PSA, LDH, AP und höherer cfDNA. Mit dieser Technologie könnten nun allerdings somatische und „Germ-line“-Mutationen und Rearrangements, insbesondere solche, die im DNA-Repair-Mechanismus involviert sind, wie BRCA2 und ATM, entdeckt werden, die die Zeit bis zur Progression und zum Auftreten von Resistenzen verkürzen. Der Detektion von Biomarkern für das kastrationsresistente Prostatakarzinom aus löslichen Blutbestandteilen scheinen wir damit einen Schritt näher zu kommen.</p> <h2>PLATO-Studie</h2> <p>Die für den Alltag relevante PLATO-Studie, eine internationale Phase-IV-Studie von G. Attard et al., randomisierte 250 Patienten nach PSA-Progression unter Enzalutamid in einen Enzalutamid-Maintenance/Abirateron- und einen Abirateron/Placebo-Arm. Der primäre Endpunkt, das PFS (definiert als klinischer oder radiografischer Progress oder Tod) war mit 5,7 Monaten vs. 5,6 ident. Weder die Komplettierung der Androgenrezeptorblockade mit Abi/Enza noch der Wechsel auf Abirateron-Monotherapie zeigte einen PFS-Vorteil. Zusätzlich trug eine Erhöhung der hepatischen Toxizität und der Hypertonie zur Negativität der Studie bei. Es gilt nun das Ergebnis der Phase-III-Studie – Abi/Enza versus Enza – abzuwarten, um festzustellen, ob die Zugabe eines weiteren AR-gerichteten Agens von Vorteil ist.</p> <h2>Weitere negative Biomarker-Studie</h2> <p>Eine als Biomarker-Studie geplante weitere negative Studie von M. Hussain verglich Abirateron alleine vs. Abirateron in Kombination mit dem PARP-Inhibitor Velaparib in Hinsicht auf den ETS-Status und das PFS. Eine Subanalyse zeigte allerdings, dass sich bei Patienten mit einer DNA-Repair-Defizienz (DRD), die in knapp 25 % der CRPC-Fälle auftritt, das PFS unabhängig vom Therapiearm doppelt so lang war wie bei Patienten mit Wildtyp. Diese Patienten wiesen auch signifikant höhere PSA-Werte und höhere Raten an messbarer Tumor-Response auf, die auch länger anhielt als bei den Wildtyp-Patienten. <br />Die Mutationen im DNA-Repair-Mechanismus, allen voran BRCA2 und ATM, könnten daher als vielversprechende Kandidaten für einen Biomarker fungieren.<br />Patienten mit diesen Mutationen sprechen offensichtlich nicht nur auf platinhältige Chemotherapien oder PARP-Inhibitoren an, sondern wohl auch auf Abirateron. Insgesamt steht dies im Widerspruch zur Arbeit von Chi et al., wonach ein DRD mit BRCA-Mutationen zu einem schlechterem Ausgang führt. <br />Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass eine gegen den AR gerichtete Therapie zu einem reduzierten Double-Strand DNA-Break Repair und somit zum schnelleren Zelltod führt.</p> <h2>Studie zur erweiterten pelvinen Lymphadenektomie (ePLND) möglicherweise von klinischem Interesse</h2> <p>Von klinischem Interesse könnte eine als Poster publizierte, brasilianische operative Phase-III-Studie werden, in welcher 291 Patienten zur erweiterten pelvinen Lymphadenektomie (ePLND) vor radikaler Prostatektomie und einer limitierten Lymphknotenentfernung (lPLND) randomisiert worden sind. Es waren nur Patienten mit intermediärem oder hohem Risiko nach D’Amico eingeschlossen und in beiden Gruppen fanden sich ca. 60 % Patienten mit >pT3a-Histologien.<br />In der ePLND-Gruppe gab es mit 17 vs. 3 erwartungsgemäß mehr entfernte und letztlich auch 6x mehr positive Lymphknoten, wobei positive Lymphknoten auch in der Gruppe mit intermediärem Risiko gefunden wurden. Weiters waren die Operationszeiten länger und die Raten an Komplikationen nach der Clavien-Dindo-Klassifikation erhöht. <br />Letztlich konnte nur ein exakteres Staging erzielt werden, jedoch wurden weder ein längeres Gesamtüberleben noch eine geringere Metastasierungs-, Bestrahlungs- und ADT-Rate erreicht. Der Nachbeobachtungszeitraum lag allerdings bei nur 35,2 Monaten, sodass noch keine endgültigen Aussagen getroffen werden können.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>beim Verfasser</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...